Erst mal müssen Sie mir – also wir können ja die Geschäftsordnung deklinieren –, zuerst müssen Sie signalisieren, dass Sie eine zweite Zwischenfrage stellen wollen, dann frage ich den Redner, ob er bereit ist, eine zweite Zwischenfrage zu beantworten.
Herr Förster, ist denn jetzt in diesem Politikbereich für das Thema, was wir ganz konkret jetzt besprechen, damit zu rechnen, dass Sie dann – da Sie ja dargestellt haben, Sie werden weiter an Konzepten und Vorschlägen arbeiten –, ist davon auszugehen, dass Sie konkret bei diesem Punkt noch ein Konzept liefern werden zur Diskussionsgrundlage hier für diesen Landtag?
Das kann ich heute nicht beantworten, das werden wir sehen. Am Thema sind wir jedenfalls dran, weil ich genau weiß,
weil ich genau weiß, dass die Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, wenn Sie es so hören wollen, ernsthaft darauf warten, was passiert denn nun mit diesem Bericht, wann bewegt sich das Ministerium, kriegen wir irgendwann zu hören, ob da etwa mit der Möglichkeit eines vorzeitigen Ruhestands zu rechnen ist. Das ist die Realität.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4293. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4293 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE, bei Zustimmung der Fraktion der AfD und des fraktionslosen Abgeordneten Arppe
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Juristennachwuchs in Mecklenburg-Vorpommern sicherstellen – für eine zukunftsfähige Justiz, Drucksache 7/4306.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Juristennachwuchs in Mecklenburg- Vorpommern sicherstellen – für eine zukunftsfähige Justiz – Drucksache 7/4306 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Eins der größten Probleme im Bereich der Justiz – und da sind wir uns aufgrund der vorhergehenden Debatte ja einig – ist, dass wir in den nächsten Jahren vor einer großen Pensionierungswelle bei den Richterinnen sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten stehen und dass wir nicht genügend Juristennachwuchs ausbilden, um gerade diese Pensionierungswelle abzufangen. Somit laufen wir in der Justiz auf das nächste Fachkräfteproblem zu, ohne aus unserer Sicht ausreichend gewappnet zu sein. Wir meinen, dadurch gefährden wir den Rechtsstaat.
Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind uns alle einig, dass ein funktionierender Rechtsstaat elementar für das Land ist. Die Justiz ist der Inbegriff der staatlichen Ordnung, sie schafft Gerechtigkeit und sie schafft Konsequenzen. Sie sorgt dafür, dass Straftäter ihre gerechte Strafe erhalten, dass Streitigkeiten zwischen den Bürgern zu einem gerechten Urteil geführt werden und dass die Menschen vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen geschützt werden.
Die Situation ist jedoch die, dass bis zum Jahr 2031 weit mehr als die Hälfte der Richterinnen und Richter, der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den wohlverdienten Ruhestand gehen werden. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind das sogar mehr als zwei Drittel. Um mal konkrete Zahlen zu nennen: In den Jahren zwischen 2027 und 2031 werden jährlich durchschnittlich 40 Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den Ruhestand gehen.
Jetzt mag das für einen Außenstehenden vielleicht gar nicht so schlimm klingen, 40, na ja, wir reden hier über den öffentlichen Dienst mit Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und wenn da 40 jedes Jahr in den Ruhestand gehen, ist das auf den ersten Blick doch nicht so viel, denkt man.
Wie ernst die Situation ist, merkt man dann, wenn man sich anschaut, wie viel Nachwuchs an Juristinnen und Juristen in Mecklenburg-Vorpommern jedes Jahr ausgebildet wird. Bis vor Kurzem war es noch so, dass man zwei Prädikatsexamen, also mindestens die Note „vollbefriedigend“ vorlegen musste, um in Mecklenburg-Vorpommern Richterin oder Richter oder Staatsanwältin oder Staatsanwalt zu werden. Blickt man hier auf das Zweite Staatsexamen, also den Abschluss des praktischen Teils der Ausbildung, und schaut sich die Absolventenzahlen seit 2001 an, stellt man fest, dass jährlich im Schnitt acht Absolventen diese Note erreicht haben. Schaut man auf die jüngere Vergangenheit seit 2014, stellt man fest, dass es in diesem Zeitraum sogar nur sechs Absolventinnen und Absolventen pro Jahr waren. Mit anderen Worten, Mecklenburg-Vorpommern bildet etwa nur 15 Prozent des Nachwuchses aus, die es bis 2027 brauchen wird. Das bedeutet, wir haben nicht genügend junge Juristinnen und Juristen, um die Juristen, die in den Ruhestand gehen, zu besetzen, die Stellen zu besetzen, und dadurch sehen wir auch eine Gefährdung des Rechtsstaates.
Nun hat das Justizministerium den Ernst der Lage erkannt und die Zulassungsvoraussetzungen für den ehemals höheren Justizdienst bereits heruntergeschraubt, wie übrigens in den meisten anderen Bundesländern auch, das muss man der Fairness halber sagen. Das Justizministerium lässt mittlerweile ein gutes „befriedigend“ genügen. Ich kann jetzt leider nicht sagen, um wie viele sich der potenzielle Anwärterkreis erweitern würde, aber ich kann sagen, dass selbst, wenn wir die Zulassungsvoraussetzungen für einen Richter oder Staatsanwalt absenken würden, die Zahl der Absolventen im Zweiten Examen immer noch nicht ausreichen würde. Auch da reden wir jährlich lediglich von 30 bis 35 Kandidatinnen und Kandidaten im Durchschnitt. Jedoch kann das auch nicht das Allheilmittel sein, die Anforderungen an Richter/-innen und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu senken.
Zu bedenken ist auch, dass nicht alle diese Absolventen in Mecklenburg-Vorpommern oder im öffentlichen Dienst bleiben. Zum einen ist das Problem des Juristennachwuchses ein gesamtdeutsches Problem – so gehen allein 2028 deutschlandweit 726 Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den Ruhestand, die Konkurrenz unter den Bundesländern wird einfach immens steigen –, und zum Zweiten bleiben die Absolventen natürlich nicht nur im öffentlichen Dienst, auch Anwaltskanzleien, der öffentliche Dienst suchen immer Juristinnen und Juristen, sodass auch dort diese und Absolventen hin wechseln werden.
Hinzu kommt noch der Umstand, dass der Bundesrat am 8. November 2019 beschlossen hat – und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann es umgesetzt wird –, die Regelstudienzeit zukünftig im Bereich Jura von acht auf zehn Semester zu erhöhen, also noch ein Jahr länger, wo Studenten ausgebildet werden. Rechnet man die durchschnittlich zwei Jahre Referendariat dazu, sind wir bei insgesamt sieben Jahren Ausbildungszeit. Das alles macht deutlich, dass wir jetzt handeln müssen.
Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie man damit umgeht. Man könnte sagen, es ist uns egal, das wäre aber unseriös und mit Blick auf den Rechtsstaat nicht angemessen. Deshalb meinen wir – und das ist ein Teil unseres Konzeptes, das wir aufgestellt haben, was ein Maßnahmenpaket vom Studium bis zu der Pension ist –, dass wir zum einen die Ausbildung im eigenen Land verbessern und erweitern müssen. Und dafür setzt man logischerweise natürlich bei den Hochschulen an, denn wenn es hier mehr Absolventen gibt, haben wir auch die Möglichkeit, mehr Referendare einzustellen, und das wirkt sich natürlich zwangsläufig positiv auf die Absolventenzahlen im Zweiten Examen aus, womit dann auch mehr Richterinnen, Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zur Verfügung stehen.
Die Zahl der Absolventen mit mindestens der Note „befriedigend“ ist seit dem Jahr 2001 allerdings um 72 Prozent zurückgegangen, und dass wir als Bundesland mit wenig Einwohnern und nur einer Juristischen Fakultät im Bundesvergleich insgesamt am wenigsten Juristen ausbilden, war für mich ohnehin nicht verwunderlich, wohl aber, dass wir auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl mit dem deutlichsten Abstand am wenigsten ausbilden. Dass wir bundesweit die höchste Durchfallquote im Ersten Juristischen Staatsexamen haben, möchte ich dabei nur am Rand erwähnen.
Meine Damen und Herren, Sie merken, wir müssen hier etwas tun, und genau in diese Richtung geht der vorliegende Antrag. Zunächst ist es nötig, dass der Studiengang der Rechtswissenschaften mit dem Ziel des Staatsexamens auch wieder in Rostock angeboten wird. Der Studiengang wurde im Jahr 2008 vor dem Hintergrund der damaligen Haushaltslage und dem fehlenden Bedarf an Juristinnen und Juristen im Land abgeschafft. Mittlerweile hat sich die Lage aus unserer Sicht völlig verändert und es hat sich gezeigt, dass die Universität Greifswald die Streichung des Studienganges in Rostock nicht hat kompensieren können. Insofern muss die Universität Rostock ermutigt werden, diesen Studiengang wieder einzuführen, und sie muss auch die Mittel dafür erhalten.
Wir haben mit dem Dekan der Universität gesprochen, die Bereitschaft dazu ist auf jeden Fall da. Und wir reden da auch nicht von Unsummen. Das wirklich unterste Limit wären zwei zusätzliche W3-Stellen, die Höhergruppierung von drei W1-Stellen zur W2 und drei zusätzliche E13-Stellen als wissenschaftliche Mitarbeiter. In der Summe sind das 500.000 Euro jährlich, die wir auch in die Haushaltsberatungen mit eingebracht haben. Und gemessen an den zu erwartenden Resultaten ist das aus unserer Sicht nicht die Welt, sondern das sollte es uns wert sein.
Im zweiten Schritt ist natürlich aber auch über die Qualität und die personelle Ausstattung der Universitäten generell zu sprechen, schließlich sprechen die hohen Durchfallquoten dafür, dass an der Qualität im juristischen Studium etwas verändert werden muss. Aktuell sind an der Juristischen Fakultät Rostock 1,5 Vollzeitäquivalente je Lehrstuhl als wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt, in Greifswald sind es sogar nur 1,3.
Meine Damen und Herren, das ist aus unserer Sicht eindeutig zu wenig. Es gibt eine externe Fachevaluation der Universität Tübingen der Studiengänge des Fachbereichs der Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald, die die personelle Situation als dürftig und
weit unterdurchschnittlich bezeichnet. Und man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es die wissenschaftlichen Mitarbeiter sind, die die Vorlesungen mitbegleiten, mit Veranstaltungen flankieren, Arbeitsgruppen, Seminare et cetera. Eigentlich sind sie es, die neben den Professoren für ein breites Spektrum an Lehrangeboten mitwirken.
Nötig wäre nach unserer Auffassung, die Juristische Fakultät der Universität Rostock mit ebenso vielen Lehrstühlen zu versehen wie die Fakultät in Greifswald und die personelle Ausstattung der Lehrstühle mit wissenschaftlichen Mitarbeitern auf 2,0 Vollzeitäquivalente zu erhöhen. Das wären insgesamt 2,5 Millionen Euro jährlich Mehrkosten, und auch das ist in den Haushaltsberatungen Gegenstand.
Ein letzter wichtiger Punkt ist natürlich auch die sachliche Ausstattung der Fakultäten, der Fakultätsbibliotheken insbesondere. Jeder, der Jura studiert hat, weiß, welch wichtige Rolle eine gut ausgestattete und hauseigene Bibliothek spielt. Die deutsche Bibliotheksstatistik hat die Ausgaben für den Bereich Recht in 16 Universitätsbibliotheken im Jahr 2017 verglichen. Die Universität Greifswald landete auf Rang 14 und die Universität Rostock nimmt sogar nur den letzten Platz ein. Das zeigt ganz deutlich, dass wir hier erheblich nachsteuern müssen. Und auch hier reden wir nicht über Unsummen, insgesamt 600.000 Euro einmalig zur Errichtung einer hauseigenen Bibliothek und noch etwa eine halbe Million Euro jährlich für Literaturlizenzen und nötiges Personal würden ausreichen.
Meine Damen und Herren, Sie merken, wir müssen im Bereich des juristischen Studiums in MecklenburgVorpommern dringend etwas tun. Wir zeigen Ihnen zielführende Lösungsansätze auf und hoffen auf Ihre Zustimmung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Ums Wort gebeten hat für die Landesregierung die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Frau Martin.
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wer in den Rechtsstaat und in unser Justizsystem vertrauen will, muss auch in sein Personal vertrauen können, sowohl in seine Qualität als auch in seine Quantität. Wir haben es jetzt in beiden Debatten gerade schon in den vielen Redebeiträgen gehört, der zunehmende Wettbewerb um gute und ausreichend viele Nachwuchskräfte ist gerade in diesem Bereich wichtig, aber auch besonders brisant und besonders sensibel. Der demografische Wandel führt wie in anderen Bereichen in allen Arbeitsbereichen der Justiz dazu, dass der Bedarf an jungen Juristinnen und Juristen spürbar wächst. Sie haben es gerade ausgeführt, Frau Bernhardt, vor allem gilt das für die sogenannten Justizjuristinnen und Justizjuristen, also Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.
Wir haben vorhin von der Justizministerin gehört, dass ja insgesamt in dem Bereich Personalentwicklung, Personalgewinnung auch vom Justizministerium schon sehr viel in Gang gesetzt wurde. Das Problem, was wir hier jetzt besprechen, liegt nicht in erster Linie aus unserer Sicht daran, wie viele Leute hierzulande ein Jurastudium beginnen, sondern vielmehr darin, wie viele von ihnen uns ab der Immatrikulation verloren gehen auf dem Weg. Und da sind die Zahlen aus den vergangenen Jahren in der Tat ernüchternd. Von den Eingangskohorten, die fast immer über 300 pro Jahr liegen, erreichte nur ein Viertel bis ein Drittel das Erste Staatsexamen. Auch der Schwund auf dem Weg zum Referendariat ist beträchtlich, bleiben zu viele Nachwuchskräfte im Wortsinne auf der Strecke.
Wenn wir also mehr Absolventinnen und Absolventen und mehr Referendare und Referendarinnen haben und vor allem für den höheren Justizdienst brauchen, dann müssen wir an dieser Strecke ansetzen, also beim Was und beim Wie des Jurastudiums an der Universität Greifswald. Die Universität ist selbst aktiv geworden und hat für die erste Phase der Ausbildung eine Evaluation durchgeführt, um den Ursachen für diesen gravierenden Schwund nachzuspüren. Die Ergebnisse zeigen, dass oftmals die persönlichen Erwartungen und die fachlichen Anforderungen nicht zusammenpassen, dass es aber auch für viele ein Problem ist, den Lernstoff zu bewältigen, sich überhaupt zum Lernen aufzuraffen. Beides zeigt sich vor allen Dingen in den ersten Semestern.
Im weiteren Studienverlauf ist vielen Studierenden dann das fachliche Angebote nicht breit genug, und im Zieleinlauf geht der Blick schon über das Studium hinaus: Wo will ich eigentlich leben, welche Perspektiven habe ich hier in Mecklenburg-Vorpommern, komme ich hier weiter? Die Antwort auf diese Fragen entscheidet auch mit über den Eintritt in das Absolvieren des Vorbereitungsdienstes. Und klar, wir wünschen uns natürlich, dass möglichst viele und eigentlich möglichst alle als Antwort auf diese Frage am Ende sagen: Ja, ich will in M-V weitermachen.
Wenn Sie nun, sehr geehrte Abgeordnete der LINKEN, in Ihrem Antrag unterstellen, die Qualität der juristischen Ausbildung in Mecklenburg-Vorpommern reiche generell nicht aus für ein gut aufgestelltes und zukunftsfähiges Rechtswesen hier im Land, dann ist das in dieser Gemengelage zu viel des Schlechten, das Sie hier einbringen. Das Justizministerium beschäftigt sich in einem aktuellen Projekt mit dem Referendariat und mit dem Pool potenzieller neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der sich daraus speist.