Protocol of the Session on January 23, 2019

Unsere Bürger haben ein berechtigtes Interesse daran, dass Unternehmen in die Ausbildung der eigenen Leute investieren, anstatt nur den globalen Fachkräftepool im Blick zu haben. Eine Politik für das eigene Volk kann und darf dies nicht vergessen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf aus dem Plenum: Sehr gut!)

Eine fachkräftesichernde Politik sollte eine Aufenthaltserlaubnis für hoch qualifizierte Ausländer an einen gültigen Arbeitsvertrag koppeln. Andererseits, ein Fachkräftemangel kann jederzeit auch durch Anschaffung neuer Maschinen, Produktionsreduzierung oder Rationalisierungsinvestitionen kompensiert werden. Und genau das muss nicht immer etwas Schlechtes sein. Wir müssen eben keine Brötchen backen, die niemand kauft.

(Beifall Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Es mag auch an der Überakademisierung, an der mangelnden Attraktivität mancher Branchen und einer bestimmten Bildungsmisere in vielen Bereichen liegen, dass wir zu wenige Handwerker und Ingenieure haben. Eine reduzierte Fachkräfteauswahl kann zu höheren Löhnen, besseren Arbeitsbedingungen und kürzeren Arbeitswegen führen. Deutschland ist mit seiner tradierten Wirtschaftskultur auf Qualitätsführerschaft spezialisiert, weshalb steigende Löhne nicht zwingend eine internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährden müssen. Ein Fachkräftemangel betrifft international aufgestellte Großunternehmen in Deutschland kaum, da diese meist ohne Probleme entsprechende Kapazitäten ins Ausland verlagern können.

Der nicht kompensierte Fachkräftemangel trifft vor allem die Lebensqualität in unserem Land, was exemplarisch in der Pflege abzulesen sein wird. Hiergegen sind gegenseitige Hilfen älterer Menschen, technische Innovationen, bessere Gesundheitsprävention, neue Pflegekonzepte und ein Generationenvertrag vonnöten. Der etablierte Fokus auf Masseneinwanderung verdrängt dagegen diese wichtige Diskussion.

Die Digitalisierung und der technische Fortschritt werden körperlich anstrengende Arbeiten reduzieren, sodass zunehmend über eine andere Verwendung in bestimmten Arbeitsbereichen nachgedacht werden kann. Ein bedingter Fachkräftemangel könnte zu mehr Sesshaftigkeit führen, was aus ökologischen und sozialen Gründen zu begrüßen ist. Eine gesetzlich forcierte Masseneinwanderung zur Sicherung von Fachkräften ist demokratisch fragwürdig, da die Deutschen zu einer so tief greifenden Veränderung nicht einmal befragt worden sind.

So weit einzelne inhaltliche Fragestellungen und Aspekte, die für eine Nutzenanalyse des vorliegenden Gesetzes aus dem Bund von hoher Relevanz sind. Kurz nach der Veröffentlichung des Gesetzentwurfes haben sich verschiedene Stimmen aus der Landespolitik hier in Mecklenburg-Vorpommern dazu geäußert:

Die SPD fordert, dass nur tarifähnlich zahlende Betriebe ausländische Arbeitnehmer einstellen dürfen, um Lohndumping zu verhindern. Dabei vergisst die SPD, dass es den hierhergekommenen Personen herzlich egal sein wird, wie viele Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern tarifähnlich zahlen oder eben nicht. Wer erst einmal hier ist, wird nicht wegen eines Tarifvorbehaltes wieder gehen.

Die CDU, namentlich Innenminister Herr Caffier, benennt dieses Problem immerhin, denn bei scheiternder Arbeitsplatzsuche besteht jederzeit die Möglichkeit, durch einen Asylantrag den Aufenthalt zu verfestigen. Scheinbar weiß man inzwischen auch im Innenministerium, dass die eigene Asylpolitik vor allem zur Aufenthaltsverfestigung dient. Die Asylpolitik ist somit meist nur noch dafür da, illegale Migration zu legalisieren.

Liebe Bürger, diese Befürchtungen gegenüber verstärkter Lohnkonkurrenz und einem neuen Einfallstor für illegale Migration sind berechtigt. Seit 2015 sind ungefähr eine Million Zuwanderer nach Deutschland gekommen, die in Hartz IV gefallen sind. Man stelle sich vor, der in den jüngsten Prognosen dargestellte Konjunkturabschwung findet statt – diese Million würde sich schnell deutlich vergrößern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

An den Äußerungen von CDU und SPD …

Herr Fraktionsvorsitzender Kramer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Renz?

Bitte schön, Herr Renz.

Danke, Herr Kollege.

Sie haben festgestellt, dass wir einen Fachkräftebedarf haben in Millionenhöhe. Deswegen würde mich konkret interessieren, welche drei Maßnahmen die AfD-Landtagsfraktion vordergründig sieht, um dem entgegenzuwirken?

Da sind Sie etwas vorgeprescht. Üben Sie sich in Geduld, ich bin noch nicht am Ende meines Vortrages. Dr. Jess wird auch noch reden, und da werden Sie eine Menge Vorschläge hören. Jetzt gilt es erst mal, hier eine Aussprache zu führen.

(Tilo Gundlack, SPD: Mauer bauen, Schusswaffen, Hunde.)

Uns interessiert, wie insbesondere die Regierungskoalition zu diesem Fachkräfteeinwanderungsgesetz steht, was Ihnen vorschwebt. Deswegen diese Aussprache, da können wir uns austauschen, und dann kommen wir mit Vorschlägen, die wir ganz konkret auch in Anträgen formulieren werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

An den Äußerungen von CDU und SPD sieht man die Angst, dass der Gesetzentwurf des Bundes schon von Beginn an am eigenen proklamierten Anspruch scheitern könnte. Wir wollen es daher positiv bewerten, dass die von der AfD schon länger vorgebrachte Kritik an einer voranschreitenden Einwanderung in die Sozialsysteme bei anderen Fraktionen des Landtages angekommen ist.

Meine Damen und Herren von CDU und SPD, diese Angst ist berechtigt. Das werden Sie hoffentlich merken, wenn Sie meinen Ausführungen unvoreingenommen zugehört haben. Wir haben diese Aussprache zum Thema Fachkräftezuwanderungsgesetz aus einem einfachen Grund beantragt: Eine Aussprache ist ein klärendes Gespräch. Wir wollen wissen, wie die anderen Fraktionen das Fachkräftepotenzial in unserem Land sicherstellen wollen. In diesem Sinne hoffe ich sehr, dass vor allem die Regierungsfraktionen auch auf die von mir geäußerten Aspekte zu diesem Thema sachlich eingehen werden.

Meine Fraktion und ich sind äußerst skeptisch, die Fachkräftefrage durch Anreize zur Einwanderung erledigen zu wollen. Wir sind skeptisch, weil Sie nach dem Kontrollverlust seit 2015 und dem Migrationspakt im vergangenen Dezember nun auch noch mit einer weiter absinkenden Hürde bei Fachkräften sehr viel dafür tun, dass unqualifizierte Personen nach Deutschland kommen. Wir sind

skeptisch, ob das Gesetzesvorhaben im Bund in dieser Form wirklich durchdacht ist.

Werte Abgeordnete, die Bürger unseres Landes haben ein ganz natürliches Interesse daran, dass unsere Unternehmen in die Ausbildung investieren und sich um die im Land vorhandenen Fachkräfte bemühen. Es ist Fakt, dass in Deutschland noch immer jedes Jahr 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. Gleichzeitig sind 1,6 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 30 Jahren in diesem Land ohne Berufsausbildung. In Deutschland zählen 4 Millionen Menschen zum Prekariat. Diesen Leuten durch weitergehende Masseneinwanderung die Chance auf einen beruflichen Aufstieg zu verwehren, ist in unseren Augen nur eines: eine asoziale Politik gegen das eigene Volk.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Unser Credo ist also klar: Anstatt ein kaum kontrollierbares Fachkräfteeinwanderungsgesetz für meist unausgebildete Personen voranzubringen, sollten wir verstärkt die vorhandenen Potenziale lageangepasst nutzen. Fraglich wird bleiben, in welchen Bereichen ein Fachkräftedefizit besteht. Aus diesem Grund muss der Status quo permanent politisch neu bewertet werden und sich nach dem aktuellen Bedarf richten. Schon allein deshalb dürfen Prognosen bis 2050 nicht Grundlage eines solchen von Ihnen geplanten Gesetzes sein. Für die Zukunft unseres Landes wäre zum Beispiel ein Arbeitsmarktstrukturierungsgesetz die Antwort. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ums Wort gebeten hat jetzt für die Landesregierung und in Vertretung des Ministers für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ist der Wirtschaftsminister erkrankt. Es ist heute und in den kommenden Tagen also an mir, die Reden des Wirtschaftsministers vorzutragen. Von hier aus gute Besserung an den Kollegen Wirtschaftsminister!

Ich möchte jetzt bei der Frage zu dem Gesetz gerade sehr genau betonen, was die Thematik betrifft, denn in den Details – und das klang hier schon durch – gibt es zumindest zwischen Wirtschaftsminister und Innenminister in der einen oder anderen Frage noch Nachbesserungsbedarf, und darüber werden wir auch reden. Dass die eine oder andere Sichtweise unterschiedlich ist zwischen den Vertretern der Wirtschaft und den Vertretern, die für die Sicherheit zuständig sind, ist, glaube ich, in der Sache und in der Natur auch unstrittig.

Bei der Frage, braucht Mecklenburg-Vorpommern ein Fachkräftezuwanderungsgesetz, sagt die Wirtschaft, aber sagen auch wir alle ganz sicher Ja, unbedingt,

(Andreas Butzki, SPD: Ja.)

und zwar möglichst schnell.

(Andreas Butzki, SPD: Genau.)

Aus Sicht der Wirtschaft spricht auch viel für diese Position. Wie allgemein bekannt, geht es der Wirtschaft in

Deutschland, auch dem Arbeitsmarkt zurzeit sehr gut. In einigen Regionen Deutschlands herrscht inzwischen sogar Vollbeschäftigung. Wenngleich wir in MecklenburgVorpommern noch ein Stück davon entfernt sind, so haben auch für unsere Unternehmen im Land die Herausforderungen bei der Gewinnung von Fachkräften in den letzten Jahren stark zugenommen, und sie werden noch weiter steigen. Mecklenburg-Vorpommern wird künftig noch stärker auf die Gewinnung von Fachkräften, auch von außerhalb, angewiesen sein.

Mecklenburg-Vorpommern hat in den vergangenen zehn Jahren einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, der voll auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen ist. Die Arbeitsmarktsituation ist für Arbeitsuchende so günstig wie noch nie. 2018 wurden bei der Arbeitslosenquote und der Arbeitslosenzahl die niedrigsten Werte seit der Wiedervereinigung erreicht. Gegenüber 2017 sank die Zahl der Arbeitslosen um 8,4 Prozent, bei den Langzeitarbeitslosen wurde sogar ein Rückgang um 9,4 Prozent erreicht. In den letzten fünf Jahren ging die Arbeitslosigkeit sogar um ein Drittel zurück, allein in den letzten zwei Jahren um ein Fünftel. Gleichzeitig stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten rapide. Der Anstieg von rund 50.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den letzten zehn Jahren belegt einen konstanten und nachhaltigen Beschäftigungszuwachs. Aufgrund der stabilen Konjunkturlage erwartet der Wirtschaftsminister auch für das Jahr 2019 ein anhaltend moderates Wirtschaftswachstum von 1,0 bis 1,5 Prozent. Bei den Arbeitslosen gehen wir von einem Rückgang um etwa 0,6 Prozent aus und auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit wird es einen weiteren Rückgang geben.

Diese Entwicklung muss man vor dem Hintergrund sehen, dass sich das vorhandene Arbeitskräftepotenzial – also die Menschen, die arbeiten können – in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Mecklenburg-Vorpommern deutlich rückläufig entwickeln wird. Derzeit ist ein hoher Anteil der Erwerbstätigen in der Altersgruppe 50 bis 65 Jahre. Innerhalb der nächsten 15 Jahre werden 10 bis 20 Prozent der aktuell erwerbsfähigen Personen in Rente gehen. Entsprechend der 5. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung wird es ausgehend von der Situation 2015 bis zum Jahr 2040 sogar rund 200.000 Personen in der Altersgruppe zwischen 20 und 65, also im erwerbsfähigen Alter, weniger geben. 200.000! Selbst bei einem sofortigen sprunghaften Anstieg der Geburtenrate würden die Jugendlichen noch die Schule besuchen, wenn besonders viele aktuelle Fachkräfte in Rente gehen. Die Wanderungsverluste, die wir vor allem im hohen Maße in den 90er-Jahren bei jungen Frauen hatten, sind unter anderem eine Ursache für diese demografische Entwicklung. Erst in jüngster Vergangenheit konnten wir Wanderungsgewinne verzeichnen, und das nicht zuletzt auch aufgrund von zugewanderten ausländischen Mitbürgern.

Eine mögliche Entspannung der Arbeitskräftenachfrage wird vielfach auch von einer zunehmenden Digitalisierung erwartet. Aber auch hier stellt sich die Frage, inwieweit das für unser Bundesland die erwarteten Auswirkungen hat. Wenn auch nach den aktuellen Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Mecklenburg-Vorpommern die durch Digitalisierung ersetzbaren Arbeitsplätze leicht angestiegen sind, gehen die Forscher insgesamt aber nicht von einem Abbau von Arbeitsplätzen aus, sondern lediglich von einer Veränderung der Anforderungen an die Arbeitskräfte. Insgesamt wird die Nachfrage nach Fachkräften voraussichtlich

auch zukünftig durch die Digitalisierung nicht sinken. Für die Unternehmen im Land bedeutet das schon jetzt, dass sie zunehmend vor steigenden Herausforderungen bei der Gewinnung von benötigten Fachkräften stehen.

Rein zahlenmäßig betrachtet kann aktuell und auch in naher Zukunft nicht von einem flächendeckenden Arbeitskräftemangel in Mecklenburg-Vorpommern gesprochen werden. Allerdings mehren sich die Hinweise auf Arbeits- und Fachkräfteengpässe in einzelnen Arbeitsmarktsegmenten und in bestimmten Regionen. Von Engpässen wird dann gesprochen, wenn die Dauer zwischen der Meldung einer offenen Stelle bis zur Besetzung, also die sogenannte Vakanzzeit, mehr als 90 Tage beträgt. Über alle Berufsgruppen hinweg beträgt die Vakanzzeit in Mecklenburg-Vorpommern derzeit 101 Tage. Die längsten Besetzungsdauern liegen mit 154 Tagen bei den Fertigungsberufen vor. Bei den Gesundheitsberufen dauert es aktuell schon 132 Tage, bis eine Stelle besetzt ist.

Deshalb sind wir trotz der europäischen Arbeitnehmerfreizügigkeit und trotz aller Anstrengungen, inländische Potenziale an Arbeitskräften zu rekrutieren, auf die Gewinnung von Fachkräften aus Drittstaaten angewiesen. Mit der aktuellen Rechtslage kann uns das gerade als Wirtschaft nicht in ausreichendem Maße gelingen, da ein einfacher Zuzug lediglich für Akademiker aus Drittstaaten mit der Blauen EU-Karte möglich ist. Sind die Voraussetzungen der Blauen Karte nicht erfüllt, kann qualifizierten Personen nur in einem aufwendigen Verfahren die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

Mit dem im Dezember von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein wichtiger Baustein zur Sicherung des Arbeitskräftebedarfs auf den parlamentarischen – und das betone ich –, auf den parlamentarischen Weg gebracht worden, denn es ist ja noch Beratungsbedarf. Im Mittelpunkt stehen entsprechend dem wirtschaftlichen Bedarf qualifizierte Fachkräfte, also Personen mit einer Berufsausbildung oder einer akademischen Ausbildung.

Lassen Sie mich kurz die wesentlichen Inhalte des Entwurfs des Gesetzes nennen:

Erstens. Bei Vorlage eines Arbeitsvertrages und einer anerkannten Qualifikation können Fachkräfte in allen Berufen, zu denen sie ihre Qualifikation befähigt, arbeiten.

Zweitens. Die bisherige Engpassbetrachtung für die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit entfällt.

Drittens. Auf die Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit wird im Grundsatz verzichtet.