Protocol of the Session on September 12, 2000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wenzel, Sie haben hier Ihren Treibstoff stehen lassen.

(Heiterkeit)

Es ist übrigens unbestritten, dass die Wasserstofftechnologie die Technologie der Zukunft ist. Im Moment braucht man aber so viel Energie, um Wasser zu spalten, dass es nicht wirtschaftlich ist. Sie müssen sich dann entweder zur Atomtechnologie bekennen und dazu, dass man so Energie erzeugt, oder Sie müssen den Transportweg und die Lagerung klären. Das müssen Sie also noch erklären.

Lassen Sie uns aber zum Thema zurückkommen. Herr Schröder hat, als er Bundeskanzler wurde, versprochen, dass eine Steuererhöhung von maximal 6 Pf pro Liter Benzin stattfinden würde und dass das für diese Legislaturperiode das Ende der Fahnenstange wäre. Jetzt müssen wir feststellen, dass 35 % geplant sind und er daran festhalten will. Das heißt, der Staat vervielfacht noch einmal den Spritpreis.

Ich will Ihnen noch etwas sagen. Wir leben in einem Flächenland, Herr Wegner, und das hat zwei negative Auswirkungen, wenn der Spritpreis so hoch ist, nämlich zum einen für die Arbeitnehmer - die noch eine Arbeit haben -, die zur Arbeit fahren müssen, und zum anderen für die Versorger, d. h. für die Produzenten, die ihre Ware an den Markt, also an den Kunden, bringen müssen; denn Transportkosten sind Vertriebskosten. Der Verbraucher in Deutschland wohnt nun einmal in Nordrhein-Westfalen, weil dort 18 Millionen Einwohner leben. Das ist für eine Investitionsentscheidung eben von erheblicher Bedeutung. Wenn die Transportkosten zu hoch sind, dann gehe ich zum Kunden. Das heißt, es wird eine Verlagerung von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nach Nordrhein-Westfalen stattfinden. Natürlich wird nicht VW seine Klamotten einpacken und nach Nordrhein-Westfalen gehen. Das werden Betriebe sein, die vielleicht zehn, 20 oder 200 Mitarbeiter haben. Das wird nicht groß auffallen, aber wir werden es hinterher in der Statistik stehen haben, und ein Wirtschaftsminister müsste da eigentlich etwas tun.

Eines will ich betonen: Der Staat soll hier nicht eingreifen. Wir rufen nicht nach staatlichem Eingriff. Wir rufen danach, dass der Staat es lässt, in

die Benzinpreise einzugreifen, danach, dass er am 1. Januar nächsten Jahres nicht erhöht,

(Beifall bei der CDU)

danach, dass er am 1. Januar 2002 nicht erhöht, und danach, dass er am 1. Januar 2003 nicht erhöht.

Es ist doch komisch: Wenn bei uns einmal ein paar Lkws ums Hotel fahren und Herr Gabriel zu Fuß zu seiner SPD-Wahlveranstaltung gehen muss, dann reden wir von Nötigung. Wenn in Frankreich die Reifen brennen, dann sagt der Staat - auch ein sozialistischer Staat -: Wir subventionieren Diesel mit 20 Pf. Der Unterschied ist, dass bei uns eben noch kein Chaos herrscht, sondern die Leute versuchen, mit Argumenten zu handeln, und eben nicht mit Nötigungen vorgehen.

(Inselmann [SPD]: Wenn Sie mit dem Lkw im Kreis fahren, ist das natürlich ein gutes Argument! Da haben Sie Recht!)

Sie werden ausgelacht: Sie werden vom Kanzler ausgelacht, und sie werden von Ihrem Umweltminister Trittin ausgelacht. Der hat den Leuten am letzten Sonntag im Fernsehen etwas geboten, nämlich mit seiner arroganten Miene gesagt: Ich habe keinen Führerschein. - Der hat einen Chauffeur. Ich habe keinen. Darüber sollten Sie sich einmal Gedanken machen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben eben über Busse und Bahnen geredet. Die Busunternehmen haben die Preise wegen der Ökosteuer erhöht. Die Bahn hat erklärt, sie werde die Preise wegen der Ökosteuer erhöhen müssen, weil die Bahn der größte Nettozahler der Ökosteuer ist. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie politisch in Sonntagsreden erklären. Sie verteuern die Bahn.

Hinsichtlich der Taxifahrer hat die Regierung gesagt: Dann müssen die eben ihre Einnahmen erhöhen. Wissen Sie, was eine Taxifahrt heutzutage kostet und wer sich das noch leisten kann? Wenn die noch weiter erhöhen, dann werden noch einige Taxibetriebe in Konkurs gehen, und dadurch werden Arbeitsplätze vernichtet. Darum geht es uns. Genau das finde ich an Ihnen, Herr Inselmann, so schlimm, nämlich dass Sie hier diesen ganzen Unsinn vertreten haben und nicht einmal an die

Arbeitsplätze, an die Familien und an die Haushalte gedacht haben,

(Beifall bei der CDU)

sondern hier nur Ihren ideologischen Unsinn vertreten.

(Beifall bei der CDU - Beckmann [SPD]: Sie hinterlassen uns 4,1 Milli- onen Arbeitslose und reden hier über Arbeitslose! Das darf doch nicht wahr sein! Die höchste Arbeitslosigkeit in der Geschichte verantworten Sie, und dann reden Sie über Arbeitslose! Ich würde mich schämen! - Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)

- Wir können uns gerne darüber unterhalten.

(Beckmann [SPD]: Das sollten wir einmal tun!)

Sie haben Glück hinsichtlich der Zahlen, weil der demografische Faktor eintritt und viele in Rente gehen.

(Oh! bei der SPD)

Wir werden einmal sehen, wie viele Arbeitsplätze durch Sie geschaffen worden sind. Was Sie hier machen, ist Arbeitsplatzvernichtung pur, und zwar in Deutschland.

(Beckmann [SPD]: Eine schlechte Wirtschaftspolitik haben Ihre Leute damals in Bonn vertreten! - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Dadurch wird kein Liter Benzin eingespart, Herr Beckmann, sondern die Arbeitsplätze werden hier vernichtet und im Ausland geschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat für bis zu zwei Minuten der Abgeordnete Schwarzenholz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die gegenwärtige Kampagne der CDU gnadenlos populistisch ist, das weiß jeder, der einigermaßen fundierte Hindergrundinformationen hat. Das ist kein Geheimnis.

Die gegenwärtige Preiserhöhungswelle wurde nicht durch die Ökosteuer veranlasst, sondern durch die hier schon genannten Faktoren. Aber wir hier im Landtag, meine Damen und Herren - auch Sie, liebe Kollegin Harms -, führen ja ab und zu Besuchergruppen und diskutieren mit Schülerinnen und Schülern. Dabei konnten wir bereits Anfang des Jahres feststellen, dass es eine breite Ablehnung dieser Form der Ökosteuer gibt, weil die Menschen das Gefühl haben, dass das, was ihnen abgenommen wird, nicht wieder bei ihnen ankommt. Selbst in Arbeitnehmerhaushalten, die zum Teil von den Lohnnebenkosten entlastet werden, kommen nur etwa 50 % dessen, was sie vor dieser letzten Welle mehr bezahlt haben, wieder bei ihnen an. Das heißt, es kommt nicht an. Es wird so umverteilt, dass die Menschen nicht das Gefühl haben, dass Mobilität in anderer Form möglich ist. Es wird nicht in Verkehr investiert.

Als ich heute mit dem Zug zum Landtag gefahren bin, habe ich in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ gelesen, dass die Deutsche Bahn AG ausgerechnet heute eine Nahverkehrspreiserhöhung ankündigt und das mit den gestiegenen Energiekosten begründet. Dann kann man doch fragen: Wie sollen die Leute das denn noch begreifen? Wenn wir tatsächlich die notwendigen Veränderungen im Verkehr erreichen wollen, dann muss für die Menschen auch spürbar werden, dass solche Veränderungen stattfinden. Das ist aber nicht der Fall, weil parallel zu den Verteuerungen im Individualverkehr auch die anderen Verkehrsleistungen teurer werden und weil letztendlich auch die Ökosteuer zu einer Senkung des Realeinkommens führt. Das akzeptieren die Menschen heutzutage einfach nicht mehr - dafür sind die Löhne in der letzten Zeit einfach nicht genug gestiegen -, und die Menschen wollen nicht weitere Lohnsenkungen hinnehmen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich kann dazu nur sagen: Wenn die Bundesregierung dem Ziel eines ökologischen Umbaus ernsthaft dienen will, dann setzt sie zumindest die nächste Stufe der Ökosteuer aus. Das ist das Mindeste, was man in dieser gegenwärtigen Lage tun muss.

(Wenzel [GRÜNE]: Meine Güte! Da fällt mir nichts mehr ein, Herr Schwarzenholz! - Glocke des Präsi- denten)

Sie können nicht einfach das Denken der Menschen und ihre Erfahrungshorizonte beiseite schieben. Wer das tut, der arbeitet der populistischen Propaganda der CDU gnadenlos in die Hand.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist von Gysi gefaxt worden!)

Das Wort hat nun Umweltminister Jüttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht finden wir die Ebene, die dem Thema angemessen ist. Das setzt voraus, dass wir uns einmal im Einzelnen mit den Daten befassen.

(Vizepräsident Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Wenn es in unserer Gesellschaft Branchen gibt - sei es die Landwirtschaft, sei es das Güterverkehrsgewerbe -, die den Eindruck haben, sie seien hochgradig benachteiligt und hätten Probleme im Wettbewerb, dann muss man sich damit gründlich befassen und erst einmal schauen, ob das stimmt. Das, was wir hier erleben, ist ja, dass Besorgnisse von Branchen durch gesellschaftliche Gruppen aufgegriffen und in einer Weise durch das politische Dorf gezerrt werden, die wirklich unerträglich ist. Das muss man schon so sehen.

Man kann es sich ganz einfach machen, meine Damen und Herren, und darüber diskutieren, dass Verbrauchsteuern bei uns eine normale Geschichte sind, mit denen wir öffentliche Aufgaben finanzieren. Von daher ist auch gar nicht zu kritisieren, dass von 1,10 DM, die zurzeit von jedem Liter an Mineralölsteuer eingenommen werden, 79 Pf in den letzten Jahren von der CDU und nur 28 Pf von der Sozialdemokratie in der Regierungsverantwortung auferlegt worden sind.

(Möllring [CDU]: Das war einstim- mig im Bundestag!)

Ich finde, das ist eine ganz normale Geschichte, weil Verbrauchsteuern per se ja nichts Unredliches sind. Es wird nur dann unredlich, wenn man das als politische Diffamierungsstrategie benutzt, und das versuchen Sie hier gegenwärtig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wer mit den Branchen diskutiert, der sollte sich die neuesten Zahlen des Bundesfinanzministeriums vornehmen - die erscheinen übrigens wöchentlich -, in denen genau aufgelistet ist, wo Deutschland im europäischen Vergleich gerade steht. Ich kann Ihnen das einmal hochhalten. Die Zahlen nehmen sich nichts. Das geht hier bei Benzin von 1,63 DM bis 2,69 DM. Deutschland befindet sich mit 1,99 DM genau in der Mitte.

(Schirmbeck [CDU]: Das ist schon ü- berholt!)

- Ja, Entschuldigung, Herr Schirmbeck. Das sind die August-Zahlen. Die neuen Zahlen unterscheiden sich davon nicht, weil sie im europäischen Vergleich genau das gleiche Bild wiedergeben: Deutschland steht mittendrin. Von daher ist Deutschland nicht besonders belastet und entwickelt sich im normalen Trend mit.

Die Gründe dafür sind hier im Übrigen benannt worden. Deshalb muss ich die gar nicht im Einzelnen wiederholen. Wer hier aber fordert, dass die Ökosteuer weg muss, der muss der deutschen Bevölkerung dann auch erklären, wo der Anteil von in diesem Jahr 16,6 Milliarden DM an den rund 137 Milliarden DM, die aus öffentlichen Mitteln zur Stabilisierung der Rentenversicherung gezahlt werden, hergeholt werden soll. Sie können hier nicht erzählen „Weg mit der Ökosteuer!“ und gleichzeitig den Eindruck erwecken, als könnten Sie die Versicherungssysteme in Ordnung halten. Das ist wirklich verlogen bis auf die Knochen, und das lassen wir mit uns hier nicht machen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich finde, die Debatte muss ganz anders aufgezogen werden. Ich wollte aber zuvor an zwei, drei Zahlen zeigen, wie unredlich Ihre Argumentation ist.

Das Entscheidende für mich ist: Warum machen wir das eigentlich?