Protocol of the Session on November 22, 2002

Meine Damen und Herren, Fazit ist: Die Reform der Finanzverwaltung in Niedersachsen ist auf dem richtigen Weg. Wir haben auch das Problem der Überalterung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einbezogen.

(Althusmann [CDU]: Überhaupt nicht!)

Nach unserer Zukunftsplanung werden in den nächsten Jahren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den Ruhestand gehen, durch junges, qualifiziertes Personal ersetzt.

(Althusmann [CDU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Herr Althusmann, wir werden Ihrer Ankündigung, auch dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zuzustimmen, nicht folgen. Wir werden den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ablehnen. Darum bitte ich auch Sie, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Golibrzuch!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand bestreitet, dass in den vergangenen Jahren insbesondere in der Steuerfahndung und bei den Betriebsprüfern zusätzliche Stellen geschaffen worden sind. Nur, das Problem ist, dass die Steuerrückstände, Defizite und teilweise illegalen Praktiken, die dort festgestellt werden, vom Innendienst in den Finanzämtern auch umgesetzt werden müssen. Auf genau dieses Problem zielen wir mit unserem Antrag ab.

Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt: In Niedersachsen gibt es ein milliardenschweres Vollstreckungsdefizit. Das lag vor drei oder dreieinhalb Jahren bei 1,8 Milliarden DM.

(Althusmann [CDU]: Das ist immer noch so!)

Durch die Umstellung auf den Euro ist das nicht weniger, sondern mehr geworden.

(Althusmann [CDU]: Es hat sich ver- doppelt!)

Die Statistiken, die man uns dazu im Ausschuss vorgelegt hat, weisen es klar aus. Wir hatten im Jahr 2000 ein Vollstreckungsdefizit, echte Rückstände, in Höhe von 934 Millionen Euro und im Jahr 2001 ein Vollstreckungsdefizit, echte Rückstände, in Höhe von 972 Millionen Euro zu verzeichnen. Im laufenden Jahr 2002 haben wir allein bis zum dritten Quartal, Stichtag 30. September, ein Vollstreckungsdefizit und damit echte Rückstände in Höhe von 985 Millionen Euro im Land Niedersachsen. Dieses Vollstreckungsdefizit wollen wir beseitigen, dieses Geld wollen wir kassieren.

Die Rechnung, die die CDU an dieser Stelle aufmacht, ist allerdings nicht richtig.

(Althusmann [CDU]: Ich habe „theo- retisch“ gesagt!)

Langsam kriege ich einen Verdacht, wie Sie Ihre 2 500 Lehrerstellen finanzieren wollen. - Natürlich ist es nicht so, dass diese echten Rückstände eins zu eins in Einnahmen für den Landeshaushalt umgesetzt werden können.

(Frau Leuschner [SPD]: Ah!)

Natürlich müssen die verbleibenden Einnahmen zunächst einmal in den Länderfinanzausgleich eingestellt werden; es bleiben also rund 12 %. Dieser Betrag, den wir gerne realisieren möchten, steht natürlich nur einmalig zur Verfügung. Man kann dieses Geld nicht dauerhaft zur Finanzierung neuer Stellen einsetzen, aber man kann das Geld einsetzen, um die Rekordverschuldung des Landes um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag zu senken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Althusmann [CDU]: Das stimmt nicht!)

Sie müssen erklären, warum Sie auf dieses Geld verzichten wollen.

(Althusmann [CDU]: Das stimmt nicht, Herr Kollege!)

Das Vollstreckungsdefizit ist nicht das einzige Problem, aber das größte, das wir in den Finanzämtern haben. Wir haben dieses Vollstreckungsdefizit. Es hat mit einer unzureichenden Personalausstattung des Innendienstes zu tun.

Wir haben aber ganz generell das Problem, dass die Steuererklärungen in den Finanzämtern überhaupt nicht mehr seriös geprüft werden können.

(Frau Leuschner [SPD]: Das stimmt nicht!)

Das meiste, was dort eingereicht wird, wird durchgewunken. Das ist gültige Erlasslage. Das wird niemand bestreiten. Die Arbeitskapazität der Beschäftigten dort reicht nicht einmal mehr für eine seriöse Betrachtung der einzelnen Fälle aus. Wir haben ein Problem in den Veranlagungsstellen. Der Rechnungshof prüft das zurzeit. Wir prognostizieren Ihnen, dass das Ergebnis der Prüfung des Rechnungshofes nicht großartig anders als in Baden-Württemberg ausfallen wird.

(Frau Leuschner [SPD]: Das ist Ihre alte Rede! Sie haben nichts dazuge- lernt!)

In Baden-Württemberg hat man festgestellt, dass durch eine bessere Praxis in den Veranlagungsstellen 354 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen für das Land Baden-Württemberg zu realisieren wären. Nun haben wir nicht ganz die Wirtschaftsstruktur wie in Süddeutschland, aber wir haben allemal ein Potenzial in der Größenordnung von 200 Millionen Euro, das wir durch eine bessere Ausstattung der Veranlagungsstellen auch für unseren Landeshaushalt realisieren könnten. Das Problem ist: Sie verzichten darauf. Aber Sie verzichten nicht nur darauf, sondern Sie kürzen mit dem gültigen Haushaltsführungserlass auch das Beschäftigungsvolumen in den Finanzämtern um 212 Vollzeiteinheiten. Ich sage Ihnen: Wenn es in der Vergangenheit mit dem bis dahin gültigen Personalbestand nicht gelungen ist, das Vollstreckungsdefizit von damals 1,8 Millionen DM, das - ich habe es gesagt - in den letzten Jahren angewachsen ist, zu senken, dann wird es künftig mit noch weniger Personal noch sehr viel weniger gelingen. Deswegen unser Antrag. Wir wollen das Beschäftigungsvolumen auf dem heutigen Niveau konstant halten. Wir wollen durch eine Verstetigung der Zahl von Anwärterinnen und Anwärtern dafür sorgen, dass auch künftig, wenn viele Finanzbeamte und -beamtinnen altersbedingt in Pension gehen, die Personalausstattung in den Finanzämtern nicht leidet.

(Frau Leuschner [SPD]: Die leidet doch nicht! Wir stocken doch auf!)

Wir wollen erreichen, dass alle Einnahmen, die für den Landeshaushalt möglich sind, auch realisiert werden, und wir wollen erreichen, dass dieses gewaltige Vollstreckungsdefizit von fast 1 Milliarde Euro endlich beigetrieben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Minister Aller!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Strategie beider Oppositionsfraktionen ist relativ klar. Sie suchen nach einer Deckung für ungedeckte Haushaltsanträge und haben jetzt offensichtlich eine geeignete Quelle gefunden. Herr Golibrzuch, Sie wissen ganz genau, wie es sich mit den Rückständen verhält, und Sie wissen auch, wie Niedersachsen im Bundesdurchschnitt dasteht. Sie wissen, dass sich die Rückstände zum 31. Dezember 2001 bundesweit auf 19,546 Milliarden Euro belaufen haben. Auf Niedersachsen sind weniger als 10 % dieses Betrages entfallen. Das ist eine völlig normale Situation, die wir auch in anderen vergleichbaren Größenordnungen haben. Das ist nichts Besonderes.

Noch wichtiger aber ist, dass die niedersächsische Oberfinanzdirektion mit ihren positiv zu bewertenden Ergebnissen im Vergleich mit den Oberfinanzdirektionen in den anderen Bundesländern auf Platz 7 liegt. Das heißt, dass wir uns in der Spitzengruppe befinden. Sie aber suggerieren hier, dass Niedersachsen besonders schlecht ist. Das jedoch ist eindeutig falsch. Deshalb ist auch die Vermutung, dass hier verborgene Schätze lägen, vom Grundsatz her zunächst einmal nicht so durchzuhalten.

Dort, wo Sie von „Rückständen“ sprechen, reden wir inzwischen über rechtsbewehrte Tatbestände. Dort, wo Stundungen oder sogar Aussetzungen ausgesprochen worden sind, kommt man derzeit nicht an das Geld heran.

(Althusmann [CDU]: Das ist schon abgezogen, Herr Minister!)

Wir verzichten zwar nicht auf das Geld, sondern wir versuchen, Euro für Euro hereinzubekommen. Wenn aber ein Betrieb vor der Pleite steht, dann werden Sie diesen Betrieb, wenn er durch eine Steuerstundung am Leben erhalten werden kann,

doch nicht endgültig liquidieren und damit alle Steuern abschreiben. Das heißt, dieses sensible Geschäft - auf der einen Seite so viel Steuern wie möglich einzunehmen, auf der anderen Seite die Privaten und die Wirtschaftsbetriebe aber nicht kaputtzumachen - ist viel komplizierter, als Sie es mit Ihrer Darstellung auf einen Nenner zu bringen versuchen.

Ihre Personalbetrachtung geht in Bezug auf den Budgetbegriff in die eine Richtung und in Bezug auf die Personalhaushalte innerhalb der Finanzämter aber in eine ganz andere Richtung. Sie haben zu Recht gesagt: Niedersachsen nimmt bei Fahndung und Außenprüfung ganz deutlich einen Spitzenplatz ein. Wir haben dort nämlich einen Akzent gesetzt. Sie wissen, dass wir mit dem Projekt „Finanzamt 2003“, das Sie so ärgert, weil es so erfolgreich ist, genau im Bereich der Veranlagungsstellen die erforderlichen Modernisierungsschritte eingeleitet haben, um im Zusammenspiel von Außen- und Innendienst diejenigen Erfolge zu erreichen, die Sie in Baden-Württemberg vermeintlich schon erkannt zu haben glauben. Das heißt, das Personalentwicklungskonzept, um das es an dieser Stelle geht, ist sehr viel umfassender, als dies Ihr Antrag suggeriert, mit dem Sie deutlich machen wollen, dass Sie die Finanzverwaltung irgendwann als Problem der Landesverwaltung insgesamt erkannt haben. Das aber wird nicht ausreichen.

Deshalb ist es wichtig, mit wenigen Kennziffern deutlich zu machen, dass die Personalstrategie, in Verbindung mit Investitionen in den IT-Bereich und in Organisationsveränderungen hinein zu mehr Effizienz zu kommen, richtig ist. Alle qualifiziert Ausgebildeten werden übernommen und ersetzen Personal, das in Pension geht. Unsere derzeitigen Einstellungsquoten decken das aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben ausscheidende Personal ab. Wir haben einen kompletten Überblick über die ausscheidenden Personalkräfte in den nächsten Jahren. Die Verstetigung, die wir gerade wieder bei den Nachwuchskräften eingeführt haben, hat dazu geführt, dass wir innerhalb kürzester Zeit mehr als 1 500 junge Kolleginnen und Kollegen in die Steuerverwaltung eingestellt haben, die jetzt in den Finanzämtern ihren Dienst tun. Das heißt, der Verjüngungsprozess und der Qualifizierungsprozess sind verstetigt worden und werden auch über das Ende dieser Legislaturperiode hinaus fortgeführt.

(Althusmann [CDU]: Muss ja auch!)

Ich habe gesagt, Herr Althusmann, dass die von Ihnen genannten Zahlen ein Problem haben. Das, was die Bewertung, Rückstellungen und andere Dinge mehr angeht, habe ich schon angesprochen. Darüber hinaus tun Sie aber immer so, als würde jedes neu verabschiedete Gesetz immer auch eine entsprechende Anzahl von Steuerbeamten notwendig machen. Das aber ist völlig falsch. Wir werden lernen müssen, das Verhältnis zwischen steuerpflichtigem Bürger und Verwaltung über Compliance und andere Dinge zu verbessern. Andere Länder wie z. B. Holland haben das inzwischen vorgemacht. Wir befinden uns mitten in diesem Prozess. Durch ihn wird der Veraltungsaufwand reduziert. Außerdem entstehen dadurch Spielräume für Schwerpunktbildungen.

Ich möchte Ihnen dafür zwei Beispiele anführen. Die so genannten Bankenfälle haben wir in Niedersachsen deshalb so erfolgreich abgewickelt, weil wir gesagt haben: Dieses steuerrechtliche Unrecht wollen wir innerhalb einer begrenzten Zeit gezielt bekämpfen. Von insgesamt 65 000 anonymen Fällen haben wir inzwischen 58 000 aufgeklärt. Dadurch sind inzwischen 1,05 Milliarden DM in die Kasse zurückgeholt worden. Wenn diese Fälle abgewickelt worden sein werden, werden wir das Personal dort aber abziehen und in andere Schwerpunktbereiche geben. Genau so verhält es sich mit den 50 Stellen, die wir für die Task Force in Gang gesetzt haben. Wir wollen nämlich auf besondere Erkenntnisse im Steuerbereich auch mit besonderen Präventionsmaßnahmen reagieren. Deshalb ist Ihr Konzept grundsätzlich falsch.

Nun noch zwei Sätze zur Budgetabsenkung: Sie wissen, dass wir diese Personaleinsparungen im Wesentlichen in Tätigkeitsfeldern realisieren, die mit der steuerfachlichen Seite nichts mehr zu tun haben, weil die Arbeitsplätze durch Investitionen in Technologie inzwischen so ausgestattet sind, dass ganzheitlich gearbeitet werden kann. Zuarbeiten, die noch vor fünf, sechs oder acht Jahren notwendig waren, sind weggefallen. Das betreffende Personal werden wir mittel- und langfristig durch hoch qualifiziertes steuertechnisches Personal ersetzen müssen. Die dafür erforderlichen Mittel frei zu bekommen ist auch Bestandteil der Reduzierung in den von mir soeben skizzierten Personalbereichen.

Das ist der Ansatz, den wir verfolgen. Der führt dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen sicher sein können, dass die niedersächsische Steuerverwaltung nicht nur personell fit

ist, sondern aufgrund der Verwendung von Informationstechnologien und zuwachsenden OnlineSystemen natürlich auch schneller und effizienter sein wird. Die Zahl der Beschäftigten kann sich immer nur als eine Kenngröße neben den anderen Investitionen darstellen.

Nimmt man dies zusammen, so ist der vorliegende Antrag mehr als mager im Vergleich zu den Problemen, die wir inzwischen bewältigt haben. Er bietet auch keine Perspektive für das, was wir noch tun müssen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Ich schließe damit die Beratungen. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in Drucksache 3887 zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 3767 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung ist damit gefolgt worden.

(Zurufe von der SPD: Auszählen!)

- Ich habe eben nicht ganz mitbekommen, worum es eigentlich ging.