Protocol of the Session on June 20, 2000

(Jahn [CDU]: Das stimmt doch über- haupt nicht!)

Das sind die Rahmenbedingungen, die es heute relativ kompliziert machen, so etwas zu einem uneingeschränkten Erfolg zu führen.

Das, was in der letzten Woche passiert ist, tut Ihnen, meine Damen und Herren, weh. Das kann ich verstehen.

(Zurufe von der CDU)

Erstens. Es tut Ihnen weh, dass es der Regierung Schröder gelingt, in einer Woche mehr abzuarbei

ten, als Sie in der letzten Legislaturperiode geschafft haben.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Wir können uns ja einmal ansehen, was in diesem Paket enthalten ist. Erstmalig ist es durch politische Intervention gelungen, eine für strittig und verantwortungslos befundene Technologie zeitlich zu begrenzen. Dies hat zwei Vorteile. Erstens erhöht es den Druck auf den Ausbau regenerativer Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung, und zweitens haben wir endlich einen Planungshorizont für das, was im Rahmen der Entsorgung notwendig ist.

(Frau Schliepack [CDU]: Das hätten Sie doch längst machen können!)

Das ist ganz wichtig.

Zweitens. Im Konsens ist es gelungen, die Wiederaufarbeitung wenigstens ab 2005 zu beenden. Seit Jahren läuft eine Debatte über die hoch problematische Wiederaufarbeitung mit dem Einstieg in die Plutoniumwirtschaft. Jetzt wird dem ein Riegel vorgeschoben.

(Möllring [CDU]: Ab 2005!)

Drittens. Mit dem Konzept der dezentralen Zwischenlagerung gelingt es erstmalig, so etwas wie eine gerechte Lastenverteilung zu organisieren, eine Sache, die der Niedersächsische Landtag bereits vor Jahren mehrfach beschlossen hat.

Ich finde es hoch interessant, was Ihre Parteikolleginnen und -kollegen vor allem in Bayern dazu zu sagen haben: Die Kapazität für Zwischenlagerung an einem Standort sei verantwortungslos. Was ist das denn für eine abgefeimte Politik dieser Länder, die jahrezehntelang billigend in Kauf nimmt, dass bei ihnen Atomenenergie produziert wird, wohlwissend, dass die Folgen dieser Energieerzeugung ausschließlich in Niedersachsen organisiert werden sollen?

Da sind Sie schnell dabei und tauchen ab; aber hier besteht eigentlich der Skandal. Wir sollen in Niedersachsen für das aufkommen, was an Energienutzung in Bayern und Baden-Württemberg vorrangig vollzogen worden ist. Diese Einseitigkeit lehnen wir in der Tat ab.

Vor diesem Hintergrund haben wir in der letzten Woche ein Paket verabredet, das auch in der Frage

der Transporte zu deutlichen Reduzierungen führt. Das heißt also: Aus Sicht des Landes Niedersachsen ist einiges von dem erreicht, wofür wir jahrelang gestritten haben.

(Möllring [CDU]: Schacht Konrad wird genehmigt! Von Ihnen!)

Gleichwohl will ich nicht verhehlen, meine Damen und Herren, dass in diesem Paket Dinge enthalten sind, die weder mit der Beschlussfassung des Kabinetts noch mit der Beschlussfassung des Niedersächsischen Landtages in Übereinstimmung stehen. Wir wollen uns doch nichts vormachen. Die Koalition in Bonn/Berlin hat 1998 beschlossen, dass wir ein neues Entsorgungskonzept brauchen, eines, bei dem ab 2030 ein Endlager - nur ein Endlager - in Betrieb ist. Aber ich weiß natürlich, dass das durch die finanziellen Vorleistungen, durch die vorhandenen Rechtstitel und durch den Anspruch auf Entschädigung nicht so einfach wegzuverhandeln war.

Herr Möllring, mir geht es wahrscheinlich anders als Ihnen. Ich empfinde diesen Teil der Verabredung als belastend für uns. Sie haben nur Hohn und Spott dafür, weil Ihnen das ohnehin alles zuwider ist und Sie so weiter machen wie bisher.

(Möllring [CDU]: Das stimmt über- haupt nicht! Sie haben doch gesagt, dass Konrad nicht kommt!)

Deshalb sage ich: Die darin enthaltenen Bemerkungen zu Schacht Konrad und zu Gorleben erfüllen nicht das, was sich die Niedersächsische Landesregierung vorstellt.

(Schirmbeck [CDU]: Das ist auch nicht das, was sich Herr Schröder ge- dacht hat!)

Deshalb werden wir die Bundesregierung daran erinnern, dass es Koalitionsverabredungen über die Entwicklung eines neuen Entsorgungskonzeptes gibt. Diese sind mit diesem Konsens nicht aus der Welt. Deshalb heißt der Konsens in der Konsequenz für die Endlagerstandorte in Niedersachsen, wie sie bisher diskutiert werden: Weder Gorleben noch Schacht Konrad sind damit festgeschrieben. Aber es ist einzuräumen: Entwarnung ist das auch nicht. Deshalb wird es die Aufgabe des Landtages und des Kabinetts sein, dafür zu sorgen, dass neben den schönen Bestandteilen des Konsenses das angestrebte Entsorgungskonzept in den nächsten Jahren entwickelt wird. Dazu wollen wir beitragen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war schon etwas gespannt darauf, was die CDU denn heute unter dem Titel der Aktuellen Stunde präsentieren würde. Ich habe den Eindruck,

(Schirmbeck [CDU]: Die CDU ist schuld!)

Herr Möllring, Sie haben in dieser Debatte ein wenig die Peilung verloren.

(Schirmbeck [CDU]: Sie haben gar keine; das ist Ihr Problem!)

Sie haben ein nicht funktionierendes Koordinatensystem. Möglicherweise wiederholen Sie die strategischen Fehler der Green-Card-Debatte.

(Schirmbeck [CDU] lacht)

Da haben Sie auch schon einmal gegen den ausdrücklichen Wunsch von Industrie und Wirtschaft agiert. Möglicherweise erkennen Sie jetzt wieder nicht, dass zumindest Ihr Klientel ausgesprochen zufrieden ist mit dem, was - -

(Schirmbeck [CDU]: Sind Sie Abge- ordnete des Wahlkreises Gorleben? Worüber reden wir hier eigentlich?)

- Dazu komme ich noch, Herr Kollege. - Sie erkennen schon wieder nicht, dass Ihr Klientel ausgesprochen zufrieden ist. Lesen Sie doch einmal Börsenkurse! Normalerweise orientiert sich Ihre Politik ja an der Entwicklung der Börse

(Schirmbeck [CDU]: Das machen nur Grüne! Die lesen Börsenkurse!)

und nicht an dem, was es an Stimmungen, z. B. an Standorten von Atomkraftwerken oder auch bei mir zu Hause in Gorleben, gibt.

Ich habe tatsächlich gute Gründe - sie sind zum Teil von Herrn Jüttner angesprochen worden -, mit diesem Konsens nicht zufrieden zu sein. Das ist Ihnen doch auch bekannt. Daraus mache ich kein Geheimnis. Darüber wird am Wochenende in meiner Partei auch gestritten werden. Aber dass Sie Probleme anmelden! Ich weiß überhaupt nicht,

wohin Sie das führen wollen. Beabsichtigt die Niedersachsen-CDU tatsächlich, ihren kommenden Landeswahlkampf auf der Energiepolitik aufzubauen?

(Schirmbeck [CDU]: Erst einmal den Kommunalwahlkampf in Lüchow- Dannenberg! - Lindhorst [CDU]: Sprechen Sie doch einmal zur Sache! Sprechen Sie doch einmal über den Kompromiss! - Möllring [CDU]: Wo ist denn Ihre Peilung geblieben? Sie sollen nicht zu unserem Wahlkampf, sondern zum Thema reden!)

- Hören Sie doch einmal zu! - Wenn Sie beabsichtigen, ein AKW an der Ems zu propagieren, damit wir keinen Fadenriss in der Technologiepolitik haben, ein AKW z. B. in der niedersächsischen Enklave bei Holzminden, wo ja Würgassen in Nordrhein-Westfalen wegen großer technologischer Probleme abgerissen wird, oder vielleicht an der Elbe bei Cuxhaven, dann könnte ich mir vorstellen, dass das ein echter Wahlkampfschlager für Herrn Wulff wird. Er scheint sich darin verbeißen zu wollen.

(Fischer [CDU]: Ein Wahlkampf- schlager wird der Energiepreis mit Si- cherheit!)

Aber nun noch einmal ernsthaft zu Gorleben und Konrad.

(Schirmbeck [CDU]: Ja!)

Ich wundere mich wirklich, dass Sie sich nach wie vor als Niedersachsen keinen Ruck geben können, niedersächsische Interessen ernst zu nehmen. Bisher ist nicht deutlich, dass sich die Bundesregierung in der Entsorgungsdiskussion den entscheidenden Ruck gegeben hat

(Schirmbeck [CDU]: Frau Kollegin, wer ist eigentlich Bundeskanzler?)

und dafür sorgen wird, dass auch in anderen Bundesländern Endlagerstandorte überhaupt einmal erkundet werden.

(Möllring [CDU]: In diesem Papier steht doch, dass das nicht gemacht werden soll!)

Bisher haben wir den Eindruck, dass die willkürliche Entscheidung von 1977 für Gorleben und auch die willkürliche Entscheidung für den Standort

Konrad wirklich noch nicht ausreichend infrage gestellt worden sind. Wer für nationale Verantwortung und für Verantwortung im eigentlichen Sinne des Wortes ist, der muss an dieser Stelle dafür sorgen, dass die niedersächsischen Standorte im Vergleich zu anderen Standorten bewertet werden. Sie sollten sich wirklich einmal einen Ruck geben. Das wäre etwas anderes als eine Klamaukdebatte, in der nämlich Sicherheit überhaupt keine Rolle spielt.

(Beifall bei den GRÜNEN)