Protocol of the Session on June 12, 2020

Wie gesagt, der Vorfall ereignete sich ganz nah am Checkpoint Charlie. Ein US-Offizier erhielt damals auf telefonische Nachfrage, was nun zu tun sei, von seinem Generalmajor die Weisung: Leutnant, you have your orders, stand fast, do nothing! Also: Leutnant, Sie haben Ihre Anweisungen, bleiben Sie standhaft, tun Sie nichts! Wir können dieses Kommando hochbrechen, denn es drückt exakt das aus, was bis zum Fall der Mauer galt, den Status quo durch standhaftes Nichtstun bewahren. Die Siegermächte hatten Deutschland und ihre Einflusssphären festgelegt und hatten verstanden, dass keine Seite gegen den Willen der anderen etwas ändern konnte.

Die deutsche Teilung in Gestalt der beiden deutschen Staaten war Realität und innerdeutsche Unruhen waren nicht erwünscht. Die DDR war ohne Mauer nicht existenzfähig. Daran kann es keinen Zweifel geben. Damit wurden die DDR und der Status quo durch die Mauer stabilisiert. Daran etwas zu ändern, lag nicht im Interesse der beiden Großmächte. Eine Wiedervereinigung war deren Herzenssache nicht. Das war die Realität bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion und in der Folge bis zur Wende. Das gehört mit zu einer ehrlichen Betrachtung.

Dazu gehört auch, dass es auch tote Grenzsoldaten gegeben hat. Nicht immer lagen dabei Notwehr und Nothilfe vor. Es gab also auch Tötungsdelikte gegenüber Grenzsoldaten. Ein Fall, den der BGH als Mord bewertete, nachdem das Kammergericht lediglich Totschlag angenommen hatte, wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Ich erwähne dies nicht, um diese Fälle gegen die vielen Mauertoten aufzurechnen oder irgendetwas zu relativieren. Ich erwähne dies, weil es zur Grausamkeit und Unmenschlichkeit der Mauer auch dazugehört.

Nicht jeder junge Grenzsoldat war ein potenzieller Mörder. Wir wissen, dass viele auch danebengezielt haben. Vor einer Hierarchie der Opfer sollten wir uns stets hüten. Die wahre Schuld liegt bei denen, die diese jungen Menschen zum Hass auf den Klassenfeind erzogen und ihnen eingetrichtert haben, sie stünden am antifaschistischen Schutzwall auf Friedenswacht. Alles Böse fängt damit an, dass man sich der Sprache bemächtigt und den Begriffen eine falsche Bedeutung gibt. Das haben die Kommunisten mit dem Begriff des Antifaschismus perfektioniert und setzen dies bis heute fort.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ursprünglich, auf die Bewegung Mussolinis in Italien bezogen, wurde dieser Begriff schon in den 1930er-Jahren als kommunistischer Kampfbegriff inflationär gebraucht mit der Folge, dass alles, was man bekämpfte, faschistisch war. Sogar die Sozialdemokraten wurden als Sozialfaschisten bezeichnet. Die gewaltsame Durchsetzung der SED-Diktatur hieß offiziell antifaschistisch-demokratische Umwälzung.

(Am Rednerpult leuchtet die rote Lampe.)

Die Berliner Mauer war der antifaschistische Schutzwall gegen die faschistische BRD, der Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 selbstverständlich ein faschistischer Putschversuch. – Bin sofort fertig. – DIE LINKE betreibt dieses Spiel heute munter weiter und findet dabei nicht nur im linken Lager Unterstützer, wie jüngste Bekenntnisse zur Antifa belegen. Es wird Zeit, dass das bürgerliche Lager dem endlich die Grenzen aufzeigt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Herr Förster, jetzt kann ich wirklich … So viele Augen habe ich gar nicht, wie ich zudrücken müsste, um das jetzt hier zuzulassen.

Ums Wort gebeten hat jetzt der fraktionslose Abgeordnete Herr Arppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Dieser Antrag, mit Verlaub, ist eine einzige Farce, eine Mogelpackung. Das hat Herr Borschke ja auch schon festgestellt. Wenn man sich diesen Antrag hier anschaut und den Redebeiträgen der drei Fraktionen hier gelauscht hat, dann hätte man den Eindruck bekommen können, die Mauer ist irgendwie vom Himmel gefallen oder ein antikes Relikt. Es wurde mit überhaupt keinem Wort erwähnt, welche Ideologie und welche Weltanschauung eigentlich hinter diesem Bauwerk, der Berliner Mauer, und der innerdeutschen Grenze gestanden hat.

Der Historiker Hubertus Knabe hat sich vor Kurzem in der „Neuen Züricher Zeitung“ mal Gedanken darüber gemacht, warum die CDU der Wahl oder die Frau Borchardt mit gewählt, mit unterstützt hat, und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Ganze mitnichten irgendwie so ein Unfall war, sondern ein eiskalt kalkulierter Tabubruch mit dem Ziel, die Linkspartei zu enttabuisieren, die Ideologie, für die sie steht, zu enttabuisieren und sie letztendlich auch für die CDU anschlussfähig zu machen, koalitionsfähig zu machen.

Sie haben mit keinem einzigen Wort hier vom Sozialismus, vom Kommunismus gesprochen, von jener Ideologie, die ja ursächlich den Mauerbau letztendlich verursacht hat. Das hat natürlich auch seinen Grund, indem Sie das schön außen vor lassen, denn diese sozialistische Weltanschauung ist ja heute wieder auf dem Vormarsch. Wenn eine CDU-Bundeskanzlerin allen Ernstes eine demokratische und rechtmäßige Wahl infrage stellt und sagt, diese Wahl ist unverzeihlich und die müsse rückgängig gemacht werden, dann ist die CDU dem, was sie hier kritisiert, näher, als sie vielleicht wahrhaben will.

Der Sozialismus feiert heute wieder fröhliche Urständ. Es gibt heute wieder Menschen, deren Existenzen zerstört werden, weil sie eine andere Meinung vertreten, als das Establishment es für richtig hält. Es gibt heute wieder Berufsverbote, es gibt heute wieder genau die gleichen Erscheinungen, vor denen die Menschen, die zum Teil an der Mauer ums Leben gekommen sind, geflohen sind damals. Und weil Sie das auch alles so wissen und es natürlich nicht offen sagen können, ohne sich selbst zu blamieren, haben Sie die Worte „Sozialismus“, „Kommunismus“ und so weiter hier schön außen vor gelassen und das Ganze abstrahiert, allein auf die Mauer reduziert und ohne das System dahinter an sich infrage zu stellen. Und deswegen ist dieser Antrag meiner Meinung nach auch nicht zustimmungsfähig. – Danke!

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der SPD der Fraktionsvorsitzende Herr Krüger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht vor, noch mal hier nach vorne zu treten, aber Herr Arppe hat mich dann doch dazu gebracht, hier noch etwas zu sagen.

Herr Arppe, ich spreche Ihnen jedes Recht ab, darüber zu diskutieren, wie Gewalt und Gewaltsysteme funktionieren, vor dem Hintergrund der Ihnen zugeschriebenen Chats, wo Sie behauptet haben sollen, dass das rotgrüne Geschmeiß aufs Schafott geschickt werden soll, wo Sie gewaltverherrlichende Fantasien zum Ausdruck gebracht haben, wo Sie deutlich gemacht haben, wie Sie mit Gewalt gegen politische Gegner umgehen wollen. Das weise ich in aller Form zurück. Sie haben als Letzter, als Letzter, aus meiner Sicht, die moralische Möglichkeit, sich hier zu äußern. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Borschke?

Wenn ich zur Klarheit bei Herrn Borschke beitragen kann, will ich das gerne tun.

Bitte schön, Herr Borschke!

Vielen Dank!

Herr Krüger, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Sie hätten zu DDR-Zeiten bemerkt, dass der Stacheldraht, ja, in Richtung DDR zeigte.

(Maika Friemann-Jennert, CDU: Hat er auch.)

Nach innen. Da frage ich mal: Warum haben Sie diese Frage dann nicht öffentlich gestellt? Hat Ihnen der Mut gefehlt

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

oder ist Ihnen diese Frage, …

Herr Borschke!

… ist Ihnen diese Frage …

Herr Borschke!

… erst jetzt aufg…

Herr Borschke! Es ist eine Zwischenfrage, eine Zwischenfrage! Über die zweite Zwischenfrage entscheidet der Redner dann wieder erneut.

Möchten Sie antworten, Herr Krüger?

Selbstverständlich möchte ich antworten.

Sehr geehrter Kollege Borschke, genau diese Frage ist im Politunterricht angesprochen worden, nicht nur von mir, sondern von verschiedenen Leuten. Das war im Sommer 1989. Da gab es schon eine sehr aufgeheizte Stimmung, und in der Tat ist das diskutiert worden. Ich frage mich aber, wie Sie darauf kommen, dass ich das nicht angesprochen haben würde.

Ich will Ihnen mal ganz ernsthaft sagen: Jemand, der es nicht angesprochen hat, ist kein Feigling, weil die Verhältnisse in der DDR haben Sie gekannt. Sie haben gewusst, Sie wissen, was das bedeutet hat, wenn man sich in der DDR gegen das System gestellt hat. Das bedeutete, dass man auf lange Sicht keine Möglichkeit hatte, mit seiner Familie, mit seinem Beruf wirklich nach vorne zu kommen. Wir haben diese Fragen damals in der Tat diskutiert – das war rund vor der Kommunalwahl, die da waren – im Politunterricht. Ich kann Ihnen sagen, das waren für DDR-Verhältnisse sehr heiße Diskussionen, die da abgelaufen sind, ja.

(Jochen Schulte, SPD: Vielleicht nehmen Sie mal die Hände aus den Taschen?!)

Ich vermute, Herr Borschke möchte eine zweite Zwischenfrage stellen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Zurufe von Horst Förster, AfD, und Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Gestatten Sie auch diese? Ich blicke nur auf die Redezeit.

Wenn ich erneut für Klarheit beim Kollegen Borschke sorgen kann, will ich das gerne tun.

Bitte schön, Herr Borschke!

Also mit der Frage der Feigheit, da stimme ich Ihnen zu. Es war schwierig, aber …

Herr Borschke, eine Frage, keine Zustimmung! Nur eine zweite Zwischenfrage!

Ist das denn richtig, oder wann sind Sie dann in die SPD eingetreten? Wann sind Sie zur SPD gestoßen?

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich kann Ihnen das genaue Datum nicht nennen. Die Mauer hat gestanden, das ist das, was ich weiß. Also ich habe kein genaues Datum.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Ich kann Ihnen meinen Ausweis zeigen, dass ich im November Beitrag bezahlt habe. Im Oktober gab es noch gar keinen Beitragseinzug, weil die Partei schlicht und einfach mit ihrer Gründung verboten war. Was ich weiß, ist, dass ich, als die Mauer stand, eingetreten bin. Es kann die ersten Novembertage gewesen sein, vielleicht ist es auch der 31. Oktober, ich weiß es nicht mehr.

(Rainer Albrecht, SPD: Aber rechtzeitig.)