Protocol of the Session on March 31, 2000

Etwas später sagt er dann:

„Die Ausstattungen personell, sachlich und räumlich so zu organisieren, daß die Steuerverwaltung ihren Aufgaben gerecht werden kann...“

Von ihm als Minister wurde im Mitteilungsblatt der Steuergewerkschaft jetzt im Januar nochmals bekräftigt - ich zitiere -: Wir wollen die schwierige Arbeits- und Personallage in den Finanzämtern verbessern.

Ich kann hier nur feststellen: Alles Schall und Rauch, leere Versprechungen. Die raue Wirklichkeit sieht für die Steuerverwaltung anders aus.

Nach den Stellenplänen im Haushalt wurden von 1989 bis 2000 rund 500 Stellen gestrichen. An Anwärterstellen - auf die weist man ja auch gern hin - wurden im Haushaltsplan 1989 925 ausgewiesen. Im Haushaltsplan 2000 sind 690 Anwärterstellen ausgewiesen. Das ist ein Minus von 235 Stellen.

Orientiert man sich einmal am Arbeitskräftebedarf, der ja für die Finanzverwaltung jährlich ganz exakt festgestellt wird, dann sieht das Gesamtbild auch nicht besser aus. 1989 wurde ein Arbeitskräftebedarf in Höhe von 12.022 Stellen festgestellt. Die Zuweisung an Stellen betrug damals 11.028. Das ist ein Fehl von 994 Stellen, gleich 8 %. 1999 ist ein Bedarf von 12.794 Stellen festgestellt worden. Die Zuweisung betrug allerdings nur 11.105 Stellen. Das ist ein Fehl von rund 1.700 Stellen schon bei den Zuweisungen. Aus

dieser geringen Zuweisung, die um rund 1.700 Stellen unter dem Arbeitskräftebedarf liegt, sollen nun noch 147 Stellen im verbleibenden Haushaltsjahr 2000 herausgenommen werden. Ich kann dazu nur sagen: Das wird sicherlich große Schwierigkeiten bereiten. - Dann soll noch um 437 Stellen bis zum Jahr 2003 gekürzt werden. Ich weiß nicht, wie das erbracht werden kann.

Wie wird das für das Jahr 2000 nun in der Finanzverwaltung gehandhabt? - Angestellte mit Zeitverträgen werden nicht mehr weiterbeschäftigt. Altersabgänge werden nicht mehr ersetzt. Anwärter im mittleren Dienst werden möglicherweise nicht übernommen.

(Frau Leuschner [SPD]: Das stimmt nicht, Herr Wiesensee! Die werden übernommen!)

- Im Erlass steht darüber nichts. Aber die Anwärter im mittleren Dienst haben keinen Anspruch auf Übernahme.

(Möllring [CDU]: Genau!)

Im gehobenen Dienst haben sie einen solchen Anspruch noch. Frau Leuschner, da erkundigen Sie sich einmal genau!

Bei den Finanzämtern herrschen schon jetzt, so meine ich jedenfalls, unhaltbare Zustände. Dort werden von der Amtsleitung zum Teil Anordnungen getroffen wie: konsequentes Abhaken aller Stapelfälle. - Das heißt: Wenn da ein Stapel vorliegt, einfach konsequent abhaken.

(Frau Vockert [CDU]: Ohne zu über- prüfen!)

Keine Beachtung der GNOFÄ, dieser Grundsätze für die Veranlagung. Diese sollen einfach nicht beachtet werden. Eine großzügige Prüfung wird empfohlen. - Nach meinem Dafürhalten bedeutet das doch, meine Damen und Herren, dass die Veranlagungen sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für den Fiskus zum reinen Glücksspiel verkommen.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung von Golibrzuch [GRÜNE])

Ich kann nur an die Landesregierung appellieren: Heben Sie diesen unseligen Erlass für die Steuerverwaltung mit sofortiger Wirkung auf!

(Möhrmann [SPD]: „Und als Deckung schlage ich vor“, müssen Sie als Er- gänzung sagen!)

Der vorliegende Antrag der Grünen ist in mancher Hinsicht sicherlich noch ergänzungsbedürftig, aber in der Tendenz richtig und notwendig. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung von Golibrzuch [GRÜNE] - Frau Leuschner [SPD]: Ich mich auch!)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat der Herr Finanzminister.

(Möhrmann [SPD]: Jetzt sage ihnen mal, wie das wirklich ist!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesen wortgewaltigen Beiträgen freue ich mich auf die Haushaltsberatungen für das nächste Jahr,

(Möhrmann [SPD]: Genau!)

weil ich davon ausgehe, dass die Bildungsinitiative, die wir vorgelegt haben - 75 Millionen DM für dieses Jahr und 150 Millionen DM für die Folgejahre -, bei Ihnen anders finanziert wird.

(Möhrmann [SPD]: Genau! - Frau Leuschner [SPD]: Eben! - Weitere Zurufe)

- Ja, sicher, die machen das alles über die Beihilfe. - Die 400 zusätzlichen Polizeibeamten, die wir bei uns schon berücksichtigt haben, werden Sie sicherlich auch beantragen und anders finanzieren. Eben haben Sie dann noch angekündigt, dass Sie ganz massiv Personalmehreinstellungen bei der Finanzverwaltung und der Steuerverwaltung vornehmen wollen.

(Hogrefe [CDU]: Aber da geht es doch um die Einnahmen! Damit kön- nen Sie doch die Einnahmen verbes- sern! - Gegenruf von Frau Leuschner [SPD]: Dazu sagt er gleich etwas!)

Damit wir uns da richtig verstehen - Herr Hogrefe, Sie sitzen ja lange genug im Haushaltsausschuss; Sie wissen das -: Fachpersonal für die Steuerver

waltung muss man nach einer gründlichen Ausbildung erst sukzessive aufbauen und dann auch einstellen können.

Zumindest möchte ich, dass wir in der Debatte die Punkte trennen. Erstens geht es um die aktuelle Auseinandersetzung um den Haushaltsführungserlass oder die Haushaltsbewirtschaftung in dieser Sache, in der Sie hier auch gezielt am Thema vorbei Desinformation machen, Herr Wiesensee. Die 147 Stellen, die über den Haushaltsführungserlass eingespart werden sollen, betreffen den Einzelplan 04, und nur 70 % sind dem Bereich der Steuerverwaltung zugerechnet. Es wäre schon ganz gut, wenn wir uns in den Zahlen einig wären.

Zweitens. Nachdem Herr Golibrzuch zunächst einmal die Außenstände publiziert hat und nachdem er auch einmal mit Herrn Lüerssen gesprochen hatte, haben Sie nachgelegt und gesagt, es würden nicht alle Bewerber eingestellt. Auch dies ist eine Fehlmeldung. Ich bin in zwei Jahren in 22 Finanzämtern gewesen und habe mit den Vorstehern, mit den Sachgebietsleitern und mit den Personalversammlungen immer wieder darüber diskutiert, wie die Entwicklung in der Steuerverwaltung sein wird. Was nun die Frage qualifizierten Nachwuchses angeht, so gibt es darüber nun gar keinen Streit. In den letzten Jahren sind die Ausbildungszahlen für den gehobenen und für den mittleren Dienst erhöht und fortgeschrieben worden. Die 150 für den gehobenen Dienst und die 90 für den mittleren Dienst werden auch übernommen - das ist eine klare Ansage -,

(Frau Leuschner [SPD]: Genau! Se- hen Sie, Herr Wiesensee!)

sofern die Leistungen stimmen. Wenn die Leistungen nicht stimmen, dann wird man auch nicht übernommen. Alle anderen werden übernommen.

Damit auch das klar ist: In gleicher Weise wird das Nachwuchspersonal auch für die nächsten Jahre, insbesondere für das nächste Jahr, eingestellt. Wir wissen, wie die Abgänge sind. Erst wird ausgebildet, dann wird qualifiziert geprüft, ob sie geeignet sind, und dann, wenn sie geeignet sind, werden sie für die nächsten Jahre eingestellt, um die Abgänge zu kompensieren.

Der nächste wichtige Punkt ist Folgender: Wir haben in der Tendenz in einigen Bereichen der Finanzverwaltung natürlich Rückgänge an Arbeit. Ich habe das vorhin bei der Beantwortung der Mündlichen Anfrage deutlich gemacht. Bei der

Sachbearbeitung im technischen Bereich, sagen wir einmal, also da, wo wir Zuarbeit im Tarifbereich gehabt haben, fällt Arbeit weg. Wir haben aber vereinbart, dass wir im Zusammenhang mit dem Stellenabbau, auch mit den Zielvereinbarungen kein Personal entlassen. Deshalb schulen wir gewissermaßen um. Angestellte werden bei uns für die Arbeit als steuerfachtechnisches Personal umgeschult. 400 Personen haben sich dafür beworben. 70 werden jetzt umgeschult. Das wird intern gemacht. Wir bauen also nicht auf, wir bauen auch nicht ab, sondern wir bauen um. Das ist eine Konzeption, die ich für richtig halte. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen.

Was Ihr Zitat des Steuerzahlerbundes und die Behauptung falscher Steuerbescheide angeht, so werden Sie mir doch wohl Recht geben, dass es sich nicht um falsche Steuerbescheide, sondern um vom Steuerpflichtigen nicht akzeptierte Steuerbescheide handelt. Das ist eine ganz andere Ausgangsposition, als Sie dies hier deutlich zu machen versucht haben.

Dass Sie mit Herrn Lüerssen und der Steuergewerkschaft gesprochen haben, ehrt Sie. Ich mache das regelmäßig, und wir befinden uns auch mit den anderen Gewerkschaften in diesem Bereich ständig in Kontakt. Wir machen in der Steuerverwaltung eben keine Personalplanung gewissermaßen von der Hand in den Mund, sondern die Gewerkschaften sind ausdrücklich in ein Konzept einbezogen, das sich „Finanzamt 2003“ nennt und das ich in enger Abstimmung mit den Personalvertretungen und den Gewerkschaften aufgelegt habe. Auch diese haben begriffen, dass die Steuerverwaltung nicht mehr so wie bisher weiter betrieben werden kann, wenn sich die Welt rund um die Finanzämter total verändert, wenn wir technologische Veränderungen haben, die auf die Bearbeitung in den Finanzämtern, aber auch auf die Steuerpflichtigen durchschlagen. Sie selbst gehören doch zu einem Berufsstand, der die Papiersteuererklärung inzwischen nicht mehr will. Sie wollen elektronisch zuarbeiten, Sie wollen die Steuererklärungen elektronisch bearbeitet haben, und Sie wollen auch elektronische Rückmeldungen haben. Darauf arbeiten wir hin. Deshalb haben wir das Projekt Elster eingeführt, die elektronische Steuererklärung. Das bedeutet eine andere Bearbeitungsqualität, eine andere Bearbeitungszeit und auch eine andere Kommunikation zwischen dem Steuerpflichtigen bzw. seinem Beauftragten und dem Finanzamt. Diese Entwicklung fangen wir mit der Diskussion auf, auf die ich eingegangen bin. Des

halb ist das, was Sie hier tun, Effekthascherei, bedeutet aber nicht etwa das Einbringen konzeptioneller Veränderungsvorschläge für die steuerfachliche Bearbeitung.

Das Weitere, was angesprochen worden ist, ist die aufwändige Arbeit in den Finanzämtern selbst, GNOFÄ und was alles dazu gehört. Das hängt natürlich auch damit zusammen, wie wir unsere Steuergesetze machen. Nach der Debatte, die wir gestern und heute Morgen hier im Haus geführt haben, müssen wir feststellen, dass wir alle nicht in der Situation sind, sagen zu können, dass wir auf eine Steuervereinfachung hinarbeiten. Derzeit sind wir vielmehr gemeinsam wieder einmal bemüht, alles zu verkomplizieren. Wir müssen zu Entwicklungen kommen, in deren Zuge das Steuerrecht vereinfacht und auch für den Steuerpflichtigen transparenter gemacht wird. Das bedeutet aber auch, dass wir von vielen Einzelfallregelungen Abschied nehmen müssen. Wir müssen mehr pauschalieren und auch maschinenlesbare Steuerklärungen organisieren, um dort Fortschritte erzielen zu können.

Um es zusammenzufassen und meine Zeit nicht allzu sehr zu überziehen: Die 140 Millionen an Investitionen in VDV II haben wir richtig angelegt. Wir haben die elektronische Plattform dafür, dass wir auch das ehrgeizige Projekt Fiskus weiter entwickeln können, das bundesweit vorangetrieben wird und bei dem ich selber für ein höheres Tempo gesorgt habe, weil ich sicher bin, dass das umgesetzt werden muss.

Das Projekt „Finanzamt 2003“ wird interne Organisationsabläufe in den einzelnen Finanzämtern ermöglichen, um mit dem vorhandenen Personal in dem vorhandenen Kostenrahmen effizienter zu werden. Wir werden nicht gegen jedes Steuerproblem, das neu auftritt, zehn, 20 oder sogar 100 Beamte stellen können. Auch Sie sind gemeinsam mit uns der Meinung, dass wir insgesamt eine rückläufige Personalquote organisieren müssen.

Ein Problem bleibt in der Vollstreckung übrig, Herr Golibrzuch, das ich durchaus nachvollziehen kann. Dies ist eine unbefriedigende Situation. Ich habe das genau geprüft. Wir haben inzwischen längst gemeinsam mit der OFD reagiert und eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet, um das Thema Vollstreckung in den Griff zu bekommen. Wenn Sie sich die Zahlen genau anschauen, dann sehen Sie, dass wir in Relation zu den Vorjahren besser geworden sind. Die internen Abläufe sind

aber noch längst nicht so, dass man damit zufrieden sein könnte. Derzeit werden immer noch 3,5 % als Rückstandsquote gehandelt. Das gebe ich gerne zu. Geben aber auch Sie bitte zu, dass man nicht alles sofort in Ordnung bringen kann. Wir haben einen Schwerpunkt gesetzt. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir aufgrund der Außenprüfungen im Bereich der Bankenfälle inzwischen bei 417 Millionen DM an zusätzlichen Einnahmen sind. Wir werden die Steuerbehörden künftig flexibler und variabler im Einsatz organisieren müssen. Das heißt, wir werden das dahinter stehende Personal in Schwerpunktsetzung, je nach dem, wie sich die Situation darstellt, an Brennpunkten einsetzen. Derzeit ist ein Schwerpunkt das Thema Bankenfälle. Damit haben wir noch für einige Zeit zu tun. Das lohnt sich auch, um das einmal in Ihrer Sprechweise auszudrücken. Wir werden auch bei den Rückständen genauso intensiv an einer Lösung arbeiten, die unter dem Strich sicherstellt, dass dieses Problem bewältigt wird. Da können Sie sicher sein.

Herr Wiesensee hat immer wieder gefragt, ob der Minister seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Dazu sage ich ausdrücklich zu all den Punkten, die Sie kritisiert haben: Ja. - Wenn Sie von mir erwarten, dass ich jeden Tag ein neues Ergebnis mit positiver Meldung abgeben kann, dann sage ich Nein. Die Rahmenbedingungen, die auch Sie durch den Haushalt mitbestimmen, sind nicht so, dass jedes Problem durch den Einsatz zusätzlichen Personals gelöst werden kann. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen, wobei ich auch bei diesem Thema ausdrücklich darum bitte, dass dem Finanzminister der Rücken gestärkt und so gegenüber dem Steuerbürger deutlich gemacht wird, dass der gesamte Landtag dafür eintritt, dass die Steuerverwaltung ihren Job machen kann. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Golibrzuch hat noch einmal das Wort.

(Frau Leuschner [SPD]: Was kommt jetzt Neues?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der letzte Punkt, Herr Aller, war tatsächlich einmal konstruktiv. Aber der erste Teil Ihrer Rede machte

mir deutlich, dass Sie über die Auswirkungen Ihres Erlasses vom Februar keine Kenntnisse haben. Was passiert denn in den Finanzämtern? Ich habe Sie Mitte Februar deswegen angeschrieben. Auf die Antwort warte ich bis heute.