Protocol of the Session on November 14, 2019

Und das Grundsätzliche ist – und jetzt komme ich noch mal auf die Kinderrechte –, wir reden an dieser Stelle auch über die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention. In Artikel 3 heißt es dort: Jedem Kind – jedem Kind! – ist ein „Höchstmaß an Gesundheit“ zu gewährleisten. Und wir reden über Gerechtigkeit im Gesundheitswesen. Jeder und jede – und das sagt der Antrag der drei Fraktionen, der Dringlichkeitsantrag auch –, jeder hat ein Recht auf diskriminierungsfreien, gleichen Zugang zum Gesundheitssystem, und jeder und jede hat ein Recht auf Gleichheit der medizinischen Versorgung im Sinne der Ressourcenverteilung. Das ist sozusagen die Grundlage unserer Anträge.

Die Ansätze sind sehr verschieden. Die Ansätze des interfraktionellen Antrags sind mit Blick auf die Landesregierung, mit Blick auf die Akteure das, was man konkret machen muss, um eine Lösung herbeizuführen. Dazu hatte Herr Glawe sich geäußert. Unser Antrag macht noch mal deutlich, was an Lösungen denkmöglich ist. Und wir haben nicht den Stein der Weisen, wir sind auch Suchende, aber wir machen Vorschläge. Und diejenigen, die als Bedenkenträger unterwegs sind, denen möchte ich sagen, bringt auch Vorschläge auf den Tisch. Politik lebt vom Streit der Ideen, vom Streit der Auffassungen und Lösungsvorschlägen, und die sind hier gefragt, ganz konkret.

Und wir als LINKE sagen, also wenn es um das Grundsätzliche geht, geht es natürlich auch um die systemischen Fehler im Gesundheitswesen. Es gibt das Konfliktpotenzial zwischen medizinisch Erforderlichem, Ethischem einerseits, um Empathie natürlich auch einerseits und um die Ökonomisierung andererseits, also den Umgang mit Ressourcen. Der ist per se nicht schlecht, die Frage ist, ob sich das Ganze dann ins Gegenteil verkehrt. Wir haben es nämlich auch mit Auswüchsen der Ökonomisierung zu tun, auch wenn wir über Parchim reden. Der Druck auf die Finanzierungsergebnisse und auf die Rendite ist unbestreitbar.

Druck führt zum Zeitmangel für Zuwendung. Dies wiederum führt zur Arbeitsverdichtung. Arbeitsverdichtung – das hatten wir im Gespräch, vielleicht geht Herr Brade ja auch noch darauf ein –, Arbeitsverdichtung führt dann zu abnehmender Arbeitszufriedenheit, dann zu Personalmangel, damit haben wir es hier konkret zu tun, und letztlich zur Schließung von Kinderkliniken. Das ist so eine Kette, die es zu durchbrechen gilt.

Und das Phänomen ist ja überhaupt nicht neu. In den letzten 25 Jahren ist in Deutschland jede fünfte Kinderab

teilung geschlossen worden, über 20 Prozent, und vier von zehn Betten sind abgebaut worden. Warum? Es geht nicht immer nur darum, dass wir am Phänomen hier rumwundern und sagen, ja, was ist da passiert, was ist da passiert, sondern dass man sich auch mal die Frage vorlegt, warum ist das so und warum sind es gerade Kinderkliniken.

Eine Überlegung ist genannt worden mit der Finanzierung. Ich habe mich mal kundig gemacht bei den Krankenkassen.

(Harry Glawe, CDU: Was?!)

Die sagen aber, die einzelne medizinische Leistung über das DRG ist abgebildet. Also gibt es noch andere Gründe, und denen sind wir als LINKE mal nachgestiegen. Die stationären medizinischen Leistungen werden genormt abgerechnet, das wissen wir, diese sogenannten DRGs. Und obwohl es kinderspezifische Abrechnungsverfahren gibt, werden Besonderheiten in der Kinder- und Jugendmedizin nicht berücksichtigt.

Worin bestehen diese Besonderheiten? In der Behandlung von Kindern und Jugendlichen ist es so, dass es mehr Zeit braucht, Zeit für die Kinder, um zu erklären, was geschieht, und gleichzeitig noch mal mehr Zeit, um den Eltern und den Verwandten zu sagen, was geschieht und was passieren soll, also mehr Zeit. Kinderkliniken haben wegen der möglichen Erkrankungen ein viel breiteres Leistungsspektrum als andere Fachabteilungen. Das ist eine große Besonderheit. Und Kinderkliniken haben nur in geringem Umfang – im Unterschied zu anderen Fachabteilungen –, wenig planbare Leistungen, allenfalls 20 Prozent, dafür aber eine hohe Notfallquote von über 50 Prozent. Alle, die Kinder oder Enkelkinder haben, wissen darum, wie schnell dann gehandelt werden muss und wie oft solche Dinge passieren. 40 Prozent des Gesamtbudgets sind in einer Kinderabteilung reine Vorhaltekosten, reine Vorsorgeleistungen, bei Erwachsenenabteilungen lediglich 25 Prozent. Kinderkliniken haben es auch mit neuen Morbiditäten, mit neuen Krankheitsbildern zu tun: Adipositas in zunehmendem Maße, psychische Erkrankungen von Kindern, Suchterkrankungen von Kindern und in wachsender Zahl seltene Erkrankungen.

Diese Besonderheiten werden mit dem gegenwärtigen Abrechnungssystem nicht abgebildet. Eben das führt zunächst zur Querfinanzierung – manche machen das, die Krankenhäuser finanzieren dann andere Fachabteilungen mit Kinder- und Jugendmedizinabteilungen quer – und, wenn es gar nicht mehr geht, zu Schließungen. All das ist der Geschäftsführung von Asklepios nicht anzulasten. Diese Probleme müssen wir politisch lösen. Und wir von der Linksfraktion sagen, Kinder- und Jugendmedizin sollte komplett aus dem DRG-Vergütungssystem entkoppelt werden und eine Selbstkostenerstattung sollte eingeführt werden. Kinder- und Jugendmedizin sollte anders abgerechnet und anders bewertet werden als alles andere.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und zur Geburtshilfe: Zur Geburtshilfe gibt es vom Gemeinsamen Bundesausschuss, der Dachorganisation, der ja auch die Richtlinien abfasst, seit April vergangenen Jahres die Maßgabe, dass Geburtenstationen basisrelevante Leistungen sind. Das bildet sich bei uns in Meck

lenburg-Vorpommern nicht ab. Warum nicht? Der Sache wollen wir noch nachgehen.

Was der Führungsetage von Asklepios vorzuwerfen ist, das will ich auch sagen: die Unwilligkeit, Personalengpässe mit Bordmitteln zu überwinden. Asklepios hat 160 Einrichtungen, 47.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

(Patrick Dahlemann, SPD: Einen Jahresumsatz von 8 Milliarden.)

einen Jahresgewinn von 171 Millionen Euro. Und die sind nicht in der Lage, temporär einen Engpass zu überwinden?! Nein, ich sage Ihnen, die wollen das nicht, die wollen es nicht. Unwilligkeit – weiterer Punkt –, Unwilligkeit, auf andere Träger zuzugehen und sich überbrückend Hilfe zu besorgen. Hätten sie machen können, wir haben darüber mit ihnen gesprochen, sie sagen, ist alles schwer – ja, diese Bedenkenträger, ist schwer. Man muss dann mal den Hintern hochheben und losgehen.

Wir als LINKE haben uns mit der Landeskrankhausgesellschaft in Verbindung gesetzt und haben gesagt, geht das, kann man so einen Pool bilden. Ist schwierig, ist uns gesagt worden, ist auch rechtlich schwierig, weil es um Arbeiternehmerinnen- und Arbeitnehmerüberlassungen geht, aber es ist möglich. Und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und wenn man sagt, so nicht, dann muss man eine Alternative suchen, dann sagt man, dann geht es eben anders. Wir reden von zwei Pools: einmal trägerübergreifend, wie die Krankenhäuser sich untereinander abstimmen – manche machen das ja, es ist ja nicht so, wir haben ja nichts Neues erfunden –, und ein anderer Pool wäre, andere zu reaktivieren. MDK stellt sich gleich auf die Hinterbeine und sagt, oh, geht ja gar nicht, verpflichten. Nein, wir wollen gar keinen verpflichten, wir wollen die Einsicht in die Notwendigkeit, die, wie wir wissen, ja letztlich auch eine Form von Freiheit ist.

Unwilligkeit, dritter Punkt, Unwilligkeit, Mediziner aus dem Ausland zu holen oder zu reaktivieren: Warum Kubanerinnen und Kubaner? Weil viele Kubanerinnen und Kubaner in Deutschland ausgebildet wurden, die können hier die Sprache. Die waren jetzt in Brasilien im Einsatz.

(Torsten Renz, CDU: Die sind doch schon in Rente.)

In Brasilien herrscht ein sehr zweifelhafter Mensch, der hat die kubanischen Ärztinnen und Ärzte rausgeschmissen, die sind verfügbar.

(Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, Torsten Renz, CDU, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Wir haben uns als Fraktion, wir haben uns als Fraktion sowohl mit der kubanischen Botschaft als auch mit den Agenturen, die vermitteln können, auseinandergesetzt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Es gibt kubanische Ärztinnen und Ärzte, die selbstbestimmt frei handeln, und es gibt welche, die vermittelt werden. Das haben wir auch der Geschäftsführung von Asklepios vorgeschlagen. Da haben die gesagt, oh, das bringt uns aber in den Konflikt, wir würden ja eine Diktatur finanzieren. Mitnichten, die müssen sich nur mal genauer damit beschäftigen, welche Regularien da gelten. Die Asklepios-Leute müssen entscheiden, sind ihnen die Kinder in Parchim und in der Region wichtig oder sind ihnen ideologische Scheuklappen wichtig.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE, Christian Brade, SPD und Christel Weißig, fraktionslos)

Das ist die Frage, die sie sich beantworten müssen.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Und die Asklepios-Führung ist unwillig, mit der Bevölkerung zu kommunizieren. Sie hätte sich mit der Bevölkerung verbünden können und sagen können, wir haben hier ein Problem, helft uns, das zu lösen.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Herr Brade hat ja Vorschläge gemacht in der Hinsicht in dem Gespräch. Da wird er ja noch was drüber sagen. Wir sind als Linksfraktion der Initiative beigetreten, des Dringlichkeitsantrags, weil er beschreibt, was die Landesregierung machen soll und was wir von den Akteuren erwarten, und unser Ursprungsantrag benennt ganz konkrete Vorschläge.

Und das Letzte, was ich sagen will, ist der Punkt – die rote Lampe leuchtet – mit dem Rekommunalisierungsfonds: Das ist nur für den Fall, stellen Sie sich mal vor,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Jetzt ist Schluss!)

es geht nicht um eine Abteilung oder eine Fachabteilung,

(Zuruf aus dem Plenum: Rot!)

sondern es würde um ein ganzes Krankenhaus gehen.

Herr Koplin, …

Was machen wir dann?

… auch Ihre Redezeit …

Das ist die Frage, …

… ist abgelaufen.

… die wir beantworten müssen.

Sie haben ungefähr …

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

… so viel mehr gekriegt wie Herr Dr. Jess.

(Harry Glawe, CDU: Gut gekämpft!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Brade.

(Vincent Kokert, CDU: Der war auch in der kubanischen Botschaft. – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Ich weiß gar nicht, ist das jetzt …

(Harry Glawe, CDU: Engagierter Vortrag, Torsten!)

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Selten hat ein Thema die Diskussionen als auch das Stimmungsbild in meinem Wahlkreis so sehr geprägt wie dieses. Seit nun mehr als einem halben Jahr diskutieren wir auf den verschiedensten Ebenen die Situation der Kinder- und Geburtenstation in Parchim. Unzählige Gesprächstermine, Demonstrationen von Initiativen, Unterschriftensammlungen, Presseartikel und besänftigende Statements der Klinikleitung – später müssen wir leider konstatieren, dass sich wenig bis gar nichts verbessert hat.

Das Gegenteil ist viel eher der Fall: Die Situation hat sich noch weiter angespannt, und das frustriert die Bürgerinnen und Bürger vor Ort vollkommen zu Recht, denn es geht hier um eine Dienstleistung im Leben der Menschen, die eigentlich selbstverständlich sein sollte, nämlich die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum, welche keineswegs renditeorientiert arbeiten sollte. Der Patient muss im Mittelpunkt stehen, unabhängig davon, wie viel er in die Kassen des Konzerns spült. Das ist und bleibt ein ursozialdemokratisches Anliegen.