Protocol of the Session on September 6, 2019

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/4031.

Ich lasse zunächst ebenfalls über den hierzu vorliegenden Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/4124 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/4124 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, AfD, Freie Wähler/BMV, bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE angenommen.

Ich rufe auf den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 7/4031 mit den soeben beschlossenen Änderungen. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/4031 mit den soeben beschlossenen Änderungen einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 35: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Prävention und Jugendschutz stärken – Konsum von Cannabis legalisieren und vollständig entkriminalisieren, Drucksache 7/4020.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Prävention und Jugendschutz stärken – Konsum von Cannabis legalisieren und vollständig entkriminalisieren – Drucksache 7/4020 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Drogen sind eine Alltagserscheinung. Sie gehören zur Menschheitsgeschichte wie die Nässe zum Regen. Drogen je nach Substanz, nach körperlicher oder mentaler Verfasstheit der Konsumenten und der Intensität des Konsums können zu schweren gesundheitlichen, sozialen und materiellen Problemen führen. Weil beides stimmt, braucht es eine rationale, also vernünftige und humane Drogenpolitik. Eine vernünftige Drogenpolitik erkennt Realitäten an.

Weil es hier in diesem Antrag um Cannabis geht, will ich ganz kurz mal beschreiben, wenn wir an warmen oder milden Tagen hier aus dem Schloss gehen – rund um das Schloss sind ja auch Sitzbänke –, dann sieht man und riecht man den Konsum von legalen und illegalen Drogen.

(Zuruf aus dem Plenum: Was?! – Sebastian Ehlers, CDU: Was riecht man? Das riecht man?!)

Alkohol wird konsumiert – die Biertrinkerfraktion –, und man riecht auch, dass Marihuana konsumiert wird, wenn man es denn sensibel wahrnimmt. Es ist also eine Realität und die Frage ist, wie gehen wir mit Realität um.

Eine vernünftige Drogenpolitik setzt auf Aufklärung und Prävention, und eine vernünftige Drogenpolitik hält nichts von einer willkürlichen Unterscheidung zwischen legalen und illegalisierten Substanzen, sondern setzt darauf, dass wissenschaftlich basiert und fundiert geurteilt wird. Eine humane Drogenpolitik, sehr geehrte Damen und Herren, setzt auf die Stärkung des Selbstbewusstseins und die Selbstbestimmung der Menschen, denn Sucht, das wissen wir doch alle, kommt nicht von Drogen, Sucht hat tiefere Ursachen. Eine humane Drogenpolitik setzt auf Hilfen und nicht auf Verbote, auf Kriminalisierung und Strafverfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten. Und eine humane Drogenpolitik setzt auf eine staatlich kontrollierte Freigabe von Cannabis an Volljährige und so auf einen verbesserten Gesundheitsschutz.

Mit unserem Antrag, sehr geehrte Damen und Herren, wollen wir drei Ziele erreichen: Wir wollen Prävention und Jugendschutz stärken, wir wollen den Konsum von Cannabis entkriminalisieren und legalisieren und wir wollen drittens ein Modellprojekt zur kontrollierten Freigabe in Mecklenburg-Vorpommern, eng verbunden mit einer Aufklärungskampagne.

(Zurufe von Christian Brade, SPD, und Maika Friemann-Jennert, CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Jagd auf Kleinkiffer und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten hierzulande sind krachend gescheitert. Die praktizierte Verbotspolitik hat den Konsum von Cannabis über Jahrzehnte nicht eingeschränkt. Die polizeiliche Kriminalitätsstatistik weist im Jahr 2014 2.778 Fälle in Zusammenhang mit Cannabisprodukten aus. Im Jahr 2018 waren es 3.882 Fälle. Das ist eine Zunahme von fast 40 Prozent.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Der Deutsche Hanfverband geht von 3,9 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten im Verlauf des letzten Jahres aus. Das hieße in Mecklenburg-Vorpommern eine Anzahl von 80.000 bis 100.000 Personen.

Da dieses Thema nicht zum ersten Mal im Landtag eine Rolle spielt, verweise ich auf die Diskussion, die wir im Jahr 2003 hatten. Damals hat, wenn ich mich recht entsinne, der gesundheitspolitische Sprecher der CDUFraktion Bernd Schubert darauf verwiesen, dass die Zahl seinerzeit bei 10.000 bis 20.000 Menschen läge. Das wäre also eine Zunahme von Konsumentinnen und Konsumenten in den letzten 15 bis 16 Jahren um das Vier- bis Fünffache.

(Zurufe von Patrick Dahlemann, SPD, und Maika Friemann-Jennert, CDU)

Die praktizierte Verbots- und Verfolgungspolitik hinsichtlich des Cannabiskonsums hat gesellschaftlich destruktive Folgen. Sie lässt den Schwarzmarkt blühen mit bedrohlichen Konsequenzen, wie etwa gesundheitlichen Risiken durch Streckmittel und Beimischungen, begleitende organisierte Kriminalität mit allen gewalttätigen Begleiterscheinungen, und sie bindet die Justiz. Jeder bei der Staatsanwaltschaft anhängige Fall raubt dort durchschnittlich zehn Arbeitsstunden. Wir sind der Auffassung, eine Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis trocknet den Schwarzmarkt aus,

(Maika Friemann-Jennert, CDU: Ein Quatsch!)

bietet Chancen, gesundheitliche Risiken zu begrenzen, und entlastet Polizei und Justiz.

Sehr geehrte Damen und Herren, einige sind der Auffassung – ich höre es ja förmlich –, eine Legalisierung von Cannabis würde nur die Probleme vergrößern und neue schaffen. Mit Interesse war zu vernehmen, was der Innenminister dieses Landes am 6. August dieses Jahres zu Protokoll, sprich zur Presse, gab. Er gehört auch zu denjenigen, die aus unserer Sicht falsche und altbackene Behauptungen aufschäumen. So meint er Folgendes zu wissen, ich darf zitieren: „Nicht selten sei Cannabiskonsum auch der Einstieg zu sogenannten harten Drogen wie Kokain und Ecstasy.“

(Horst Förster, AfD: Das wollen Sie bezweifeln?!)

Zunächst, Herr Förster, was ist „Nicht selten“? „Nicht selten“ ist gleichbedeutend mit „häufig“, „üblicherweise“, „gewöhnlich“.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Tatsache ist – und wir stützen uns als LINKE nicht auf eine Gefühlslage, sondern auf wissenschaftliche Studien –, zwei bis fünf Prozent der Cannabiskonsumenten steigen auf härtere Drogen um. Laut einer Studie aus dem September 2017 des Instituts für Sozialforschung der University of Michigan heißt es: „Alkohol ist die Einstiegsdroge“.

Eine Studie von Dr. Kleiber hierzulande für den Bundesgesundheitsminister Seehofer aus dem Jahr 1998 lässt Folgendes erkennen, Zitat: „Die Annahme, Cannabis sei die typische Einstiegsdroge für den Gebrauch harter Drogen wie Heroin, ist nach dem heutigen wissenschaftlichen Entwicklungsstand nicht haltbar.“ Und der anerkannte britische Psychopharmakologe David Nutt veröffentlichte 2010,

(Minister Dr. Till Backhaus: Na, mit den Briten habe ich es nicht so.)

ich zitiere: „In Anbetracht des bestehenden wissenschaftlichen nationalen und internationalen Kenntnisstandes muss im Hinblick auf Cannabisprodukte folglich von einer relativ ungefährlichen Substanz gesprochen werden,“

(Maika Friemann-Jennert, CDU: Das glauben Sie ja selber nicht!)

„wobei dieser Kenntnisstand als hinreichend gesichert betrachtet werden muss und gerade auch im Vergleich zu den Alltagssubstanzen wie Alkohol und Nikotin gilt …“ Dies sind drei Studien aus über 20 Jahren aus drei Ländern.

Was Innenminister Caffier zu mahnen meint, ist seit Jahren zigmal widerlegt worden. Aber nicht nur das, unser Innenminister kennt sich auch anderweitig aus. Diesmal hat er recht, tatsächlich, ich zitiere noch mal aus der Pressemitteilung vom 6. August: „Die psychischen und physischen Auswirkungen … von Cannabis werden insbesondere durch Jugendliche … unterschätzt“. Das ist richtig. Und es ist bewiesen, dass gerade bei 14- bis 16-Jährigen das Suchtrisiko steigt, ein Argument mehr, die Abgabe in kontrollierte Hände zu geben. Der Dealer fragt nicht nach dem Ausweis, staatlich lizensierte Stellen tun das schon. Mit einer öffentlichen Aufklärungskampagne und der Stärkung der Drogen- und Suchtberatung kann insbesondere diesen Jugendlichen geholfen werden.

Darum geht es, Hilfe statt Repression, sehr geehrte Damen und Herren. Mit einem Ja zu unserem Antrag stärken Sie den Jugendschutz.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Nee!)

Mit einem Ja zu unserem Antrag entlasten Sie Polizei und Justiz.

(Zuruf von Maika Friemann-Jennert, CDU)

Im Übrigen haben wir mal nachgerechnet. Die Repression hierzulande kostet uns jährlich 35 Millionen Euro. Nun raten Sie mal, wie viel das Land für Suchthilfe, für Suchtprävention jährlich ausgibt!

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Nicht mal zehn Prozent.)

Keine 2 Millionen, keine 2 Millionen Euro! Umgekehrt müsste das Verhältnis sein, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Horst Förster, AfD)

Mit einem Ja zu unserem Antrag legen Sie den blühenden Schwarzmarkt trocken. Mit einem Ja zu unserem Antrag machen Sie etwas für die gesundheitliche Aufklärung, und Sie legen die Axt an die organisierte Drogenkriminalität an. Schaffen wir gemeinsam über ein von uns vorgeschlagenes Modellprojekt zur Freigabe von Cannabis in Mecklenburg-Vorpommern den Doppeleffekt: Aufklärung und Kontrolle! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 61 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten der Minister für Inneres und Europa. Bitte schön, Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Lieber Kollege Koplin, zunächst mal bin ich ja ganz erstaunt über Ihre empfindliche Nase.

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und AfD)

Da können Sie möglicherweise in meiner Drogenabteilung bei der Hundestaffel mitwirken, die das Rauschgift bekämpft.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Haben Sie einen Clown gefrühstückt oder was?! – Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)