Protocol of the Session on April 24, 2002

Herr Jüttner!

Nein, Frau Pawelski, das ist kein Widerspruch. Ich meine, eine Umweltpolitik, die sich gleichzeitig wirtschaftlich effizient verhält, ist immer anzustreben.

Wir haben hier die folgende Situation: Von der Stadt Hannover ist eine Ausschreibung vorgenommen worden. Nachdem die Ausschreibung abschließend bewertet worden ist, ist eine öffentliche Debatte auch in den Ratsgremien in Gang gekommen, die zur Folge hatte, dass man im Nachhinein überprüft hat, ob man sich nicht umweltpolitisch ambitionierter verhalten könne. In diesem Zusammenhang sind Nachverhandlungen geführt worden. Wenn ich es richtig sehe, hat der Umweltdezernent der Stadt Hannover in Unterlagen für die Gremien der Landeshauptstadt mitgeteilt, dass in diesen Nachverhandlungen eine Reduktion der Jahresschadstofffrachten auf 50 % der durch die Grenzwerte vorgegebenen theoretischen Mengen erreicht worden ist und dass die Stadt dafür dem Betreiber einräumt - als Preis, wenn man so will -, das Mengenkontingent von 200 000 t auf 230 000 t Durchsatz zu erhöhen. Das war eine Veränderung von gültigen Verträgen, wenn man so will, und hat mit dem Thema Geben und Nehmen zu tun. Aus umweltpolitischer Sicht ist meine Einschätzung, dass diese Nachverhandlung dazu führt, dass die Schadstoffbelastungen pro Jahr gegenüber den ursprünglichen Verabredungen reduziert werden. Ich kann mir vorstellen, der Umweltdezernent hätte bei der Firma gerne mehr herausgeholt. Aber mehr wollte sie nicht geben. Das war es dann. Dies ist trotzdem eine Verbesserung gegenüber den ursprünglichen Ausschreibungen und den vertraglichen Verabredungen, die wir vor einem halben, dreiviertel Jahr in Hannover hatten.

Herr Beckmann stellt jetzt seine zweite Frage. Danach stellt Frau Zachow ihre zweite Frage.

Hält es die Landesregierung für sinnvoll, Herr Jüttner, dass diese Müllverbrennungsanlage in den Grenzen der Stadt Hannover zu Zeiten gebaut wird, in denen Hameln und Buschhaus erhebliche Kapazitätsprobleme haben und diese nur dadurch lösen können, dass Müll aus anderen Ländern nach Niedersachsen gekarrt wird, z. B. von Italien nach Hameln?

Herr Jüttner!

Herr Beckmann, Ihre Einschätzung ist nicht korrekt. Wir haben die folgende Situation: Es gibt ab 1. Juni 2005 eine neue rechtliche Situation aufgrund der Technischen Anleitung Siedlungsabfall. Dann darf kein unvorbehandelter Müll mehr auf eine Deponie. Das hat zur Folge, dass in Niedersachsen noch Behandlungskapazitäten in Höhe von schätzungsweise 1 Million t pro Jahr geschaffen werden müssen. Das ist die Situation, ich habe darauf verwiesen. Wir haben Verbrennungsanlagen, und wir haben mechanisch-biologische Anlagen. Ab dem Jahr 2005 wird es einen Bedarf von schätzungsweise 1 Million t geben. Die Einschätzung, dass in Hameln oder Buschhaus kurzfristig die Kapazitäten nicht voll ausgeschöpft werden, ist möglich, hat aber keinerlei Bedeutung für die wirtschaftliche und Mengensituation der nächsten zehn Jahre, um das deutlich zu machen. Also, wir haben keine Überkapazität, sondern zusätzlichen Bedarf.

Im Übrigen unterscheidet uns dies - Gott sei gedankt - von Nachbarländern wie NordrheinWestfalen, in denen in den letzten Jahren - ich will nicht übertreiben - in nicht verantwortbarer Weise Müllverbrennungskapazitäten aufgebaut worden sind, die zum Teil nur deshalb durchgesetzt werden konnten, weil es eine umfassende Bearbeitung von Entscheidungsträgern gegeben hat.

In diese Situation sind wir in Niedersachsen zum Glück nie gekommen. Wir waren immer eher an der Unterkante des Anlagenbedarfs. Das hat im Übrigen mit der Politik des Landes in den letzten zwölf Jahren zu tun. Dies hat im Übrigen auch ich sage mal das ausdrücklich - mit meiner Vorgängerin zu tun, die sich sehr ruppig an die Kante gestellt hat. Gott sei Dank, so könnte man im Nachhinein sagen. Deshalb haben wir nicht die

Situation wie in Nordrhein-Westfalen, dass die Betreiber niedersächsischer Anlagen überall herumlaufen müssen, um Müll zu akquirieren, sondern wir haben eine Situation, dass aus sachlichen Gründen heraus Kapazitätsentscheidungen in Niedersachsen noch getroffen werden müssen. Das ist die Ausgangssituation.

Vor diesem Hintergrund sage ich Ihnen: Wir brauchen noch Müllverbrennungskapazitäten in Niedersachsen. Wo diese entstehen, das entscheiden Betreiber und Entsorgungsträger durch ihre Entscheidungen. Dass Fragen von ortsnaher Verbringung, von ortsnaher Behandlung dabei eine Rolle spielen, ist überhaupt keine Frage. Aber ich habe den Eindruck, dass sich das im Verfahren regelt.

Vor diesem Hintergrund können wir mit dem Thema Müllverbrennung in Niedersachsen ganz gelassen umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zachow, Frage 2! Dann Frau Körtner mit Frage 2.

Herr Minister, bei aller Gelassenheit im Umgang mit der Müllverbrennung, die wir vollständig teilen, kann es doch trotzdem nur darum gehen, dass wir ökologisch sinnvoll arbeiten. Deshalb jetzt meine Frage: Wenn wir sonst überall, wo es irgend geht, einen möglichst hohen technischen Standard in Umweltdingen fordern - da sind wir uns auch einig -, warum wird beispielsweise dann bei dieser geplanten Anlage in Lahe, speziell bei den Stickoxiden, nur eine Unterschreitung um 25 % und nicht um 50 % gefordert?

Herr Minister!

Frau Zachow, wir sollten in der Tat nicht nachlassen, weiter zu drängen und den Stand der Technik weiter voranzutreiben. Aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass das, was in der 17. BImSchV festgeschrieben ist, heute Stand der Technik ist.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Das gelten- de Recht wird euretwegen nicht geän- dert!)

Das ist das, was einzuhalten ist und was eingehalten werden kann. Da kann man in absehbarer Zeit prüfen, wie man das verschärfen kann. Wenn dann bei einzelnen Schadstoffen die Verabredungen und die Vertragsausgestaltung etwas anders akzentuiert sind als bezüglich des Rests der Schadstoffe, müsste man prüfen, ob das mit spezifischen Zusatzkosten oder technischen Abwicklungsproblemen zu tun hat. Ich will der Frage gern noch nachgehen.

(Frau Zachow [CDU]: Das ist eine gute Anregung!)

Frau Körtner, Frage 2! Dann Herr Klein.

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie gerade gesagt haben, dass Ihr Zuständigkeitsbereich sehr schmal segmentiert ist, was bei diesem wichtigen, auch die Bürger bewegenden Thema äußerst bedauerlich ist, und dass Sie wahrscheinlich deshalb auch meine erste Frage nicht beantwortet haben, versuche ich es jetzt mit der zweiten, in der Hoffnung, dass diese Ihren Zuständigkeitsbereich betrifft:

Es hat ein Ausschreibungsverfahren gegeben.

Können Sie vielleicht fragen!

Wie viele Firmen haben sich an diesem Ausschreibungsverfahren beteiligt?

Können Sie das sagen?

Frau Körtner, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß aber, dass mehrere Bewerber da waren, weil es auch Fragen im Zusammenhang mit der zurzeit geführten nationalen Mülldebatte gegeben hat, ob da alles nach Recht und Gesetz zugegangen ist. Es

hat in dem Zusammenhang Beschwerden von Mitbewerbern gegeben. Die Überprüfung - u. a. bei der zuständigen Stelle der Bezirksregierung - hat deutlich gemacht, dass diese Ausschreibung in all ihren Bestandteilen völlig korrekt gewesen ist, sodass kein Anlass besteht, der Sache weiter nachzugehen.

Herr Klein! Dann Herr Dr. Stratmann mit Frage 2.

Meine Frage kann daran anschließen. Herr Minister, vor dem Hintergrund, noch einmal zu erwägen, welche Möglichkeiten und welche Grenzen der Emissionsminimierung es gibt, frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, ob es bei der Ausschreibung der Stadt Hannover einschließlich der Nachverhandlungen Bieter gegeben hat, die Emissionswerte angeboten haben, die unterhalb der jetzt erreichten und vereinbarten gelegen haben?

Gab es so etwas?

Herr Klein, nach meinem Kenntnisstand nicht. Sie müssen auch Folgendes sehen: Wenn eine Ausschreibung erfolgt, dann werden diejenigen, die ein Angebot abgeben, natürlich unter Gesichtspunkten der Kosteneffizienz darauf achten, dass sie sich nicht ambitioniert Zusatzkosten verursachen, indem sie den ökologischen Standard hochtreiben. Das ist die logische Konsequenz. Insofern ist die Frage, was ich an umweltpolitischer Qualität bekomme, in der Regel die Sache desjenigen, der ein Angebot ausschreibt. Das ist einfach so.

Herr Dr. Stratmann! Dann Frau Harms.

Herr Minister, wenn Sie, wie Sie eben gesagt haben, angeblich keine Ahnung von den Kosten von Hannover im Verhältnis zu Hameln und Buschhaus haben, wie können Sie sich dann vor dem Plenum des Landtages hinstellen und sagen, Sie erwarteten eine zusätzliche Auslastung der für Hannover über

dimensionierten Anlage durch die Verbrennung von zusätzlichem Gewerbemüll?

(Plaue [SPD]: Weil die Frage in sich logisch ist! Das ist bereits beantwor- tet! Immer theoretisch betrachtet!)

Herr Stratmann, ich stelle mich hier deshalb hin, weil es meine Pflicht ist, als Minister dem Landtag gegenüber Stellung zu beziehen. Das ist die Vorbemerkung.

Zu den Kosten sage ich Ihnen: Das ist eine ganz einfache Geschichte. Diese Frage regelt sich über Angebot und Nachfrage.

(Frau Zachow [CDU]: Ein Anlagen- planer hat doch eine Idee, welche Kosten diese produziert!)

Wenn wir in den nächsten Jahren in Niedersachsen keine zusätzlichen Kapazitäten aufbauen, dann werden die Entsorgungsträger ab 2005 eine ganz lange Nase machen, weil die Kosten für die Vorbehandlung in Verbrennungsanlagen dramatisch steigen werden. So einfach ist das. Weil große Investoren und Betreiber das wissen, sind sie gegenwärtig bereit, hier mehrere hundert Millionen in eine derartige Anlage zu stecken. Das ist die erste Frage.

Die zweite Frage: Ich habe vorhin gesagt, dass nach meiner Einschätzung ein Bedarf von zusätzlich 1 Million t besteht. Wir haben doch folgende Situation: Man hat in den letzten Jahren durch rechtliche Veränderungen gewerbeähnlichen Müll auf Verwertungswege ziehen lassen, die unheimlich schmerzlich sind. Vor dem Hintergrund, dass gleichzeitig diese Wege verstopft werden, wird wieder etwas auf den Markt kommen. Das heißt, auch der in Hannover abhanden gekommene Gewerbemüll wird dann in Vorbehandlungsanlagen in der Region gehen, vor allem dann, wenn sich der Preis rechnet.

Vor diesem Hintergrund bekommen Sie keine Situation, bei der jetzt in Hannover eine neue Anlage zu exorbitanten Kosten für diejenigen, die dort etwas anliefern wollen, entsteht, sondern das regelt sich über das Gesamtangebot. Vor diesem Hintergrund ist das eine austarierte Geschichte.

Frau Harms! - Dann Herr Fischer.

Herr Minister, bin ich richtig darüber unterrichtet, dass die Anlage in Lahe die 50 %-Regelung zum Schadstoffausstoß, die der Bundesumweltminister erst für das Jahr 2003 mit einer Novellierung der Grenzwertverordnung vorgeben will, schon einhalten wird?

(Frau Zachow [CDU]: Nein! Bei Stickoxiden nicht!)

Herr Jüttner!

Frau Harms, das ist uns im Detail nicht bekannt.

Herr Fischer!

Herr Minister, ich frage Sie: Erstens. Gibt es vertrauliche Vereinbarungen zwischen TrabaGermania und der Landeshauptstadt Hannover, die Ihnen bekannt sind?

Zweitens: Kann absolut sichergestellt werden, dass kein Sondermüll in der Anlage verbrannt wird?

Herr Jüttner!