Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber nun konkret zu dem vorliegenden Antrag. Als ich den Titel des
Antrages gelesen hatte, erst mal nur den Titel, da dachte ich, halt, stopp, da gab es doch schon mal was, das ist noch gar nicht so lange her. Und das ist richtig: Im Februar 2018 hatten die Koalitionsfraktionen einen Antrag eingebracht mit dem Titel „Mobilitätsalternativen im ländlichen Raum schaffen“. Der heutige Antrag heißt „Mobilitätsangebote des ÖPNV für den ländlichen Raum weiterentwickeln.“ Beides sind mehr oder weniger Prüfaufträge. Inhaltlich unterscheiden sie sich natürlich. Der Antrag vom Februar bezieht sich auf nachbarschaftliche Hilfe als Ergänzung zum ÖPNV und die Lösung der damit verbundenen Fragen, der heutige auf Möglichkeiten zur Verbesserung des ÖPNV selbst. Sie gehen also – das stelle ich erst mal fest – beide davon aus, dass der ÖPNV auf jeden Fall dringend verbesserungsbedürftig ist. Das betrachte ich schon mal als einen Fortschritt. Aber dann war es das eigentlich auch schon mit dem Positiven.
Ein Thema im zuständigen Ausschuss auf die Tagesordnung zu setzen, dafür bedarf es keines Beschlusses im Landtag. Vielleicht können Sie sich daran erinnern, die AfD-Fraktion hat uns auch mal solch einen Antrag vorgelegt, nicht zu diesem Thema, aber mit dem Begehr, der Minister möge im Ausschuss berichten. Damals hatte ich dem Kollegen geraten, er möge mit einem Antrag an den Ausschussvorsitzenden gehen, dann komme das Thema auf die Tagesordnung. Inzwischen bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Wir haben auch anderes erlebt, aber für Koalitionsfraktionen sollte es keine Hürden geben. Die Telefonnummer des Ausschusssekretärs kann ich Ihnen auch noch geben, Herr Kollege Eifler.
Was aber für meine Begriffe noch gravierender ist, das ist die Tatsache, dass Sie offensichtlich nicht so genau wissen, was in Sachen ÖPNV in den Kreisen und im Lande insgesamt läuft, und dafür einen Bericht des Ministeriums brauchen. Wir brauchen den nicht.
Meine Fraktion hat vor wenigen Wochen eine Tour zur Mobilitätssicherung gemacht, mit ganzer Mannschaft durch das gesamte Land. Wir sind mit der Bahn gefahren, haben mit den Reisenden gesprochen, haben die Verkehrsunternehmen besucht und deren Meinungen eingeholt. Wir haben uns mit Initiativen getroffen, die einen besseren öffentlichen Verkehr wollen, dafür Vorschläge unterbreiten und auch schon praktizieren. In den allermeisten Positionen haben wir mit unseren Gesprächspartnern übereingestimmt. Ich will die Gelegenheit nutzen und einige der aus unserer Sicht drängenden Aufgaben ansprechen, die verkehrspolitisch auf den Weg zu bringen sind, um mit dem Nahverkehr im Land vorwärts zu kommen.
Daran sollten Sie sich auch abarbeiten, liebe Kollegen der Koalitionsfraktionen. Dazu müssen wir aber über den Tellerrand von Mecklenburg-Vorpommern hinausschauen. Alle anderen Länder sind hier sehr viel weiter als unser Land. „Ein Ticket. Ein Tarif. Eine Region.“ – Diese Werbung würde der Verkehrsgesellschaft MecklenburgVorpommern gut zu Gesicht stehen. Zu finden ist dieser Slogan bei der Verkehrsgesellschaft Warnow. Er gilt leider bisher nur im Bereich des einzigen Verkehrsverbundes im Land. Allein innerhalb dieses Verbundes ist bislang eTicketing möglich. Über eine App ist die beste Verbindung zu finden und gleich das Ticket zu kaufen. Die Aufgaben liegen für uns klar auf der Hand:
Erstens. Schaffung und vor allem Unterstützung von regionalen Verkehrsverbünden. Mit dem Mitte April unterzeichneten Zukunftspapier für den ÖPNV in Westmecklenburg ist zumindest ein zaghafter Anfang gemacht. Die Kooperationsvereinbarung soll die Zusammenarbeit im Bereich des ÖPNV aber auch des Schienenpersonennahverkehrs intensivieren und optimieren. Hürden aufgrund der Verwaltungsgrenzen und Kompetenzgrenzen müssen und sollen reduziert werden und die Qualität des Angebots von Bus und Bahn muss gesteigert werden. Dabei wird auch die Gründung eines regionalen Verkehrsverbundes Westmecklenburg diskutiert. Solche Kooperationsvereinbarungen brauchen wir dringend für Vorpommern und die Mecklenburgische Seenplatte. Wir meinen, das ist etwas, was übertragen werden muss auf das ganze Land. Aber das können wir heute schon feststellen und nicht erst im Sommer 2019.
Zweitens. Wir wollen die Einführung eines landeseinheitlichen Tarifes, zunächst für den Schienenpersonennahverkehr, später aber auch für den sonstigen öffentlichen Verkehr. Im Nachbarland Schleswig-Holstein heißt es dazu auf der Seite des Nahverkehrsverbundes Schleswig-Holstein: „Ein Land, ein Tarif, eine Fahrkarte: Mit dem Schleswig-Holstein-Tarif … sind Sie landesweit einfach und bequem unterwegs. Der SH-Tarif gilt für Fahrten mit dem Nahverkehr in Schleswig-Holstein und bis nach Hamburg … Ganz gleich, ob Sie mit den Nahverkehrszügen …, Regional- oder Stadtbussen fahren, Sie benötigen nur eine Fahrkarte um zu Ihrem Ziel zu gelangen, auch wenn Sie umsteigen. Im gesamten Tarifgebiet gibt es ein einheitliches Fahrkartensortiment und einheitliche Tarifbestimmungen.“
Davon können wir in Mecklenburg-Vorpommern nur träumen. Natürlich kann man über die Internetseite des Nahverkehrsverbundes in Schleswig-Holstein auch Tickets erwerben, und selbstverständlich sind die regionalen Verkehrsverbünde tariflich in den landesweiten Schleswig-Holstein-Tarif integriert. Somit sind nicht nur für Verbindungen innerhalb der regionalen Verkehrsverbünde, sondern auch im gesamten Tarifgebiet des Landes durchgehende Fahrkarten für Bus, Bahn und Fähre erhältlich.
Ich stelle noch einmal klar: Der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein organisiert als Aufgabenträger den Schienenpersonennahverkehr in Schleswig-Holstein und koordiniert ihn mit dem Busverkehr. Schleswig-Holstein ist nur ein Beispiel, andere Länder machen es ebenso. Warum, frage ich, geht das nicht auch in MecklenburgVorpommern bei der landeseigenen Verkehrsgesellschaft? Warum fungiert diese nicht endlich als Nahverkehrsverbund Mecklenburg-Vorpommern? Über eine App landesweit die beste Verbindung zu finden, Fahrplanauskünfte in Echtzeit und eTicketing müssen in ganz Mecklenburg-Vorpommern möglich sein. Elektronische Betriebsleitsysteme und elektronisches Fahrgeldmanagement müssen ebenfalls landesweit und miteinander kompatibel Einzug halten.
In Sachsen-Anhalt beispielsweise wurden über die Landesverkehrsgesellschaft 850 neue Fahrscheindrucker im Landesauftrag angeschafft, die an die Busunternehmen vermietet werden, weitere 100 mobile Rechner erhielten Kleinbusse und Taxis. Damit wurde ein landesweit einheitliches System aufgebaut, unabhängig von Kreisgrenzen und Zuständigkeiten. Ist das übertragbar auf Mecklenburg-Vorpommern? Warum eigentlich nicht?! Ein
Beispiel aus unserem Land – das wurde hier auch schon genannt – zeigt, warum wir eine Lösung wie in SachsenAnhalt brauchen.
Die Weiterführung des Modellvorhabens Ilse erfordert beispielsweise ganz schnell den Erwerb der eingesetzten Software. Das steht jetzt an und die finanzielle Situation des Landkreises Vorpommern-Greifswald kennen Sie. Diese Software ist leicht zu handhaben. Sie ist flexibel auf die konkreten Bedarfe einzurichten und zu erweitern, wenn weitere Aufgabenfelder hinzukommen. Sie könnte durchaus auch in weiteren Regionen genutzt werden. Bevor jedes Unternehmen und jedes Projekt eigene Produkte – Bordrechner, Fahrscheindrucker sowie intelligente Betriebsleitsysteme – kauft und nutzt und damit immer weitere Insellösungen geschaffen werden, sollte wie in Sachsen-Anhalt verfahren werden. Eine landeseinheitliche Lösung sollte her.
Viertens. Eine solide Finanzierung des Nahverkehrs muss weiterhin zweckgebunden sein und sollte nicht pauschal, wie offenbar von der Landesregierung längst favorisiert, über die FAG-Novelle Teil 2 erfolgen. Wird die Sicherung von Mobilität als Aufgabe der Daseinsvorsorge wirklich ernst genommen, muss dafür auch die auskömmliche Finanzierung als gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen erfolgen. Wir sagen, die EU-Mittel, die das Land bekommt, muss es zusätzlich geben zu dem, was die Kreise erhalten. Die Finanzierung über EFRE greift nicht überall, darf nur für bestimmte Maßnahmen eingesetzt werden und ist nur mit hohem bürokratischem Aufwand zu beantragen und abzurechnen. Das Gros der Kommunen geht dabei leider leer aus.
Für eine auskömmliche Finanzierung muss erst einmal bekannt sein, wie viel Geld überhaupt gebraucht wird. Da stimme ich mit Ihnen überein, Herr da Cunha. Ich verweise auf unseren Antrag in der Aprilsitzung „Weichen stellen für künftige Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs“. Wir brauchen dringend eine Finanzbedarfsuntersuchung für den öffentlichen Personenverkehr. Diese muss auf Grundlage eines Mindestbedienungsstandards, einer mindestens einzuhaltenden ÖPNVQualität erfolgen. Ist das das Ziel Ihres Antrages? Wenn es so ist, dann wäre das zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
Zum Schluss zusammenfassend: Es ist richtig, nicht für jede Region ist alles richtig und gut. Es muss auch Möglichkeiten für regionale Unterschiede geben. Aber, wie wir zumindest festgestellt haben in den vielen Gesprächen, die wir geführt haben, die Probleme ähneln sich in den Landkreisen sehr und das heißt auch, dass es eine übergreifende landeseinheitliche Lösung in vielen Bereichen geben muss. Platz für Nischen ist dann immer noch. – Ich danke Ihnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Kommen wir heute mal von der Butter zum ÖPNV.
Die Nachhaltigkeit spielt bei beiden eine gewisse Rolle. Und wo landen wir da? Wieder im ländlichen Raum, in dem benachteiligten ländlichen Raum.
Wir kommen wieder beispielhaft nach Anklam. Nehmen wir mal das Beispiel Anklam. Wenn Sie in der Umgebung von Anklam wohnen und Sie wollen abends noch mal in die Gaststätte gehen, ein schönes Restaurant aufsuchen, dann haben Sie Schwierigkeiten …
Herr Dahlemann! Herr Dahlemann! Bei Ihnen, meine Damen und Herren der SPD, da muss ich also wirklich, wirklich … Also bei Ihnen habe ich arge Befürchtungen. Ich traue Ihnen zu, dass Sie Herrn Dahlemann losschicken mit kleinen Elektromotoren in der Hand für die Rentner für ihre Rollatoren und das geben Sie dann noch als Beitrag für den ÖPNV raus.
Also, wenn man nach Anklam fährt und in Anklam abends mal in ein Restaurant gehen möchte, dann läuft man Gefahr, überhaupt nicht mehr nach Hause zu kommen. Das nenne ich dann mal Nachhaltigkeit.
und das schon seit Jahren. Was dieser Punkt Neues bieten soll, weiß ich aber nicht. Hier stellen Sie nur etwas fest, was wir alle schon wissen. Was daraus abgeleitet wird, ist mager.
(Beifall Bernhard Wildt, BMV – Andreas Butzki, SPD: Das ist das, was die BMV schon lange gefordert hat, ne?!)
Für Wohlstand und gleichwertige Lebensbedingungen bedarf es aber noch einiger Dinge mehr. Wenn Sie einen Bericht über bestehende ÖPNV-Projekte wollen, dann stellen Sie doch einfach einen Antrag im Ausschuss! Das empfehlen Sie uns auch ständig bei unseren Anträgen.
Unser Änderungsantrag dagegen enthält eine korrekte und wichtige Ergänzung. Ein kostenloses Schülerticket für den jeweiligen Landkreis würde auch die Chancengleichheit
(Andreas Butzki, SPD: Der Schüler kommt aber auch nicht in die Anklamer Gaststätte mit dem Schülerticket.)
(Am Rednerpult leuchtet die rote Lampe. – Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Tilo Gundlack, SPD, und Bernhard Wildt, BMV – Zuruf von Christian Brade, SPD – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, AfD und BMV)
Sehr geehrtes Präsidium! Werte Kollegen! Liebe Besucher! Das Thema ist zweifellos sehr wichtig und auch die vielen Vorschläge, die hier eingebracht wurden, finde ich sehr interessant und bedenkenswert. Besonders gefällt mir die Idee dieser Bürgerbus-Vereine, von denen es laut einer Studie aus Nordrhein-Westfalen im Bundesgebiet inzwischen über 1.000 gibt. Das ist alles gut und schön und doch gerät hier ein wichtiger Punkt etwas aus dem Blick, wenn wir über Mobilität reden, der in diesem Hause bei der Gelegenheit noch gar nicht erwähnt wurde.