Protocol of the Session on January 25, 2001

Jetzt Frau Harms! Dann Herr Hagenah.

Nachdem die Studie, auf die wir uns bei dieser Dringlichen Anfrage bezogen haben, 1997 in den Schlussfolgerungen jeden anderen äußeren Faktor ausschließt - nach intensiver Begutachtung ist außer der Radaranlage und der Funksendeanlage kein anderer äußerer Faktor für die Verursachung der Krebsfälle gefunden worden -, frage ich noch einmal: Was brauchen Sie? Was fehlt Ihnen an Erkenntnissen, um als Gesundheitsministerin in Niedersachsen an anderen Standorten aktiv zu werden?

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Wichtige Frage!)

Frau Ministerin!

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Harms, das ist eigentlich eine Frage an die Wissenschaftler. Ich als Politikerin muss das zur Kenntnis nehmen, was

uns die Wissenschaftler vorgelegt haben. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass die Wissenschaftler, die Experten in diesem Fall zu dem Ergebnis gekommen sind: Es gibt zwar keinen Nachweis für einen unmittelbaren Zusammenhang, aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es diesen Zusammenhang gibt. - Das finde ich in der Tat so bemerkenswert, dass daraufhin Handlungen zu erfolgen haben; denn wir können nicht warten, bis wir wissenschaftliche Untersuchungen haben, die bei letztlich ja kleinen Fallzahlen - ich weiß, das ist makaber - diesen direkten wissenschaftlichen Zusammenhang nahe legen. Deswegen hat die Landesregierung in Vollersode auch reagiert - so wurde mir berichtet -, und die Bundeswehr hat ebenfalls reagiert. Die Information, die wir seitens der Bundeswehr erhalten haben, ist, dass der Sendebetrieb auf eine Stunde pro Tag reduziert worden ist, um den Schutz der Bevölkerung sicherzustellen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ich sprach von anderen Standorten! Die Frage, welches überhaupt die Anlagen sind, haben Sie auch immer noch nicht be- antwortet!)

Herr Hagenah! Dann Frau Zachow.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erwarte von der Landesregierung eine konkrete Antwort auf die Frage, warum sie zwar 1998 in Vollersode offensichtlich so alarmiert war, dass sie aus Gesundheitsfürsorge dort dafür gesorgt hat, dass die Sendeanlage jetzt nur noch eine Stunde pro Tag sendet, sich aber nicht bemüßigt gefühlt hat, mit ihrem Landesgesundheitsamt auch anderenorts entsprechend Vorsorge zu treffen und an anderen militärischen Standorten im Lande Niedersachsen im Interesse der Gesundheitsvorsorge für die Bevölkerung Messungen oder auch Befragungen der Ärzte durchzuführen. Müssen es dort auch erst Krebstote sein, die Sie auf einen Handlungsbedarf hinweisen? - Das ist, finde ich, eine zynische Einstellung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das waren zwei Fragen. – Frau Dr. Trauernicht!

Sehr geehrte Abgeordnete, Sie wissen, dass ich erst seit fünf Wochen im Amt bin und deswegen auf diese Frage nur begrenzt antworten kann. - Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass ich die Ergebnisse, die mir im Zusammenhang mit dieser Anfrage vorgelegt worden sind, zum Anlass genommen habe, einen Auftrag zu erteilen und dies alles noch einmal prüfen zu lassen. Ich habe aber trotz dieses Auftrages aufgrund meiner bisherigen Recherchen keinen Anlass, anzunehmen, dass irgendetwas nicht verfolgt worden ist, was verfolgbar gewesen wäre.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das verstehe ich nicht!)

So ist z. B. die Vergleichbarkeit dieser Situation in Vollersode mit anderen gar nicht gegeben. Deswegen bedurfte es - -

(Frau Harms [GRÜNE]: Welche Standorte sind denn daraufhin über- haupt überprüft worden?)

- Ehrlich gesagt, ich verstehe Ihre Aufgeregtheit nicht, weil Sie doch den unmittelbaren Zugang zu dem Bundesumweltminister haben, der dieses Thema aktiv hätte in Gang bringen können.

(Frau Harms [GRÜNE]: Machen Sie sich nicht lächerlich! - Wozu brau- chen wir denn dann eine Gesund- heitsministerin?)

Es ist jedem Hinweis auf Häufung nachgegangen worden, und es hat Reaktionen gegeben, die ich gerade beschrieben habe. Es gibt jetzt aber einen weiteren Vorstoß, um sozusagen nicht zu warten, bis die Bevölkerung solche Hinweise gibt, sondern um systematisch und flächendeckend die bislang vorhandenen Informationen auszuwerten und dann gegebenenfalls aktiv zu werden bzw. durch Krebsregister die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass diese Informationen der Landesregierung vorliegen.

Frau Zachow! Dann Herr Klein.

Frau Ministerin, da die Ansage, wir bauen ein Krebsregister auf - zwar erst einmal nur in Weser

Ems -, schon von Ihrem Vorvorgänger stammt, frage ich Sie: Wollen Sie dieses Thema beschleunigen, sodass wir auch in anderen Regierungsbezirken anfangen, ein Krebsregister aufzubauen? Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage lautet: Wenn es stimmt, dass sich nur 20 % der Ärzte daran beteiligen, frage ich Sie: Ist es wirklich wahr, dass die Problematik darin liegt, dass die Fragebögen so kompliziert sind, sodass einfach alles zu lange dauert? Das wird einem gesagt.

Die Antwort bitte!

An Beschleunigung ist die Landesregierung interessiert. Deswegen hat es bereits jetzt eine Aufnahme der Arbeiten im Bereich Lüneburg gegeben. Nächstes Jahr wird man in Braunschweig und übernächstes Jahr in Hannover beginnen. Dies wird also in Schritten vollzogen werden.

(Frau Zachow [CDU]: Schön!)

Hinsichtlich der Komplexität der Fragebögen sage ich: Ich werde diesem Hinweis gerne nachgehen. Aber Sie verstehen sicherlich: Es bedarf einer Mindestsumme an Informationen, um überhaupt hinterher Auswertungen vornehmen zu können. Möglicherweise kann der Fragebogen etwas anders aufgebaut werden. Eventuell kann man in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer auch auf der Fortbildungsebene etwas tun. Wenn Sie sagen, dass dies aus Ihrer Sicht und nach Ihrer Erfahrung ein Hindernis ist, dann gehe ich diesem Hinweis gerne nach.

Herr Klein! Danach Herr Schwarzenholz.

Frau Ministerin, vor dem Hintergrund der Erfahrung, dass uns die Wissenschaft bei der Beurteilung einer Kausalität zwischen Umwelteinflüssen und konkreten Krankheiten, die aufgetreten sind, eigentlich schon immer im Stich gelassen hat und dass es eigentlich nie gelingt, diese Kausalität im juristischen Sinne nachzuweisen, frage ich Sie: Brauchen wir nicht in diesem Bereich endlich eine

Umkehr der Beweislast, d. h. müssten nicht eigentlich die Radarbetreiber erst einmal nachweisen, dass ihre Anlagen unschädlich sind, bevor sie anfangen zu senden?

(Möllring [CDU]: Wollen Sie die ganze Seeschifffahrt einstellen? - Plaue [SPD]: Kennen Sie das Prinzip der Wissenschaft, dass man etwas, was nicht vorhanden ist, auch nicht nachweisen kann?)

Wer möchte antworten? - Herr Bartling!

Herr Klein, es gibt natürlich gesetzliche Vorgaben, die auch eingehalten werden. Das, was überprüft worden ist, zeigt bisher keine signifikante Abweichung. Es gibt für die ganzen Sendeanlagen ein ausgeprägtes, scharfes Genehmigungsverfahren, bei dem auch gesagt wird, welche Grenzwerte eingehalten werden müssen und wie sie eingehalten werden müssen. Nur dann wird genehmigt. Insoweit deutet Ihre Frage ein wenig darauf hin: Wenn ich das in aller Konsequenz verfolgen würde, müsste ich schon bei einem Verdacht dazu kommen, alles abzuschalten.

Zur Bundeswehr kann ich noch einmal sagen, Herr Golibrzuch: Ich habe auf die rechtlichen Bedingungen hingewiesen. Die Wehrbereichsverwaltung im Auftrage des Bundesverteidigungsministeriums überprüft diese Dinge. Wir haben keine Erkenntnisse darüber, dass die das in irgendeiner Weise vernachlässigen. Ich warne davor, auf reine Verdächtigungen hin einen Standort zu schließen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Schwarzenholz! Dann Herr Schröder.

Herr Minister, Sie hatten in einer Ihrer vorhergehenden Antworten darauf verwiesen, dass Sie nichts machen könnten, weil Ihnen praktisch die Wissenschaftler Hindernisse in den Weg legten. Ich verweise auf einen Fall aus dem Anfang der 90er-Jahre, bei dem im Zusammenhang mit dem Einsatz von Computer-Bildschirmen der Verdacht entstand, dass elektromagnetische Strahlung z. B.

bei schwangeren Frauen zu bestimmten Risiken führt. Damals sind in Schweden, ohne dass dieser Verdacht bestätigt wurde, Sicherheitsnormen für die Abstrahlung von Computer-Bildschirmen eingeführt worden.

Kommen Sie bitte zur Frage!

Ich muss aber den Sachverhalt kurz zu Ende schildern, sonst macht die Frage keinen Sinn.

(Heiterkeit – Zuruf von Frau Harms [GRÜNE])

- Wenn man den Sachverhalt nicht schildert, kann man die Frage nicht verstehen. - Diese Bildschirme - Frau Harms, hören Sie doch zu - sind seitdem entstrahlt, obwohl es in Deutschland immer noch Wissenschaftler gibt, die behaupten, das sei alles kein Problem. Es gibt diese strahlenden Bildschirme zwischenzeitlich bei uns auf dem Markt nicht mehr. Ich frage Sie deshalb: Sollte nicht bereits die Beschreibung eines Risikos auch ohne einen abschließenden wissenschaftlichen Nachweis einen politischen Handlungsbedarf auslösen, da sich Politik nicht hinter dem wissenschaftlichen Nachweis verstecken darf? Sollte nicht dieses Beispiel dazu führen, in diesem Bereich initiativ zu werden, indem man z. B. die Standorte von Sendern verändert, aus Bevölkerungsbereichen entfernt?

Die Erklärung war ein bisschen lang, Herr Kollege Schwarzenholz.

(Schwarzenholz (fraktionslos): Das ist aber notwendig, sonst ist die Frage nicht sinnvoll!)

Versuchen Sie, sie in einen Nebensatz zu kleiden. Dann geht es.

Ich versuche, die Fragen umso kürzer zu beantworten, meine Damen und Herren, indem ich darauf hinweise, Herr Schwarzenholz, dass sich natürlich - das Beispiel, das Sie genannt haben, ist vielleicht ein sehr typisches Beispiel dafür - wissenschaftliche Erkenntnisse fortentwickeln und dass z. B. Grenzwerte durch neue wissenschaftli

che Erkenntnisse verändert werden und man dann anpasst. Aber einfach nur auf Verdacht hin, ohne auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es zurzeit gibt, Rücksicht zu nehmen, Maßnahmen zu ergreifen, das halte ich für einen sehr problematischen Weg. Ich habe noch ein gewisses Vertrauen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Schröder! - Dann Herr Wenzel.

Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass die erschreckenden Befunde in Vollersode, nämlich 15 Hirntumorpatienten bei einem Ort mit 3 000 Einwohnern, bereits in den Jahren 1996 und 1997 getroffen und 1997 veröffentlicht wurden, frage ich: Hat es seitdem weitere Erkrankungen dieser Art in diesem Ort gegeben, und sind vielleicht schon Wirkungen der reduzierten Sendezeiten feststellbar?

Eine sehr konkrete Frage.