Herr Justizminister, ist Ihnen denn bei den Gesprächen mit der grünen Bundestagsfraktion deutlich geworden, dass einer der wesentlichen Einwände ist, zu sagen, wir wollen diese Entscheidung auf die Ebene des Richters und der Gerichte verlegen und nicht in den Bereich der Vernehmungsbeamten und der Staatsanwaltschaften? Meine Frage lautet also: Ist Ihnen dies deutlich geworden?
Mir ist deutlich geworden, dass das in dieser Weise nicht so klar betont wurde. Es ist immer klar, dass die Verständigung in Strafverfahren den Staatsanwalt einbeziehen muss und dass von daher auch die Polizei beteiligt ist. Sie hat den Tatverdächtigen oder den, der von ihr festgenommen wurde, als ersten Gesprächspartner. Sie muss in der Lage sein, bereits Konturen von dem zu skizzieren, was später im Gerichtssaal ablaufen wird.
Zu allen diesen Fragen habe ich gemeinsam mit den Kollegen des KFN 1999 diese große Untersuchung durchgeführt, die dann Basis des bayerischen Entwurfs wurde, die auch Basis unseres Eckpunktepapiers gewesen ist. Danach haben sich - wie von Herrn Stratmann schon richtig betont wurde - 90 % der Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamten für eine solche Regelung ausgesprochen. Warum haben sie das getan? - Weil sie ganz eindringlich sagen - das hat eigentlich die Gesprächspartner bei den Grünen so überzeugt -: Das, was wir hier gemeinsam vorhaben, begrenzt die Kronzeugenregelung, begrenzt die Regelungen
zum Aufklärungsgehilfen auf das Notwendige und schafft gegen die Missbrauchsgefahren neue Regelungen. Nur darauf will ich noch kurz eingehen.
Die Botschaft, die unser Eckpunktepapier enthielt und die unser Gesetzentwurf deutlich machen wird, heißt „Lügen haben kurze Beine“. Wer um des eigenen Vorteils willen jemand anderen wahrheitswidrig belastet hat, dem muss die Strafmilderung wieder genommen werden. Die Frage ist nur, wie man das rechtstechnisch im Einzelnen macht. Da empfehlen wir, dass das Gericht bereits im Urteil sagt: Für den Fall, dass sich später herausstellt, du hast gelogen, oder du bist von Amnesie befallen und willst nicht mehr kooperieren, wenn es im nächsten Verfahren gegen die von dir belasteten Leute geht, spreche ich eine Verwirkungsstrafe aus. Wenn dann der Fall eintritt, kann man dem lügenden oder dem plötzlich nicht mehr kooperierenden Kronzeugen sagen: Du kriegst das, was wir angekündigt haben; das gebührt dir auch.
Zweiter Punkt - das muss Sie besonders nachdenklich stimmen -: Die von Ihnen so misstrauisch beäugte Polizei hat selber zu 95 % gesagt, wir wollen keine Verurteilung eines Menschen nur auf der Basis einer Kronzeugenregelung. Die Polizei weiß selber, dass Kronzeugen in Gefahr sind zu lügen, und sagt, eine Verurteilung nur dann, wenn ergänzend Sachverhalte noch aufgeklärt werden können, die die Aussagen des Kronzeugen stützen; sonst nicht.
Mit diesen beiden Maßgaben, meine ich, hätten die Grünen dann auch zustimmen können. Ich bedaure es sehr, dass sie es nicht getan haben, und dass wir deswegen jetzt veranlasst sind, vonseiten des Landes über den Bundesrat eine eigene Initiative vorzubereiten. Das werden wir tun, und ich freue mich auf das, was es dazu im Rechtsausschuss an ergänzenden Beratungen geben wird.
Ansonsten hat Frau Bockmann aus meiner Sicht alles das gesagt, was zum bayerischen Entwurf zu sagen ist. Der Entwurf hat seine Schwächen, weil er damals wirklich in aller Eile zusammengeschrieben wurde. Ich glaube, die Bayern werden inzwischen bei gründlichem Nachdenken zugestehen, dass die Vorschläge, die wir jetzt unterbreiten, das noch deutlich verbessern, was sie zunächst einmal vorgelegt haben. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, einmal das herauszuarbeiten, was hier gerade geschehen ist. Unser Ansinnen ist in vollem Umfang bestätigt worden. Die Rede des Kollegen Schröder hat erstens deutlich gemacht, dass sich die SPD in dieser Frage gegen die Grünen nicht durchsetzen konnte und eingeknickt ist.
Ich will weiter versuchen, herauszuarbeiten, welches Ablenkungsmanöver Frau Bockmann hier veranstaltet hat. Sie ist nicht auf unseren eigentlichen Vorwurf, weshalb Sie dieses Thema so lange hinauszögern und warum Sie Ankündigungen keine Tatsachen folgen lassen, eingegangen, sondern sie hat abgelenkt, indem sie eine Initiative Bayerns, die zum Gesetzentwurf des Bundesrates werden konnte, weil Niedersachsen dieser Initiative zugestimmt hat, in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestellt hat. Nun stellt sich Frau Bockmann als Vertreterin der niedersächsischen Regierungsfraktion hier hin und erklärt, dass sie dem zugestimmt habe, und dann werden was weiß ich wie viele Punkte aufgezählt und die Schwächen dieses Antrages dargelegt. So wird z. B. gesagt, dass er rechtlich bedenklich sei. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, was in den Gremien des Bundesrates überhaupt geschieht und wie unverantwortlich Sie überhaupt mit Initiativen anderer Länder umgehen, wenn Sie denen zustimmen, obwohl Sie rechtliche Bedenken haben.
Meine Damen und Herren, dies ist nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver. Sie wollen davon ablenken, dass Sie Ihren Sprüchen wieder keine Taten haben folgen haben. Das ist das Entscheidende. Das ist im Bereich der inneren Sicherheit, in dem es darum geht, Menschen vor terroristischen Anschlägen, vor organisierter Kriminalität zu schützen, ein besonders verwerfliches Vorge
Herr Kollege Schröder, wir können uns über die Inhalte streiten; das tue ich auch sehr gerne mit Ihnen. Aber hier geht es darum, dass sich die großen Fraktionen völlig einig sind. Der Herr Minister hat dies in seinem Eckpunktepapier zu der bayerischen Initiative sogar deutlich gemacht. Es gibt natürlich Details, zu denen unterschiedliche Auffassungen bestehen. Aber diese Auffassung hätte man sicherlich auch in der Gesetzesberatung - Sie haben doch Einfluss auf die Kollegen der Bundestagsfraktion - korrigieren können, und dann hätten wir eine Regelung gehabt. Stattdessen knicken Sie ein, stattdessen haben Sie nicht den Mut, Ihren Willen durchzusetzen und lassen wiederum Ihren Sprüchen keine Taten folgen. Ich finde, dass das unverantwortlich ist, wenn es um ein so wichtiges Thema wie die innere Sicherheit in unserem Lande geht.
Danke sehr. - Frau Kollegin Bockmann hat noch einmal das Wort. Frau Bockmann, Sie haben noch 2,5 Minuten.
Danke schön. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, noch einmal ganz kurz auf die Wortbeiträge meiner Vorredner einzugehen.
Erstens. Herr Kollege Schröder, Sie haben von einem Kuhhandel des Staates geredet. Ich bedauere sehr, dass Sie dermaßen eingeknickt sind; denn die Grünen haben noch mit Datum vom 15. Oktober 2001 eine Presseerklärung mit Ihrem Namen herausgegeben, in der Sie den Vorschlag von Justizminister Prof. Pfeiffer inhaltlich voll unterstützen. Ich bedauere es sehr, dass Sie jetzt eine Rolle rückwärts machen.
(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Dann schauen Sie sich doch einmal die Unterschiede zwischen den Ent- würfen an! Es gab doch nicht nur ei- nen!)
Der normale Weg wäre gewesen, im Bundestag - im Rechtsausschuss etc. - zu beraten. In Anbetracht der von mir soeben dargelegten gravierenden Mängel, die in der Detailberatung des bayerischen Entwurfes zu Tage getreten sind, haben wir uns entschlossen, etwas Neues vorzulegen.
Ich habe ausdrücklich betont, dass es keine Nervosität auf der Zielgeraden gibt. Warten Sie es ab! Wir werden zukunftsgerichtete rechtspolitische Gedanken vorlegen, die Sie unter Umständen begrüßen werden. Ihre pharisäerhafte Behauptung aber, wir täten nichts, entspricht schlicht und einfach nicht den Tatsachen. - Ich danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Meine Damen und Herren, der Kollege Schröder hatte sich gemeldet, obwohl keine Redezeit mehr vorhanden ist. Aber nach dem Minister bekommt er noch eine Minute. - Bitte schön!
Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Bockmann, wir reden von zwei verschiedenen Sachverhalten. Natürlich muss sich für den Täter ein Geständnis lohnen, wenn er durch seine Aussagen und Mitwirkung bei der Aufklärung weitere Straftaten verhindert. Wir liegen bei der Frage um diese allgemeine Aufklärungshilfe und bei dem Entwurf, der einmal von Herrn Pfeiffer angedacht worden ist, gar nicht so weit auseinander, wenn es darum geht, diesen Grundgedanken der allgemeinen Strafzumessung stärker zu betonen und ihm im Verfahren mehr Gewicht zu verleihen. Wir wollen nur nicht den Kronzeugen alter Prägung, der - unter ständiger Begleitung von Ermittlungsbeamten - meint, etwas liefern zu müssen, weil sie ihn sonst fallen lassen würden.
Wir wollen nicht, dass man glaubt, dass es etwas bringen würde, solche Instrumente im Kampf gegen die Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind, zu schaffen, obwohl es keine nachweisbaren Erfolge für diesen Bereich gibt. Ich habe vorhin angesprochen, dass die Kronzeugenregelung im Betäubungsmittelbereich mit der Begründung eingeführt worden ist – nachzulesen in der schriftlichen Gesetzesbegründung -, es gehe darum, das MedellinKartell zu knacken. Insoweit kann man nur feststellen, dass das kaum gelungen ist. Die Kronzeugenregelung, die 1999 ausgelaufen ist, wurde vor allem mit der Begründung geschaffen, terroristische Strukturen der RAF und der Revolutionären Zellen aufzubrechen. Auch insoweit gibt es keine nennenswerten Erfolge. Sie können nicht ernsthaft erwarten, dass ein Kämpfer des Dschihad, der zum Selbstmord bereit ist, sich mit solchen Angeboten ködern lässt.
Weil es nichts nützt und rechtsstaatlich fragwürdig ist, sollten wir zum Ursprung der Überlegungen zurückkehren, nämlich zu der Frage, wie man diesen richtigen Gedanken, dass derjenige, der Straftaten verhindert, der wahrheitsgemäß über seine eigene Beteiligung aussagt und ein Geständnis ablegt und damit auch mithilft, im Strafprozess die Wahrheit zu finden, bei der Strafbemessung belohnt wird. Dann kommen wir meines Erachtens sehr schnell in ein gemeinsames Boot. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht mehr vor. Ich schließe damit die Beratung. Wir kommen zur Ausschussüberweisung.
Der Ältestenrat empfiehlt, diesen Antrag an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zur federführenden Beratung und an die Ausschüsse für innere Verwaltung sowie für Bundes- und Europaangelegenheiten zur Mitberatung zu überweisen. Gibt es andere Vorstellungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Sicherheitsbericht für Niedersachsen - Für eine klare Darstellung der Kriminalitätsentwicklung - Antrag der Fraktion der CDU Drs. 14/ 3325
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenminister hat vor gut vier Wochen die Kriminalstatistik für das Jahr 2001 vorgelegt. Damit ist deutlich geworden, dass die Landesregierung nicht bereit ist, die wahre Sicherheitslage in unserem Lande umfassend darzustellen. Das ist meines Erachtens ein sehr bedenklicher Vorgang.
Der Innenminister hat behauptet, dass der Anstieg der Kriminalität im Jahr 2001 lediglich aufgrund von Schwarzfahren und aufgrund von Graffitischmierereien begründet ist. Wenn man sich aber die detaillierte Liste anschaut, kann man diese Behauptung beim besten Willen nicht aufrechterhalten. Es ist schon sehr bemerkenswert, dass so eine Detailliste nicht präsentiert wird. Wenn wir in die Liste hineinschauen, wenn sie uns denn vorliegt, sehen wir, dass insbesondere im Bereich der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung eben kein Rückgang eingetreten ist. Im Bereich Vergewaltigung, schwere sexuelle Nötigung haben wir einen Anstieg um 1,5 Prozentpunkte, bei sexueller Nötigung mit Todesfolge sogar einen Anstieg um 300 %, bei sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen einen Anstieg um 8 %, bei sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zum Nachteil von Kindern einen Anstieg um 9 %, beim Beischlaf mit Kindern einen Anstieg um 33 %, bei sonstigem schwerem Missbrauch einen Anstieg um 20 % und bei der Verbreitung von Kinderpornografie insgesamt sogar einen Anstieg um 203 %. Diese Aufzählung könnte ich fortsetzen. Auch bei der Körperverletzung haben wir einen erheblichen Anstieg - insgesamt um mehr als 3 % - gehabt. Wenn wir uns die Details anschauen, dann sieht die Statistik doch ganz anders aus.
Es wurde gesagt, dass die Zahl der Straftaten im Bereich Einbruch/Diebstahl zurückgegangen ist. Schauen Sie sich aber die detaillierten Zahlen an, dann sieht es ganz anders aus. Es ist richtig: Bei Wohnungseinbrüchen hat es durchaus einen Rück
gang gegeben, nämlich um fast 5 % oder rund 1 000 Taten. Aber beim Einbruch in Dienst-, Büround Lagerräume hat es einen Anstieg um fast 1 500 Straftaten gegeben. Diese Auflistung könnte ich weiterführen.
Meine Damen und Herren, das zeigt, dass man einen umfangreichen Sicherheitsbericht darlegen muss, um die wahre Sicherheitslage in Niedersachsen darzustellen. Lassen Sie mich noch zwei andere Beispiele anführen, an denen man sieht, dass man nur mit der Kriminalstatistik wenig arbeiten kann und man damit die Öffentlichkeit auch in die Irre führen kann.
- Frau Stokar von Neuforn, Sie werden es gleich sehen. - Wir sind von der Polizei darauf hingewiesen worden, dass wir uns den Bericht in zweierlei Hinsicht genau ansehen müssen: Ein dramatischer Anstieg ist überall da verzeichnet worden, wo die Kriminalität selbst angezeigt wird. Aber da, wo man initiativ ermitteln muss, hat ein dramatischer Rückgang stattgefunden. Auch das will ich Ihnen beweisen.
Bei der Wirtschaftskriminalität gibt es angeblich einen Rückgang um 20 %, bei den Korruptionsdelikten einen Rückgang um 15 %, bei den Umweltschutzdelikten um 10 %, beim Menschenhandel soll es einen Rückgang von mehr als 50 % gegeben haben. Meine Damen und Herren, wenn die Polizei personell nicht in der Lage ist, in diesen Bereichen zu ermitteln, sondern zurückgezogen wird, dann kriegt man auch diese Fälle nicht. Wenn man sich hinstellt und sagt, dass es in dem Bereich einen dramatischen Rückgang gibt, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Die Kriminalstatistik ist eben nur die Hellfeldanalyse. Die Dunkelfeldanalyse ist aber mindestens genauso wichtig. Insofern ist es notwendig, dass gerade in den Bereichen Organisierte Kriminalität und Jugendkriminalität auf jeden Fall kontinuierlich eine Dunkelfeldanalyse angestellt wird, damit man zu den richtigen Schlüssen kommt.
Meine Damen und Herren, ich möchte ein letztes Beispiel nennen, um noch einmal ganz deutlich zu machen, dass die Landesregierung sogar völlig falsche Schlüsse zieht: Seit einiger Zeit fährt der Innenminister in Begleitung von Justizminister Herrn Pfeiffer durchs Land und versucht, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass es einen An
stieg der Kriminalität - besonders bei Spätaussiedlern - gibt. Das wird dann auch in der Kriminalstatistik bewiesen. Herr Justizminister, Sie kennen das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen sicherlich noch sehr genau. Einige Vertreter des Instituts waren in der vergangen Woche im Innenausschuss. Es wäre sehr schön, wenn Sie sich wenigstens das Protokoll in Ruhe durchlesen würden. Denn dort wurde dargestellt, dass es in Bayern und auch in anderen Bundesländern eine Dunkelfeldanalyse für Spätaussiedler gibt und dass wir in Niedersachsen zwar keine genaue Analyse, aber durchaus Anhaltspunkte haben. Das lässt nur den Schluss zu, dass es bei den Spätaussiedlern in keiner Weise eine besondere Auffälligkeit gibt, sondern dass - ganz im Gegenteil - von ihnen im Durchschnitt nicht mehr Verbrechen begangen werden als von allen anderen Bevölkerungsgruppen auch.