Protocol of the Session on January 24, 2019

Obwohl auch meine Fraktion verschiedene Änderungsbedarfe in den vergangenen Legislaturperioden gesehen hat, stellen wir fest, die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat sich bewährt. Sie bildet den Rahmen, innerhalb dessen sich Organisation und Ausübung staatlicher Gewalt zu entfalten hat. Sie ist die Werteordnung, sie ist die Grundordnung für Mecklenburg-Vorpommern. Und diese Aufgabe hat sie aus unserer Sicht in der Vergangenheit gut erfüllt. Das gilt ohne Wenn und Aber. Die Welt bleibt jedoch nicht stehen, sie dreht sich weiter in Europa, in Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern, und es versteht sich von selbst, dass auch die Verfassung diesem Wandel unterworfen sein muss. Deshalb ist es aus unserer Sicht so, dass die Verfassung kein starres Konstrukt ist, sondern sie muss sich der Lebensrealität der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern anpassen, jedoch muss dies behutsam sein.

Fünfmal wurde die Landesverfassung seit ihrem Bestehen bereits verändert. Erstmals erfolgte eine Änderung im Jahr 2000, als das Konnexitätsprinzip aufgenommen wurde. 2006 erfolgte dann die nächste Verfassungsänderung. Verschiedene Schutzziele wurden mit aufgenommen. Besonders möchte ich an dieser Stelle den Artikel 14 der Landesverfassung hervorheben, der den Schutz der Kinder und Jugendlichen beinhaltet, etwas, was man sich auch für das Grundgesetz wünscht beziehungsweise wir uns für das Grundgesetz wünschen. Auch die Dauer der Legislaturperioden wurde in diesen Verfassungsänderungen beschlossen. 2007 wur

de dann ein neuer Artikel eingeführt, der Artikel 17a, die Friedensverpflichtung wurde aufgenommen und die Gewaltfreiheit in unsere Landesverfassung reingeschrieben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ergebnis einer Volksinitiative.)

ebenfalls Regelungen von elementarer Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen in MecklenburgVorpommern. 2011 wurde dann die Schuldenbremse in die Landesverfassung eingefügt. Die letzte Verfassungsänderung fand 2016 statt. Maßgeblich fand hier eine weitere Absenkung des Quorums für Volksbegehren statt, und es wurde ausdrücklich der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union samt Initiativrecht verankert.

Und wissen Sie, was all diesen fünf Verfassungsänderungen gemein war? Die Fraktionen haben meist im Vorfeld zu den Verfassungsänderungen zusammengesessen, darüber einen politischen Konsens herbeigeführt und diesen dann gemeinsam umgesetzt. Bei der Erarbeitung der Verfassung erfolgte dies, wie bereits berichtet, durch eine interfraktionelle Kommission. Die Schuldenbremse wurde gemeinsam unter den Obleuten besprochen, auch in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete Verfassungsänderungen erfolgten unter Herbeiführung eines breiten politischen Konsenses aller Fraktionen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Na dann müssen Sie auch mit uns reden.)

Es ist also erfolgreicher Usus, sich vor einer anstehenden Verfassungsänderung über Fraktionsgrenzen hinweg zu verständigen, anstatt alles nur abzulehnen, was von der Opposition kommt. Bei normalen Gesetzentwürfen ist dies leider so möglich, mit einfacher Mehrheit Beschlüsse zu fassen, aber der bessere Weg ist doch, sich auszutauschen und den Konsens zu suchen, anstatt alles wild abzulehnen, teilweise mit nicht nachvollziehbaren Gründen nur des Ablehnens wegen. Wir als Linksfraktion haben da ein anderes Verständnis von Demokratie,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

nämlich die gemeinsame Suche zu diskutieren und Lösungen zu finden. Und genau das schlagen wir Ihnen mit dem Antrag vor.

Die Verfassung ist zum Glück nicht nur die Grundordnung, sie ist eben auch der Grundkonsens aller demokratischen politischen Kräfte. Kein Wunder, dass wir hier besonders hohe Anforderungen stellen. Die Änderung der Landesverfassung bedarf gemäß Artikel 56 Absatz 2 einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages. Dies ist eine sehr hohe Hürde, sie erfordert ein gemeinsames Hinsetzen und das Aushandeln eines politischen Konsenses, und genau das schlagen wir Ihnen vor, dass wir in einem Unterausschuss – ähnlich funktionierend wie der NSU-Unterausschuss, also kein neues Mittel –

(Dr. Ralph Weber, AfD: Der hat gerade nicht funktioniert.)

Änderungsbedarfe herausarbeiten und dazu einen Konsens herstellen. Das hatten wir bereits im Rechtsaus

schuss zum Gesetzentwurf der SPD und CDU vorgeschlagen, und wir möchten das hiermit umsetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist nicht nur in unserem Sinne, sondern wir meinen, im Sinne aller Fraktionen. In dieser Legislaturperiode gab es bereits mehrere Versuche von fast allen Fraktionen, die Landesverfassung zu ändern. So wollte die BMV die Amtszeit der Ministerpräsidentin begrenzen, die AfD wollte zuletzt den Richterwahlausschuss einführen oder die Koalitionsfraktionen wollen unverbindliche Volksbefragungen einführen beziehungsweise den Artikel 17 ändern.

Auch wir sehen in mehrfacher Hinsicht Änderungsbedarf:

Erstens. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch seit damals stand die Entwicklung im Land natürlich nicht still, der demografische Wandel ging weiter, und dass die Entwicklung in den Landesteilen sehr unterschiedlich ist, hat auch die Regierung mittlerweile erkannt. Warum sonst haben wir einen extra Staatssekretär für die östlichen Landesteile? Mit der Festsetzung gleichwertiger Lebensverhältnisse in beiden Landesteilen als Staatsziel konnte man diesen sogar verfassungsrechtlich untersetzen.

Zweitens befinden wir uns in aktuell sehr bewegten Zeiten. Viele Menschen fühlen sich abgehängt oder haben Zweifel an der Demokratie. Wir meinen, jetzt ist genau die richtige Zeit, mehr Demokratie zu wagen. Wir brauchen mehr direkte Demokratie, um der vorhandenen Negativstimmung zu begegnen. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie mitbestimmen können, und sie müssen das dann auch tatsächlich tun können.

(Sebastian Ehlers, CDU: Das haben wir ja gestern eindrucksvoll gesehen.)

Drittens betrifft es die Unabhängigkeit der Justiz, die wir auch hier mehrfach im Landtag thematisiert haben. Allen Vorhaben zur Änderung der Verfassung in dieser Legislaturperiode – egal, ob von SPD, CDU, BMV und AfD und auch unseren – ist eins gemeinsam: Sie werden scheitern, sie sind gescheitert oder sie schmoren in den Ausschüssen vor sich hin. Wir können das Spielchen mit den Ablehnungen weiter betreiben, wir als LINKE halten dieses Vorgehen allerdings nicht für sinnvoll. Es führt zu keinem Ergebnis, nur, dass die eine oder andere Fraktion schmollend in der Ecke sitzt und wichtige Vorhaben blockiert.

(Dietmar Eifler, CDU: Na guck mal in den Spiegel!)

Dieser Weg wird aus unserer Sicht einer Verfassung nicht gerecht.

Als Linksfraktion schlagen wir Ihnen einen anderen Weg vor: dass wir uns gemeinsam hinsetzen und im Sinne der Menschen handeln, anstatt immer alles abzulehnen. Neben dem grundsätzlichen Ansatz, dass man so eine Verfassungsänderung gemeinsam macht, bieten sich auch jede weitere Menge Vorteile. Man kann die Ideen nicht nur gemeinsam diskutieren, man kann Expertengespräche durchführen, dann bekommt man bereits im Vorfeld mitgeteilt, ob eine Idee gut oder ob sie eher schlecht ist. Damit spart man sich dann auch die Peinlichkeit, in einer öffentlichen Anhörung krachend auf die Bretter zu gehen und sich anhören zu müssen, wie

schlecht doch der eigene Gesetzentwurf ist. Das soll es hier ja schon gegeben haben.

Meine Damen und Herren, es spricht vieles für sich, Änderungsvorschläge für die Verfassung gemeinsam abzusprechen. Wir haben es in der Vergangenheit getan und sind damit sehr gut gefahren. Aus diesem Grunde sollten wir es wieder tun. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort für die Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Herr da Cunha.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! 25 Jahre Verfassung – an der Stelle stimme ich dem Titel des Antrages der Fraktion DIE LINKE zu. Es wäre von mir aus gern eine Aussprache gewesen, hätte man über die Zeit referieren können, auch gerade, wie es dazu gekommen ist, wie damals die Verfassung erarbeitet wurde. Ich habe es gestern schon kurz erwähnt, nächstes Jahr haben wir auch 30 Jahre Mecklenburg-Vorpommern, das sind zwei Jubiläen, die jetzt gerade anstehen, die zeigen, wie sich unser Land entwickelt hat, was passiert ist.

Wir haben – die Kollegin Bernhardt hat es eben schon ausgeführt – in verschiedenen Ausschüssen in dieser Legislatur über unterschiedlichste Verfassungsänderungen bereits diskutiert. Wir haben einerseits den Rechtsausschuss, der zuständig ist für Verfassungsänderungen. Es wurde unter anderem auch ein Vorschlag zur Verfassungsänderung nicht im Rechtsausschuss, sondern im Innenausschuss unterbreitet, was natürlich für den Verfassungsausschuss ein bisschen schade ist, weil er eigentlich genau diese Aufgabe hat.

Und da komme ich eigentlich schon zu diesem Punkt. Ich glaube, wir haben bei uns den Ausschuss für Verfassung, und das ist, denke ich, auch der richtige Ort, um über Veränderungen zu sprechen, um darüber zu sprechen, was für einen Änderungsbedarf wir haben. Ich zitiere aus der Geschäftsordnung in Paragraf 25 den Absatz 1 zum Thema Unterausschüsse: „Zur Erledigung dringender, unabweislicher und nicht auf andere Weise abzuarbeitender Aufgaben, die einem Ausschuss übertragen wurden, steht es den Ausschüssen frei, Unterausschüsse einzusetzen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe zumindest bei der Arbeit, die wir jetzt im Rechtsausschuss haben – es ist nicht so, dass wir außerordentlich überlastet wären, aber eine umfangreiche Agenda haben wir schon –, keine überlastete Agenda, die es uns nicht noch erlaubt, Themen, die wir bisher nicht auf der Tagesordnung haben, zu diskutieren, die, wie es sich in einem Ausschuss gehört, auf die Tagesordnung gesetzt werden können, wo man über Punkte sprechen kann.

Wir haben bis zum letzten Jahr dem Ausschusssekretariat – ich erinnere an die Zeit, als wir als zuständiger Aus

schuss für die Wahlprüfung sehr umfangreiche Verfahren durchgeführt haben, deswegen an der Stelle auch noch ein herzlicher Dank an das Ausschusssekretariat – eine riesige Arbeit abverlangt. Ich erinnere gern daran, wie häufig wir in den Medien darüber gesprochen haben, dass wir als Ausschuss Zeit brauchen, aber auch die normalen Vorgänge im Parlament. Deswegen sehe ich, wenn ich gerade auf die Agenda gucke, eigentlich genug Kapazitäten, die jetzt nicht begründen würden, warum wir dringend für diesen Punkt einen Unterausschuss brauchen, der mich schon zu einem weiteren Punkt führt, denn es bedeutet auch, dass wir dann zusätzliche Kapazitäten, zusätzliche Sitzungstermine bräuchten. Die Personen sind möglicherweise identisch mit den Personen aus dem Rechtsausschuss, den Mitgliedern, oder es sind Extramitglieder, die dann wieder Extraressourcen für den Landtag bedeuten würden, was ich zumindest in dem Moment, wo ich mir anschaue, dass der Rechtsausschuss da noch freie Kapazitäten hat, nicht sehen würde.

Darüber hinaus ist es auch immer eine Frage, wer noch mit einbezogen werden muss. Das heißt, wenn wir einen Unterausschuss haben, war auch, wenn ich mich recht entsinne, der erste NSU-Ausschuss kleiner als ein regulärer Ausschuss.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig!)

Das kann ich auch falsch in Erinnerung haben. Ich höre gerade „Richtig“, also er war ein bisschen kleiner, das heißt, man würde möglicherweise die Fachsprecher für das Thema Recht oder so einsetzen. Die würden all das diskutieren, dann würde man für den einen Punkt noch jemanden dazuholen und für den nächsten Punkt und so weiter.

(Peter Ritter, DIE LINLKE: Das war die Absicht.)

Ich habe in meiner Erfahrung, zumindest, was ich in den letzten Jahren mitbekommen habe als jemand, der nicht der Sprecher für Recht ist, als jemand, der auch nicht im Fraktionsvorstand ist, erlebt, dass die Ebene beispielsweise der PGF und der Fraktionsvorsitzenden für genau solche Absprachen, für genau solche Kommunikation eigentlich die richtige ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sollen die PGF jetzt die Verfassungsänderungen beraten oder was?! Na super!)

Man hat sich dort nämlich verständigt, was man vorhat, was man auf den Tisch legt, was passiert und dann auch mit der Verwaltung des Landtages darüber spricht, was für notwendige Änderungen gegebenenfalls da sein sollten, denn es heißt im Antrag auch nur, dass es irgendwie über die Zeit Veränderungen gab, gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Veränderungen, und die begründen meiner Meinung nach zumindest keinen Unterausschuss, der sich mit Verfassungsänderungen beschäftigt.

Ich freue mich aber generell über alle Diskussionen, die wir bei uns im Ausschuss dazu führen, wie man einzelne Forderungen, einzelne Gesetze, einzelne Rechtsgrundlagen unserer Arbeit verändern und weiterentwickeln kann, sodass sie einer modernen Demokratie entsprechen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuhörer! „Verfassung fortentwickeln“ ist das Thema im Kern. Die AfD lehnt den Antrag der LINKEN ab. Er offenbart eigentlich ein merkwürdiges Verfassungsverständnis. Salopp formuliert, der Antrag läuft darauf hinaus, einen Ausschuss zu bilden, der dann mal sehen soll, was man alles an der Verfassung ändern könnte. Die einzige halbwegs konkrete Begründung ist die, dass sich die Welt in den letzten 25 Jahren weiterentwickelt hat und sich die Rahmenbedingungen verändert haben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: An Ihnen ist das scheinbar spurlos vorübergegangen.)

Eine Verfassung ist etwas anders als eine Speisekarte, die immer wieder saisonbedingt geändert wird. Die Verfassung liefert das rechtliche Fundament für die Regelwerke unseres Zusammenlebens. Daran bastelt man nicht beliebig herum, dafür muss es einen konkreten Anlass geben. Zudem wurde die Verfassung in der Vergangenheit, wenn dazu Anlass bestand, bereits mehrfach geändert.

Nun kann es sein, dass sich die Verhältnisse so geändert haben oder aus anderen wichtigen Gründen eine Überarbeitung der Verfassung geboten erscheint. Einen solchen Fall haben wir beispielsweise, hatten und haben wir auf Bundesebene nach der Wiedervereinigung, denn Artikel 146 Grundgesetz in alter und neuer Fassung betont den transitorischen Charakter des Grundgesetzes und schränkt dessen Geltung ein auf die Zeit bis zum Inkrafttreten einer Verfassung, die vom gesamten deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist. Es ist erstaunlich, wie sich die Politik über diesen, aus dem Grundgesetz sich unmittelbar ergebenden Verfassungsauftrag einfach hinwegsetzt. Was wäre das für eine Stärkung des Rechtsstaates, wenn wir eine vom Volk beschlossene Verfassung hätten!

In Bezug auf unsere Landesverfassung besteht eine vergleichbare Situation nicht. Sie besteht aber offensichtlich in den Köpfen der LINKEN und so habe ich mich in Vorbereitung der Rede gefragt, worum es der LINKEN konkret geht und wo sie einen Änderungsbedarf sehen könnte. Da ist heute auch nicht viel passiert bis auf die Stichworte „mehr Demokratie“ und „Richterwahlausschuss“. Aber als Erstes fällt mir die Sprache der Verfassung ein. Hier gehe ich davon aus, dass es sogar aus der Sicht der LINKEN verfassungsändernde Mehrheiten geben könnte. Ich gehe nämlich davon aus, dass DIE LINKE eine Umschreibung der Verfassung, eine gendergerechte Sprache sicher für notwendig hält,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gute Idee, Herr Kollege Förster! Gute Idee, Herr Kollege Förster!)

um so auf dem Felde der Geschlechtergerechtigkeit ein Zeichen zu setzen.