Protocol of the Session on June 20, 2000

Ich empfehle beide Veranstaltungen Ihrer Aufmerksamkeit.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Es haben sich für heute entschuldigt von der Landesregierung Innenminister Bartling ab 17 Uhr, der Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Herr Dr. Fischer, zwischen 11.30 Uhr und 15 Uhr, der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Herr Senff, vormittags, von der Fraktion der SPD Frau Wiegel sowie von der Fraktion der CDU Herr McAllister und Herr Meier. – Danke schön.

Meine Damen und Herren, bevor wir zur Aktuellen Stunde kommen, habe ich noch eine Mitteilung für die Rednerinnen und Redner. Es gibt einen kleinen Defekt der Anzeige am Rednerpult. Deswegen bitte ich Sie für den Fall, dass es notwendig sein sollte, genau auf das Klingelzeichen zu achten.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

Es liegen zwei Beratungsgegenstände vor:

a) Energiekonsens - Ausstieg aus der Verantwortung - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1703 - b) Ist die EXPO noch zu retten? Re(a)gieren statt abtauchen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1704

Es stehen insgesamt 60 Minuten Redezeit zur Verfügung, die gleichmäßig auf die drei Fraktionen aufzuteilen sind. Das heißt, jede Fraktion kann über höchstens 20 Minuten Redezeit verfügen. Wenn mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen, so wie heute, dann bleibt es jeder Fraktion überlassen, wie sie ihre 20 Minuten für die einzelnen Themen verwendet. Jeder Redebeitrag, auch von Mitgliedern der Landesregierung, darf höchstens fünf Minuten dauern. Nach vier Minuten Redezeit werde ich durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit läuft. Erklärungen und Reden dürfen nicht verlesen werden.

Ich eröffne die Beratung zu

a) Energiekonsens - Ausstieg aus der Verantwortung - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/1703

Das Wort hat Herr Kollege Möllring.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zwischen der Bundesregierung und den EVUs verabredete Energiekonsens hat für Niedersachsen erhebliche Bedeutung; nicht, weil mit Schröder, Trittin und Tacke drei Niedersachsen auf der Regierungsseite saßen, sondern weil in diesem so genannten Konsens festgeschrieben ist, dass Schacht Konrad genehmigt wird, etwas, was bisher von der rot-grünen Mehrheit und auch von der roten Landesregierung in Hannover immer abgelehnt und praktisch als Teufelswerk dargestellt worden ist.

Jetzt ist hierin die Genehmigung festgeschrieben. Lediglich der sofortige Vollzug soll nicht genehmigt werden, sondern es sollen die Prozesse abgewartet werden. Der Kollege aus dem Bundestag, Herr Schmidt aus Salzgitter, der noch vor vier Wochen für den Fall, dass Schacht Konrad genehmigt wird, eigentlich seinen Rücktritt angeboten hat, hat inzwischen als parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion erklärt, das gelte nur für den Fall der Einlagerung, aber nicht für den Fall der Planfeststellung. Man sieht hier also, wie schnell sich Meinungen und Angaben doch ändern können.

Das Gleiche gilt für Gorleben. Zwar ist ein Moratorium von drei bis zehn Jahren Länge vereinbart worden, interessant ist aber, dass die Bundesregierung - -

(Zuruf von den GRÜNEN)

- Ich will Ihnen vorlesen, was die Bundesregierung - Herr Schröder und Herr Trittin - inzwischen erklärt haben,

(Frau Harms [GRÜNE]: Sie glauben doch nicht, dass wir das noch nicht gelesen hätten, oder? – Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)

und das ist Bestandteil dieses Konsenses geworden: Somit stehen die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes nicht entgegen. - Das heißt, die Behauptung, die in Regierungserklärungen, in Parteipro

grammen und in Wahlprogrammen ständig abgegeben worden ist, dass Gorleben nicht geeignet sei, wird in genau das Gegenteil umgekehrt. Die Erkundung wird zwar für drei bis maximal zehn Jahre unterbrochen, bis dahin wird es aber weitere ingenieurmäßige Tests geben, um festzustellen, ob es denn letztendlich geeignet ist.

Mit anderen Worten: Da nirgends geschrieben steht, dass überhaupt noch ein Alternativstandort gesucht wird, ist Gorleben hiermit beschlossen. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Ich möchte aber einmal sehen, wie Herr Trittin, der früher noch mediengeil auf den Gleisen in Gorleben gesessen hat, demnächst als Blumenmädchen vor dem nächsten CASTOR hermarschieren und Blumen streuen wird.

(Beifall bei der CDU)

Denn das, was letztes Jahr noch hochgefährlich war, ist jetzt plötzlich völlig problemlos. Hierin steht, dass die Bundesregierung - was sie nicht kann; denn dafür braucht sie die Landesinnenminister; Herrn Bartling wünsche ich dabei schon sehr viel Freude - garantiert, dass die jetzigen Zwischenlager bis zum Jahre 2005 angefahren werden dürfen. Das heißt, dass nach der EXPO die ersten CASTOREN rollen werden. Ich freue mich schon darauf, wie Herr Trittin palmwedelnd vorweg marschieren und „Hosianna“ rufen wird.

Es ist doch schon wundersam: Was soll die Bevölkerung eigentlich noch von Politikern glauben, wenn sich diese innerhalb eines halben Jahres so drehen?

(Frau Harms [GRÜNE]: Was wollen Sie denn? – Zuruf von Inselmann [SPD])

Deshalb ist dieser Ausstieg, Herr Inselmann, nichts wert. Irgendein Schlaumeier - das kann auch jeder nachrechnen - hat schon errechnet, dass während der Restlaufzeiten noch acht Bundeskanzler gewählt werden, außer man macht es wie in Niedersachsen, dass man alle neun Monate wechselt.

(Möhrmann [SPD]: Dabei ist kein CDU-Mann! - Beckmann [SPD]: Zehn Jahre Opposition tun weh, nicht?)

Jede dieser Regierungen kann und wird mit den EVUs einen Konsens darüber herstellen, dass irgendwann die Atomenergie in Deutschland wie

der eingeführt wird und neue Atomkraftwerke gebaut werden.

Ich sage Ihnen auch, weshalb das so sein wird. In diesem Papier steht, dass die deutschen Atomkraftwerke international gesehen den höchsten Standard haben.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das steht nicht darin!)

Das haben beide Seiten festgeschrieben. Sie haben es ja gelesen. Wenn das so ist, dann ist es doch Irrsinn, überhaupt keine alternativen Energieträger zu erkunden, stattdessen in den nächsten Jahren nach und nach unsere Atomkraftwerke abzuschalten und dann den Strom in Frankreich, in der Ukraine oder sonst wo zu kaufen, wo nicht auf diesem hohen Sicherheitsniveau produziert wird und auch nicht produziert werden kann.

Es ist doch ein Irrsinn, auf unseren technischen Vorsprung zu verzichten, wie Sie es schon beim Transrapid gemacht haben.

(Inselmann [SPD]: Herr Möllring, das sind Argumente aus den 70er-Jahren! Lassen Sie sich einmal etwas Neues einfallen!)

Herr Gabriel hat hier ja gesagt, der müsste am besten von Moskau über Warschau bis nach Amsterdam gehen. Ein paar Wochen später ist der Transrapid beerdigt worden. Genau so machen Sie es hier. Welchem jungen Menschen wollen Sie denn noch zumuten, sich Kernphysik- oder anderes Ingenieurswissen anzueignen, wenn Sie diese Technik so diskreditieren?

(Zuruf von Schurreit [SPD] Es ist doch ein Widersinn dieser Politik, (Glocke des Präsidenten)

dass wir über Hermes-Bürgschaften den Bau von Atomkraftwerken in Asien, in China, absichern und unsere eigenen hoch leistungsfähigen Anlagen abschalten wollen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Die werden gar nicht abgeschaltet, haben Sie ge- rade gesagt!)

Deshalb ist das doch für Niedersachsen beschämend. Drei Niedersachsen - ich habe es eben gesagt - haben dabei mitgemacht.

Stade ist technisch hervorragend ausgestattet. An Stade hängen hunderte von Arbeitsplätzen.

(Beifall bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Stade versorgt eine ganze Wirtschaftsregion, und diese wird nun auf dem Altar der Ideologie geopfert. Das ist doch unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Umweltminister Jüttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Möllring, was war Ihre Botschaft? – Die Botschaft war: Atomkraft ist sicher; jeder, der das anders sieht, ist ein Ideologe.

(Möllring [CDU]: Steht hier drin!)

Ich sage Ihnen: Die deutsche Bevölkerung will den geordneten Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie. Das ist die Situation seit Tschernobyl.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die deutsche Bundesregierung hat sich als eine ihrer Aufgaben vorgenommen, diesen in der Tat komplizierten Weg einzuleiten; kompliziert vor allem deshalb, weil vor Jahrzehnten von Ihnen vorrangig Rechtstitel unbefristeter Art erteilt worden sind und weil Herr Albrecht in den 70er-Jahren aus strukturpolitischen Gründen den ganzen Krempel der atomaren Entsorgung nach Niedersachsen hat holen wollen.

(Jahn [CDU]: Das stimmt doch über- haupt nicht!)