Protocol of the Session on April 25, 2002

stieg der Kriminalität - besonders bei Spätaussiedlern - gibt. Das wird dann auch in der Kriminalstatistik bewiesen. Herr Justizminister, Sie kennen das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen sicherlich noch sehr genau. Einige Vertreter des Instituts waren in der vergangen Woche im Innenausschuss. Es wäre sehr schön, wenn Sie sich wenigstens das Protokoll in Ruhe durchlesen würden. Denn dort wurde dargestellt, dass es in Bayern und auch in anderen Bundesländern eine Dunkelfeldanalyse für Spätaussiedler gibt und dass wir in Niedersachsen zwar keine genaue Analyse, aber durchaus Anhaltspunkte haben. Das lässt nur den Schluss zu, dass es bei den Spätaussiedlern in keiner Weise eine besondere Auffälligkeit gibt, sondern dass - ganz im Gegenteil - von ihnen im Durchschnitt nicht mehr Verbrechen begangen werden als von allen anderen Bevölkerungsgruppen auch.

Wenn Sie das tatsächlich zum Anlass nehmen, um Stimmung in unserem Land zu machen, dann ist das wirklich bedenklich. Das sollten Sie beim besten Willen gerade bei den Spätaussiedlern unterlassen, weil es aus meiner Sicht wirklich diffamierend und mit keinem Wort irgendwo zu bestätigen ist.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt einen Bereich, auf den wir besonderes Augenmerk legen sollten, und zwar auf die jungen Männer unter den Spätaussiedlern. Hier gibt es durchaus einen Anstieg, allerdings längst nicht in dem Maße, wie es ihn bei ausländischen Mitbürgern gibt. So wurde es vom Kriminologischen Forschungsinstitut dargelegt. Der Anstieg bezieht sich aber eben nicht auf diejenigen, die gerade nach Deutschland gekommen sind, sondern er tritt erst nach ein, zwei, drei oder vier Jahren ein, weil die Aussiedler nicht richtig integriert worden sind. Meine Damen und Herren, sie müssen sich vorhalten lassen, dass Sie diese Integrationsmaßnahmen nicht so eingeführt haben, wie es normalerweise notwendig gewesen wäre. Wenn Sie diese Erkenntnis hätten und zu diesem Punkt einen Sicherheitsbericht vorlegen würden, dann würden Sie die richtigen Maßnahmen ergreifen, die Spätaussiedler nicht so diffamierend in Misskredit bringen und irgendwelche Initiativen inszenieren. Das ist aus meiner Sicht schändlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Diese drei von mir genannten Beispiele zeigen, dass eine Kriminalstatistik, wie Sie sie in der Vergangenheit vorgelegt haben, eben nicht ausreichend ist, um die Sicherheitslage in Niedersachsen vernünftig darzustellen. Es ist notwendig, in den Bereichen Gewaltkriminalität, Eigentums-/Vermögensdelikte, Drogenkriminalität und Organisierte Kriminalität eine Dunkelfeldanalyse vorzunehmen.

Sie haben vor zwei Jahren schon einmal gesagt, dass Sie einen solchen Bericht vorstellen würden. Darauf warten wir seit langem. Wir hatten schon damals vor, einen Antrag einzubringen, aber dann haben wir gesagt: Es kann ja sein, dass der Innenminister einmal tätig wird. - Aber wenn er nach zwei Jahren nichts vorlegt, dann kann ich überhaupt nicht verstehen, dass Sie auch in diesem Bereich nur etwas ankündigen. Wir nehmen es nicht mehr hin, dass Sie keine Taten folgen lassen. Deshalb wollen wir die Landesregierung mit diesem Antrag auffordern, in der Zukunft einen umfassenden Sicherheitsbericht darzulegen. Meine Damen und Herren, eines steht fest: Die nächste Kriminalstatistik für das Jahr 2002 werden Sie im März 2003 nicht mehr vorstellen.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Oh Gott! - Plaue [SPD]: Herr Kollege, Vorsicht!)

Das Wort hat Frau Kollegin Stokar von Neuforn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Sicherheitsbericht, den die CDU-Fraktion hier fordert, haben die Grünen auf Bundesebene durchgesetzt. Das war auch gut so.

(Beifall bei den GRÜNEN - Plaue [SPD]: Ihr seid ja die Größten!)

Die Länder sind dazu auch aufgefordert worden. Der vereinbarte periodisch erscheinende Sicherheitsbericht des Bundesinnenministeriums weist aber aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Daten aus den einzelnen Bundesländern noch Lücken auf. Meine Damen und Herren, wir möchten drei Punkte in dem Sicherheitsbericht beinhaltet haben. Wir wollen eine Bilanz der Arbeit der Polizei. Dazu gehört die Unterscheidbarkeit, ob die Erfolge durch eigene Ermittlungen oder durch das Ergreifen des Täters bei der Tat, wie es bei Ladendiebstahl und Schwarzfahren der Fall ist, zustande ge

kommen sind. Die Aufklärungsquote steigt natürlich, wenn die große Masse der Täter nicht von der Polizei ertappt wird, sondern der Polizei praktisch nach der Tat geliefert wird.

Wir wollen Transparenz. Das heißt, dass wir wissen möchten, mit welchen Mitteln und Methoden die Polizei ermittelt hat. Ich meine, dass es für die Bevölkerung wichtig ist, zu erfahren - damit wir eine sachliche Debatte führen können -, welche Bürgerrechtseingriffe die Polizei für notwendig erachtet hat - darüber hatten wir gerade eine heftige Debatte - und welche dieser Eingriffe in Bürgerrechte - Verdeckte Ermittler, Observation, Lauschangriff - vor den Gerichten als Beweise für eine Verurteilung notwendig gewesen sind. Das ist eine Bilanz, die dann auch in der Bevölkerung verstanden wird.

Meine Damen und Herren, ich gebe Herrn Schünemann in einem Punkt Recht: Ich weiß nicht, wer die nächste Statistik vorstellt. Irgendwann fand ich es unerträglich - zuletzt beim Lagebild Organisierte Kriminalität -, dass die Kriminalstatik - die ich für eine vernünftige und weiterzuführende Grundlage halte - vom Innenminister und dem Justizminister selbst dermaßen diskreditiert wird, indem sie in Presseerklärungen einfach nur als Propagandainstrument genutzt wird und alles, aber auch alles vermieden wird, um tatsächlich eine sachliche Information weiterzugeben.

(Zustimmung von Schünemann [CDU])

Wir möchten auch in den Ländern - deswegen gehen wir noch einen Schritt weiter; das habe ich schon vor zwei oder drei Jahren gefordert - eine kriminologische Regionalanalyse, weil wir die Vergleichbarkeit der polizeilichen Leistungen zwischen den Ländern und auch innerhalb des Landes zwischen den einzelnen Regierungsbezirken wollen.

Meine Redezeit ist leider gleich wieder zu Ende. Meine Irritation kommt daher, weil hier die rote Lampe von Anfang bis Ende leuchtet, deswegen kann sie mir auch nichts sagen.

Ich bedaure es sehr, dass das Innenministerium beim Bezirk Hannover-Stadt blockiert. Hier ist die Region Hannover politisch entstanden. So eine Entwicklung geht an der Polizei komplett vorbei. Die Regionspolizei ist überhaupt noch kein Gesprächsthema. Die Region Hannover ist ein kriminalgeografischer Raum. Ich kann nichts damit

anfangen, wenn mir Hannover-Stadt und Hannover-Land völlig unterschiedliche Auswertungen von Kriminalstatistik vorlegen. Ich möchte gerade im Bereich der Jugend- und Drogenkriminalität wissen: Welcher Täter wohnt in Hannover-Land und begeht seine Tat in der Stadt? - Ich möchte als Kommunalpolitikerin wirklich verlässliche Unterlagen haben. Diese habe ich nicht, wenn die Kriminalstatistik nur noch benutzt wird, damit der Innenminister und der Polizeipräsident sagen können: Es ist alles toll. Alles ist sicher. Wir sind die Besten.

Meine letzte Bemerkung: Wir möchten in der Statistik neue Entwicklungen aufgezeigt finden. In der Zeitung steht, dass hier alles sicher ist. Die Realität ist aber, dass ein Juweliergeschäft nach dem anderen überfallen wird und nicht darüber berichtet wird, dass wir offensichtlich eine Zunahme osteuropäischer Bandenkriminalität in der Stadt haben. Ich würde mir wünschen, dass das Innenministerium auch einmal darstellt, wie Sie darauf reagieren wollen und warum wir über solche neuen Entwicklungen nicht schon längst einen Informationsaustausch mit Polen betreiben. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat jetzt der Kollege Adam.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleich zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich Frau Stokar von Neuforn und Herrn Schünemann eine Sorge nehmen: Die nächste Statistik und der nächste Sicherheitsbericht werden vom Innenminister Heiner Bartling vorgelegt, von seinen Mitarbeitern vorbereitet. Ihre Hobbystatistiker werden keine Chance haben, hier etwas Seriöses vorzulegen. Also keine Sorge, Herr Schünemann. Lehnen Sie sich genüsslich zurück. Auch der nächste Bericht wird vom Innenminister Heiner Bartling vorgelegt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, die Forderung nach einem Sicherheitsbericht für Niedersachsen lässt vermuten, dass sich der Antragsteller einen sachlichen Überblick - vielleicht auch als Grundlage für eine Diskussion über die Entwicklung, die Strukturen und die Ursachen des Kriminalitätsgeschehens

in Niedersachsen - verschaffen will. Spätestens nach der Rede des Kollegen Schünemann müssen wir feststellen, dass es der CDU-Fraktion nicht um eine sachliche Auseinandersetzung oder um eine sachliche Aufarbeitung geht, sondern um politische Polemik. Herr Kollege Schünemann, Sie haben leider nichts zu Ihrem eigenen Antrag gesagt.

Meine Damen und Herren, ich möchte versuchen, die Geschichte des Entschließungsantrags der CDU-Fraktion, wie sie sich für mich darstellt, nachzuzeichnen.

(Zuruf von Schünemann [CDU])

- Herr Kollege Schünemann, Sie haben Kriminalstatistik, Ermittlungserfolge, Kriminalitätsaufklärung und anderes mehr durcheinander gebracht. Sie wissen, dass diese Aufarbeitung - das hätten Ihnen Ihre Hobbystatistiker eigentlich aufschreiben müssen - überhaupt nicht zu vergleichen ist.

Meine Damen und Herren, am 25. März hat der Minister der Öffentlichkeit die Polizeiliche Kriminalstatistik des Landes Niedersachsen vorgestellt. Noch am selben Tag wandte sich der Kollege Schünemann an die Presse und diagnostizierte einen Anstieg der Kriminalität. Diesen Anstieg führte er auf eine angeblich verfehlte Sicherheitspolitik der SPD zurück. Kollege Schünemann, in dem von Ihnen heute so vehement geforderten Sicherheitsbericht würden Sie nicht nur all das nachlesen können, was Ihnen der Innenminister gesagt hat, sondern auch all das, was schriftlich vorliegt.

Meine Damen und Herren, das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, liegt in Niedersachsen heute deutlich niedriger als noch in den 80er-Jahren.

Nun aber weiter in der Historie dieses Entschließungsantrags: Der Kollege Schünemann kündigte für den 26. März eine Pressekonferenz an, auf der er die aus seiner Sicht wichtigsten Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung vorstellen wollte. Über diese Pressekonferenz, die offenbar stattgefunden hat, informiert die CDU mit den falschen Behauptungen, die bekannt sind.

(Coenen [CDU]: Welche denn?)

- Ja, die will ich Ihnen gern nennen: Heiner Bartling täuscht die Bevölkerung bewusst über die Kriminalitätsentwicklung.

(Beifall bei der CDU)

Herr Schünemann, Sie wissen, dass das nicht nur infam, sondern auch falsch ist. Um bei Ihrem Fraktionsvorsitzenden aber gut Wetter zu machen, müssen Sie natürlich alles unternehmen, um zu glänzen. Die gleiche Situation haben wir auch heute Morgen wieder bestens erlebt.

Meine Damen und Herren, auf diese Anschuldigungen aufbauend, Herr Schünemann, forderten Sie ein konsequentes Umsteuern in der Kriminalpolitik. Sie führten hierfür sieben Punkte an, von denen Sie aber genau wissen, dass sie entweder aus der kriminalpolitischen Mottenkiste stammen oder aber längst schon umgesetzt worden sind. Sie fordern diese Punkte trotzdem, um Stimmung zu machen. Um nichts anderes geht es Ihnen.

Meine Fraktion hat am selben Tag mit einer Pressemitteilung reagiert. Der ganze CDU-Aktionismus, dieses ganze Geschrei war nichts weiter als der Versuch, auf einem Boden wieder etwas gut zu machen, auf dem Heiner Bartlings Politik von allen Seiten Zustimmung erfährt.

Meine Damen und Herren, schon im März haben wir empfohlen, vor solchen Pressekonferenzen besser mit den Experten zu sprechen. Ich gebe Ihnen, Herr Schünemann, jetzt einmal das zurück, was Sie mich schon vor einigen Wochen gefragt haben: Wer hat Ihnen bloß diese Rede aufgeschrieben, die Sie hier gehalten haben?

(Jahn [CDU]: Sagen Sie es doch ein- mal, wer diese Rede aufgeschrieben hat!)

- Herr Jahn, Sie haben mir doch gesagt, wir sollten nicht so viele Zwischenrufe machen.

(Jahn [CDU]: Ich habe überhaupt nichts gesagt!)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik immer auch ein Abbild der Ermittlungsschwerpunkte der Polizei ist. Genauso verhält es sich im Übrigen mit dem in der letzten Woche vom Innenminister und vom Justizminister vorgestellten Lagebild zur Organisierten Kriminalität in Niedersachsen. Wenn die Polizei in Niedersachsen besondere Ermittlungsschwerpunkte setzt, dann wäre es meiner Meinung nach sehr erstaunlich, wenn es nicht gelänge, mehr Kriminalität sichtbar zu machen und sie aus dem Dunkelfeld in das Hellfeld der bekannt gewordenen Delikte zu überführen. - Meine Damen und Herren, die Reaktion von der rechten Seite dieses

Hauses zeigt einmal mehr, wie ernst die CDUFraktion ihre eigenen Anträge nimmt. Es geht ihr nur um Polemik und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)

Ihnen, meine Damen und Herren, geht es nicht um einen Sicherheitsbericht für Niedersachsen, sondern es geht Ihnen darum, den Innenminister Heiner Bartling mit seiner Politik und die Politik der die Landesregierung tragenden Sozialdemokratischen Fraktion draußen bloßzustellen. Es geht Ihnen um Faktendreherei. Es geht Ihnen darum, in der Bevölkerung Angst und Schrecken zu erzeugen.

Meine Damen und Herren, die Polizeiliche Kriminalstatistik ist keine Spielwiese für Hobbystatistiker. Sie wissen, lieber Kollege Schünemann, dass Ihre Presseerklärung vom 26. März gegen Heiner Bartling nicht nur unsachlich und unredlich, sondern sogar total falsch war. Solange Sie diese Pressemeldung nicht aus dem Internet zurückziehen, wird eine sachliche Auseinandersetzung über den von Ihnen geforderten Bericht nicht möglich sein. Die Kollegin Stokar hat Recht, wenn sie darauf hinweist: Wenn Sie mit Ihren Berliner Kollegen gesprochen hätten, dann wüssten Sie jetzt, dass man schon viel weiter ist als das, was Sie hier einfordern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Herr Innenminister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte mir erlauben, nur noch ein paar wenige Anmerkungen anzuschließen. Zunächst einmal bin ich der CDU-Fraktion sehr dankbar dafür, dass sie in einem Antrag aufgegriffen hat, was wir in der Tat vorhaben, Herr Kollege Schünemann. Ich habe das, wie Sie eben richtigerweise gesagt haben, angekündigt, aber nicht vor zwei Jahren, sondern erst voriges Jahr. Die Erarbeitung eines derart umfassenden Sicherheitsberichts bedarf einer sehr analytischen Arbeit, die lange Zeit in Anspruch nimmt. In solch eine Arbeit müssen erhebliche Arbeitskapazitäten investiert werden. Frau Stokar hat gesagt, dass es auf Bundesebene bislang einmal gelungen sei, dies zu tun. Wir wollen das. Wir werden uns dabei auch wissenschaftlicher Unterstützung versichern. Das geht aber nicht