Protocol of the Session on November 15, 2019

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Ich könnte jetzt alle Staaten aufführen. Sagen wir ganz einfach, die Welt braucht sie nicht.

Darum ist der Ruf nach Abschiebungen Irrsinn. Es braucht die Verurteilung und Haft durch internationales Recht, damit überall auf der Welt für die Menschen ein Leben möglich ist und sie sich aussuchen können, wo sie leben wollen. Dieses Parlament kann heute einen Abschiebestopp beschließen und sich endlich wieder zur Genfer Konvention bekennen. Die jährlich 1,4 Millionen Euro für die Abschiebehaftanstalt deuten ja an, dass vermehrt abgeschoben werden soll aus M-V. Wohin? Nach Afghanistan, da, wo nicht mal die Innenminister ohne Schutz hinwollen?

(Dirk Lerche, AfD: Da kommen die doch her!)

Nach Syrien, das Land, das nicht mal durch die AfD ohne Schutz besucht werden will?

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

In die Ukraine? Wir empören uns hier seit Monaten über den Antisemitismus

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

und schieben Jüdinnen und Juden in die Ukraine ab?

Vor einem Jahr, 2018, wurde der sogenannte Migrationspakt vereinbart. 23 Ziele wurden formuliert. Das Ziel 8: Rettung von Menschenleben. Rettung von Leben bedeutet aber auch, Menschen nicht zurück in den Tod zu schicken. Abschiebungen stoppen rettet Menschenleben! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten – 58 Minuten, gehe ich mal von aus –, 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die einen fordern, quasi jeden Menschen aus Deutschland abzuschieben, der nicht Sauerkraut und Bratwurst mag. Die anderen würden so lange am liebsten nicht abschieben, bis nicht weltweit das gleiche Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet wird wie in der Bundesrepublik Deutschland derzeit. Beides ist natürlich Unsinn.

(Marc Reinhardt, CDU: Jawoll!)

Fakt ist aber, bei der Entscheidung von Gewährung für Schutz für Flüchtlinge sind nicht irgendwelche, ich zitiere jetzt mal, „humanitären und ökonomischen, ausschließlich auf den Menschenrechten basierenden Bedingungen“ in den Herkunftsstaaten ausschlaggebend. In Deutschland erhalten alle verfolgten Menschen, die begründete und belastbare Asyl- oder sonstige Verfolgungsgründe darlegen können, umfassenden Schutz auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention und des Artikels 16a des Grundgesetzes. Das ist geltende Rechtslage in Deutschland.

Die Bundesrepublik Deutschland und auch unser Bundesland sind nicht dafür verantwortlich, dass Regierungen in aller Welt ihren Bürgerinnen und Bürgern nach der Menschenrechtscharta ein Leben in Würde und Sicherheit bieten, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD – Torsten Renz, CDU: Sehr richtig!)

sondern die Menschenrechte gelten universell. Jede Regierung, jeder Staat ist also selbst dazu aufgefordert, für die Einhaltung dieser Rechte zu sorgen. Das sollte nicht mit dem Asylrecht vermengt werden,

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

weil das einfach unterschiedliche Dinge sind.

Zum Asylverfahren selbst kann ich mich an und für sich kurzhalten, das habe ich hier vor dem Parlament ja auch schon wiederholt und bei unterschiedlichen Anträgen ausgeführt. Einer Abschiebung geht grundsätzlich ein Asylverfahren beim BAMF voraus. In jedem Einzelfall wird geprüft, ob es Gründe für einen Verbleib in Deutsch

land gibt. Auch besondere Härten werden dabei berücksichtigt. Gibt es keinen Bleibegrund, ist die betroffene Person ausreisepflichtig, und das ist durchzusetzen. Hier besteht auch kein Ermessensspielraum. Solch eine Entscheidung kann auch nicht durch eine Ausländerbehörde kassiert werden, sondern nur durch ein Gericht.

Und auch die Bewertung der Situation in den Herkunftsländern obliegt ausschließlich dem BAMF in deren Fall, und das ist auch richtig so, denn hier liegen umfassende Erkenntnisse über die jeweilige Situation vor Ort vor, und nicht jede Regierung, jedes Land für sich entscheidet, jedes Bundesland, wie die Situation vor Ort ist, sondern ausschließlich die Grundlage bildet hierzu das BAMF. Das stützt sich auf aktuelle Lagebeurteilungen des Auswärtigen Amtes genauso wie auf Informationen aus Organisationen wie UNHCR oder eben Amnesty International. Und natürlich spielen hier auch Erwägungen zur Menschenrechtssituation vor Ort eine Rolle. Das Verfahren ist umfassend, es werden darin sämtliche relevanten Informationen herangezogen, und ist gerichtlich überprüfbar.

Irgendwann ist aber eben der Punkt erreicht, an dem man auf diesem rechtsstaatlichen Weg gefundene Entscheidungen auch akzeptieren und umsetzen muss. Richtigerweise geht es hierbei aber um Einzelfallentscheidungen, nicht um pauschale Ausnahmen für ganze Gruppen, wie Sie das hier fordern, was nicht heißt, dass sich die Landesregierung grundsätzlich gegen gut begründete Aussetzungen von Abschiebungen aus völkerrechtlichen oder eben humanitären Gründen sperren würde. Das zeigt der seit 2012 geltende Abschiebestopp nach Syrien, das zeigt der Abschiebestopp in die Balkanstaaten in den Wintermonaten 2013/2014, das zeigen auch Abschiebestopps in die afrikanischen Ebola-Gebiete im Jahre 2014.

Aber so, wie Sie das hier formulieren, finde ich es schon bemerkenswert. Ich finde auch bemerkenswert, dass Sie den Personenkreis von Mördern und Vergewaltigern, Terroristen und anderen Kriminellen „nur“ – in Anführungsstrichen – einem internationalen Gericht überstellen. Dazu gibt es klare Vereinbarungen zwischen allen Innenministern. Wir werden auch diese Gruppierungen nach wie vor weiter nach Afghanistan zurückführen, weil sie eben den Tatbestand,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD)

den Tatbestand erfüllen, und das ist geltende Gesetzeslage. Und die setzen wir auch als Minister um.

Wem wollen Sie diese Politik eigentlich verkaufen? Das ist doch meilenweit von der Rechtslage und von der gültigen Situation in unserem Land entfernt

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

und auch zumindest vom überwiegenden Teil der Gemütslage der Menschen in diesem Land entfernt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Aber, Frau Kollegin Larisch, eins muss ich Ihnen zugestehen, es ist ehrlich, wenn Sie den Menschen im Land Mecklenburg-Vorpommern sagen, was Sie machen würden, wenn Ihre Partei hier gewählt werden würde. – Insofern herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines muss man der LINKEN lassen: Wenn es um Migration geht, kennen Sie auch im übertragenen Sinne keine Grenzen und damit auch keine Obergrenze. Sie öffnen jedem Migranten Ihre Herzen und Ihre Arme und wollen ihm ohne Wenn und Aber hier in unserem Willkommensland ein Zuhause geben. Für Sie gilt, den Traum von Gleichheit und Brüderlichkeit in einem multikulturellen Paradies umzusetzen, koste es, was es wolle. In letzter Konsequenz sind Sie in Ihrem ideologiebehafteten Denken so verfangen, dass Sie bereit sind, dafür die angestammte Bevölkerung so lange auszubeuten, bis Ihnen auch der letzte Arbeiter von der Fahne gegangen ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dies vorausgeschickt, stellt sich als Erstes die Frage, weshalb Abschiebung zu einem zentralen Problem der Migrationspolitik geworden ist. Nun, die Antwort ist einfach: Deutschland hat als einziges Land in seiner Verfassung das Asylrecht als individuelles Grundrecht für Ausländer verankert und lässt im Grunde jeden ins Land, der dieses Wort aussprechen kann.

Das Konzept der sicheren Drittstaaten gemäß Artikel 16a Grundgesetz, wonach sich nicht auf das Asylrecht berufen kann, wer aus einem Mitgliedsstaat der EU oder einem anderen sicheren Drittstaat kommt, schränkt dieses Recht jedoch erheblich ein, denn Deutschland ist rundum von sicheren Drittstaaten umgeben. Von der nach Paragraf 18 Asylgesetz bestehenden Möglichkeit der Einreiseverweigerung wird jedoch mangels Grenzsicherung kein Gebrauch gemacht. Wir lassen Hunderttausende Migranten ins Land, meist ohne Identitätsnachweis,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

wohl wissend, dass letztlich nur ein winziger Teil von ihnen asylberechtigt ist, ein größerer Teil lediglich subsidiären Schutz erhält und der größte Teil eigentlich sofort wieder ausreisen müsste.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Realität heißt, wer kommt, der bleibt, und von denen, die abgeschoben werden, kommt rund ein Drittel wieder zurück. Man spricht hier von einem Drehtüreffekt. Insoweit ist die medial verbreitete Aufregung von Seehofer über die Rückkehr des vor einigen Monaten abgeschobenen kriminellen Clanchefs aus Bremen und die Forderung des Herrn von Amthor, jetzt müsse der Rechtsstaat Härte zeigen, gekünstelt und verlogen. Beide wissen genau, dass das die Realität ist. Der Abgeschobene kehrt zurück, stellt einen neuen Asylantrag und genießt die Fürsorge des Staates, bis irgendwann – manchmal dauert es Jahre – eine neue Entscheidung getroffen wird, deren Vollzug dann wiederum sehr lange dauern kann.

Natürlich sind es immer Einzelfälle, aber sie stehen exemplarisch für ein der Realität nicht mehr gerecht werdendes Asylrecht und dessen inkonsequente Anwendung. Diese Mischung eines dysfunktionalen Rechts und seiner inkonsequenten Anwendung führt zu Ergebnissen, die dem rechtstreuen Bürger nicht mehr zu vermitteln sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Christel Weißig, fraktionslos)

Wann wird abgeschoben? Das geschieht nur, wenn für keine der vier Schutzformen – das sind Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – die Voraussetzungen vorliegen. Dann erhält der Migrant einen ablehnenden Bescheid mit einer Abschiebungsandrohung, gegen den er klagen kann. Die Abschiebung kann also nur bei vollziehbarer Ausreisepflicht, wenn der Ausländer also keinen Aufenthaltstitel hat und kein Abschiebungshindernis besteht, durchgeführt werden.

Die Abschiebungsverbote sind in Paragraf 60 Aufenthaltsgesetz geregelt. Soweit es dabei um diese sogenannten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse geht, also um die Zustände in dem Staat, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, ist zu beachten, dass diese bereits vorher im Asylverfahren geprüft werden. Drohen dem Ausländer in seinem Herkunftsland Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung, erhält er einen Schutzstatus und die Frage eines Abschiebungsverbots stellt sich erst gar nicht. Dasselbe gilt bei erheblicher Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Ausländers.

Anders, als es der Antrag der LINKEN suggerieren möchte, findet die Europäische Menschenrechtskonvention natürlich genauso wie die Genfer Flüchtlingskonvention im geltenden Asylrecht volle Anwendung. Das gilt insbesondere für die Strafbefreiung für den Schutzsuchenden wegen illegaler Einreise sowie das Verbot der Ausweisung und Zurückweisung nach den Artikeln 31 und 33 der Konvention. Es ist dabei Irrglaube beziehungsweise eine Irreführung, wenn suggeriert wird, eine Abschiebung sei nur zulässig, wenn in dem Zielstaat derselbe hohe Menschenrechtsstandard wie in Deutschland bestehen würde. Der Schutzstatus, auch der subsidiäre Schutz und die Abschiebungsverbote haben ganz bestimmte Tatbestandsmerkmale zur Voraussetzung. Darauf und nicht pauschal auf die allgemeine Menschenrechtslage kommt es an.

Der Antrag der LINKEN benennt eine Reihe von Staaten, für die der Abschiebestopp gelten soll, und zwar so lange, bis die allgemeine Menschenrechtscharta dort in vollem Umfang Beachtung findet und in den Herkunftsländern humanitäre und ökonomische, ausschließlich auf den Menschenrechten basierende Bedingungen vorliegen. Nun, dann können wir nahezu sämtliche islamischen Länder von der Liste streichen,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)