Protocol of the Session on October 24, 2001

Ich unterstütze ausdrücklich diese Einschätzung der Polizei. Ich sehe mich hier in großer Einigkeit mit fast allen Politikern des Kreistages LüchowDannenberg, der in seiner letzten Sitzung die Absage des Transports gefordert hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich halte das, was die Gewerkschaft und der Kreistag Lüchow-Dannenberg fordern, nicht für eine Instrumentalisierung, sondern für eine angemessene Reaktion.

Meine Damen und Herren, wir unterstützen alle Maßnahmen gegen den Terrorismus, wenn sie rechtstaatlich, angemessen und zielgerichtet sind. Die Herausforderungen, vor die wir uns seit dem 11. September gestellt sehen, dürfen nicht mit parteitaktischem Kalkül beantwortet werden. Wer der Verlockung erliegt, aus der terroristischen Bedrohung Kapital für den Kampf um die Meinungsführerschaft in der Innen- und Sicherheitspolitik zu ziehen, der verkennt die Dimension des Problems.

Herr Ministerpräsident, Sie sagten, unsere Republik müsse nicht ihr Gesicht verändern, sondern müsse ihre Zähne zeigen. Ich glaube, dass Politik in dieser Situation mehr sein muss, als kraftvoll zubeißen zu wollen. Ich glaube, dass wir mehr kluge Vernunft brauchen. Kluge Vernunft muss uns leiten und nicht wahlkämpferischer Affekt. Leider sehe ich diese Voraussetzungen auch in Niedersachsen nicht als gegeben an; denn die wochenlangen populistischen Schlagzeilen, die von der Landesregierung und vom Ministerpräsidenten in Niedersachsen produziert worden sind, lassen sich, so wohl gesetzt die Worte waren, auch durch eine staatsmännisch angelegte Regierungserklärung nicht wieder aus der Welt schaffen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Schwarzenholz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist die zweite Plenarsitzung nach dem Terroranschlag, und ich glaube, wenn man ganz nüchtern über die Frage nachdenkt, was die Terroristen erreicht haben, muss man sich bedrückt eingestehen: Sie haben viel erreicht. Die heutige Debatte macht das deutlich.

Die Terroristen haben u. a. erreicht, dass sich das innenpolitische Klima grundlegend verändert. Sie wollen ein politisches System angreifen, das ihnen zutiefst zuwider ist, aus einer feudalistischen Weltanschauung heraus, aus einem Weltbild heraus, das nicht damit leben kann, dass es demokratische und

friedliche Verhältnisse gibt. Es ist kein Kampf, der sich gegen die Reichen richtet, es ist ein Kampf, der geführt wird, um ein weltpolitisches Bild durchzusetzen. Das hat auch nichts mit Islam oder Christentum oder mit den Wechselbeziehungen zu tun.

Die Terroristen haben viel erreicht. Sie haben destabilisiert, und sie haben leider auch etwas erreicht, das heute noch nicht erwähnt worden ist. Sie haben erreicht, dass es eine Reihe von Trittbrettfahrern gibt, die mit ganz miesen Anschlägen Menschen in Angst und Schrecken versetzen. Das geht in unseren täglichen Bereich hinein. Ich muss Angst haben, dass meine Mitarbeiterin gefährdet wird, wenn sie meine Briefe öffnet. Die Beschäftigten in der Poststelle dieses Hauses sind durch solche Attacken gefährdet. Es ist übel, was diese Terroristen erreicht haben.

Aber wir haben es in der Hand, die innenpolitischen Wirkungen mit zu bestimmen. Wir sind ja nicht Getriebene, sondern wir sind diejenigen, die hier gestalten. Herr Ministerpräsident, Sie haben heute wichtige Fragen aufgeworfen. Ich frage mich: Sind Sie wirklich in der Lage, die Schlussfolgerungen, die Sie formuliert haben, auch logisch zu begründen, z. B. die Rasterfahndung? In den Ländern, in denen diese so genannten Schläfer sich bekanntermaßen aufgehalten haben, galt die Rasterfahndung. Was hat es genützt?

Gibt es eine ernsthafte polizeiliche Analyse zu dem Gesetz, das Sie uns heute zur Beratung vorlegen, die eine auch nur annähernde Wahrscheinlichkeit bietet, dass diese Instrumente, bezogen auf diesen Terroristenkreis, tatsächlich Wirkung entfalten können? - Nein, es gibt sie nicht, es kann sie nicht geben. In erster Linie werden diese Maßnahmen aus Gründen politischer Opportunität gemacht, weil man im Mainstream nicht als politischer Schwächling dastehen will.

Sie haben damit eine Flanke geöffnet, die Sie jetzt auch konsequent aufmachen müssen. Wenn Sie sich weigern, z. B. die Rasterfahndung wie in Schleswig-Holstein mit einem gerichtlichen Vorbehalt rechtstaatlich zumindest abzumildern, wenn Sie sich weigern, diese Maßnahme zeitlich zu begrenzen, dann treiben Sie die ganze Geschichte auf die Spitze. Das destabilisiert den demokratischen Rechtsstaat. Es gilt, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sowohl in der Innenpolitik als auch in der Außenpolitik zu verteidigen. Es geht darum, staatliches Handeln auf das Maß zu begrenzen, das

Freiheitsrechte nur insoweit einschränkt, als es absolut notwendig ist. Man muss die Dinge tun, die notwendig sind, um Terrorismus zu bekämpfen - das ist keine Frage -, aber man muss alle Dinge vermeiden, die Unschuldige wahllos in Gefahr bringen.

Vielleicht haben Sie sich gestern die Zeit genommen und die Eröffnung der Technischen Universität Harburg, die ja durch diese Terroranschläge ins Gespräch gekommen ist, und die Interviews mit den ausländischen Studenten dieser Universität verfolgt. Bei den ausländischen Studenten herrscht Verunsicherung und zum Teil Angst davor, dass sie keine Wohnungen mehr kriegen, dass sie misstrauisch angesehen werden und unter Generalverdacht stehen. Das ist die Folge eines innenpolitischen Klimas, dem wir entschiedener begegnen müssen. Wir müssen alles unterlassen, was Generalverdacht auslöst. Sie haben Recht, Herr Ministerpräsident, es ist eine Folge der Terroranschläge, es ist aber auch eine Folge von Reaktionen, und die müssen verhältnismäßig sein.

Herr Innenminister, Sie haben einen sehr wichtigen Punkt angesprochen. Es gibt Punkte, an denen man real etwas für mehr Sicherheit tun kann. Tatsache ist, dass sich diese Terroristen in ihrer perversen Logik Ziele aussuchen, bei denen sie den maximalen Schaden anrichten können. Es liegt in der Logik dieser Perversion, z. B. zu überlegen, Angriffsziele zu wählen, die uns komplett aus der Bahn werfen würden. Sie haben es richtig benannt: Das sind als technische Einrichtungen in erster Linie die Atomkraftwerke, und zwar die in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke.

Herr Ministerpräsident, die Landesregierung ist dafür verantwortlich, rechtliche Konsequenzen zu prüfen, die sich aus einer veränderten Lage ergeben. Eine dieser Veränderungen, die sich ergeben haben, ist die Tatsache, dass bei Genehmigung dieser Anlagen diese Risiken im Bereich des Restrisikos als vernachlässigbar angesiedelt worden sind. Zwischenzeitlich ist diese Genehmigungsgrundlage nicht mehr zu halten, das wissen Sie. Wenn Sie Ihre Juristen fragen, werden Sie erfahren, dass wir jetzt eine Genehmigungsüberprüfung durchführen müssen, weil es sich nicht mehr um ein Restrisiko handelt. Ich fordere Sie und auch den Herrn Umweltminister auf: Bitte gehen Sie diese Frage so an, dass hier eine Antwort gegeben wird, die dieses Risiko tatsächlich dauerhaft beseitigt. Sie können sich mit den Antworten, die Sie

bisher dazu gegeben haben, nicht aus der politischen Debatte verabschieden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur Aussprache über die Regierungserklärung liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen jetzt noch vor der Mittagspause zu den Tagesordnungspunkten 6 bis 10 in der Hoffnung, dass auf eine Berichterstattung verzichtet wird und es auch keine weiteren Wortmeldungen gibt. Wir haben das Thema, um das es in diesen Tagesordnungspunkten geht, wie ich subjektiv meine, hinreichend besprochen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6: Zweite Beratung: a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 14/2730 - b) Bessere Video-Überwachung von gefährlichen Plätzen in Niedersachsen Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2553 Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung - Drs. 14/2786

Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Niedersachsen (Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz - NVerfSchG) Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 14/2780

Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung: Neue Herausforderungen in der inneren Sicherheit: Rechtliche Rahmenbedingungen optimieren, Staats- und Verfassungsschutz für Terrorismusbekämpfung stärken, Polizeipräsenz erhöhen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2769

Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung: Stärkung des Verfassungsschutzes - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2773

Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung: Verschärfung des Ausländerrechts - Konsequente Ausweisung extremistischer Ausländer - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2766 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drs. 14/2788 – Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 14/2806

Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, Drucksache 2730, wurde am 26. September 2001 und der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 2553, wurde in der 81. Sitzung am 15. Juni 2001 an den Ausschuss für innere Verwaltung zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist der Kollege Krumfuß. Er gibt jetzt den Bericht zu Protokoll?

(Heiterkeit)

Ich sehe seinem Gesicht an, dass er das machen wird.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich lasse mich eigentlich nicht so leicht beeinflussen,

(Heiterkeit)

aber wenn ich schon so nett aufgefordert werde, tue ich dem Präsidenten auch den Gefallen und gebe den Bericht zu Protokoll.

(Heiterkeit und Beifall)

(Zu Protokoll:)

Mit der Drucksache 2786 empfiehlt Ihnen der federführende Ausschuss für innere Verwaltung mit den Stimmen der Ausschussmitglieder der SPD- und der CDU-Fraktion bei Stimmenthaltung der Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD mit den aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Änderungen anzunehmen. Dieses Votum wird auch vom mitberatenden Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen getragen.

Der Gesetzentwurf sieht die Einführung des Datenabgleichs mit anderen Dateien, der so genannten Rasterfahndung, vor. Ergänzend empfiehlt der federführende Ausschuss, künftig auch die Aufzeichnung der bei offenen Videoüberwachungen öffentlich zugänglicher Orte übertragenen Bilder zuzulassen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden. Damit folgt der Ausschuss einer Anregung des Innenministeriums. Durch die vorgeschlagene Neuregelung sollen sowohl potenzielle Straftäter abgeschreckt als auch eine spätere Strafverfolgung erleichtert werden.

Die Ausschussmitglieder der SPD-Fraktion begründeten die Notwendigkeit der Rasterfahndung und der erweiterten Zulassung von Videoaufzeichnungen im Wesentlichen damit, dass sich auch die nationale Sicherheitslage nach den terroristischen Anschlägen in den USA vom 11. September 2001 grundlegend geändert habe.

Die Vertreter der CDU-Fraktion begrüßten diese Neuregelungen mit der Begründung, damit würden bereits in der Vergangenheit von der CDUFraktion erhobene Forderungen umgesetzt. Ihre weitergehenden Forderungen, den Begriff der öffentlichen Ordnung und den so genannten finalen Rettungsschuss wieder in das Gesetz aufzunehmen sowie die polizeilichen Befugnisse auch an verschiedenen anderen Stellen zu erweitern, wurden von den Vertretern der SPD-Fraktion und dem Ausschussmitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Die Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hielt die mit der Rasterfahndung verbundenen Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen für zu weitgehend. Ihre Forderungen, die Eingriffsvoraussetzungen enger zu fassen, die Rasterfahndung nur auf richterliche Anordnung zuzulassen und sie zudem der parlamentarischen Kontrolle nach § 37 a NGefAG zu unterwerfen, wurden jedoch von den Ausschussmitgliedern der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion abgelehnt.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) lehnte die erweiterte Zulassung von Videoaufzeichnungen als überflüssigen und unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ab; hinsichtlich der Rasterfahndung teilte er im Wesentlichen die Kritik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Ich werde nun die wesentlichen Änderungs- und Ergänzungsempfehlungen des federführenden Ausschusses im Einzelnen erläutern:

Die Änderungsempfehlungen zu § 32 beruhen auf dem Vorschlag, die Anfertigung von Bildaufzeichnungen im Rahmen der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Orte zuzulassen.

Die Regelung des bisherigen Absatzes 2, die schon nach der jetzigen Rechtslage die Aufzeichnung von Personen zulässt, die sich in oder in der Nähe von Objekten im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 aufhalten, wird durch die empfohlene weitergehende Neuregelung in Absatz 3 entbehrlich.

Die bisher in Absatz 3 enthaltene Möglichkeit, ausnahmsweise verdeckte Aufzeichnungen anzufertigen, soll für die öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen nach Absatz 1 bestehen bleiben und wird deshalb nach Absatz 2 verlagert.

Die wesentliche inhaltliche Änderung der Videoüberwachung ist in Absatz 3 Satz 2 enthalten. Danach kann die Polizei die im Rahmen der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Orte übertragenen Bilder aufzeichnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden.