Protocol of the Session on March 12, 2020

In ähnlicher Weise hat sich die Projektgruppe mit dem Leben des Holocaust-Überlebenden Noah Klieger auseinandergesetzt, ihn mehrfach zu Zeitzeugengesprächen eingeladen und seine Erinnerungen als Buch publiziert. Sie sehen, es geht.

Auch das Fach Geschichte und seine Inhalte müssen in den Schulen vor Ort mit Leben gefüllt werden, anschaulich gemacht werden und in Zusammenhänge gebracht werden. Die Rahmenpläne geben das her und es gibt viele kundige und kreative Lehrkräfte bei uns, die genau das tun.

Und übrigens haben sich keine dieser Lehrer oder Lehrerinnen oder deren Schulen bislang mit der Forderung an das Bildungsministerium gewandt, eine Budgeterhöhung vorzunehmen für die Fahrten zu einer Gedenkstätte. In der Regel deckt die Förderung des Landes die Kosten der Fahrten ab. Aus Sicht des Bildungsministeriums lohnt es sich allerdings, darüber zu reden, den Titel im Haushalt aufzustocken, um viel mehr solcher Fahrten zu unterstützen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das ist ja mein Ansinnen!)

Diese Fahrten sind wichtig, sie sind eindrücklich und die Bildungsministerin kann nur jeder Schule zuraten, Orte des Gedenkens zu besuchen. Diese Chance sollten so viele Schülerinnen und Schüler wie möglich erhalten.

Genauso sollten Schulen auf jede Chance zurückgreifen, Zeitzeugen zu hören, ihre Berichte zu lesen und ihre Schilderungen in Videos zu verfolgen. Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit Überlebenden, auch international, bieten gut aufgestellte Internetportale. Allerdings schwin

det die Zahl derer, die aus ihrem eigenen Erleben die Zeiten des Holocaust oder auch den 8. Mai 1945 nahebringen können mit jedem Jahr. Deshalb ist es so wichtig, ihre Worte und ihre Gesichter festzuhalten für die Nachwelt. Publikationen oder Ausstellungen zeugen dann von den Zeugen auch hier im Land und in den Regionen, zum Beispiel in der Mahn- und Gedenkstätte Wöbbelin, die Sie gerade genannt haben, oder im Dokumentationszentrum Prora.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Geschichte wird jeden Tag fortgeschrieben. Zusätzliche Geschichtsstunden und Projekttage, so die Bildungsministerin, sind weder ein Garant dafür, der Stofffülle Herr zu werden, noch dafür, die Bedeutung ausgewählter Geschehnisse und Wendungen zu transportieren. Für das, was wir eigentlich erreichen wollen, nämlich mündige Bürgerinnen und Bürger, die ihr Wissen um unsere Geschichte so mit dem Hier und Jetzt in Verbindung bringen können, dass ein „Nie wieder“ keine Floskel ist, sondern eine tiefe Überzeugung, die ihr gesellschaftliches Handeln bestimmt, dafür ist der Geschichtsunterricht in der Schule ein Puzzleteil, und zwar ein wichtiges Puzzleteil, das gut passt. Aber die Verantwortung für dieses wichtige Ziel von Bildung liegt bei der Schule insgesamt und bei uns allen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Mir liegt ein Antrag auf Kurzintervention von Herrn Ritter vor. Herr Ritter, Sie haben das Wort.

Ja, schönen Dank!

Frau Ministerin, Sie können ja nichts dafür, Sie haben die Rede nur vorgetragen. Aber ich muss die Gelegenheit nutzen und kurz intervenieren, weil in der Rede gesagt worden ist, wenn ich das noch so sinngemäß zusammenkriege, ein Projekttag ist nicht so sehr sinnvoll. Und Sie haben dann darauf verwiesen, dass es diese verschiedenen Projektgruppen dann gab, was ich sehr unterstütze, was ich sehr unterstütze. Ich will aber deutlich machen, dass ich selber die Gelegenheit hatte, mit der von mir hochgeschätzten ehemaligen Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider Projekttage mit Schülerinnen und Schülern in Ravensbrück durchzuführen, unter anderem mit der Reuterstädter Gesamtschule. Was wir dort an wichtigen Dingen für das Leben an einem Tag gelernt haben, das ist für einen Projekttag nicht gering zu schätzen. Das ist das Erste.

Zum Zweiten ist dann ja dargestellt worden, dass der Antrag zwar nicht so zielführend ist, aber das Bildungsministerium jetzt trotzdem mehr Geld einstellen will für solche Dinge. Das finde ich dann schon in Ordnung.

Aber das will ich Ihnen dann auch als Mitglied der Landesregierung dann doch sagen. Das, was die Landesregierung im Zusammenhang mit dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges vorhat, ist erbärmlich wenig. Und es ist die Frage gestellt worden, was ist mit dem 3. Oktober, was ist mit dem Gedenktag, was ist mit dem Gedenktag. Das spielt hier keine Rolle. Hier geht es um den 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges, in

Mecklenburg-Vorpommern offizieller Landesgedenktag. Und wenn man dann die Landesregierung fragt, was habt ihr vor zu diesem 75. Jahrestag, nachdem hier in diesem Parlament, anders als in anderen Landesparlamenten, man sich nicht entscheiden konnte, diesen Tag zum einmaligen Feiertag zu machen, kriegt man als Antwort: Na, wir werden wie üblich an der „Mutter“ unseren Kranz niederlegen. Und im Landtag, auch die Frage habe ich ja gestellt, was passiert hier, werden wir vielleicht eine Rede hören. Das ist mir zu wenig, das ist uns zu wenig.

Deswegen haben wir gesagt, wir müssen hier punktuell eingreifen, um diesem Jahrestag mehr Bedeutung zukommen zu lassen. Und ein Punkt dazu könnte das in dem Antrag formulierte Angebot sein, die Klassenfahrten in Gedenkstätten zu forcieren. Dass das so – da sind Sie wieder nicht schuld, denn Sie haben es nur vorgetragen –, so lapidar abgetan wird von der Bildungsministerin, das halte ich für sehr schade. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Frau Ministerin, möchten Sie darauf erwidern?

Ja, natürlich will ich darauf erwidern, nämlich mit zwei verschiedenen Situationen.

Erstens kann ich aus meiner eigenen Kindheit und aus meiner eigenen Schulzeit sagen, dass meine Eltern durchaus ein besonderes Interesse daran hatten, Gedenkstätten zu besuchen. Das heißt, mir als Kind ist also sowohl ein Besuch in Buchenwald, in Sachsenhausen oder in Ravensbrück also tatsächlich sehr gut in Erinnerung. Und es gibt nichts Wichtigeres, ehrlich gesagt, als diese Besuche in den KZ-Gedenkstätten, um Geschichte zu verstehen, na, „verstehen“ will ich an dieser Stelle vielleicht gar nicht sagen, aber um Geschichte ein wenig näher und ein wenig anders transportiert zu bekommen als nur im Geschichtsunterricht.

Und ich glaube, es ist nicht Auffassung der Bildungsministerin, dass Projekttage keinen Sinn haben, sondern die Frage ist, ob man für jeden Tag einen Projekttag machen soll, und dem hat sie, glaube ich, hier in diesem Zusammenhang mehr Bedeutung gegeben, als grundsätzlich darauf verzichten zu wollen, Projekttage zu machen. Das ist mit Sicherheit nicht ihre Auffassung. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD Herr Kröger.

Wertes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Leiwe Mäkelborger un Vörpommern! Der hier vorliegende Antrag entlarvt sich sehr schnell als parteiideologisch getrieben. Es wird mehr Geschichtsunterricht gefordert, konkret, die Einführung einer Geschichtsstunde ab Klasse 5, aber leider unter einer einseitigen Thematik.

Die Einleitung beginnt dann auch gleich mit einer Plattitüde, die uns auffordert festzustellen, dass die Geschichte jedes Jahr umfänglicher wird. Dann aber wird die politisch-ideologische Katze aus dem Sack gelassen. Es geht nicht um eine ausgewogene Betrachtung der Geschichte, denn die eigene Geschichte in der direkten Nachfolge der mehrfach umbenannten SED wird aus

guten Gründen nicht nur ausgeblendet, vielmehr soll das völlige Fehlen der eigenen Geschichtsaufarbeitung mittels dieses Antrages in die Schulen getragen werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Sie machen mal wieder deutlich, wo Ihre Partei steht!)

Meine Damen und Herren, der Genosse Gysi wird nicht müde zu wiederholen, dass den Fehlern, die von den LINKEN gemacht wurden, immer nur edle Motive zugrunde lagen. Das, meine Damen und Herren von den LINKEN, ist die aktive Vermeidung von Geschichtsaufarbeitung

(Thomas Krüger, SPD: Das Thema ist „75. Jahrestag Kriegsende“!)

und ein erbärmliches Sich-aus-der-Verantwortung-, Ausder-historischen-Verantwortung-Schleichen. Genau unter dieser Grundhaltung leidet der vorliegende Antrag. Dort, wo es konkret wird, ist dieser Antrag unausgewogen und einseitig, denn es geht ausschließlich um den Nationalsozialismus.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es geht um den 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges! Das ist der Anlass!)

Nein, das regelmäßige Einführen von Projekttagen kann nicht an diesem einen Datum festgemacht werden, Herr Ritter.

Auf seltsame Weise wird dem sich parallel entwickelnden kommunistisch geprägten Stalinismus in diesem Antrag keinerlei Bedeutung beigemessen. Aber wen wundert dieser Umstand hier wirklich? War doch Stalin 1946 der Geburtshelfer bei der SED-Gründung und stand auch 1949 noch Pate bei der DDR-Gründung. Da verbietet es sich den Antragstellern selbstredend der aufgemachten Forderung, den 8. Mai als verpflichtenden Projekttag zur Geschichte des Nationalsozialismus zu gestalten, beispielsweise den 17. Juni als

(Karen Larisch, DIE LINKE: Schämen Sie sich, irgendeinen Staat mit dem Nationalsozialismus zu vergleichen! Der Nationalsozialismus ist einzigartig! – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

ebensolchen verpflichtenden Projekttag zur Geschichte des Stalinismus einzufordern, gerade auch, weil diese Auswirkungen der Ära nicht mit Stalins Tod 1953 endeten, sondern sie leuchteten in der DDR noch bis zur Wende nach. Sprechen doch fast 80 nachgewiesene politisch motivierte Hinrichtungen in der DDR da eine ganz eigene Sprache,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Kann er mal zum Antrag reden?! In dem Antrag geht es nicht um Stalinismus! In dem Antrag geht es um den 8. Mai 1945!)

gerade auch, wenn man bedenkt, dass die letzte erst 1981 vollstreckt wurde. Ein solcher Antrag von einer Partei vorgelegt, in der der Geist von Erschießung und Gulags sich durchgängig bis heute erhalten hat, wie es auf der jüngsten Strategiekonferenz offen zutage getreten ist, ist mehr als fragwürdig.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und es geht weiter, meine Damen und Herren von den LINKEN! Solange in Ihrem Strategiepapier der Satz steht, ich zitiere: „Die Schüsse an der Grenze waren die Antwort auf die Politik der BRD und ihrer Verbündeten“, Zitatende, haben Sie das Recht verwirkt, sich als Schulmeister der Nation aufzuführen, gerade im Fach Geschichte!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal in aller Klarheit: Ein Unterricht, der einem demokratischen Welt- und Wertebild folgt, hat ausgewogen zu erfolgen.

Weiterhin ist an Ihrem Antrag auffällig, dass er zumindest redaktionell Ihrem alten Motto „Überholen ohne einzuholen“ folgt. So sind Verweise auf eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Zeit nach 1989 nur in der Problembeschreibung und dann erst wieder in der Begründung, aber nicht in den vier Punkten der konkreten Handlungsaufforderung zu finden.

Und auch die Einführung des Geschichtsunterrichts ab Klasse 5 – ab Klasse 5! – verbunden mit den freien Fahrten bereits ab Klasse 4

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

gehorcht auffällig diesem Motto, zumal der Nationalsozialismus in den Rahmenlehrplänen Geschichte erst für die Klassenstufe 9 vorgesehen ist.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Quatsch!)

Gespannt, meine Damen und Herren, bin ich auf den Verlauf der weiteren Diskussion, ob die Gründe, mit denen derzeit unser Antrag, mehr Sportunterricht einzuführen, abgelehnt wurde, in dieser Diskussion auch noch eine Rolle spielen werden, nämlich neben der üblichen Polemik die Argumente des drohenden Risikos der Überforderung der Schüler und der benötigte Mehrbedarf an Lehrern.

Meine Damen und Herren, wie Sie es unschwer heraushören können, werden wir diesen Antrag ablehnen. Schließen möchte ich aber noch mit einem recht aktuellen Verweis darauf, wohin linke Bildungspolitik führt. Vor einigen Tagen sagte mir ein Thüringer folgenden dezent vergifteten Satz: Wenn Sie wollen, dass Ihr Kind Medizin studiert, dann lassen Sie es sein Abitur in Thüringen machen! – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!