Protocol of the Session on November 23, 2018

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Ich begrüße im Namen des Landtages auch Herrn Schmidt

(Beifall Thomas Krüger, SPD – Heiterkeit bei Ministerin Stefanie Drese)

und rufe auf für die Fraktion der AfD den Abgeordneten Herrn Kröger.

Wertes Präsidium! Liebe Abgeordnete! Werte Gäste! Leiwe Mäkelborger un Vörpommern! Die friedliche Revolution 1989 war eines der bedeutendsten Ereignisse in der jüngeren deutschen Geschichte. Ohne sie säßen wir alle heute nicht hier.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Auch Mecklenburger und Vorpommern haben einen Beitrag zum Fall der Mauer geleistet. Da es bisher noch keinen regionalen Gedenkort in unserem Bundesland gab, ist die Schaffung eines solchen dringend geboten, um die Erinnerung an die friedliche Revolution anschaulich wachzuhalten. Im Bildungsausschuss wurde uns von der Landesbeauftragten Frau Drescher und dem Direktor der Landeszentrale Herrn Schmidt das hervorragend ausgearbeitete Konzept vorgestellt, das dem vorliegenden Antrag zugrunde liegt. Allein die Frage, welcher Ort auszusuchen war, war nicht einfach zu beantworten. Viele Orte hätten es verdient, aber Waren erfüllte sowohl das Kriterium einer Vorreiterrolle als auch das der zentralen Lage und Erreichbarkeit im Lande.

Die Ereignisse vom 16. Oktober 1989 in Waren, die jetzt auch in dem Änderungsantrag gewürdigt werden, stellten schließlich den eindrucksvollen Auftakt zur friedlichen Revolution in unserem Bundesland dar. An diesem Tag zogen etwa 400 Bürger in Waren friedlich von der Georgen- zur Marienkirche. Sie trugen Kerzen in der Hand und auf den Plakaten konnte man das Motto lesen: „Eine Hoffnung lernt laufen“ – eine vorsichtige, aber damals sehr mutige Botschaft, denn eine offene staatskritische Demonstration lief jederzeit Gefahr, mit brutaler Gewalt niedergeschlagen zu werden. Polizei und Kampfgruppen waren dementsprechend auch in Bereitschaft.

Schon zwei Wochen später waren es Tausende aus der ganzen Umgebung, die sich wieder in und vor der Georgenkirche versammelten. Dieses Mal zogen sie auf den Marktplatz und hörten die Rede eines Vertreters der Bürgerbewegung. Die Bewegung trat gleichsam aus dem Schutz der Kirche in die Öffentlichkeit. Sie hatte nicht nur zu laufen gelernt, sondern geriet in Fahrt, besetzte bald die Stasi-Kreisdienststelle, die Jagdresidenzen der SEDSpitzenfunktionäre. Selbst im kleinen regionalen Bereich spielten sich hier dieselben Vorgänge ab wie im großen. Insofern eignet sich Waren hervorragend als Musterbeispiel für die Wende.

Meine Damen und Herren, das vorliegende Konzept beschränkt sich aber nicht nur auf diesen einzelnen Ort, sondern sieht die Möglichkeit vor, Erinnerungsstelen im ganzen Land sowie eine Internetpräsenz zu errichten. Damit können sich weitere Orte in die Reihe der Gedenkorte würdig einreihen. Erinnerung ist aber auch nötig, da die Nachgeborenen zumeist recht wenig über die Ereignisse jenes Schicksalsjahres wissen. Ein großer Teil unserer Bevölkerung kennt die DDR nur aus Berichten oder dem Geschichtsunterricht. Aber selbst für so manchen Zeitzeugen ist die Erinnerung an viele Details der Geschichte verblasst und es tritt der bekannte psychologische Effekt ein, dass negative Erfahrungen vergessen werden und man sich an positive erinnert. Aber es ist auch zu beobachten, dass die Hoffnungen vieler, die sich mit der Wende verbanden, nicht nur oder unzureichend in Erfüllung gingen. Das betraf nicht nur die beruflichen Karrieren, auch das Gefühl, oftmals hilflos den Entscheidungen der Regierenden gegenüberzustehen, hat gerade in jüngster Zeit wieder zugenommen

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

und äußert sich in einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft.

Sehr geehrtes Auditorium, uns, die in der DDR aufgewachsen sind, wurde beigebracht, dass Freiheit die Ein

sicht in die Notwendigkeit ist. Dieser Freiheitsbegriff war das Ergebnis alternativloser SED-Politik. Das wollten wir mit der friedlichen Revolution hinter uns lassen, aber genau das ist es, was wir jetzt als Déjà-vu erleben: eine sich selbst als alternativlos darstellende Politik, die vom Volk nur noch Einsicht verlangt, weil alles, was sie tut, alternativlos ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wer sich, auch wenn man es ihm besser erklärt hat, nicht einsichtig zeigt und immer noch anders denkt, dem wird das Andersdenken schwer gemacht – mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, zuerst mit Worten.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle auch noch auf die verpasste historische Chance der Wiedervereinigung hinweisen, nämlich, indem man sie zu einem Beitritt deklarierte, wurde es umgangen, den Artikel 146 des Grundgesetzes

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

in die Tat umzusetzen und uns eine neue Verfassung, Zitat, „die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“, Zitatende, zu geben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die gesellschaftliche Entwicklung, die seit 1949 stattgefunden hat, hätte in einer solchen Verfassung Eingang finden können. Darin, nichts, außer sich selbst einbringen zu dürfen, liegt sicherlich auch einer der Gründe für uns, dass sich hier im Osten viele Menschen benachteiligt fühlen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die friedliche Revolution von 1989, die das deutsche Volk wiedervereinte und die in Waren einen würdigen Gedenkort findet, mahnt uns aber auch, unser Nationalbewusstsein nicht aufzugeben und den Zeitgeist einer globalen Gesellschaft zu opfern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Es darf nicht sein, dass jeder, der das Wort „Nation“ benutzt, als Nationalist diffamiert wird,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

denn wer nicht weiß, woher er kommt, weiß auch nicht, wohin er geht. Oder um Goethe zu zitieren: „Wer sich des Guten nicht erinnert, hofft nicht.“ Unserer Erinnerung an die friedliche Revolution entspringt also auch die Hoffnung, dass das Errungene Bestand haben wird, und gerade auch, weil wir die Deutungshoheit über unsere eigene Geschichte zunehmend verloren haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

In diesem Sinne stimmen wir dem Vorhaben und somit dem Antrag der Fraktionen der CDU und SPD zu. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Christoph Grimm, AfD: Bravo!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem vorliegenden Antrag zustimmen, auch dem vorliegenden Änderungsantrag. Sehr wohl will ich bekennen, dass mich der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zu ihrem eigenen Antrag doch etwas verwirrt hat.

(Andreas Butzki, SPD: Aber Herr Kokert hat es erklärt.)

Herr Kokert hat es erklärt, und das ist ein Prozess, der läuft auch zwischen den Koalitionsfraktionen, zwischen uns. Ich will das Angebot vom Kollegen Kokert gern annehmen, dass wir dieses Thema gemeinsam gestalten. Deshalb bitte ich auch an dieser Stelle um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag, den wir als eine sehr wesentliche, aber auch notwendige Ergänzung des vorliegenden Antrages ansehen, da sich das auf eine weitere Säule des vorliegenden Konzeptes bezieht, weil der Koalitionsantrag sich vornehmlich mit der ersten Säule des Konzeptes auseinandersetzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe bei der Beratung des Antrages der Koalitionsfraktionen vom Mai des vergangenen Jahres schon deutlich zum Ausdruck gebracht, dass für uns die Erinnerung an die Ereignisse der Wende von besonderer Bedeutung ist, natürlich auch in der Auseinandersetzung mit unserer eigenen Geschichte. Deswegen wird meine Fraktion mit all ihren zur Verfügung stehenden Kräften auch an der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Prozesses beteiligt sein. Wenn wir im nächsten Jahr den 30. Jahrestag der Wendeereignisse begehen, dann findet das auch in einem Jahr statt, in dem Wahlen stattfinden, nämlich die Wahlen zum Europäischen Parlament und die Kommunalwahlen. Da bietet es sich an, nein, es fordert uns geradezu heraus, darüber nachzudenken, was aus den Idealen der Wendezeit geworden ist.

Eine Forderung der Wendezeit waren freie Wahlen. Die freien Wahlen wurden erkämpft. Wenn wir uns die Entwicklungen in den letzten Jahren anschauen, müssen wir leider konstatieren, dass von dieser Errungenschaft immer weniger Wählerinnen und Wähler auch in unserem Land Gebrauch gemacht haben. Also es ist unsere Verantwortung, auch als Landespolitikerinnen und Landespolitiker die Menschen in unserem Land genau daran zu erinnern, dass sie das, was sie vor 30 Jahren erkämpft haben, auch in Anspruch nehmen. Es ist also eine gute Verknüpfung dieser beiden Ereignisse.

Ich habe auch im Mai des letzten Jahres beziehungsweise, als wir den Antrag beraten haben, deutlich gemacht, dass mir besonders die Dezentralität der Erinnerungskultur wichtig ist. Waren hat sicherlich eine herausgehobene Rolle gespielt – der Kollege Kröger hat das hier dargestellt –, aber es gab an vielen anderen Stellen des Landes auch interessante Entwicklungen. Ich habe beim letzten Mal schon darauf aufmerksam gemacht, dass in dieser Erinnerungskultur, gerade in Mecklenburg-Vorpommern auch das mitaufgenommen wird, was hinter den Kasernentoren in diesem Land passiert ist.

Ich erinnere mich immer noch an die große Kundgebung am Armeestandort in Basepohl, wo mehrere Hundert Armeeangehörige für mehr Rechte, für eine Militärreform in der DDR auf dem Exerzierplatz gestanden haben und nicht jeder Vorgesetzte zum damaligen Zeitpunkt begriffen hat, was da eigentlich abgeht. Daran zu erinnern,

dieses aufzugreifen, das gehört in eine solche Erinnerungskultur und zu einer solchen Debatte zwingend dazu. Deswegen ist es richtig, einen zentralen Ort zu haben. Deswegen ist es richtig, eine zentrale Veranstaltung, von mir aus auch mit Schleswig-Holstein gemeinsam, zu machen. Aber es ist viel wichtiger, in den Kommunen unseres Landes, an den Orten, wo wir selbst gewirkt haben, diese Erinnerung wachzuhalten und vor allen Dingen Schlussfolgerungen für die Stärkung der Demokratie heute zu ziehen.

Darauf bezieht sich auch unser Änderungsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen: „Dezentrale Erinnerung und Information: Fonds ‚Denkzeichen 1989‘“. In der Unterrichtung der Landesregierung wird die Errichtung eines Fonds „Denkzeichen 1989“ für Städte und Gemeinden vorgeschlagen. Die Städte und Gemeinden können sich aus diesem Fonds bedienen. Ich habe aber leider noch an keiner Stelle gefunden, wie die Regularien dazu sind. Wir wissen alle, wenn Geld ausgegeben wird, bedarf es dazu bestimmter Regularien. Deswegen unser Änderungsbegehren, dieses mit in den Antrag, in die Beschlussfassung heute aufzunehmen und die Landesregierung zu bitten, die entsprechenden Regularien zu erarbeiten, deutlich zu machen, auf welche Haushaltsstelle kann ich zugreifen, soll es einen Wettbewerb zur Ausgestaltung dieser Stele geben, wie soll das alles funktionieren und aussehen.

Wenn die Zeit für die Erarbeitung einer solchen Konzeption oder einer solchen Unterrichtung zu kurz ist, bin ich auch gern bereit, die Zeitschiene vom 31. Januar 2019 auf Ende Februar 2019 zu verlängern.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gut! Dann können wir zustimmen.)

Ich habe das dann jetzt sozusagen mündlich beantragt, dass wir unseren eigenen Änderungsantrag an dieser Stelle verändern und die Zeit für die Vorlage einer solchen Konzeption verlängern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit, die Zeit drängt! Wir haben nicht mal mehr ein Jahr, das alles vorzubereiten, inklusive der Wettbewerbe, die durchgeführt werden sollen, inklusive der gemeinsamen Vorbereitung der Festveranstaltung, der dezentralen Veranstaltungen. Na klar, ich könnte jetzt sagen, also der Landtag hatte beschlossen, dass die Konzeption bis zum 31. Mai 2018 vorzulegen ist, sie hat uns dann im November erreicht, jetzt haben wir den Antrag. Das ist sozusagen alles Geschichte. Wir müssen uns jetzt an die Arbeit machen, wir müssen uns jetzt gemeinsam an die Arbeit machen.

Ich will aber noch sagen, dass es mit den Gemeinsamkeiten dann wahrscheinlich doch etwas schwierig wird, wenn ich die letzten Auslassungen vom Kollegen Kröger hernehme, der sich also sozusagen auch auf den Nationalstolz bezogen hat und das dürfen wir nicht vergessen.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Nationalbewusstsein! Zuhören!)

Oder stolz sein.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Nationalbewusstsein! Zuhören! – Zuruf von Horst Förster, AfD)

Nein, ich will Ihnen nur deutlich sagen, dass ich auch gerade in Erinnerung an die Wendezeit und die Ereignisse, die sich daraus entwickelt haben, eine andere Position habe. Eine der zentralen Botschaften nach der Wendezeit lautete: „Weltanschauung kommt von Welt anschauen“. Eine der besonderen Ergebnisse der Wendezeit ist, dass Grenzen und Mauern in Europa eingerissen worden sind, dass wir in einem friedlichen und einem weltoffenen Europa leben. Und ich glaube, es gibt keinen Grund zurückzugehen, ich glaube, es gibt keinen Grund zurückzugehen, denn auch das ist ein Ideal der Wendezeit, dass wir ein weltoffenes Land sind,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

dass Menschen bei uns willkommen sind, dass es nicht darum geht, neue Grenzen und Mauern zu errichten.