Protocol of the Session on August 28, 2002

(Plaue [SPD]: Sie sollten mal in die Akten Ihres Herrn Oberbürgermeis- ters gucken! Da haben Sie genug zu tun, Sie Finanzgenie!)

Also, das, was Sie hier immer vor sich hergetragen haben - „wir gewinnen auf alle Fälle“ -, war völliger Blödsinn. Vielmehr wussten Sie von vornherein, auf welchem unsicheren Boden Sie sich bewegten.

Ich habe heute morgen schon auf die rechtswidrige Handhabung in Sachen VBL und auf den Verstoß gegen Artikel 67 der Niedersächsischen Verfassung hingewiesen. Ein Minister, der Mitglied der Tarifkommission der Länder ist und der im November in Sachen VBL einem Punkt zustimmt, der das Land Niedersachsen in diesem Jahr nach eigener Berechnung 42 Millionen Euro kostet und der über die SPD-Fraktion nur 10 Millionen Euro davon in den Haushalt einplanen lässt, während er die anderen 32 Millionen Euro dem Haushaltsausschuss und dem Landtag verschweigt, verstößt gegen die Verfassung.

(Zurufe von der SPD)

- Ja, das ist nicht in Ordnung! Sie lassen sich vielleicht gerne belügen, aber der Rest des Parlaments lässt sich eben nicht gerne belügen.

(Zurufe von der SPD)

Wenn die Tarifkommission der Länder einem Tarifvertrag zustimmt, der entsprechend etwas kostet, dann muss das auch haushaltspolitisch dargestellt werden.

Ich will den fünften und letzten Punkt nennen - der ist durch gestern ja noch verschärft worden -: Es ist immer noch kein Nachtragshaushalt vorgelegt worden. Wir wissen inzwischen, dass in diesem Jahr 1,8 Milliarden Euro nicht gedeckt sind. Sie haben 950 Millionen Euro Steuermindereinnahmen - das haben Sie gestern selber bekannt gegeben -, Sie haben noch das Minus von 616 Millionen Euro aus dem Jahresabschluss 2001, das ja noch umgesetzt werden muss, Sie sagen selber, Sie wollen im Schulbereich 140 Millionen Euro mehr ausgeben - davon steht nichts im Haushalt -, und die erwarteten Mehrausgaben im öffentlichen Dienst aufgrund der Tarifsteigerung sind mit mindestens 150 Millionen Euro anzusetzen; denn 1 Prozentpunkt sind etwa 85 Millionen Euro. Damit kommen Sie auf insgesamt mehr als 1,8 Milliarden Euro, die hinten und vorne nicht finanziert sind.

Wer bei so einem Haushalt weiter geradeaus fährt und sagt, da bleiben wir ganz ruhig, der hat sein Ministeramt verfehlt. Nein, der muss endlich etwas tun, und wenn er sich weigert, dann muss das Parlament ihn dazu zwingen. Wenn Sie den Antrag auf Entlassung nicht mittragen, dann tragen Sie diese Offenbarungseide mit. Aber ich glaube nicht, dass das im Hause eine Mehrheit findet. Ich bitte, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Kollege Golibrzuch!

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das Auswahlverfahren für den Softwarelieferanten für das Haushaltsvollzugssystem P 53 war nicht sachgerecht; wir haben das oft im Ausschuss diskutiert. Das hat dem Land erhebliche Mehrkosten beschert, und wir alle wissen, dass die Funktionsweise des gelieferten Softwaresystems bis heute unzureichend ist. - Das allein, finde ich, ist ein hinreichender Grund, sich sehr kritisch mit der Rolle des Finanzministers, aber übrigens auch mir der der Staatskanzlei an der Stelle auseinander zu setzen.

Im Übrigen gilt: Wir haben einen Finanzminister, der es in den vergangenen Jahren versäumt hat, zureichend Einsparvorschläge zu unterbreiten. Wir haben einen Finanzminister, der - die Beispiele sind richtig gewählt - mehrfach Haushaltsrecht gebrochen hat. Und wir haben einen Finanzminister, der gestern eine völlig unsolide mittelfristige Finanzplanung für die nächsten fünf Jahre vorgelegt hat.

Das alles sind für uns hinreichende, zureichende und gute Gründe, der Entlassung des Finanzministers hier heute Abend zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Kollege Schwarzenholz hat sich zu Wort gemeldet. Bis zu zwei Minuten!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits in der Einbringungsdebatte erklärt, dass ich der Meinung bin, dass die vorgetragenen Vorwürfe Gegenstand einer politischen Auseinandersetzung sein müssen.

Heute hat der Kollege Möllring nachgelegt. Er hat versucht, Dinge, die vom Kabinett beschlossen sind, individual dem Finanzminister zuzuordnen. Wenn man das Instrument der Entlassung eines Ministers in dieser Art und Weise handhabt, ohne

die notwendige Substanz dahinter zu setzen, dann ist das ein sehr durchsichtiger politischer Versuch.

Wie gesagt, das ist ein Punkt, der einfach schlicht und ergreifend der normalen politischen Auseinandersetzung zuzuführen ist. Dass die CDU selbst dieser Auffassung ist, kann man ja daran sehen, dass sie am Freitag einen Antrag einbringt, mit dem der Landtag das Verhalten des Ministers missbilligen soll. Das ginge aber gar nicht - das wurde schon vorgetragen -, wenn wir ihn heute entlassen würden.

Also, es ist schlicht und ergreifend ein durchsichtiges Manöver. Es ist unsinnig, es ist eine offensichtlich zwischen Herrn Golibrzuch und Herrn Möllring verabredete Geschichte. Ich bin nicht bereit, so einen Unsinn mitzumachen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe die Argumente der Landesregierung, warum wir absolut kein Verständnis für diesen Entlassungsantrag haben, schon beim letzten Mal vorgetragen. An diesen Argumenten hat sich nichts geändert. Es lohnt sich nicht - entschuldigen Sie, dass ich das so sage -, dass wir dieses Theater weiter betreiben. Wir sollten uns das ersparen.

Der zweite Punkt ist: Die CDU glaubt selbst nicht an die Entlassung, denn sonst hätte sie nicht am Freitag einen Missbilligungsantrag auf der Liste. Also gehen Sie ja wohl davon aus, dass der Finanzminister am Freitag noch im Amt ist.

Der dritte Punkt ist: Wissen Sie, Herr Möllring, Sie sind ein pawlowscher Politiker. Sie schnappen immer zu, wenn es klingelt, auch wenn kein Essen da ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Sie müssten das doch langsam gelernt haben. Sie gehen durch das Land und erzählen den Leuten, es gebe einen großen Skandal in Wilhelmshaven, weil ein Finanzamt bei der SPD Räume anmietet. Wir reagieren in einem solchen Fall ganz einfach: Wir gehen zum Landesrechnungshof und sagen - das habe ich persönlich veranlasst -: Ich bitte, dass das

geprüft wird. Wir möchten einen Bericht haben. - Der Bericht besagt: alles in Ordnung, keine Kritik. - Wissen Sie, was anständig wäre? Wenn Sie schon danebengeschnappt haben, könnten Sie sich gelegentlich einmal für all diese Fehlleistungen entschuldigen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Wir kennen das alles: Sie diffamieren die Norddeutsche Landesbank, und ich weiß nicht, was alles sonst noch in ihren Veranstaltungen passiert. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Ich hätte Angst, wenn Sie bei mir zu einem Kompetenzteam gehören würden, weil es dann relativ schwierig würde. Ich sage Ihnen ganz einfach: Die Argumente sind die gleichen geblieben. Es ist kein Geld verloren gegangen. Aufgrund der Umstellung bei der EDV gibt es ein Zuordnungsproblem. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Finanzbehörde ausdrücklich, dass sie es hingekriegt haben, dieses schwierige Problem zu klären. Sie haben Respekt verdient.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nichts verschwunden. Es gibt ein Zuordnungsproblem. Ich glaube, wir sind inzwischen bei weniger als 80 000 Euro gelandet. Ich sage doch nicht, dass das kein Problem ist. Ich begreife es aber nicht, daraus ein Entlassungsproblem zu machen und es so darzustellen, als hätte es ein Fehlverhalten gegeben. Klären Sie einmal Ihre eigenen Entlassungsprobleme. Aller non olet. Das gilt nicht für alle.

(Heiterkeit und starker Beifall bei der SPD)

Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 3579 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3445 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 20: Zweite Beratung: a) Konsequenter Schutz vor Gewalt- und Sexualverbrechern - verfassungskonforme nachträgliche Sicherungsverwahrung in Niedersachsen prüfen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3107 - b) Mehr Schutz vor Sexual- und Gewaltverbrechern - Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/3113 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen Drs. 14/3611 – Änderungsantrag der Fraktion der SPD – Drs. 14/3636

Die Anträge der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU wurden in der 99. Sitzung am 15. Februar 2002 an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist der Abgeordnete Schröder.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie aus der Beschlussempfehlung in der Drucksache 3611 ersichtlich ist, empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, den Antrag der SPD-Fraktion in der Drucksache 3107 unverändert anzunehmen, den CDU-Antrag in der Drucksache 3113 dagegen abzulehnen. Ich erspare es mir an dieser Stelle, Ihnen die Einzelheiten aus dem Bericht vorzutragen, und zwar aus zwei Gründen: Erstens haben wir wiederholt über dieses Thema gesprochen, und das Thema wird auch gleich noch Gegenstand einer Debatte sein. Zweitens liegt hier ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion vor, der eine neue Debattenlage schafft. Insoweit ist ein Eingehen auf die Einzelheiten der Ausschussberatung sicherlich entbehrlich. - Schönen Dank.

Für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Frau Bockmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über das Thema der Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung debattieren wir heute hier im Plenum bereits zum vierten Mal. Die Argumente sind also schon dreifach protokolliert worden. Die Grundsatzposition der SPD-Fraktion

ist eindeutig: Konsequenter Opferschutz hat absolute Priorität in Niedersachsen. Jedes Gewalt- bzw. Sexualverbrechen ist eines zu viel.

Deshalb vertreten wir nachhaltig die Auffassung, dass wir diese grauenvolle Form der Kriminalität nicht mit Spielzeuggesetzen bekämpfen können. Verfassungswidrige Ländergesetze, die vom Bundesverfassungsgericht zeitnah gekippt werden können, sind solche Spielzeuggesetze. Es ist nun einmal so, wie es ist: Der Bund ist hierfür primär zuständig.

Neu in dieser Landtagsdebatte ist allerdings, dass der zuständige Bund mit Datum vom 7. Juni 2002 mit dem Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung seine Hausaufgaben bereits gemacht hat. Deshalb haben wir unseren Antrag durch einen Änderungsantrag auch aktualisiert. Durch die Verabschiedung des Bundesgesetzes wird das Wegschließen von Gewalttätern erleichtert. Schließlich wird dem Gericht durch dieses Regelwerk ermöglicht, eine Sicherungsverwahrung bereits im Urteil vorzubereiten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, und nur so kann eine so genannte Doppelbestrafung vermieden werden.

Ich begrüße ausdrücklich, dass auch der Bundesrat inklusive der CDU-Stimmen seine anfänglichen Vorbehalte aufgegeben hat und sich für diesen verfassungskonformen Königsweg entschieden hat. Deshalb ist der vorliegende Entschließungsantrag der CDU-Fraktion völlig überflüssig geworden. Er ist sozusagen der Schnee von gestern. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDUFraktion, da Sie aber Stimmenfang mit der Angst betreiben wollen, erhalten Sie ihn aufrecht. Mit Ihrem Griff in die rechtspolitische Mottenkiste werden Sie nichts, aber auch gar nichts bewirken. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der CDU spricht der Kollege Stratmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war nun wieder starker Tobak, den wir von der Kollegin Bockmann gehört haben. Wir haben über das Thema in der Tat schon ausgiebig diskutiert. Ich will die Argumente der Vergangen

heit deshalb auch gar nicht wiederholen, zumal wir heute Abend ohnehin in Verzug sind.

Es ist natürlich auch richtig, dass mittlerweile das Bundesgesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung mit den Stimmen der rotgrünen Koalition beschlossen worden ist. Es ist auch richtig, dass wir bei der Verabschiedung mitgemacht haben, aber nicht, weil wir das Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, für besonders gelungen halten, sondern weil es darum geht, zunächst einmal erste Schritte in die richtige Richtung zu tun. Diese ersten Schritte reichen aber bei weitem nicht aus.