Protocol of the Session on August 29, 2002

Ich möchte gern die Frage stellen,

(Möhrmann [SPD]: Stellen Sie sie doch!)

wie Sie es bewerten, dass aufgrund der Unterrichtsversorgung von 102 % an den Verlässlichen Grundschulen an den anderen Schulformen im Sek-I-Bereich Lehrerstunden abgezogen wurden. Ich kann das auch für den Bereich Stade belegen.

Bitte schön, Frau Ministerin!

Sie wissen, Herr Abgeordneter, dass wir den Ausbau der Verlässlichen Grundschule ausdrücklich mit zusätzlichen Lehrerstellen realisiert haben, damit das nicht passiert, was Sie gesagt haben. Das heißt aber nicht, dass vor Ort nicht Ausgleiche durch die Schulaufsichtsbeamten geschaffen werden. Aber die Verlässliche Grundschule in ihrem Aufbau ist zusätzlich finanziert, das können Sie im Haushaltsplan nachlesen.

(Inselmann [SPD]: Das hat er ja auch schon dreimal gehört! - Klare [CDU]: Es gibt Dienstanweisungen schriftli- cher Art, die genau das Gegenteil be- legen!)

Herr Busemann! Dann Frau Vockert zu ihrer zweiten Frage.

Herr Präsident! Frau Ministerin, da jedermann weiß, dass ein Unternehmen namens Schule nur

funktionieren kann, wenn das Betriebsklima zwischen Chefetage und z. B. der Lehrerschaft stimmt, und angesichts der ja auch heute Morgen ständig erfolgten Schuldzuweisungen, Maßregelungen und Disziplinierungen wie „Lehrer können es nicht“, „Schulleiter können Erlasse nicht lesen“,

(Biel [SPD]: Tolle Frage!)

jetzt genau die Frage, Herr Kollege: Meint die Landesregierung nicht, dass sie das im Interesse eines besseren Betriebsklimas in Ordnung bringen muss?

(Frau Goede [SPD]: Was denn?)

Frau Ministerin!

Herr Busemann, ich nenne Schulen nicht Unternehmen, aber wenn Sie Schulen mit Unternehmen vergleichen wollen, dann sage ich Ihnen: Es gibt natürlich auch andere Arbeitsbedingungen und andere Verträge für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen. Sie wissen auch - wir haben darüber bereits diskutiert -, dass in den erfolgreichen PISA-Ländern Lehrer andere Arbeitsbedingungen haben als hier. Ich habe z. B. bei einer Diskussion jemandem entgegen gehalten: Wenn ich die Lehrkräfte so bezahlen könnte, wie sie in Finnland bezahlt werden, hätte ich eine Menge Ressourcen übrig für Doppelbesetzungen und mehr qualitative Maßnahmen.

(Busemann [CDU]: Es geht um kli- matische Dinge!)

Wir geben sehr viel für Lehrergehälter ins System hinein. Das wissen Sie, das ist uns auch in einer Studie dargestellt worden. Die Stadtstaaten geben übrigens am meisten aus, weil sie auch noch höher besolden als wir, statt nach A 12 nach A 13. Das scheint übrigens nicht der erfolgreiche Weg zu sein; auch das wurde uns dargestellt.

Zum Betriebsklima habe ich einiges gesagt. Es ist notwendig, dass wir dieses beachten. Wir wollen deshalb das Thema auch mit den Schulleitern genau bereden. Der Schulleiter wird ja Dienstvorgesetzter sein und hat für seine Schule und für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann auch in noch anderer Form zu sorgen, auch hinsichtlich der Personalentwicklung. Das sind alles neue Prinzi

pien. Dennoch würde ich Schulen an dieser Stelle nicht mit Unternehmen vergleichen.

Es folgt Frau Vockert zu ihrer zweiten Frage! Dann Frau Zachow.

Herr Präsident! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen zum Thema Betriebsklima frage ich Sie, ob Sie es für notwendig halten, nicht nur das Betriebsklima zu beachten, sondern sich in diesem Kontext auch ganz konkret von der Aussage des Ministerpräsidenten zu distanzieren, der nämlich gesagt hat, dass die Lehrerverbände die Hauptschuld an der Bildungsmisere tragen. Wäre es in diesem Kontext zur Verbesserung des Betriebs- und des Arbeitsklimas nicht genau so notwendig, wenn diejenigen Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich kritisch zu Wort melden und auf Probleme hinweisen, bei den Bezirksregierungen nicht mehr einbestellt würden, sondern mit ihnen vernünftige Gespräche geführt würden?

(Beifall bei der CDU)

Frau Jürgens-Pieper!

Sehen Sie, Frau Vockert, Herr Busemann hat hier von Unternehmen gesprochen. In Unternehmen ist es üblich, dass die Unternehmensspitze bestimmte Vorgaben macht und dass Gespräche geführt oder bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sogar schwerwiegende Konsequenzen gezogen werden, wenn diese Vorgaben nicht eingehalten werden. Das alles ist bei uns nicht üblich. Sehr wohl ist es aber üblich, dass Rechenschaft abzulegen ist gegenüber denjenigen, die das Geld zur Verfügung stellen - das ist in diesem Fall das Parlament -, aber auch gegenüber denjenigen, die den Ressortbereich leiten. Das sind meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ist meine Führungsebene. Von daher kann ich sie auch einbestellen und Rechenschaft verlangen. Wir werden bei unserem Konzept für die selbständige Schule die Rechenschaftslegung an die Spitze der wichtigsten Steuerungselemente stellen, weil dies meines Erachtens eine ganz wichtige Sache ist.

Wenn Sie jetzt aber die Verbände mit einbeziehen, so muss ich Ihnen sagen: Verbände haben nicht für das Schulklima zu sorgen. Mein Mitarbeiter, der Schulleiter, ist verantwortlich für das Schulklima sowie für den Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Künftig wird er dies noch viel mehr sein. Aber doch nicht ein Lehrerverband. Die Lehrerverbände haben die Aufgabe, die Interessen der Lehrkräfte zu vertreten. Das ist ihr gutes Recht. Ich sorge dafür - auch das habe ich Ihnen schon dargestellt -, dass sie das bei mir auch können. Ich nehme die Kritik an und bewerte sie. Ich setze das, was ein Interessenverband mir gegenüber vorträgt, aber nicht 1 : 1 um. Das würden Sie von mir, glaube ich, auch nicht erwarten.

(Beifall bei der SPD - Frau Vockert [CDU]: Distanzieren Sie sich nun von den Aussagen des Ministerpräsiden- ten? Diese Frage haben Sie nicht be- antwortet! - Gegenruf von Frau Goede [SPD]: Muss sie auch nicht!)

Nachdem Frau Zachow ihre Wortmeldung zurückgezogen hat, folgt jetzt Frau Schwarz. Danach Herr Schwarzenholz. - Frau Kollegin Schwarz, wollen Sie Ihre Frage stellen?

Ich möchte die Landesregierung fragen, inwieweit die Landesregierung beabsichtigt, das Fach Deutsch als Kernfach und als Fach mit einer Schlüsselkompetenz über die Sprachförderung an den Schulen hinaus zu fördern.

Das ist eine didaktische Frage nach Ihrer Auffassung zum Fach Deutsch.

Vielen Dank für Ihre Hilfestellung an dieser Stelle, Herr Präsident. - Ich habe eben darüber nachgedacht, ob allein das Fach Deutsch selig machend ist. Wir werden die Konsequenzen aus der Lesekompetenz nicht ausschließlich auf ein Fach konzentrieren, sondern wir werden ein Konzept vorlegen - es wird in meinem Hause derzeit erarbeitet -, das deutlich macht, dass Lesekompetenz in allen Fächern eingeübt werden muss; denn uns ist aus der Studie bekannt, dass die Lesekompetenz auch

für Naturwissenschaften und Mathematik eine Schlüsselqualifikation ist. Wenn in den PISAAufgaben nicht nur Texte, sondern auch Tabellen, Grafiken und anderes mehr verwendet worden sind, dann ist klar: Wer nicht lesen kann, der hat auch keine Chance, in Naturwissenschaften gut zu sein. Deshalb hat nicht nur das Fach Deutsch, sondern haben alle Fächer die Aufgabe, mit darauf zu achten, dass Kinder geschult werden, damit sie in der Lage sind, Texte zu verstehen und wiederzugeben, aber auch Grafiken zu lesen und zu interpretieren. Deshalb also kein Deutschkonzept, sondern ein Lesekompetenzkonzept.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schwarzenholz! Danach noch einmal Frau Schwarz.

Frau Ministerin, Ihre Äußerungen über die Lehrergehälter in Finnland haben mich sehr nachdenklich gestimmt. Die internationale PISA-Studie macht ja deutlich, dass in den Erfolgsländern - soweit man sie so bezeichnen kann - im internationalen Vergleich deutlich höhere Haushaltsanteile für die Bildung eingesetzt werden und den Schülerinnen und Schüler zugute kommen. Sie haben das in Bezug auf Finnland dadurch indirekt bestätigt, dass dort eine andere Schichtung erfolgt. Glauben Sie, dass bei uns die erforderliche Qualitätssteigerung, die zum Teil auch eine Quantitätssteigerung sein muss, möglich sein wird, ohne dass wir die in Deutschland eingesetzten Mittel für die Bildung deutlich erhöhen müssen?

Frau Jürgens-Pieper!

Die Studie kann nicht herangezogen werden, um zu sagen: Mehr Geld bedeutet automatisch mehr Qualität. Uns liegen Grafiken vor - ich kann sie Ihnen gern zur Verfügung stellen -, aus denen deutlich hervorgeht, dass es sehr wohl Länder gibt, die ähnlich abgeschnitten haben wie Deutschland, aber weniger für die Bildung ausgeben. Demgegenüber gibt es aber auch Länder, die wesentlich mehr für Bildung ausgeben, aber schlechter abgeschnitten haben als Deutschland. Insofern ist ein

unmittelbarer Zusammenhang aus der Studie nicht herauszulesen.

Richtig aber ist - das können wir aus der Studie ablesen -, dass wir in Deutschland für die Bildung der Großen, also für die Jugendlichen bzw. die Erwachsenen, mehr Geld ausgeben als für die Kleinen im Kindergarten, in den Vorschulen und in der Grundschule. Deshalb wollen wir die Grundschule deutlich stärken und dort mehr Geld hineingeben. Darüber muss nachgedacht werden. Wir geben für das Hochschulsystems und die Sekundarstufe II sehr viel mehr Geld aus als andere PISA-Länder, für den Bereich Grundschule und Vorschule aber sehr viel weniger. Deshalb muss sich die Bildungspolitik noch einmal die Frage stellen, ob sie hier die richtige Grundlegung vornimmt. Wir tun dies vermutlich nicht, sondern wir setzen das Geld erst dann ein, wenn die Jugendlichen weiter sind. Das wirkt offensichtlich nicht so förderlich, als wenn das Geld gleich in die Grundlegung gesteckt würde. Das machen in Deutschland übrigens alle falsch. Deshalb werden die Kulturministerkonferenz und auch wir hier im Plenum noch einmal darüber diskutieren müssen, ob das die richtige bildungspolitische Strategie ist. Insgesamt aber besteht kein 1 : 1-Zusammenhang zwischen Geld und Qualität.

(Beifall bei der SPD)

Frau Schwarz zu ihrer zweiten Zusatzfrage!

Frau Ministerin, Sie haben eben ausgeführt, dass Sie zurzeit ein Lesekompetenzkonzept erstellen. Ich frage Sie jetzt: Zu welchem Zeitpunkt und welchem Interessentenkreis werden die Ergebnisse vorgestellt?

Frau Ministerin!

Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. So weit ist das Konzept noch nicht. Wir denken darüber nach, wie man das ansiedeln kann. Einen Fahrplan gibt es noch nicht. Wenn ein Erlassentwurf vorliegt, wird das übliche Anhörungsverfahren durchgeführt.

Jetzt stellt der Abgeordnete Wulff (Osnabrück) eine Frage.

(Schurreit [SPD]: Bitte etwas Neues, Herr Wulff!)

Herr Präsident, ich bitte um Vergebung, ich möchte zwei Fragen stellen. - Bei Durchsicht der PISA-Studie habe ich festgestellt, dass diejenigen Länder besonders erfolgreich sind, die Eltern und Lehrer ehren und besonders Leistungsbereite prämieren.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

- Es ist nicht schlecht, wenn man auch darauf einmal zurückgreift, Herr Kollege. - Deshalb die Frage: Wann wird die Landesregierung die Leistungsprämie für Lehrer nicht nur einnehmen, sondern auch auszahlen?

(Vizepräsident Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Wann wird man das Verhältnis zu den Lehrerverbänden auf eine neue Grundlage stellen? Das ist hier bereits gefragt worden. Antworten darauf sind bisher aber nicht erteilt worden. Man kann nämlich nicht gegen Lehrer erfolgreich Politik betreiben, wie Sie es versuchen.

Frau Ministerin, bitte schön!

Herr Wulff, Sie haben völlig Recht. Ich habe vorhin schon einmal dargestellt, dass es einen sehr engen Zusammenhang zwischen Schulethos, Wertschätzung von Lehrkräften und Schule und dem Stellenwert von Schule in der Gesellschaft sowie einer guten Qualität gibt. Das ist offensichtlich ein sehr erfolgreiches Konzept. Man kann es aber nicht verordnen. Ich würde es gern verordnen; man kann es aber nicht. Ich glaube, hier bedarf es einer gemeinsamen gesellschaftlichen Anstrengung. Wertschätzung von Bildung muss in dieser Republik stattfinden. Das können wir aber nur gemeinsam leisten, allerdings nicht auf der Grundlage der bisherigen Diskussionen und Debatten. Meiner Mei