Protocol of the Session on January 24, 2019

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung auf Drucksache 7/2683 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 7/2683 bei Zustimmung der Fraktionen von SPD und CDU, Gegenstimmen der Fraktion DIE LINKE und Stimmenthaltungen der Fraktionen von AfD, Freie Wähler/BMV und des fraktionslosen Abgeordneten angenommen.

Auf Drucksache 7/3107 liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor, der die Einfügung einer Entschließung in die Beschlussempfehlung beinhaltet. Wer möchte dem zustimmen, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3107 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion Freie Wähler/BMV, bei Gegenstimmen der Fraktionen von SPD und CDU und Stimmenthaltung der Fraktion der AfD und des fraktionslosen Abgeordneten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Aussprache gemäß …

Ehe ich das jetzt aufrufe, möchte ich mich herzlich bei Ihnen bedanken.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD, DIE LINKE und Freie Bürger/BMV)

Ich wiederhole noch mal: Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Aussprache gemäß Paragraf 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Stärkung des Handwerks – Wiedereinführung der Meisterpflicht“ auf Antrag der Fraktion der AfD.

Aussprache gemäß § 43 Nummer 2 GO LT zum Thema Stärkung des Handwerks – Wiedereinführung der Meisterpflicht

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat für die Fraktion der AfD das Wort der Abgeordnete Lerche.

Werte Präsidentin! Verehrte Kollegen! Liebe Bürger im Land! Liebe Handwerker!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und Handwerkerinnen!)

Mit der Novelle der Handwerksordnung vor ziemlich genau 15 Jahren hat die damalige Bundesregierung 53 Berufe aus der Meisterpflicht herausgenommen. Die Schröder-SPD hielt es zusammen mit den linksliberalen GRÜNEN für eine gute Idee, zahlreiche Berufe aus dem meisterpflichtigen Teil der Handwerksordnung zu nehmen. Dies war allerdings gelinde gesagt eine sehr schlechte Idee und deswegen müssen wir hier heute darüber reden.

Mein AfD-Landesverband hat bereits zum Landtagswahlkampf 2016 gefordert, dass der Meisterbrief wieder notwendig werden sollte, um einen Handwerksbetrieb zu führen. Der Meisterpflicht schließen wir uns darum als Fraktion selbstverständlich vollumfänglich an.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Fraktion fordert heute klipp und klar die Rückkehr zum Meisterbrief als Zeugnis deutscher Wertarbeit, denn das Thema ist wieder hochaktuell. Der Druck der Handwerkskammern und der Verbände wurde in den vergangenen Jahren stärker. Hier möchte ich auch die Gewerkschaft Bau nennen. Mehr und mehr Handwerker wenden sich von der Politik ab, die jegliche Kritik abweist.

Die bayerische Landesregierung hat überraschend im Herbst vergangenen Jahres die Notbremse gezogen und die Wiedereinführung der Meisterpflicht in den Bundesrat gebracht. Ich sage jetzt, da kann man mal wieder von Bayern lernen. Dies ist zu begrüßen, wenn auch die konkreten Berufszweige bisher offengelassen wurden. Ebenso haben die Fraktionen des Thüringer Landtages ein solches Anliegen auf Antrag der CDU in ihren Wirtschaftsausschuss verwiesen. Im Bundestag hat im vergangenen Dezemberplenum die AfD-Fraktion mit dem Herrn Chrupalla das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, der AfD-Antrag fand allerdings noch keine Mehrheit.

Aber was sind überhaupt die Fakten? Die Zahl meisterpflichtiger Handwerke wurde von 94 auf 41 abge

senkt. Seit 2004 gibt es nur noch 41 Handwerksberufe, die eine Meisterpflicht innehaben, meist aufgrund von sicherheits-, hygiene- oder gesundheitsrelevanten Komponenten. Dazu gehören beispielsweise der Metallbauer, der Bäcker und der Maurer,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

aber auch der Friseur, der Konditor oder ein Maler. Sie benötigen einen Meisterbrief, um einen Betrieb eröffnen zu dürfen. Ebenso gibt es bei den noch meisterpflichtigen Berufen zahlreiche Ausnahmen und Schlupflöcher, wie man einen Betrieb ohne Meisterbrief vorhalten kann. Die Friseurbranche kann ein Lied davon singen, wenn nur zur Betriebsgründung eine Meisterin eingestellt wird oder wenn die Konkurrenz sich einfach „Haarstylist“ nennt.

Zulassungsfreie Handwerker der Anlage B 1 sind nun der Schneider, der Müller, der Segelmacher, der Brauer oder der Goldschmied. All diesen Berufszweigen wurde die Ehre, die Wertschätzung, die gesellschaftliche Würdigung und die Tradition abgeschnitten. Um dies zu legitimieren, präsentierten SPD und GRÜNE im Bundestag 2003 ihre einfachen Lösungen. Durch die Deregulierung und den Abbau der Markteintrittsbarrieren sollten Neugründungen entstehen, Arbeitsplätze geschaffen werden und das Handwerk sollte, ich zitiere aus diesem Gesetzentwurf, „europafest“ gemacht werden. Im Hinblick auf die EU-Osterweiterung musste eine Möglichkeit geschaffen werden, den Osteuropäern einen einfachen Einstieg zu ermöglichen.

Auf den ersten Blick schien die Liberalisierung sinnvoll. Der Ökonom Jan Schellenbach von TU Brandenburg brachte es vor Kurzem auf den Punkt. Er sagte gegenüber der „Welt“, ich zitiere: „Der Meisterzwang dient letztlich der Abschottung der betroffenen Märkte zulasten des Verbrauchers. Dieser leidet unter eingeschränktem Wettbewerb und den resultierenden höheren Preisen.“ Zitatende.

Aber dies, meine Damen und Herren, ist typisch für das Denken vieler welterklärender Theoretiker oder trantütiger Politiker. Sicher, sinkende Preise und zahlreiche neue Betriebsgründungen waren sofort erkennbar, wenn man sich einen schönen Rahmen sucht. Aber dieses Rechnen mit abstraktem Zahlenwerk täuscht über die Dinge hinweg, die nicht von der Statistik quantitativ bemessen werden. Es geht um drei fundamentale immaterielle Werte, die in alter Zeit überhaupt zu der Meisterpflicht führten. Tradition, Wissen und Qualität sind die drei Werte, die wir wieder für eine große Anzahl zulassungsfreier Gewerke brauchen. Das will ich Ihnen erläutern.

Erstens, die kulturelle Tradition. Der Meister gehört wie der Geselle zu unserer Kultur. Es erfüllt die Handwerker mit Stolz und intrinsischer Motivation, Teil einer jahrhundertealten Handwerker- und Arbeiterkultur zu sein. Durch sein händisches und kreatives Wirken konnte der Buchbinder über Generationen persönliche, einzigartige Werke hinterlassen und auch noch in der heutigen Moderne kann er einem seelenlosen E-Paper Kunst und Authentizität entgegensetzen.

Zweitens, das Wissen. Der Meister konserviert das alte Wissen, welches zunehmend verlorengeht. Der Meister im Betrieb hat den Freiraum, sich um die Sammlung und Vermittlung des Wissens zu bemühen. Ein Orgelbauer

zum Beispiel braucht viel Wissen, denn jede Orgel ist einzigartig und voller Herausforderungen. Der Orgelbauer baut für Jahrhunderte und meist zahlt der Staat oder die Kirche enorme Beträge. Soll eine alte Orgel wieder im Klang und Glanz alter Tage pfeifen, dann geht das nicht ohne das Wissen traditioneller Techniken aus dem Kernland des Orgelbaus Deutschland. Man braucht ein gutes Gespür für vergangene Kultur.

Drittens, das Qualitätsbewusstsein. Der Meisterbetrieb verlegt nicht irgendwelche Fliesen, sondern er fliest das städtische Schwimmbad bruchfrei für die nächsten 20 Jahre. Lassen Sie mich das anhand einiger Zahlen im Fliesenlegerhandwerk erklären.

Nach der Aufhebung der Meisterpflicht ist die Zahl der Betriebe laut Zentralverband Deutsches Baugewerbe von etwa 12.400 Betrieben im Jahr 2004 auf circa 71.100 Betriebe im Jahr 2015 angestiegen. Das ist auch nicht verwunderlich, denn ohne Qualifikation konnte sich jeder als Fliesenleger selbstständig machen. Einmannbetriebe, häufig auch noch aus Osteuropa, schossen wie Pilze aus dem Boden. Auf der anderen Seite sank die Zahl der Auszubildenden von circa 4.500 im Jahr 2002, vor der Abschaffung der Meisterpflicht, auf aktuell circa 2.000 Auszubildende innerhalb Deutschlands. Die Zahl sank also um circa 56 Prozent. Dramatischer stürzte die Anzahl der Meisterprüfungen um fast 75 Prozent ab. Waren es 2004 noch 423 bestandene Prüfungen, so hatte man 2015 nur noch 114, immer auf das Fliesenlegerhandwerk bezogen.

Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag und Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Carsten Linnemann sieht dies ähnlich. Zur Abschaffung der Meisterpflicht sagte er gegenüber der FAZ, ich zitiere: Die Qualität habe sich in diesen Gewerken „teilweise deutlich verschlechtert“. „Außerdem“ wird „weniger Nachwuchs ausgebildet.“ Zitatende. In der CDU ist eben doch ab und an noch Wirtschaftskompetenz vorhanden.

Mit dem Verschwinden der in Deutschland ausgebildeten Fachkräfte sank die Qualität massiv. Etwa 9.000 Euro je Schadensfall berechnet Karl-Hans Körner, Vorsitzender des Fachverbandes Fliesen und Naturstein, für Schäden, die durch nicht fachkonforme Arbeit getätigt wurden. Die scheinselbstständigen Einmannbetriebe sind dann wieder in Osteuropa und der Bauherr bleibt auf den Kosten sitzen. Dies ist nicht kalkulierter ökonomischer Nachteil, den kaum ein Ökonom mitberechnet. Nicht das billigste Angebot, sondern die längste Haltbarkeit sollte entscheidend sein.

Aber was wäre die Lösung? Ja, wir wollen wieder eine Regulierung der Handwerkermärkte. Wir wollen die Preise für das Handwerk auf ein Normalniveau bringen, sodass Meisterbetriebe auch gute Löhne zahlen können. Wir wollen, dass faire Oligopole mit unseren Landsleuten den deutschen Markt dominieren. Wir wollen auch die stark leidenden Ausbildungsberufe wieder attraktiv machen. Wir wollen die Langzeitstudenten aus den langweiligen Studiengängen rein in die praktischen Handwerksbetriebe holen. Im Handwerk soll man auch wieder Karriere machen können. Wir wollen zu den fortschrittlichen berufsständischen Organisationen wieder zurückkehren, die sich in unserer deutschen Kultur seit Gilde und Zunft entwickelt haben. Wenn die EU-Fanatiker was dagegen haben, dann sollten wir auch darüber diskutieren, wie wir

Markteintrittsbarrieren für EU-Fanatiker schaffen. Wir wollen keinen Konkurrenzkampf bis aufs Blut, bei dem sich Handwerker aus der EU hier preislich unterbieten. Wir wollen eine Stärkung der sozialen, ökonomischen und technisch qualitativen Selbstverwaltung der anspruchsvollen Berufe.

Und ja, ich weiß, es gibt sehr gute Handwerker, die keinen Meistertitel haben und wunderbare Parkettlegerbetriebe leiten. Diese Betriebe wollen wir und wir müssen sie zu Meisterbetrieben weiterqualifizieren, beispielsweise durch ein Meister-BAföG. Für die Betriebe würde es ohnehin Bestandschutz geben, schenkt man dem Rechtsprofessor Martin Burgi Glauben.

Ich hoffe, dass die weiteren Redner ähnliche Ansichten hegen und ein starkes Signal in Richtung Bundesebene und EU setzen. Eine Lockerung der Reglementierung freier Berufe durch das EU-Dienstleistungspaket wurde hier im Mai 2017 abgelehnt, warum nicht auch in den Handwerkerberufen. Die AfD-Fraktion jedenfalls vertritt die Interessen von Handwerk, Mittelstand und Verbrauchern, um Ausbildung und Qualität zu sichern. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Landesregierung hat jetzt das Wort der Minister für Inneres und Europa in Vertretung für den Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit. Bitte, Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Kollege Lerche, normalerweise habe ich einen Text meines Kollegen Glawe zu diesem Vorgang oder zu dieser Aussprache. Ich sage Ihnen aber, dass es nicht üblich ist, das, was im Ausschuss ausführlich erörtert wurde und worüber es überhaupt keinen Dissens in der Sache gibt, sondern wo es im November noch eine Aussprache oder Beschlusslage gegeben hat, dementsprechend hier wieder auf die Tagesordnung zu rufen.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Einen Landtagsbeschluss gibt es!)

Hätten Sie einen Antrag gebracht,

(Jochen Schulte, SPD: Haben wir doch schon gehabt!)

hätten Sie gesagt, lieber Landtag, unterstützen Sie den Wirtschaftsminister, dass er dem Ausschuss zustimmt, im Bundesrat am 31. Januar, da ist nämlich der Antrag drauf, dass dem Antrag bei uns zugestimmt wird, dann hätten Sie sogar eine Einstimmigkeit in dem Parlament gehabt, weil das Land wird nämlich diesem Antrag zustimmen beziehungsweise der Wirtschaftsminister. Insofern haben Sie hier eine Aussprache zu einem Thema geführt, was schon längst in der Fachebene ausgeführt worden ist. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schulte.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das geht auch schnell, ne?! Das geht ganz schnell, ne?! – Jochen Schulte, SPD: Das geht auch schnell.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte anwesenden Kolleginnen und Kollegen! Das, was ich jetzt hier eben gehört habe, ist eine Unverschämtheit. Ich sage das mal in aller Deutlichkeit. Das ist jetzt nicht eine Unverschämtheit, weil es von der AfD kommt, weil man mir das relativ schnell unterstellt, dass das, was von der AfD kommt, alles gleich gebasht würde. Das ist nicht der Fall. Aber sich hier hinzustellen, eine Aussprache zu beantragen zu dem Thema „Stärkung der Meisterpflicht“, nur, weil die eigene Bundestagsfraktion Ende letzten Jahres verspätet auf den Zug aufgesprungen ist, obwohl wir in diesem Haus nicht nur einmal, sondern wiederholt dieses Thema von oben nach unten durchdiskutiert haben mit allen unterschiedlichen politischen Auffassungen, die man dazu haben kann, aber im Konsens zu einem Punkt.

Ich erlaube mir an dieser Stelle, nur aus dem letzten Antrag der Koalitionsfraktionen zu zitieren, der hier in diesem Hause beschlossen worden ist. Ich bin mir jetzt nicht sicher, aber ich glaube, sogar die Fraktion DIE LINKE hat zugestimmt. Da heißt es: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, gegenüber dem Bund … auf eine verfassungskonforme Novelle der Handwerksordnung zu drängen. Unter Berücksichtigung EU-rechtlicher Vorgaben und Betrachtung der Einzelfälle ist es Ziel, eine Aufwertung zulassungspflichtiger Gewerke gemäß Anlage A der Handwerksordnung zu erwirken.“

Das ist nur ein Auszug aus dem Antrag, sehr geehrte Kollegen, und das ist nur ein Antrag von vielen, den die unterschiedlichen Fraktionen in diesem Hause eingebracht haben, um sich genau dafür einzusetzen, Stärkung des Handwerks, Stärkung der Meisterpflicht, Stärkung der dualen Ausbildung,

(Rainer Albrecht, SPD: Jawoll!)

Fachkräftesicherung gerade im Handwerksbereich mit allen Fragen, die dazugehören. Und da kommen Sie hierher,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)