Protocol of the Session on May 24, 2019

Herr Heydorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Foerster?

Gerne, Herr Foerster.

Bitte schön.

Herr Kollege Heydorn, können Sie mir sagen, wie sich der letzte SPDLandesparteitag zur Frage der Sanktionen positioniert hat?

Herr Foerster, das muss ich Ihnen nicht erzählen, das haben Sie heute schon erwähnt, das heißt, Sie wissen das. Aber ich kann Ihnen sagen, dass es ein sehr knappes Ergebnis war, also diese Aussage,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

und dass es auch innerhalb der SPD dazu keine einheitliche Meinung gibt. Und ich kann Ihnen sagen, dass ich im Übrigen mit der Meinung, die da vorgetragen wurde, durchaus meine Probleme habe.

(Sebastian Ehlers, CDU: Sehr gut!)

Und jetzt würde ich gerne mal, jetzt würde ich gerne mal anfangen, dass man das in den historischen Kontext stellt, Herr Foerster. Ich finde, Sie haben hier eine gute, sachliche Rede gehalten, die aber viele Dinge einfach nicht zur Kenntnis nimmt. Gerade Sie als LINKE treten ja immer wieder dafür auf, Frau Rösler habe ich da immer vor Augen, die sagt, die Kommunen brauchen mehr Geld. Und wenn man sich mal anguckt, in welchem historischen Kontext ist Hartz IV denn entwickelt worden, dann ging es im Wesentlichen bei dem Thema auch um die Reform der Gemeindefinanzen.

Vor Hartz IV war es ja so, da gab es das Bundessozialhilfegesetz. Das Bundessozialhilfegesetz kannte zwei unterschiedliche Zuständigkeiten: Das waren die örtlichen Träger und die überörtlichen Träger. Die örtlichen Träger waren die Kreise und kreisfreien Städte und die hatten die sogenannte Hilfe zum Lebensunterhalt zu bezahlen. Und Hilfe zum Lebensunterhalt ist ja, wenn Sie so wollen, zumindest ein Teil von Hartz IV heute. Als das Bundessozialhilfegesetz entstanden ist, hatten wir eine sehr geringe Arbeitslosigkeit. Und man hat damals gesagt, es geht um einen marginalen Personenkreis und um einen marginalen Leistungsumfang und das können Kreise und kreisfreie Städte gut bezahlen.

Die Entwicklung war im Laufe der Jahre eine andere, das heißt, die Hilfe zum Lebensunterhalt war für viele Menschen eine rentenähnliche Dauerleistung, die die Kreise und kreisfreien Städte in ganz erheblichem Umfang Geld gekostet hat. Und Hartz IV hat die örtlichen Sozialhilfeträger von diesen Kosten entlastet, weil mit einem Schlag ging das Gros im Soll dieser Kosten auf den Bund über, das heißt, man hat im Grunde – und das verschweigen Sie ja immer wieder –, man hat im Grunde da eine erhebliche Entlastungsleistung für die kommunale Ebene organisiert. Das ist der eine Teil der Geschichte.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das mag ja sein, aber sagen Sie doch mal was zu den aktuellen Problemen!)

Und der zweite Teil: Natürlich ist es richtig zu sagen, als man Hartz IV entwickelt hat, war Deutschland der kranke Mann Europas. Das wollen Sie doch nicht wirklich in Abrede stellen?! Und in der Situation, wo die Wirtschaft nicht richtig läuft, die Arbeitslosigkeit hoch ist, neue Wege zu gehen und zu gucken, wie kriege ich das besser hin, wie kriege ich mehr Menschen in Beschäftigung, das ist der eine Teil.

(Karen Larisch, DIE LINKE: Mit Hungerlöhnen! – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Vor allem, wie viel Geld kann ich noch sparen?)

Und der andere Teil ist: Was kann ich letztendlich tun, um zu fördern? Und natürlich ist es ganz klar – das wird von keinem wegdiskutiert –, dass diese Förderschiene gerade bei uns in den neuen Bundesländern zu kurz gekommen ist.

(Der Abgeordnete Torsten Renz bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Und ich bin auch völlig bei Ihnen, wenn man sagt, wir müssen Hartz IV weiterentwickeln, weil – der Minister hat darauf hingewiesen – Langzeitarbeitslosigkeit geht zurück. Es kommen auch immer mehr Langzeitarbeitslose in Beschäftigung, und wir kommen immer mehr in die Situation, dass der Personenkreis, der letztendlich in Hartz IV noch Leistungsbezieher ist, der deutlich weniger wird. Und je weniger Leute ich da habe, desto mehr kann ich mich auch um die kümmern, desto mehr kann ich machen und so weiter und so fort.

Und natürlich gibt es auch aus unserer Sicht Probleme, die man in Angriff nehmen muss, beispielsweise das Thema „Kosten der Unterkunft“. Ich glaube, Sie sind darauf eingegangen. Das Thema „Kosten der Unterkunft“ ist ja im Gesetz so gestaltet, dass man sagt, angemessene Unterkunftskosten werden übernommen. Angemessene Unterkunftskosten sind in vielen Städten und in vielen Quartieren eher hier bei uns im Plattenbaugebiet, wo die Mieten niedrig sind und so weiter und so fort. Das heißt also, der Faktor „Kosten der Unterkunft“ im Bereich der Hartz-IV-Gesetzgebung hat in erheblichem Umfang zur sozialen Segregation beigetragen. Das kann keine Sache sein, die man wirklich will. Und da muss man gegensteuern.

Ich will einen anderen Punkt rausgreifen, das sind diese sogenannten einmaligen Leistungen. Beispiel: Waschmaschine geht kaputt und der Leistungsempfänger muss sich eine neue Waschmaschine kaufen. Das sind Anschaffungen, die der aus dem Budget, was ihm zur Verfügung steht, nicht leisten kann, und jetzt kriegt er da ein Darlehen ausgezahlt und darf das dann in irgendeiner Form abstottern. Ich sage Ihnen ganz deutlich, da bin ich nicht mit einverstanden. Das muss man anpacken und das muss so verändert werden, dass es durchträgt und funktioniert.

Ich will noch auf etwas anderes eingehen. Sie sprechen von einer hohen Fehlerquote in der Administration und führen aus, dass das zu einer erheblichen Zahl von Klagen bei den Gerichten führt. Das mag sein, aber dann – so, wie es Professor Weber macht – die Schlussfolgerung zu ziehen und zu sagen, na ja, dann brauchen wir deutlich mehr Richterstellen, ist meines Erachtens der zweite Schritt vor dem ersten. Ich würde im ersten Schritt erst einmal versuchen, dass ich die Fehlerquote, dass ich die deutlich absenke.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Und die Sachen, die noch anhängig sind, die 17.000, da warten wir ab, bis es noch mehr werden?! – Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Das heißt also, dass die Bescheide von besserer Qualität sind und dass ich im Ergebnis eben nicht die Anzahl von Klagen bei den Gerichten habe. Und das also jetzt damit zu begründen, dass man sagt, das ist alles zu kompliziert –

(Karen Larisch, DIE LINKE: Ja, ist es.)

Herr Foerster, gucken Sie sich das Steuerrecht an! Also das Steuerrecht ist mit Sicherheit in erheblichem Umfang komplizierter als das Thema „SGB-II-Leistungen“, und auch da haben Sie nicht diese Fehlerquote auf der administrativen Ebene und diese Anzahl von Klagen, die die Finanzgerichte beschäftigen.

Also da ist meine Empfehlung, bevor man jetzt also die Forderung aufstellt und sagt, wir brauchen da deutlich mehr Richter bei den Gerichten, das würde ich erst mal zurückstellen und sagen,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Zurückstellen?!)

da gucken wir doch mal, was wir auf der administrativen Ebene verbessern können.

Herr Heydorn, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Foerster?

Nein, jetzt werde ich meine Rede zu Ende führen wollen.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Genug ist genug, Henning!)

Also noch mal:

(Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt hast du ihn aber durcheinandergebracht.)

immer einen Schritt nach dem anderen und nicht den zweiten vor dem ersten machen. Das ist der Punkt.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Haben Sie gelesen, dass wir eine Bund- Länder-Arbeitsverwaltungs-Arbeitsgruppe fordern, die sich des Themas …)

Einen Moment!

Herr Foers…

Herr Heydorn, einen Moment!

Herr Foerster, Sie wollten eine Zwischenfrage stellen, die hat der Abgeordnete Heydorn nicht zugelassen. Dass Sie jetzt quasi auf den Platz zurückgehen und Ihre Zwischenfrage dann von dem Platz stellen,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Als Zwischenruf.)

ich glaube, das entspricht auch nicht unserer Geschäftsordnung. Zwischenrufe müssen kurz sein, und ich gehe mal davon aus … Nein, Frau Bernhardt, aber Sie haben ja auch noch Redezeit. Wenn Sie sich mit Frau Bernhardt diese Redezeit teilen, können Sie dann auch noch alles loswerden, was nötig ist.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ich glaube, das entscheiden wir noch selbst. – Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Bernhardt hat viel mitzuteilen.)

Also, wenn man das Ergebnis noch mal zusammenfasst, dann muss man sagen, ja, es gibt

Reformbedarf im Bereich der Hartz-IV-Gesetzgebung, aber ganz klar ist zu erkennen, die Beschäftigung nimmt zu, Langzeitarbeitslosigkeit nimmt ab. Auf der Bundesebene sind Beschlüsse gefasst worden, wie man Menschen, die Schwierigkeiten haben, auf dem Arbeitsmarkt Arbeit zu finden,

(Torsten Renz, CDU: Also läuft alles.)

besser unterstützen und begleiten kann. Das ist auf dem Weg, das wird bereits praktiziert.

Vielleicht noch einen Satz zu Herrn Professor Weber. Herr Professor Weber, Sie sprachen im Kontext von Hartz IV von sozialen Geschenken. Ich habe Sie als einigermaßen, ich sage mal, ich habe Sie als blickigen Verfassungsrechtler hier erlebt. Sie wissen, unser Land verteilt keine sozialen Geschenke. Es gibt unterschiedliche Prinzipien, das stimmt. Hartz IV unterliegt nicht dem sogenannten Versicherungsprinzip, sondern dem Fürsorgeprinzip oder dem, was man früher als Fürsorgeprinzip bezeichnet hat, aber es ist kein soziales Geschenk. In den Gesetzen steht drin, dass der notwendige Lebensunterhalt sicherzustellen ist. Was notwendiger Lebensunterhalt ist, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Da beschäftigen sich im Zweifelsfalle die Gerichte mit.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Aber zu sagen, das ist ein soziales Geschenk, dem folge ich ausdrücklich nicht. Da gibt es einen Rechtsanspruch drauf. Insofern kann das kein Geschenk sein.

Und der nächste Punkt,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Er will ja nicht. Er will ja nicht.)

der nächste Punkt …