Protocol of the Session on October 25, 2001

Der Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2160 wurde in der 69. Sitzung am 26. Januar 2001 an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Vockert. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon vor mehr als 30 Jahren hat man das Problem richtig erkannt. Wie Finger einer Hand erschließen Autobahnen die niedersächsischen Küstenregionen von Süd nach Nord. In West-Ost-Richtung hingegen quält sich der Verkehr regelrecht über die Landes- und Bundesstraßen.

Schon Ende der 60er-Jahre ist das Projekt mit dem Arbeitstitel „A 22“ sehr umfangreich untersucht worden. Von 1982 bis 1994 - meine Damen und Herren, Sie alle hier im Hause wissen es - war diese Küstenautobahn im niedersächsischen Landes-Raumordnungsprogramm ausgewiesen. Die SPD hat sie aber dann 1994 gestrichen. Nach unserer Einschätzung war das eine totale Fehlentscheidung für die gesamte Region.

(Beifall bei der CDU - Mientus [SPD]: Das sagst du immer und hast es nie bewiesen!)

- Das ist sehr wohl bewiesen, wenn man sich ansieht, wie sich andere Regionen wirtschaftlich und strukturell entwickelt haben. Udo Mientus, Sie wissen das selbstverständlich besser. Aber ich akzeptiere, dass Sie wieder einmal im Protokoll stehen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Mientus, wie hätte sich das ElbeWeser-Dreieck bis heute entwickelt, wie hätte sich die Region Weser-Ems bis heute entwickelt, wenn man die Küstenautobahn damals im LandesRaumordnungsprogramm belassen hätte? Sie würde dann jetzt möglicherweise im Bundesverkehrswegeplan stehen.

Aber wie sagte Herr Kollege Beckmann in der ersten Beratung unseres Antrags? - Jedes Thema braucht seine Zeit. - Manchmal verpasst man aber auch Chancen, wenn man Zeit verstreichen lässt oder Planungen nicht intensiv betreibt. Ich fand es faszinierend, wie Innenminister Bartling vor zwei Tagen in dem Gremium „Gemeinsame Landesplanung“ - das inzwischen in RAG, „Regionale Arbeitsgemeinschaft“, umbenannt worden ist - deutlich gemacht hat, dass das Elbe-Weser-Dreieck die Chance verpasst hat, sich infrastrukturell weiterzuentwickeln, weil die A 26, Herr Kollege Behr, noch nicht durchgesetzt worden ist. Deshalb ist z. B. das geplante neue BMW-Werk nicht in Stade angesiedelt worden.

(Biel [SPD]: Das ist doch absoluter Quatsch!)

Anderenfalls hätten wir verdammt viele Arbeitsplätze geschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Ich fand es toll, dass der Innenminister das gesagt hat. Herr Kollege Biel, wenn Sie meinen, dass das Quatsch ist, dann setzen Sie sich diesbezüglich mit dem Innenminister auseinander.

(McAllister [CDU]: Wo ist der denn überhaupt? - Biel [SPD]: Was der In- nenminister gesagt hat, habe ich nicht gehört! Aber was Sie gesagt haben, habe ich gehört! - Weitere Zurufe von der SPD)

Für uns steht fest, meine Damen und Herren, dass sich eine solche Tragödie nicht wiederholen darf. Umso mehr freuen wir uns, dass Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sich auf unseren Antrag zum Thema Küstenautobahn eingelassen haben und wir ihn heute, so hoffe ich, gemeinsam verabschieden werden.

Fest steht, dass wir die Küstenautobahn von Westerstede über den Wesertunnel nach Beverstedt, Bremervörde bis hin zum Anschluss der A 20 bei Stade brauchen. Wir brauchen sie schon deshalb - nicht nur, aber auch -, weil die gesamte Region geschlossen dahinter steht, und zwar parteiübergreifend, wenn ich die Grünen einmal ausnehme, die ja gegen jedes Straßenbauprojekt Einwände haben.

Wir brauchen die Küstenautobahn aus drei Gründen ohne Wenn und Aber:

Es steht fest, dass am 7. November die zweite Röhre des Weser-Tunnels fertig gestellt wird. 2003 wird der Weser-Tunnel endgültig fertig sein. Dann werden wir eine fantastische Verbindung haben. Wenn wir einmal sehen, wie sich die Verkehrswege über Hamburg entwickeln: Die stoßen jetzt auf die A 1, und schon steht man im Stau. Über die Küstenautobahn hingegen wird der gesamte norddeutsche Raum an die Transitverkehre angeschlossen und kann sie dann auch bewältigen.

Wir brauchen die Küstenautobahn aber auch deshalb, weil sie sowohl für die Region Weser-Ems als auch für das Elbe-Weser-Dreieck ein strukturpolitischer Gewinn ist. Sie ist der Wirtschaftsfaktor

Nr. 1. Das ist zumindest bei der SPD und bei der CDU bisher immer unstrittig gewesen.

Schließlich brauchen wir die Küstenautobahn, weil sie eine Verbesserung der Hinterlandanbindung der Nordseehäfen Cuxhaven, Bremerhaven, Brake und Wilhelmshaven bewirkt.

Vor diesem Hintergrund ist es richtig, meine Damen und Herren, dass wir heute parteiübergreifend, SPD und CDU, die Niedersächsische Landesregierung auffordern, die Küstenautobahn wieder in das niedersächsische Landes-Raumordnungsprogramm aufzunehmen, die Fehlentscheidung von 1994 zu korrigieren und dies hier als politische Willenserklärung zu verankern.

Wir von der CDU freuen uns genauso, dass es uns gelungen ist, dass auch Sie sich durch unseren gemeinsamen Antrag mit dafür einsetzen werden, dass diese Landesregierung aufgefordert wird, sich mit Nachdruck bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass die Küstenautobahn im neuen Bundesverkehrswegeplan als vordringlicher Bedarf verankert wird.

Lassen wir also nicht noch mehr Zeit verstreichen! Ergreifen wir die erste wichtige Initiative, gehen wir diesen Schritt in die richtige Richtung für die gesamte Region und stimmen Sie diesem Antrag hier und heute zu!

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Wenzel, Sie haben sich jetzt zu diesem Antrag zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Vockert, Sie haben hier eine sehr nette Rede gehalten. Aber ich vermisse leider immer noch die Antworten auf die Fragen, die wir beim letzten Mal gestellt haben, nämlich: Warum ist diese Autobahn ein strukturpolitischer Gewinn? Ist sie tatsächlich die wirtschaftspolitische Nr. 1? Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass Sie das als ästhetisches Problem sehen: Wenn man auf die Karte guckt, dann fehlt da sozusagen noch eine Linie, die Sie da gerne haben wollen.

(McAllister [CDU]: Das haben Sie schon mal erkannt!)

Ich merke nur immer wieder: Beim Autobahnbau spielt das Thema Finanzen keine Rolle. Allein zur Finanzierung des alten Bundesverkehrswegeplans haben wir beim vordringlichen Bedarf Löcher von 80 bis 90 Milliarden DM. Aber wir hinterfragen nicht, was die wirklich vordringlichen, die wirklich wichtigen Projekte sind, sondern alles, was auf die Platte kommt, wird gefordert. Die Frage, was einer strukturschwachen Region - das ist in der Tat die Kernfrage - wirklich hilft, wird nicht gestellt. Die Landesregierung traut sich noch nicht einmal, ihre Prioritätenliste zu veröffentlichen,

(McAllister [CDU]: Das stimmt!)

weil dann nämlich deutlich würde, dass alle die Projekte, die hinten stehen, wahrscheinlich nur haltlose Versprechen sind. Im Notfall werden die Finanzprobleme einfach ignoriert, so wie hier beim Thema Küstenautobahn, und man verweist stattdessen auf die vermeintliche wirtschaftliche Bedeutung einer neuen Autobahn.

Doch hier beginnt die argumentatorische Sackgasse. Zur Frage der strukturpolitischen Bedeutung von Autobahnen - ich darf kurz daran erinnern hat die Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung festgestellt, dass der Fernstraßenbau gerade in peripheren ländlichen Räumen keine direkten Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung und damit auch auf die Wirtschaftsentwicklung in diesem Raum hat.

(Frau Vockert [CDU]: Das ist völlig falsch!)

Gleiches haben die Briten ermittelt, und zwar auch in strukturschwachen Räumen. Sie haben festgestellt, dass Straßenbau nicht der Schlüssel zu mehr Wirtschaftswachstum in strukturschwachen Räumen ist. Das mag in Ballungszentren vielleicht anders aussehen; dazu liegen mir keine Untersuchungen vor, die das explizit so ausführen.

(Beckmann [SPD]: Für Hannover halten Sie das für sinnvoll, aber nicht für die Region!)

1998 sagte das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, es gebe sogar Absaugeffekte, also negative Effekte für strukturschwache Regionen. Das hat auch Ministerpräsident Gabriel festgestellt. Nur, er zieht daraus keine Konsequenzen. Am „Tag des niedersächsischen Mittelstandes“ am 25. Juni dieses Jahres hat er erklärt, dass seine Heimatstadt jahrelang für einen Autobahnan

schluss gekämpft habe und jetzt, da es diesen gebe, werde er von vielen genutzt, um in die nächstgelegene Großstadt zum Einkaufen zu fahren.

(McAllister [CDU]: Dann müssen wir die Autobahn zurückbauen!)

Das ist erstaunlich. Das ist wirklich ein interessantes Zitat von Herrn Gabriel. Es zeigt aber, dass sich die Alltagserfahrungen von Herrn Gabriel hier ausnahmsweise einmal mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Briten und auch unserer Fachleute für diesen Bereich hier in Deutschland decken.

Glücklicherweise geht die Bundesregierung mit diesem Thema etwas seriöser um. Ich gehe davon aus, dass die neue Methode des Bundesverkehrswegeplanes zu seriöseren Kosten/Nutzen-Schätzungen kommt und dass auch Raumwirksamkeitsanalysen dabei eine Rolle spielen.

Herr Kollege Wenzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich habe nur noch zehn Sekunden.

(Klare [CDU]: Die sind jetzt aber um!)

Deshalb möchte ich das erst einmal zu Ende ausführen. Danach gerne. - Daher sehen wir die ganze Diskussion eigentlich ganz gelassen. Erstens ist ohnehin nicht genug Geld für eine neue Küstenautobahn vorhanden, und zweitens wird die Autobahn eine objektive und sachliche Überprüfung nicht überstehen.

(Frau Vockert [CDU]: Doch!)

Traurig ist nur, dass Sie trotzdem Planungskapazitäten einsetzen wollen, die man eigentlich besser nutzen könnte. Ich wünsche mir: Geben Sie hier nicht wieder ein Versprechen, das sich am Ende nicht halten lässt. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - McAl- lister [CDU]: Das war eine enttäu- schende Rede!)

Danke schön. - Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Kollege Beckmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist für mich eine besondere Freude, dass ich noch die Chance habe, zu diesem Thema hier reden zu können.

(Beifall bei der SPD)

Frau Vockert, ich habe im Januar, als wir beide hier auch zu diesem Thema gesprochen haben, gesagt, dass es uns gelingen wird, hier im Parlament eine große Mehrheit für die Küstenautobahn zu erreichen, und dass wir sehr viel Gemeinsamkeit finden werden. Ich gehe davon aus, dass der vorliegende Antrag gleich eine große Mehrheit bekommen und verabschiedet wird; denn CDU und SPD sind sich in dieser strukturpolitisch so bedeutenden Frage einig. Von daher hätten wir auf diese geschichtlichen Rückblicke durchaus verzichten können.