Protocol of the Session on November 17, 2000

Abschließend möchte ich auf unsere Jugend verweisen, die meines Erachtens in vorbildlicher Weise den Entscheidungsträgern den Weg weist. Ungezählte Jugendliche haben sich bar jeder eigenen Schuld in der Aktion Sühnezeichen engagiert, um von Deutschland Zeichen der Reue und Werke des Friedens ausgehen zu lassen. Dieses freiwillige Engagement oft vergleichsweise mittelloser Jugendlicher darf nicht konterkariert werden. Es muss all denen, die aufgerufen sind, der Stiftungsinitiative Gelder zur Verfügung zu stellen, ein eindringliches Beispiel sein, die zugegeben schwere Last der Vergangenheit gemeinsam zu tragen, um nicht von ihr erdrückt zu werden, sondern sie zu bewältigen und so, nur so neue Perspektiven zu eröffnen. - Danke schön.

(Starker Beifall bei allen Fraktionen)

Vielen Dank. - Herr Schwarzenholz, Sie haben für bis zu drei Minuten das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Niedersächsische Ministerpräsident hat unmittelbar nach seiner Wahl auf meine Landtagsanfrage hin zu dieser Thematik erklärt, dass er erwarte, dass es Mitte dieses Jahres zu einer Entschädigungsregelung komme und diese wirksam werde. Er hat damals gesagt, dass eine Negativliste nicht erforderlich sei, weil andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollten. Ich fand es gut, dass sich damals der Ministerpräsident persönlich hierzu geäußert hat. Ein bisschen schade finde ich, dass er das jetzt nicht wieder macht. Gerade auch seine Autorität ist natürlich jetzt gefordert.

Wenn man der Meinung ist, man möchte keine Negativliste veröffentlichen, dann muss man in dieser Phase glaubhafte Maßnahmen nennen, mit denen man das gleiche Ziel erreicht. Ich erkenne

das gegenwärtig nicht mehr. Das Verhalten unserer Kolleginnen und Kollegen im Bundestag ist auch so ein Fall, an dem man sehen kann, dass es auch einmal zwischen CDU und PDS geht.

(Zuruf)

- Ja, das ist wichtig. Ich meine, eine Demokratie lebt davon, dass man in der Lage ist, auch über solche - sagen wir - tiefen politischen Gräben in solchen zentralen Fragen zu einem gemeinsamen Handeln zu kommen. Unsere Kolleginnen und Kollegen im Bundestag haben einhellig diese Regelung beschlossen.

Ich sehe mich einmal in dieser Runde um. Hier ist niemand allein schon aufgrund des Lebensalters, der persönlich in die Verbrechen der Nationalsozialisten verwickelt ist. Alle haben wir ohne Ausnahme die politische Verantwortung übernommen und haben erklärt, für die Lösung einzutreten.

Das Gleiche gilt für die deutsche Wirtschaft. Es geht nicht um die Frage, ob die Firma damals schon existiert hat. Angesichts dieser Verantwortung macht die Zahl der niedersächsischen Firmen, darunter ganz honorige und auch große Firmen - gar keine Frage -, die sich beteiligen, nicht annähernd die Zahl derer aus, die es z. B. hier in der Stadt Hannover gibt. Damit wird das Defizit, das wir vor uns haben, deutlich, Herr Wirtschaftsminister. Da muss mehr auf den Tisch. Es muss mehr beantwortet werden, welche Maßnahmen ergriffen werden können.

Bei einer so ernsten Frage muss es auch möglich sein, dass man der Bevölkerung - da ist das Internet sicherlich nicht das populärste Verbreitungsmittel; da sind auch unsere Tageszeitungen gefordert, gerade die niedersächsische Presse - ganz deutlich diejenigen nennt, die sich verweigern. Ich sage ganz bewusst in Richtung der Presse: Sie darf keine Angst haben, dass Anzeigenkunden verprellt werden könnten. In einer solchen Frage müssen die schwarzen Schafe genannt werden. Ich als Konsument muss die Möglichkeit haben, Produkten von Firmen auszuweichen, die sich so schäbig verhalten.

Wir dürfen nicht auf die biologische Lösung setzen. Es ist wirklich unerträglich, wenn man - wie wir alle - in Diskussionen solchen Menschen begegnet, weiß, wie wenig Zeit sie noch haben, und man dann auf solche Kleinkrämerei stößt. Hier ist ein Beschluss, wie ihn die Grünen beantragt haben, dringend notwendig, um zu einer Lösung zu kom

men und den notwendigen politischen Druck auszuüben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Harms, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich im Laufe der Debatte gefragt, wie oft wir hier schon Einvernehmen in dieser Frage hergestellt haben. Seit der Bundestagswahl sind wir uns in den letzten zwei Jahren regelmäßig einig gewesen, dass wir keine Zeit mehr haben, um den Opfern nationalsozialistischer Gewalt noch ein kleines Stück Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Es ist an der Zeit, bei der meines Wissens fünften Debatte dazu im Landtag endgültig die Geduld aufzukündigen, die wir gegenüber den Teilen der deutschen Wirtschaft immer wieder an den Tag gelegt haben, die sich bisher verweigert haben. Wenn wir nicht wollen, dass die ganze Diskussion am Ende auch noch zu einer Blamage für die deutsche Politik wird, dann bleibt uns doch gar nichts anderes übrig, als zu dem Mittel der Negativliste zu greifen, als zu dem Mittel zu greifen, dass tatsächlich im öffentlichen Interesse diese Firmen bei öffentlichen Aufträgen nicht mehr berücksichtigt werden.

Ich bekenne mich an dieser Stelle ausdrücklich zu einem Mittel, das sich in den USA bei der Auseinandersetzung über solche Probleme bewährt hat, nämlich zum Verbraucherboykott. Man sollte nicht mehr geduldig debattieren, im Sinne der Opfer nicht mehr zurückhaltend sein, sondern im Sinne der Opfer, für die man Gerechtigkeit will, auf den Tisch hauen und konsequent das tun, was man immer wieder angekündigt hat. In jeder Debatte sind solche ernsten Schritte angekündigt worden. Das muss jetzt passieren. Ich möchte nicht, dass wir die sechste Debatte zu diesem Thema irgendwann haben und dann wieder auseinander gehen, ohne dass sich in der Sache etwas geändert hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Harms. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht mehr. Ich schließe damit die Beratung.

Der Ältestenrat hat empfohlen, diesen Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zu überweisen und die Ausschüsse für innere Verwaltung, für Wissenschaft und Kultur, für Haushalt und Finanzen sowie für Rechts- und Verfassungsfragen mit diesem Antrag mitberatend zu befassen. Gibt es andere Vorstellungen? - Die sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 27 bewältigt.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: Zukunft der Bundeswehr in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1993

Es hat Herr Kollege Althusmann das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich angesichts des Themas „Zukunft der Bundeswehr in Niedersachsen“ etwas in Erinnerung rufen, was nur zu gern im politischen Alltagsgeschäft vergessen wird. Frauen und Männer der deutschen Bundeswehr - Freiwillige, Wehrpflichtige ebenso wie Berufs- und Zeitsoldaten - auch aus niedersächsischen Standorten leisten derzeit mit Gefahr für Leib und Leben einen wertvollen Friedensdienst - ob nun im ehemaligen Jugoslawien oder anderswo -, um Menschenleben zu schützen und um Menschenrechte zu schützen oder aber sie wiederherzustellen.

Meine Damen und Herren, unsere Soldaten und deren Familienangehörige sind in Niedersachsen nicht nur willkommen. Sie sind erwünscht und fest verwurzelt in unserer Bevölkerung, gerade bei den Menschen in der Fläche unseres Landes. Unsere Bundeswehr in Niedersachsen ist unmittelbar und mittelbar ein großer Arbeitgeber, ein großer Ausbilder, ein Wirtschaftsfaktor in den noch 68 Standorten, aber genauso unverzichtbar für den Katastrophenschutz, ob bei Brand- oder Flutkatastrophen.

Die entscheidende Frage für die Neuausrichtung der Bundeswehr lautet eigentlich: Liegen seit Anfang der 90er-Jahre neue sicherheitspolitische Erkenntnisse vor, die eine deutliche Reduzierung

zuließen? Richtig ist: Nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes hat es in Europa eine Entspannung der Situation gegeben. Richtig ist aber auch: Aus der gesamtpolitischen Bewertung haben unsere NATO-Verbündeten eines abgeleitet: Sie alle erhöhen überwiegend ihre Verteidigungsausgaben. Nur die Bundesrepublik Deutschland senkt sie deutlich im Alleingang.

Vergleichen Sie den Auftrag der Bundeswehr heute, im Jahre 2000, mit dem Auftrag der Bundeswehr Anfang der 90er-Jahre, so hat sich daran überhaupt nichts geändert. Die Bundeswehr schützt Deutschland und seine Staatsbürger vor politischer Erpressung und äußerer Gefahr, verteidigt Deutschland und die Verbündeten, trägt zur Sicherung von Frieden und Stabilität bei und schützt den Weltfrieden.

Meine Damen und Herren, sind wir alle nur noch von Freunden umgeben? Das ist gerne immer wieder in sicherheitspolitischen Debatten eine Argumentation für die Reduzierung der Bundeswehr. Das ist kein Argument. Wir befinden uns im Zeitalter weit reichender Waffen. Im Moment sind wir mitten in Europa nur noch von befreundeten Nationen umgeben. Aber dennoch bestehen Gefahren in der sicherheitspolitischen Weltlage. Wir haben seit 1945 mehr als 150 Kriege weltweit bis an die Grenzen Europas heran zu verzeichnen.

Ich sage sehr deutlich, einzig und allein finanzielle und ideologische Interessen bestimmen aus unserer Sicht die jetzt anstehende Reform der Bundeswehr. Richtig ist, dass bereits die alte Bundesregierung in einer durch die Vereinigung bedingten schwierigen Situation 1995 falsche Weichenstellungen vorgenommen hat. Richtig ist aber auch, dass die alte Finanzplanung einen Anstieg des Verteidigungshaushalts vorsah. Dieser Fehler - Stichworte „Technologielücke“, „Erhöhung des Anteils der Investitionen“ - sollte wieder korrigiert werden oder wurde auch korrigiert.

Vor der Wahl 1998 machte die Kanzlerzusage des heutigen Bundeskanzlers Schröder die Runde bei der Bundeswehr, es sollte keinerlei Kürzungen geben. Danach fiel selbst Herr Scharping lange Zeit nicht von seinem berühmten Fahrrad. Die Aussage wurde beibehalten, es dürfe keine Kürzungen bei der Bundeswehr geben, es sei ja alles so schrecklich, was man nach 1998 vorgefunden habe.

Am 13. November des Jahres 2000 erklärt in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ unser Bundesverteidigungsminister:

„Die Qualität der deutschen Streitkräfte muss verbessert werden. Wir müssen Lücken in den Fähigkeiten und in der Ausrüstung der Armee schließen“.

Ich frage Sie allen Ernstes, warum jetzt - verglichen mit der Finanzplanung der alten Bundesregierung - aus dem Verteidigungshaushalt fast 20 Milliarden DM herausgestrichen werden, warum der Verteidigungshaushalt jetzt real sinkt, warum die Bundeswehr von heute 315.000 Soldaten auf 255.000 Soldaten mit 77.000 Wehrpflichtigen verkleinert werden soll, warum ein schlüssiges Reservistenkonzept fehlt und warum Deutschland ein Problemfall der NATO ist.

Im Oktober 1999 ist in der „FAZ“ nachzulesen, dass der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bundeshaushalt seit 1999 von mehr als 20 % auf weniger als 10 % zurückgegangen, also halbiert worden ist. Wir sind inzwischen mit dem Anteil der Verteidigungsausgaben von 3,4 % auf inzwischen 1,4 % abgesackt und sind Schlusslicht gemeinsam mit Belgien und mit Luxemburg, das überhaupt keine Armee in dem eigentlichen Sinne mehr hat. Für Großraumtransporter, wie angekündigt, oder Satellitenaufklärung sind im Haushalt 2001 des Bundes keinerlei Gelder vorgesehen. Warum jetzt durch die Reduzierung des Friedensumfanges mindestens wieder 150 Standorte gefährdet werden und Niedersachsen davon betroffen sein wird, es aber eigentlich nicht sein dürfte, meine Damen und Herren, ist uns bis heute nicht erklärlich.

Unsere Soldaten - um es ganz deutlich zu sagen: auch in Niedersachsen - haben es nicht verdient, Herr Adam, zum parteipolitischen Spielball degradiert zu werden.

(Adam [SPD]: Wollen Sie jetzt eine verteidigungspolitische Debatte füh- ren?)

Sie brauchen Klarheit,

(Adam [SPD]: Bravo!)

Sie brauchen Aufklärung über die so genannte Feinplanung, bevor die Spekulationen, die derzeit ins Kraut schießen, weitergehen.

Niedersachsen sollte seine höheren Kommandobehörden nicht einfach kampflos aufgeben.

Angesichts der angekündigten Reduzierung der Bundeswehr in den verschiedenen Bereichen darf ich Ihnen einmal die Standorte nennen, die zumindest theoretisch von einer weiteren Reduzierung betroffen sein werden oder betroffen sein könnten, Herr Dr. Domröse. Wer die Kampfpanzer und Schützenpanzer der Bundeswehr um 35 und 25 % reduzieren will, der muss zumindest bei den Standorten in Niedersachsen in Braunschweig, Celle, Cuxhaven, Lüneburg, Munster, Neustadt, Osterode, Schwanewede und Wesendorf nachfragen, welche Auswirkungen das am Ende haben wird.

Wer die Flak-Systeme und die Hawk-Raketen um 40 % und 25 % reduzieren will, der sollte in Achim, Bremervörde, Eiderstedt, Großenkneten und Oldenburg einmal nachfragen, welche Auswirkungen das auf diese Standorte hat.

Wer die Kampfflugzeuge um 25 % reduzieren will, der muss einmal in Aurich, Diepholz, Goslar, Nordholz, Schortens, Wittmund, Wangerland und Wunstorf nachfragen.

Wer die U-Boote um 35 % reduzieren will, der sollte in Wilhelmshaven, Cuxhaven und Zetel nachfragen.

(Adam [SPD]: Wenn Sie sich vorbe- reitet hätten, dann hätten Sie wissen müssen, dass die U-Boote schon im- mer in der Ostsee waren!)

- Herr Adam, das ist nur eine kleine Anzahl einer Auswahl, die sicherlich der Willkür unterliegt. Ich meien aber, dass es der richtige Weg ist, wenn die Bevölkerung beim Lufttransportgeschwader in Wunstorf oder beim Geschwader in Wittmund gemeinsam mit den Parteien vor Ort die Auffassung vertritt, dass sie das nicht so mit sich machen lässt.

(Peters [SPD]: Blamabel!)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat heute von 191 Standorten in 1990 nur noch ganze 68.

(Bontjer [SPD]: Die haben Sie alle geschlossen!)