Protocol of the Session on December 11, 2002

Herr Minister Aller!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gut eineinhalb Monate vor der Landtagswahl in Niedersachsen liegen alle Karten auf dem Tisch.

(Lachen bei der CDU)

Wir kennen die Probleme, die die laufenden Haushaltssituation bestimmen: Das war die BEBRückzahlung von 615 Millionen Euro, die wegbrechenden Steuereinnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro und von 1,1 Milliarden Euro im kommenden Jahr.

Der Vorsitzende des Ausschusses hat eben sehr ausführlich dargestellt, wie wir als Landesregierung zu der Auffassung kommen, dass die Situation, in der wir den Finanzierungshaushalt vorlegen, verfassungskonform sei. Das wird durch das Gutachten des NIW untermauert, das dem Ausschuss und dem Landtag zur Verfügung steht. Nach der Feststellung des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts besteht daran überhaupt kein Zweifel.

Wir haben sichergestellt - das ist auch deutlich gemacht worden -, dass frühzeitig die Bausteine unseres haushaltspolitischen Konzepts aus dem Jahre 2002, überleitend nach 2003 und Folgejahre, erkennbar vor der Wahl auf dem Tisch liegt. Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieser Finanzierungshaushalt insbesondere breit getragen

durch diesen Landtag geht, dass wir den Konsolidierungsnachtrag 2003 nachschalten

(Zuruf von der CDU: Sie nicht mehr!)

und dass wir klargestellt haben, dass wir durch das, was wir in dem laufenden Jahr schon an Einsparungsmöglichkeiten aufgezeigt haben, insgesamt 1,9 Milliarden Euro in den nächsten drei Haushaltsjahren erwirtschaften können.

Unser zweiter Baustein, den wir bekannt gegeben haben, ist die Haushaltsbewirtschaftung schlechthin. Wir haben durch vier haushaltsbewirtschaftende Maßnahmen das Ziel von 100 Millionen Euro nahezu erreicht.

Der dritte Baustein, der Abbau von Steuervergünstigungen, ist von mir in diesem Hause erläutert worden. Er resultiert aus der Berliner Politik, der sich ja einige in diesem Haus massiv widersetzen. Kommen die nicht, hätte Niedersachsen allerdings ein Problem in dieser Größenordnung. Darum appelliere ich auch an die Opposition, die CDU, sich dieser Politik nicht zu verschließen.

Der vierte Baustein ist heute Morgen ausführlich diskutiert worden: 700 Millionen Euro erwarten wir aus der Vermögenssteuer, die, wenn sie umgesetzt wird, in die Mittelfristige Planung unserer Finanzkonsolidierungspolitik einmünden wird.

(Zuruf von der CDU: Wann?)

Nimmt man dieses Konzept und fragt man nach Alternativen, dann ist mir aus den Veröffentlichungen der letzten Tage deutlich geworden, dass offensichtlich die CDU allemal, aber auch die Grünen das Grundkonzept akzeptiert haben. Denn es wird per se nicht infrage gestellt. Zumindest gibt es dazu keine Alternativen. Die Grünen haben einen Haushaltsänderungsantrag entwickelt, den ich nicht näher charakterisieren will. Er befasst sich nur mit einigen kleineren Maßnahmen. Weggelassen worden sind die Ansagen, die in der letzten Zeit immer wieder gefordert worden sind, zum so genannten Substanzsparen. Offensichtlich ist kurz vor der Wahl auch bei den Grünen die Luft aus der haushaltspolitischen Debatte heraus.

(Möhrmann [SPD]: Der Mut!)

- Der fehlende Mut kann es auch sein. Aber das macht deutlich, dass offensichtlich zu dem, was die Landesregierung mit dem Mehr-BausteineProgramm auf den Tisch gelegt hat, so vom Grundsatz her keine Alternative in diesem Land

besteht. Deshalb nehme ich auch die Kritik gelassen, die hier heute möglicherweise noch kommt.

(Beifall bei der SPD)

Wenige Sätze zu dem, was die Opposition über Jahre versucht hat. Die CDU hat es ohnehin nie geschafft, einen kompletten Haushaltsantrag auf den Tisch zu legen, und hat deshalb heute auch das Gesellenstück für den verpasst, der künftig in der Opposition weiter Schattenminister bleiben wird.

Tatsache ist, dass uns vorgeworfen wurde, wir hätten eine Verschleierungspolitik gemacht. Diese Legende ist in sich zusammengebrochen angesichts der Zahlen, die eben der Vorsitzende des Haushaltsausschusses sehr ausführlich dargestellt hat. Wir haben im vergangenen Jahr Monat für Monat und Etappe für Etappe offen gelegt, wie sich die Situation entwickelte, und damit die Voraussetzungen für den Finanzierungshaushalt geschafft.

Wir haben auch festzustellen, dass die zweite Legende, an der jahrelang gestrickt worden ist, in sich zusammengebrochen ist. Die CDU hat immer wieder versucht, deutlich zu machen, wir hätten ein hausgemachtes Finanzierungsproblem im niedersächsischen Haushalt. Inzwischen zeigt sich - das ist mit der Steuerschätzung nachdrücklich bundesweit klar geworden -, dass alle Bundesländer in der gleichen schwierigen Situation sind. Wenn selbst das reiche Land Hessen mit einem Nachtragshaushalt, der im Verhältnis zu unserem eine weitaus höhere Nettokreditaufnahme hat, um den Haushalt auszugleichen, diesen Weg wählt, dann ist damit klar, Herr Möllring,

(Möllring [CDU]: Das ist eine klare Lüge, die Sie uns auftischen! Nennen Sie doch einmal ein paar Zahlen!)

dass die Schwierigkeiten bundesweit überall gleich sind.

Einen dritten Punkt halte ich für wichtig, weil versucht worden ist, im Zusammenhang mit den Haushaltsentwicklungen immer wieder darauf hinzuweisen, Niedersachsen sei in vielen Vergleichszahlen besonders schlecht. Die aktuelle Diskussion um Pleiten macht ausdrücklich deutlich, dass diese Schlechtredepolitik, die von der CDU perfektioniert worden ist, keine Basis hat. Niedersachsen hat mehr Neugründungen als Firmenlöschungen: 10.560 im laufenden Jahr zu 3.800 Löschungen. Das macht klar, dass wir einen

Gründerboom in einer Größenordnung wie kein anderes Bundesland haben.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt. Wir haben uns verpflichtet, die Jugendarbeitslosigkeit insbesondere bei den langzeitarbeitslosen Jugendlichen herunterzufahren und zu halbieren. Wir sind nahezu am Ziel: von 9 300 auf 5 000 junge Menschen. Das heißt, wir haben die Zahl der langzeitarbeitslosen Jugendlichen ungefähr auf die Hälfte heruntergedrückt. Wir liegen jetzt auf Platz 5 und haben uns deutlich verbessert.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 9,6 % gegenüber 6,6 % in Bayern!)

Diese beiden Beispiele sollen deutlich machen, dass wir nicht nur sparen und konsolidieren, sondern trotz der knappen Kasse in ausgewählten Feldern der Politik durchaus erfolgreich sind. Der Haushalt ist verfassungskonform. Daran kann es gar keinen Zweifel geben. Das NIW-Gutachten, das wir vorgelegt haben, macht deutlich, dass, je nachdem, wie man bewertet, zwischen 38 000 bis über 50 000 Arbeitsplätze wegfallen würden, wenn wir diesen Weg über den Finanzierungshaushalt nicht gehen würden.

Das Pikante an der Geschichte ist, dass sich offensichtlich auch Herr Möllring dieses Gutachten zu Eigen gemacht hat und dann allerdings die Einsparungseffekte, die theoretisch möglich wären, für bare Münze genommen und sie dann umgesetzt hat. Täte er das in der Realität, käme er zu einem völlig kontraproduktiven Ergebnis. Dann könnte er alles das, was über Einstellungsstopp, Haushaltsbewirtschaftung, Streichung umgesetzt werden müsste, natürlich auch auf seine eigene Politik übertragen. Damit hätte er automatisch die komplette Streichung des CDU-Wahlprogramms vornehmen müssen.

(Beifall bei der SPD)

So wird dann manches, was man liest, aber nicht versteht, zum Bumerang, Herr Möllring.

Wir werden mit diesem Vorgehen, das wir hier sichergestellt haben, in den nächsten Jahren über den Doppelhaushalt 45 Milliarden Euro in Niedersachsen verausgaben. Die Hälfte davon geht direkt und indirekt in den investiven Bereich und in die

Sicherung von Arbeit und Qualität niedersächsischer Politik, insbesondere aber in die Bildungspolitik. Das ist Ihnen klar. Deshalb weise ich ausdrücklich auch auf das Programm Schulbausanierung hin, das wir gemeinsam mit den Kommunen durchfinanziert haben.

(Busemann [CDU]: Wo denn?)

Flankierend zu dem 400-Millionen-Progamm, das über die Ganztagsschulen nach Niedersachsen fließen wird, ist es ein investiver Baustein für die nächsten Jahre, der insbesondere Arbeit in Mittelstand und Handwerk bringen wird.

Meine Damen und Herren, Sie sehen daran, dass es darum geht, in dieser schwierigen Situation einen vernünftigen Mix aus Sparpolitik, aus Aktivierung von Mitteln, die auch aus anderen Ebenen nach Niedersachsen geholt werden können, sicherzustellen, d. h. konstruktive Mitarbeit im Bundesrat.

Das Dritte ist, dass wir unseren eigenen Beitrag leisten, indem wir mit Schwerpunktsetzung in der Politik Niedersachsens deutlich machen, wohin die Reise geht. Zu diesem Zeitpunkt steht die Landesregierung - das fasse ich zusammen - eindeutig mit dem einzigen diskussionsfähigen Projekt Finanzpolitik in diesem Jahr, im nächsten Jahr und für die nächsten fünf Jahre vor den Wählerinnen und Wählern. Alle beiden Oppositionsfraktionen bleiben den Beweis schuldig, dass sie auch in diesem Jahr die bessere Alternative liefern können. Die Grünen haben sich bemüht, aber ein Feigenblatt zustande bekommen. Die Opposition hat auch zum wiederholten Male keinen Haushaltsantrag zu Papier bringen können. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Möllring.

(Meinhold [SPD]: Nicht schon wie- der!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer es nicht schafft, in einem Jahr den Haushalt in den Griff zu bekommen, sondern schlicht drei Zahlen in den Haushalt bucht und sagt „Die jetzt gemachten Schulden buche ich von Kassenkrediten auf Nettokreditaufnahme“ und sich

dann hierher stellt und sagt, warum die anderen das nicht alles repariert hätten, der hat doch aufgegeben, Finanzpolitik zu machen. Die Karten liegen auf dem Tisch. Sie haben gepasst! Sie haben aufgegeben!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben nicht auf die Steuerschätzung vom Mai reagiert, die schon 600 Millionen Euro weniger prognostiziert hat. Sie haben nicht das getan, was die anderen Bundesländer gemacht haben. Ich halte es für hanebüchen, dass Sie hier auf das reiche Hessen verweisen und dann noch behaupten, die Hessen würden mehr Nettokreditaufnahme machen als Sie. Sie - der Ministerpräsident Gabriel - machen in diesem Jahr 5,3 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme im Doppelhaushalt. Die Hessen müssen jetzt 1,9 Milliarden Euro Nettokredite aufnehmen, weil sie 2,1 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich einzahlen. Das heißt, sie zahlen aus Ihrem Haben noch Geld ein. Und Sie stellen sich hierher und beziehen sich auf die Hessen. Das ist doch unerträglich!

(Beifall bei der CDU - Wegner [SPD]: Aus Hildesheim kommt nichts Neu- es!)

Dann verweisen Sie immer auf die anderen Bundesländer. Bayern hat sein Defizit aus der Rücklage ausgeglichen.

(Wegner [SPD]: Das haben Sie uns schon fünfmal erzählt! Wann kommt denn mal etwas Neues?)

Baden-Württemberg hat gesagt, dass sie es so machen wollen, wie Sie es in die Mipla geschrieben haben, nämlich dass das Defizit des Jahres 2002 im Jahr 2004 ausgeglichen werden soll. Das haben die Baden-Württemberger gemacht. Nordrhein-Westfalen hat noch eine ausreichend hohe Obergrenze bei der Nettokreditaufnahme, um es daraus zu finanzieren. Andere Bundesländer haben es geschafft.

Ich habe heute Morgen schon den Ministerpräsidenten zitiert. Wir haben heute Morgen schon darüber diskutiert. Er ist ja Mitglied des Vereins für klare Aussprache. Dazu hat er sich ja selbst ernannt. Was nützt mir aber das klarste Wort, wenn der Wahrheitsgehalt gleich null ist? Was nützt mir das?

(Beifall bei der CDU)