Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Gründung einer Interregio-Gesellschaft Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/1903
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich vor, Sie wollen von Emden aus in die Landeshauptstadt fahren und müssen mindestens zweimal umsteigen: in Leer und in Bremen.
- Vielleicht auch in Oldenburg. Das kann auch passieren. – Platzreservierung ist im Nahverkehr noch ein Fremdwort. Ein Bistro ist auch nicht vorhanden. Was ist, wenn Sie noch zwei kleine Kinder an der Hand haben und einen Koffer? Wie geht es älteren Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind? Soll das der Normalzustand in vielen Städten und Regionen im Nordwesten, an der Küste und im Harz werden? Sehen so die Früchte der Bahnreform aus?
Nahverkehr, aber billiger als der ICE und der Intercity. Auch Qualität und Service sind besser als beispielsweise in den verrauchten und alten Intercityzügen.
Der InterRegio macht aber Verlust, sagt Bahnchef Mehdorn. Ist das denn ein Wunder bei diesem Negativmarketing der letzten Jahre? Keine Produktwerbung seit etlichen Jahren! Immer öfter geschlossene Bistros, gekappte Anschlüsse, eingestellte Linien. Trotz dieser Rahmenbedingungen hat sich der InterRegio im Markt erstaunlich gut behauptet. Das wird sogar bahnintern so gesehen.
Aber, meine Damen und Herren, dies wäre nicht der erste Markt, den die Deutsche Bahn AG kampflos preisgibt. Ich erinnere nur an die Presseerklärung der letzten Tage zum Güterverkehr.
Die Verkehrsministerkonferenz der Länder hat in der letzten Septemberwoche keinen Positionswechsel bei der DB AG und ihrem Gewährsträger, dem Bund, erreichen können. Deshalb sind wir der Meinung: Wir müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen. Wir können nicht länger warten. Auch die beiden Spitzengespräche, die Herr Gabriel mit Herrn Mehdorn geführt hat, sind in dieser Frage nicht erfolgsträchtig gewesen, sondern konnten, wie wir heute Morgen gehört haben, nur kurzen Aufschub erreichen.
Wir schlagen Ihnen daher vor zu beschließen: Die Landesregierung wird beauftragt, die Gründung einer InterRegio-Gesellschaft voranzutreiben. Ein entsprechendes Konzept soll dem Landtag schnellstmöglich vorgelegt werden.
Wir dürfen nicht warten, bis alle Fahrplantrassen dicht sind, bis alle Fahrzeuge verschrottet sind und alle Kunden frustriert abgewandert sind. Wir müssen einen nahtlosen Übergang gewährleisten. Ich bin sicher, wir könnten mit einer InterRegioGesellschaft, die von mehreren Ländern, eventuell in Kooperation mit nicht bundeseigenen Eisenbahngesellschaften, wie der DEG, oder auch mit europäischen Wettbewerbern der Deutschen Bahn AG, gegründet werden sollte, ein Angebot auf die Schiene stellen, das besser ist als das, was wir heute vorfinden.
Wie lange wollen wir uns noch von einem Monopolisten am Nasenring durch die Arena ziehen lassen, der lieber Angebote zerstört und Mitarbei
Aber eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch klar: Wir entlassen den Bund nicht aus der Verantwortung. Der Bund ist Gesellschafter der Bahn. Wir haben im Grundgesetz in Artikel 87 e eine eindeutige Formulierung. Dort ist die Verantwortung des Bundes klipp und klar geregelt. Das können auch Herr Klimmt und Herr Mehdorn dort nachlesen.
Klar ist aber auch: Eine Politik der verbrannten Erde, die Strategie „Wir bewegen uns erst, wenn sich der Bund bewegt, und in der Zwischenzeit passiert gar nichts“ kann nicht der richtige Ansatz sein. Eine solche Strategie, Herr Minister Fischer, wird nicht zum Erfolg führen.
Deshalb müssen wir unsere Forderungen an den Bund präzise definieren. Wir müssen dem Bund klarmachen, dass wir bereit sind, unser Recht und die Verantwortung des Bundes nach Artikel 87 ff des Grundgesetzes notfalls bis zur letzten Instanz einzuklagen. Gleichzeitig sollten wir das Projekt InterRegio-Gesellschaft schnellstmöglich bis zur Realisierungsreife treiben, Fahrplantrassen bestellen und über den Kauf der Züge verhandeln.
Wenn Bahnchef Mehdorn suggeriert, dass die Bahn und der Bund nur noch für Züge zuständig seien, die Gewinn machen, und die Länder dort zuständig seien, wo Defizite anfallen, dann hat er etwas falsch verstanden.
Ich sage ganz deutlich: Eine solche Lösung wollen wir nicht. Aber wir wollen den Bund auch nicht über den Tisch ziehen. Wir wollen einen fairen Kompromiss. Denkbar wäre beispielsweise, dass wir an Punkten, über die wir schon in der Vergangenheit hart verhandelt haben und nicht vorangekommen sind, sagen:
Erstens. Wir wollen die Steigerungsrate der Mittel nach § 5 des Regionalisierungsgesetzes, die zurzeit entsprechend dem Wachstum der Steuer vom Umsatz steigt, auch über das Jahr 2002 hinaus für mindestens zehn Jahre festschreiben. Bislang wollte der Bundesfinanzminister diese Steigerung
Zweitens. Wir wollen die Ergebnisse der WiberaUntersuchung, die im Regionalisierungsgesetz vorgesehen ist, nicht länger blockiert sehen. Seit zwei Jahren hätten wir Anspruch auf 150 Millionen DM zusätzlich für Niedersachsen. Allein mit dieser Position hätten wir erhebliche zusätzliche Mittel zur Verfügung, wenn es uns gelänge, diese Blockade aufzubrechen.
Drittens. Wir wollen, dass der Bund die 20 % Nahverkehrsanteile für Investitionen nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz im Nahverkehr auch tatsächlich bereitstellt. Wenn wir in diesen Fragen ein Einlenken des Bundes erreichen könnten, wäre die Finanzierung einer InterRegioGesellschaft problemlos möglich. Im Gegenteil: Wir könnten sogar ein besseres Angebot machen; für mehr Züge auf Niedersachsens Schienen, für mehr Fahrgäste in den Zügen und für mehr Beschäftigung und mehr Arbeitsplätze bei dem Verkehrsträger Schiene.
Lieben Kolleginnen und Kollegen, ich hatte eigentlich gedacht, dass wir heute sofort über unseren Antrag abstimmen sollten, weil die Angelegenheit nicht auf die lange Bank geschoben werden kann und weil bei unseren üblichen Beratungszeiten im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr ein solcher Antrag erst nach ein bis anderthalb Jahren hier im Plenum wieder auf den Tisch kommt.
Ich verzichte darauf, weil es bei den Fraktionen noch Beratungsbedarf gibt. Aber ich würde mir wünschen, dass wir dieses Thema in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr beraten
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wir in den letzten Monaten in Niedersachsen im Bereich der Bahnpolitik feststellen mussten, ist der Gau, in Teilbereich quasi der „bahnpolitische Supergau“.
Es ist einfach nicht zu akzeptieren, was sich über Jahre hinweg hier vollzieht. Wir hören ständig von neuen Streichungen und Kürzungen. Ich will Ihnen auch erläutern, was mich persönlich im Zusammenhang mit der Zustimmung zur Steuerreform stört. Ich kann und will einfach nicht akzeptieren, dass Bundeskanzler Schröder sich mit einem Vertreter der PDS, mit Herr Hölter aus MecklenburgVorpommern, zusammensetzt und ihm im „Kuhhandel um die Zustimmung zur Steuerreform“ eine zügige Realisierung der Strecke Berlin - Rostock zusagt, während zeitgleich bei uns von weiteren Kürzungen die Rede ist.
Das ist in sich nicht logisch, nicht stimmig und kann so nicht akzeptiert werden. Das heißt konkret, dass die voreilige, bedingungslose Zustimmung des Landes Niedersachsen zur Steuerreform eigentlich ein schwerer Fauxpas wäre. Herr Ministerpräsident Gabriel hätte auf eine andere Art und Weise für seine Zustimmung zur Steuerreform in Sachen Bahn möglicherweise auch etwas für Niedersachsen herausholen können. Das ist leider, im Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern, nicht geschehen.
Fakt ist, dass die Deutsche Bahn AG konsequent nach und nach die InterRegio-Züge in Niedersachsen abbaut. Ab 2001 entfallen die InterRegioStrecken Oldenburg – Wilhelmshaven, Bremerhaven – Cuxhaven, Bremen – Osnabrück, und auf der Strecke Oldenburg – Norddeich werden die Züge auf ein Minimum zusammengestrichen. Für 2003 droht nicht nur das Aus für die Strecke Rheine – Emden – Norddeich, sondern auch noch für weitere InterRegio-Strecken.
Es pfeifen doch bereits die Spatzen von den Dächern, dass sich die Deutsche Bahn AG vollständig aus dem InterRegio-Verkehr zurückziehen will. Wer vor einigen Tagen Gelegenheit hatte, in der Sendung „Report“ zu hören, welche Vorstellungen Herr Mehdorn im Hinblick auf den Güterverkehr
hat, der weiß, was auf uns zukommt und welche Herausforderungen für die Politik auch in Niedersachsen daraus resultieren. Dies muss zügig bewältigt werden.
Herr Wenzel hat völlig Recht, wenn er eine zügige Beratung anmahnt. Es kann nicht angehen, dass solche Anträge über Monate hinweg in den Ausschüssen schmoren und wir damit nicht weiterkommen.
Die zusätzlichen Mittel des Bundes für die Bahn in Höhe von rund 2 Milliarden DM werden nichts daran ändern, dass sich die Fläche des Landes Niedersachsen von schnellen und bequemen Zügen abgeschnitten fühlen wird. Die Mittelerhöhungen des Bundes sind im Übrigen zu einem guten Teil Augenwischerei. Rund 30 % der Mittel, meine Damen und Herren, kommen keinen Investitionen zu Gute, sondern sie werden durch Ökosteuer und die vom Innenministerium geplante Kostenerstattung für die Leistungen des Bundesgrenzschutzes sofort wieder abgezogen.
Der Rest ist ausschließlich für Investitionen in Großprojekte, von denen die Fläche des Landes in aller Regel wenig haben wird.
Verantwortlich für die Streichung der InterRegio-Verkehre - das gehört zur Wahrheit einfach dazu - ist der einzige Anteilseigner der Bahn AG, die rot-grüne Bundesregierung. Wer hier allein mit dem Finger auf die Deutsche Bahn AG zeigt und ihr die Schuld in die Schuhe schiebt, der hat nichts anderes als ein schlechtes Gewissen.
(Frau Steiner [GRÜNE]: Vergessen Sie auch den vorherigen Eigner nicht, die schwarz-gelbe Bundesregierung!)
Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie verfügen ja über die Mehrheit bei der Bahn AG, und Sie können insofern auch Änderungen herbeiführen.
- Ich verstehe die Aufregung überhaupt nicht; das muss ich einmal so deutlich sagen. Die neue Bundesregierung hat vieles geändert. Sie hat die Steuerreform gemacht. Sie regelt alles bis hin zu eheähnlichen Lebensgemeinschaften. Wenn Sie es denn politisch wollen, dann ändern Sie auch Dinge