Protocol of the Session on September 25, 2002

tet, könnte das Land die Gebiete mit der höchsten Gefährdungsklasse mit den dann für die Bürger nicht mehr bezahlbaren Versicherungsprämien als Vorranggebiete für Hochwasserschutz ausweisen. Das wäre allerdings das Ende von vorbeugendem Hochwasserschutz und von staatlicher Gestaltung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn man auf dem Weg bleibt, den die SPDFraktion bei den Beratungen über das LandesRaumordnungsprogramm vorgeschlagen hat, dann würde es nach den bisherigen Erfahrungen 10 bis 20 Jahre und länger dauern, bis die Kommunen solche Vorrangflächen ausgewiesen hätten. Ich glaube, dass das nicht im Interesse von irgendjemandem sein kann. Ich appelliere hier noch einmal an die beiden anderen Fraktionen in diesem Hause, in den Beratungen zum Landes-Raumordnungsprogramm die Erfahrungen, die wir an der Elbe und bei anderen Hochwassersituationen gemacht haben, umzusetzen und sich nicht aus der übergeordneten Verantwortung, aus der Vertretung übergeordneter Interessen zu verdrücken und das den Kommunen hinzuwerfen. Die Erfahrungen haben wir alle gemacht. Wir müssen Verantwortung übernehmen. Das lässt sich nicht nach unten delegieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Der Kollege Dehde hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die SPD-Landtagsfraktion begrüße ich, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Hochwasserschutz ins Landes-Raumordnungsprogramm aufnehmen will. Um aber mit Hase und Igel zu sprechen: „Ick bin al doar!“ Frau Harms, Ihnen ist bekannt, dass Sie mit Ihrem Antrag zu spät kommen. Sie haben bereits darauf hingewiesen. Es ist Ihnen bekannt, dass am 3. September die Verankerung des technischen Instrumentes der Vorranggebiete von unserer Fraktion im Innenausschuss eingebracht worden ist.

(Frau Steiner [GRÜNE]: Deswegen stellen wir diesen Antrag!)

Insofern, meine Damen und Herren, ist dies offensichtlich ein Nacharbeiten, das aber meiner Meinung nach nicht erforderlich ist.

(Klein [GRÜNE]: Da haben Sie etwas nicht verstanden!)

Es geht uns mit unserem Änderungsantrag zum Landes-Raumordnungsprogramm darum, für die Raumordnungsplanung den entsprechenden Planungsträgern ein ausreichendes Instrumentarium für wirksamen Hochwasserschutz an die Hand zu geben. Das wollen wir machen. Dieses Ziel haben wir verfolgt.

(Frau Harms [GRÜNE]: So erfolg- reich wie bisher in Lüchow-Dannen- berg?)

Wir sind der festen Überzeugung, dass wir das Problem nicht dadurch lösen werden, dass wir von Landesseite aus eine Festlegung der entsprechenden Vorranggebiete von oben herab vornehmen. Frau Harms, wir beide wissen, und zwar auch aus unserer örtlichen Betroffenheit heraus, dass uns, wenn man Ihrem Vorschlag folgen würde, die Kommunen, denen Sie nachgesagt haben, dass sie überfordert seien, mit Fug und Recht ins Gesicht sagen würden: Ihr wollt etwas zentralistisch lösen, was wir gemeinsam lösen müssen. - Ich finde, dass das eine Sache ist, die - das kann ich bei uns beurteilen, aber wir kennen das auch aus vielen anderen Sachverhalten - mit Sicherheit dazu führen würde, dass die Kommunen nicht konstruktiv an diesem Prozess mitarbeiten, wenn es darum geht, die Vorranggebiete tatsächlich auszuweisen.

(Frau Steiner [GRÜNE]: So schieben Sie es auf die lange Bank!)

Inhaltlich besteht - das ist keine Frage - durchaus Einigkeit darin, dass wir raumordnerische Festlegungen treffen müssen. Es besteht sicherlich auch Einigkeit darin, dass wir beispielsweise bei den Versicherern, aber durchaus auch bei anderen Stellen auf Kompetenz zurückgreifen müssen. Der Weg, den Sie vorschlagen, bedeutet Zentralismus. Solchen Zentralismus lehnen wir ab. Frau Harms, wir wissen, dass wir, wenn man Ihrem Weg folgen würde, sehr umfangreiche Beteiligungen machen müssten. Das heißt, wir müssten das jetzt laufende Gesetzgebungsverfahren unterbrechen, stoppen und große Beteiligungen durchführen. Genau daraus würden Verzögerungen entstehen. Wir sind der Überzeugung, dass das der falsche Weg ist. Wir sind der Auffassung, dass es richtig ist, an dieser Stelle keine Verzögerungen zuzulassen, das Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss zu bringen und dann daran anschließend eine Ergänzung

der entsprechenden Verordnung für das LandesRaumordnungsprogramm auf den Weg zu bringen, allerdings, meine Damen und Herren, gemeinsam mit dem Kommunen und nicht - das ist nach unserer Auffassung der falsche Weg - von oben herab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Der Kollege McAllister hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hochwasserschutz ist ein sehr wichtiges und ernstes Thema. Es ist Aufgabe der Politik, einen effektiven und konsequenten Hochwasserschutz sicherzustellen. Wir haben dieses Thema bereits heute Morgen im Rahmen der Dringlichen Anfrage ausführlich erörtert. Leider ist nach unserer Auffassung der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jedoch kritisch zu bewerten. Vor allem die Aufnahme eines Regelungsinstrumentes „Vorranggebiete für Hochwasserschutz“ erscheint im Raumordnungsbereich problematisch, und zwar deshalb, weil durch diesen Gesetzentwurf die kommunale Planungshoheit außer Kraft gesetzt wird. Aus diesem Grunde sind wir anderer Auffassung als Bündnis 90/Die Grünen. Wir können dem Antrag nur insoweit folgen, als grundsätzlich auch die Raumordnung den Gesichtspunkt eines vorbeugenden Hochwasserschutzes berücksichtigen muss. Präventiver Hochwasserschutz kann aber nicht allein als wasserwirtschaftliche Aufgabe definiert werden. Daher heißt es in der am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Novelle des Bundes-Raumordnungsgesetzes - ich zitiere wörtlich § 2 Abs. 2 Nr. 8 Satz 6 -:

„Für den vorbeugenden Hochwasserschutz ist an der Küste und im Binnenland zu sorgen, im Binnenland vor allem durch Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und überschwemmungsgefährdeten Bereichen.“

Die Ministerkonferenz für Raumordnung hat sich in Entschließungen aus den Jahren 1995 und 1996 mit der Frage des grenzüberschreitenden Hochwasserschutzes befasst. Am 4. Juni 1998 wurden in einem Beschluss die Aufgaben der Raumordnung

zum vorbeugenden Hochwasserschutz bekräftigt. Dabei wurde von allen Ländern deutlich gemacht, dass zur Lösung von Hochwasserproblemen in den Einzugsgebieten grenzübergreifend und sektoralübergreifend zusammengearbeitet werden muss. Dabei soll auf eine gerechte Verteilung der Lasten geachtet und die raumordnerische Umsetzung des vorbeugenden Hochwasserschutzes grenzüberschreitend abgestimmt werden.

(Klein [GRÜNE]: Das soll jede Ge- meinde einzeln machen?)

Wichtig wäre im Sinne eines umfassenden Hochwasserschutzes die entsprechenden Flusseinzugsgebiete und ihre Ausgangsbedingungen darzustellen und darauf aufbauend raumordnerisch grenzübergreifende Handlungskonzepte zu entwickeln. Meine Damen und Herren, die Flutkatastrophen in den letzten Monaten haben uns vor Augen geführt, wie wichtig gerade eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in einem solchen Katastrophenfall ist.

(Beifall bei der CDU)

Es ist uns allen wohl mehr als bewusst geworden, dass Maßnahmen zur frühzeitigen Abstimmung und Kooperation notwendig sind, und zwar alles im Konsens. Genauso notwendig ist aber auch die gemeinsame und grenzüberschreitende Förderung des präventiven Hochwasserschutzes. Ich betone noch einmal - ich hoffe in Zusammenarbeit mit den Kollegen der SPD -, dass wir für einen konsequenten und effektiven Hochwasserschutz sind und hier auch keine besonderen Belehrungen seitens einer dritten Fraktion brauchen.

(Schünemann [CDU]: So ist es!)

Ob dies jedoch zwingend voraussetzt, auf der Ebene der Landesplanung Vorranggebiete für den Hochwasserschutz einzuführen, erscheint doch mehr als fraglich. Aus Sicht der CDU-Fraktion würde die Landesregierung damit ein Instrument an die Hand bekommen, mit dem landesweit Vorranggebiete für den Hochwasserschutz festgelegt werden können, ohne die Kommunen an diesem Verfahren zu beteiligen. Damit würde in die Planungshoheit und insbesondere in die Bauleitplanung der niedersächsischen Kommunen eingegriffen. Das machen wir so nicht mit. Aus unserer Sicht sollte es den Trägern der Regionalplanung - sprich: den Landkreisen und kreisfreien Städten selbst überlassen sein, inwieweit Flächen und

Gebiete für den Hochwasserschutz planerisch dargestellt werden.

Das wird auch in verschiedenen anderen Bundesländer so gehandhabt. Daher meinen wir, das Landes-Raumordnungsprogramm in Niedersachsen solle sich darauf beschränken, eine grundsätzliche Darstellung des Hochwasserschutzes aufzunehmen. Eine solche landesplanerische Regelung ist ausreichend. Ich meine, die Beratungen im zuständigen Innenausschuss dürften unsere Auffassung bestätigen und die der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen widerlegen. - Danke sehr!

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank! - Herr Minister Jüttner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das habe ich nicht verstanden, was mein Vorredner hier eben zum Besten gegeben hat.

(Zuruf von der SPD: Ich auch nicht!)

Er redet von grenzüberschreitender Kooperation und lehnt das Instrument der Raumordnung ab. Wie passt das zueinander, meine Damen und Herren?

(Zuruf von der SPD: Weiß ich auch nicht! - Frau Harms [GRÜNE]: Der wird noch dazulernen!)

Nach der Debatte von heute Morgen und den Debatten der letzten Wochen zum Thema Hochwasserschutz halte ich das für viel zu kurz gesprungen, Herr Kollege. Ich meine, dass es ein absolut richtiger Schritt war, den der Innenausschuss getan hat, ein neues Instrument „Vorranggebiete für Hochwasserschutz“ zu schaffen. Das hat zur Konsequenz, dass sich daraus Folgearbeiten ergeben, meine Damen und Herren. Es wäre falsch, jetzt die parlamentarische Beratung über das Raumordnungsgesetz auszusetzen und die Verordnung praktisch parallel zu bearbeiten. Das Raumordnungsgesetz ist weit fortgeschritten im Verfahren. Wir brauchen die Regelungen zum Einzelhandel, zum Bodenabbau und zu den Tierhaltungsanlagen. Deshalb ist es vernünftig, dieses Verfahren in den nächsten Wochen abzuschließen.

Im Übrigen handelt es sich um altbewährte Praxis. Wir haben das Gesetz, und wir haben Ermächtigungen, die erlauben, Verordnungen dazu zu erlassen. Wir haben auch in den letzten Jahren mitunter parallel zu Gesetzesnovellierungen Verordnungen beraten. Wenn es jedoch kurzfristig nicht möglich war, haben wir davon abgesetzt andere Teile geregelt. Deshalb gilt es hier, keinen Schnellschuss zu machen, sondern die Verantwortlichkeit aller zu betonen. Das Land ist bei dem Thema in der Pflicht, Vorranggebiete festzusetzen. Allerdings werden Sie doch nicht beabsichtigen, dies mit einem zentralistischen, demokratiebegrenzenden Verfahren zu organisieren. Das werden Sie doch nicht wollen. Das wäre den Grünen doch richtig wesensfremd.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von den GRÜNEN)

Die Konsequenz, Rebecca, wäre, dass wir jetzt einen unheimlich intensiven Konsultationsprozess vorbereiten müssten.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ein jahr- zehntelanges Verfahren bringen Sie auf den Weg! Wir kennen doch diese Auseinandersetzung!)

Ich will nur auf Folgendes hinweisen, Herr McAllister: In den anderen Bundesländern wird zurzeit eine ähnliche Debatte geführt; auch dort wurde bemerkt, dass das Instrument der Raumordnung eingesetzt werden muss, um eine Rahmenplanung zu organisieren. Als Konsequenz heißt das, dass wir je nach Zuständigkeit, aber unter Beteiligung aller, in einer Verordnung, die in ein geregeltes Verfahren geht - dieser Konsultationsprozess ist unabdingbar -, in der nächsten Wahlperiode abschließend festlegen werden, an welchen Stellen das Land abschließend Vorranggebiete für Hochwasserschutz regelt.

Wir werden nicht alles delegieren, wie Frau Harms es uns unterstellt hat. Das kann nicht die Absicht sein; und das könnte auch gar nicht gut gehen. Alles auf Landesebene regeln zu wollen, kann mit Sicherheit nicht gut gehen. Die Vorstellung schon heute sagen zu können, was das Land abschließend regelt und was man der kommunalen Ebene vorbehält, das ist ein Maß an Größenwahn, über das die Landesregierung nicht verfügt.

Der Antrag der Fraktion der Grünen ist in der Intention richtig. Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass der Teil Ihres Antrages, in dem Sie die

Zuständigkeiten ansprechen, keinen Bestand haben wird. Wir werden in der nächsten Wahlperiode mit allen Beteiligten diese Verordnung zu realisieren haben.

Es geht um Investitionen, wenn es beispielsweise darum geht, Polder zu bilden, oder um konkrete Konfliktlagen, sollte das Land Vorranggebiete entlang von Städten und Gemeinden, die das ihrerseits als Siedlungsentwicklungsperspektiven für sich reklamieren, ausweisen. Hier geht es um Geld und um kommunale und Landeszuständigkeiten. Alles muss zusammengebunden werden, weil es darauf ankommt, den Hochwasserschutz in Niedersachsen gemeinsam mit den Nachbarländern zu verbessern.

Deshalb sollten wir nicht den Eindruck erwecken, dass wir das mit links auf der Ziellinie dieser Wahlperiode organisieren könnten. Das ist nicht der Fall. Wir schaffen mit der Verordnungsermächtigung die rechtlichen Voraussetzungen, damit das zuständige Raumordnungsministerium die Arbeit sofort beginnen kann. Dies muss im Übrigen in Übereinstimmung mit den Fachleuten aus der Wasserwirtschaft geschehen. Dann werden wir sowohl den Landtag als auch die kommunalen Spitzenverbände als auch die sonstigen Betroffenen beteiligen. Die Staatskanzlei ist mit den kommunalen Spitzenverbänden in dieser Woche zusammengekommen. Dort ist eine Arbeitsgruppe verabredet worden, um all diese Dinge zusammenzutragen. Es ist natürlich völlig klar, dass das auch in die Kompetenzen und Zuständigkeiten der kommunalen Seite geht; deshalb können die einen das nicht zulasten der anderen durchsetzen.

Wir brauchen ein Gesamtpaket, das wirklich zeitnah entwickelt wird und dazu beiträgt, dass der Hochwasserschutz in Zukunft einen anderen Stellenwert bekommt. Mit der Ermächtigung einer Verordnung im Landes-Raumordnungsprogramm ist der erste, aber zentrale Schritt gesetzt; weitere müssen folgen, und zwar möglichst schnell. Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister! - Frau Kollegin Harms, bitte schön!

Herr Minister, ich habe heute Morgen schon einmal versucht, das deutlich zu machen. Ich habe den Eindruck, dass die Konsequenzen aus den Hochwassersituationen im Land nicht so gezogen werden, wie sie in der Situation, als das Wasser an der Elbe ganz besonders hoch stand, beschrieben worden sind. Hier geht es weiter nach dem Motto zu: Wasch mich, aber mach mich nicht nass!

Sie tun so, als ob wir hier über Flächen reden, die noch völlig unbekannt sind. Wir haben unseren Antrag sehr bewusst auf die Gewässer 1. Ordnung - Bundeswasserstraßen - beschränkt. Es ist doch kein Geheimnis, um welche Flächen es dabei im Land Niedersachsen geht. Ich meine, dass das Land dann zumindest die Vorleistung bringen muss, diese Flächen zu benennen. Ich erinnere mich - das zur Verantwortlichkeit bei dem bisherigen Vorgehen der kommunalen Behörden - an Situationen während des Elbehochwassers in Lüchow, in Dannenberg und in Wustrow, wo Leute in Überschwemmungsgebieten wohnen, die noch nicht einmal wussten, dass sie in einem Überschwemmungsgebiet gebaut haben. Die Kommunen haben bisher bei der Ausweisung, bei der Planung zu wenig Verantwortung bewiesen. Daraus müssen Sie Konsequenzen ziehen. Sie können doch nicht so tun, als wenn bisher alles mit ungeheurer Verantwortung gehandhabt worden wäre. Ich möchte, dass diese Unverantwortlichkeit beendet wird, insbesondere an den großen Flüssen und ihren Oberläufen. Ansonsten sind bei den 30 000 Flusskilometern in Niedersachsen noch ohne Ende Aufgaben für die Kommunen vorhanden, die sie selbständig und verantwortlich endlich ausfüllen können.