Protocol of the Session on October 18, 2019

verdeutlicht werden, dass auch Taten wie das Schwarzfahren von der Gesellschaft als strafwürdig angesehen werden.

Die Koalition lehnt den vorliegenden Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Landsleute! Werte Kollegen! Sehr geehrtes Präsidium! Eigentlich hätte ich das im Wege einer Kurzintervention abgehandelt, aber die geht ja bei Einbringungsreden nicht, deswegen noch mal hier vorne.

In der Sache ist alles gesagt, mir geht es um die Klarstellung von zwei rechtlichen Fehlern in Ihren Vorbringungen, Frau Bernhardt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist dem Kollegen Förster wohl nicht aufgefallen, dass Sie noch mal vor müssen?!)

Zum einen hatten Sie gesagt, in der Tat, noch Zutreffendes sei juristisch streitig, ob hier eine Täuschung oder ob hier ein Einwirken auf Menschen vorliegt, und deswegen der Tatbestand erfüllt sei. Das hatten Sie aber zu Unrecht beim Erschleichen von Leistungen verheimatet. Dabei ging es um die alte Diskussion, ob das ein Betrug sein kann. Der setzt in der Tat Einwirken auf Menschen voraus. Dafür hat man den Paragrafen 265a, das Erschleichen von Leistungen, geschaffen. Die Diskussion, die Sie da vorgeblich geführt oder wiedergegeben haben, ist seit 20 Jahren überholt.

Zum Zweiten hatten Sie ausgeführt, es seien ja nur zivilrechtliche Verträge und da sei das Strafrecht nicht einschlägig. Das ist grundfalsch. Auch wer wissend und wollend seine Zahlungsfähigkeit vorspiegelt und deswegen einen zivilrechtlichen Vertrag abschließt oder zumindest in Kauf nimmt, dass er nicht zahlen kann, handelt vorsätzlich, und dann handelt es sich in der Tat um einen Betrug.

Sie haben also bei Ihrem Vorbringen zwei juristische Fehler gemacht. Mal so kurz nachdenken ans Jurastudium.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das war bestimmt ein besseres als bei Ihnen.)

Ich weiß nicht, ob Sie die gemacht haben oder ob die aus Thüringen übernommen wurden, aber jedenfalls sollten Sie das richtigstellen und beheben. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ehlers.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schwarzfahren ist Betrug an der Allgemeinheit, das will ich mal gern vorwegschieben, weil die Frage von Frau Kollegin Bernhardt gestellt wurde, ja, und niemand wird ja getäuscht. Doch, die rechtschaffenden Bürgerinnen und Bürger werden getäuscht, wenn man hier diesem Antrag der LINKEN heute zustimmt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Schwarzfahren ist kein Kavaliersdelikt, kein harmloser Spaß, sondern nach unserer Sicht eine Straftat, und so soll es bleiben. Wer eine Leistung in Anspruch nimmt, ohne dafür zu bezahlen, ist sich dessen bewusst und muss aus unserer Sicht klare Konsequenzen spüren. Deswegen sind wir auch dafür, dass Schwarzfahren eine Straftat bleibt.

Der ganzen Debatte wohnt aus meiner Sicht auch so eine gewisse Tendenz inne, das hat Kollegin Bernhardt nicht gesagt, aber die Tendenz ist ja schon so, man kann den Staat ruhig prellen, das ist ja an der Stelle nicht so schlimm, niemand stört sich so richtig daran. Da haben wir eine komplett andere Auffassung. Wer dem Staat absichtlich Schaden zufügt, wer ihn hinters Licht führt, egal, ob es das Schwarzfahren ist, die Beschädigung öffentlichen Eigentums oder gar die Steuerhinterziehung, muss auch mit harten Strafen rechnen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und das Argument, zu sagen, wir wollen die Justiz entlasten, kann an der Stelle, glaube ich, auch kein Argument sein. Mit dem Argument könnte man auch andere Straftaten herabstufen. Wenn es darum geht, nur die Justiz zu entlasten, glaube ich, das kann hier kein Argument sein an der Stelle. Wer schwarzfährt, betrügt die Gesetzestreuen und verhöhnt sie an der Stelle aus unserer Sicht auch.

Und, Frau Kollegin Bernhardt, Sie argumentieren ja hier damit, dass bestimmte Gruppen besonders betroffen sind. Ich weiß nicht, wie es in dem Verkehrsbetrieb bei Ihnen vor Ort ist, ich habe mich mal jetzt in Schwerin bei unserem Nahverkehr schlaugemacht. Da werden jährlich 1,5 Prozent der kontrollierten Fahrgäste ohne Fahrschein festgestellt und dabei sind alle Altersgruppen und auch alle sozialen Schichten vertreten. Da ist also laut Aussage unseres Nahverkehrs nicht erkennbar, dass eine bestimmte soziale Schicht hier in dieser Gruppe auffällt. Und der Schaden, der jetzt in Schwerin beispielsweise durch das Schwarzfahren entsteht, liegt bei jährlich 80.000 bis 100.000 Euro. Da müssen Sie bitte auch dann denjenigen, die auf kommunaler Ebene fahren, künftig erklären, wo das Geld dann herkommen soll.

Und ich glaube, wir brauchen weiterhin den Straftatbestand, auch zur Abschreckung und um vor allem die rechtschaffenen Bürgerinnen und Bürger hier in unserem Land, die täglich ihren Fahrausweis, ihre Monatskarte, ihre Wochenkarte, ihre Jahreskarte kaufen, hier an dieser Stelle zu schützen. Alles andere würde das ganze System ad absurdum führen. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Philipp da Cunha, SPD)

Das Wort hat noch einmal für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

(Torsten Renz, CDU: Der Zettel ist aber vollgeschrieben. Die Argumente gehen uns nicht aus.)

Uns auch nicht, Herr Renz, uns auch nicht!

(Torsten Renz, CDU: Hinter einem steht noch ein Fragezeichen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Keine Meinung.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Fahren ohne Fahrschein“, heute das erste Mal im Landtag und nicht – so, wie in der Diskussion behauptet – mehrfach schon hier vorgetragen. Also sagen Sie, wann wir das schon mal hier vorgetragen haben! Das würde mich wundern. Es ist heute das erste Mal und es geht eigentlich um eine Frage: Wie beurteilt man das, ist es eine Straftat oder eben eine Ordnungswidrigkeit?

Dann möchte ich gleich am Anfang sozusagen die Unterstellung auch des Kollegen Ehlers zurückweisen, der uns hier darstellt, als würden wir damit implizieren, dass es in Ordnung wäre, wenn man den Staat betrügt. Mitnichten ist es so, Herr Ehlers.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wir sagen nicht, dass die Schwarzfahrer dann gegebenenfalls straffrei oder überhaupt keine strafrechtlichen Ordnungssanktionen zu befürchten haben, sondern wir sagen, wenn man alles berücksichtigt im Rahmen der Abwägung, ist es eben richtig, dass man dieses Verhalten ahndet, sagt, es ist schädlich, aber eben als Ordnungswidrigkeit und eben nicht als Straftat.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Warum sagen wir das? Wir sagen das zunächst, wenn man Vergleiche zu anderen Ordnungswidrigkeiten zieht, die ähnlich stattfinden, Falschparken beispielsweise, da nehme ich auch eine Leistung in Anspruch und zahle dafür nicht, ist gleichzusetzen, und insofern sehe ich hier keinen Unterschied in der strafbaren Handlung, in der Bösartigkeit einer Handlung oder in der Strafwürdigkeit einer Handlung, sondern es ist für mich gleich. Es ist eben nicht so dermaßen sozial schädlich, dass das schärfste Schwert des Staates angewandt werden müsste, nämlich die Strafbarkeit.

Und es führt aus unserer Sicht zu Ungerechtigkeiten, zu Ungerechtigkeiten, das hatte ich bereits in meiner Einbringungsrede deutlich gemacht. Dort, wo beispielsweise Sozialtickets vorhanden sind, wo Orte es sich leisten können, jüngere Schüler beispielsweise, Ältere, die es sich eben nicht leisten können, Bus und Bahn zu fahren, in Form eines Sozialtickets besonders zu unterstützen, dort gerät man dann eher weniger in die Fälle der Strafbarkeit als in Orten, wo das eben nicht der Fall ist. Schon hier gibt es eine Ungerechtigkeitsproblematik.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Und die zweite Ungerechtigkeitsproblematik – und das Beispiel hatte Herr Förster genannt – ist, dass es in dem Umgang, wie eigentlich mit Schwarzfahrern umgegangen wird, durchaus unterschiedliche Verfahrensweisen gibt. Sie hatten das Beispiel Berlin genannt und zwei Verkehrsbetriebe angeführt. Die einen sagen, wer innerhalb von einem Jahr dreimal schwarzfährt, der ist anzuzeigen. Die anderen Verkehrsbetriebe in Berlin sagen, wer in zwei Jahren dreimal schwarzfährt, ist anzuzeigen. Aus unserer Sicht ist das eine Ungerechtigkeit in der Handhabung und ist durch nichts zu rechtfertigen

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

und bringt auch hier gewisse Ungerechtigkeitsproblematiken im Straftatbestand mit sich.

Und dann kann ich eben auch nicht verstehen, Herr Förster, wenn Sie beispielsweise sagen, dass gerade diese Handhabung in Berlin der Liberalen – „grün-linksversifften“, fehlte nur noch, dass Sie das hinzufügten – dazu führen würde, dass es eben vermehrt stattfinde.

Wenn Sie sich dort die Straftatzahlen anschauen, dann reden wir dort über vier Prozent insgesamt derer, die Bus und Bahn in Anspruch nehmen. Ich kann da nicht sehen, dass, wenn man damit liberal umgeht, eine liberale Handhabung bei der Strafanzeige steht, dass es dann zum übermäßigen Betrügen oder, wie Sie es nennen wollen, zur Strafbarkeit des Schwarzfahrens käme. Nein, das sehe ich eben nicht. Insofern ist es ungerecht in zweifacher Hinsicht, und ich kann es eben nicht verstehen.

Sie machten mehrfach hier den Vergleich zu den Pendlern auf, dass die ja rechtschaffend seien. Das streiten wir alles nicht ab. Noch mal für Sie: Es soll weiterhin geahndet werden. Es soll geahndet werden, indem es eine Ordnungswidrigkeit ist. Es wird ein Bußgeld verhängt und im schlimmsten Fall, und das wurde mehrfach ausgeführt,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

wird sogar die Möglichkeit einer Erzwingungshaft möglich sein.

Des Weiteren wurde hier vorgebracht in der Diskussion, dass es Studien gebe, wonach es überwiegend jüngere Leute in Anspruch nehmen, und es eben keine soziale Spaltung – ein Argument, was ich ja vorgetragen habe – gebe, also es nicht überwiegend Menschen den Anspruch nützten, die auf Hartz IV et cetera angewiesen sind.

Zum Ersten stelle ich Ihnen die Frage: Wer in Mecklenburg-Vorpommern fährt Bus und Bahn? Das macht bestimmt nicht einer von uns hier, der ein Auto vor der Tür stehen hat. In dem ausgedünnten System von Bus und Bahn in Mecklenburg-Vorpommern ist es wirklich schwierig, von A nach B zu kommen, sondern Bus und Bahn nehmen hauptsächlich Schüler in Anspruch, Berufsschüler, ältere Menschen, die eben darauf angewiesen sind und nicht mehr fahren können.

Zum Zweiten, wenn Sie sich die Polizeiliche Kriminalstatistik 2016, 2017, 2018 anschauen, und das habe ich getan, finden Sie dort auch die Tätergruppen. Beim Erschleichen von Leistungen nach Paragraf 265 sind 66 Prozent gerade Erwachsene und eben nicht jugendliche Heranwachsende, so, wie das Strafrecht unterscheidet. Insofern hinkt die Studie, insofern hinkt auch Ihre Argumentation. Für uns sind das weiterhin soziale Aspekte, die im Vordergrund stehen, wenn jemand mit Bus und Bahn schwarzfährt.

Dann kam noch das schöne Argument der Wertevorstellungen, dass man das doch nicht herabstufen könnte, weil man dann sozusagen in der Wertevorstellung, was weiß ich, ich kann es sowieso nicht nachvollziehen, wahrscheinlich geht es in die Richtung von Herrn Ehlers Argumentation, dass man das entkriminalisiert, bagatellisiert. Das sehen wir nicht so. Wir sagen weiterhin, es soll

mit einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Es ist nicht rechtmäßig, aber es soll eben keine Stigmatisierung stattfinden.

Insofern, denke ich, bin ich auf alle Ihre Vorträge eingegangen. Ich finde es schade, dass Sie bei Ihrer Meinung bleiben und weiterhin Schwarzfahrer kriminalisieren. Wir sehen das anders. – Insofern danke ich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.