Deshalb fordert meine Fraktion seit Jahren eine tierschutzgerechte und wirtschaftlich vertretbare Lösung. Wissenschaft, Forschung und Politik müssen Lösungen erarbeiten, die die Sauenhalter in die Lage versetzen, tierschutzgerecht, aber auch wirtschaftlich Ferkel erzeugen zu können. Leider war diese Kompromissbereitschaft auch in der letzten Woche und am 21. September dieses Jahres im Bundesrat nicht vorhanden und deswegen ist dort auch ein Kompromiss nicht zustande gekommen. Deshalb hat der Koalitionsausschuss auf Bundesebene nun entschieden, eine Regelung im Rahmen einer Gesetzesänderung über den Bundestag herbeizuführen. Das Problem ist aber noch nicht vom Tisch und ich hoffe nur – ich hoffe sehr! –, dass wir im Bundestag für diese Gesetzesänderung eine Mehrheit bekommen, ansonsten steht das Problem am 01.01.2019 vor der Tür.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fordere Sie alle auf, mit Ihren Bundestagsabgeordneten parteiübergreifend Kontakt aufzunehmen, dass wir hier im Bundesrat eine Mehrheit hinbekommen, dass diese Gesetzesänderung auf den Weg gebracht wird, die uns erst mal zwei Jahre Luft verschafft, damit wir an den praktikablen Lösungen, die demnächst vielleicht kommen werden, auch durch die Wissenschaft, arbeiten können und dann eventuell hoffentlich in zwei Jahren eine praktikable Lösung haben, die den Ferkelerzeugern gerecht wird, aber auch dem Tierschutz gerecht wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eines möchte ich herausstellen: Meine Fraktion hat die Thematik seit Monaten auf Landes-, aber auch auf Bundesebene intensiv begleitet und die Suche nach einem Kompromiss unterstützt.
Wir haben bereits im Mai auch unserem Koalitionspartner dieses Thema übergeben, leider gab es immer noch Beratungsbedarf und dieser Beratungsbedarf führt jetzt mindestens heute zu dieser Aussprache. Aber am Ende, am Ende spielt es, glaube ich, keine Rolle für die Sauenhalter, wer die entscheidenden Schritte eingeleitet hat, ob die SPD oder die CDU, es ist wichtig, dass wir hier Planungssicherheit, Investitionssicherheit, aber auch gesellschaftliche Anerkennung bei diesem Thema für die Landwirte herstellen. Hierfür wird meine Fraktion auch in Zukunft einstehen. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist eigentlich ein denkwürdiger Tag, wenn es um die Schweinehaltung in Mecklenburg-Vorpommern geht, denn eben gerade endete in Güstrow in der Viehhalle der 2018er Schweinetag, und ich denke, die Mitglieder des Agrarausschusses wären viel lieber dort gewesen heute, als hier im Parlament über dieses Thema zu reden, nämlich bei den Leuten, die viel näher an diesem Thema dran sind.
Aber worum hat man sich in Güstrow gekümmert? Natürlich ganz allgemein um die Zukunft der Schweinehaltung, um Tierwohl, um Seuchenbekämpfung und um die Frage der Kürzung der Schweineschwänze und so weiter. Die hier diskutierte Fragestellung hat explizit keine Rolle gespielt auf dem Schweinetag, wahrscheinlich deswegen, weil die, die das in Güstrow veranstaltet haben, höchst verunsichert sind, was hier aus der Politik kommt, und vielleicht auch ein kleines bisschen enttäuscht, wenn sie die Entscheidungen der letzten Wochen und vielleicht auch der nächsten Tage im Auge oder vor dem Auge haben.
Ich bin etwas enttäuscht, dass wir erst heute dieses Thema im Plenum haben, und ich bin auch ziemlich enttäuscht, nicht einen Antrag der regierungstragenden Fraktionen zu diskutieren, sondern uns mit diesem überaus wichtigen Thema für die Ferkelerzeuger in Mecklenburg-Vorpommern per folgenloser Aussprache auseinanderzusetzen. Da könnten Sie ja sagen, hätten Sie mal einen Antrag gestellt, aber ich denke, das wäre nur ein unangemessener Zwischenruf.
Wie wichtig das Thema für eine Gesellschaft ist, die auf billiges Schweinefleisch konditioniert ist, mag man sich vielleicht erst in dem Moment vorstellen, wenn der nächste Sommer so stattfindet wie der letzte und es dann in den Supermärkten und in den Discountern kein eingeschweißtes Kotelett gibt, was man zu den heutigen Preisen kaufen kann und mal fix auf den Grill schmeißt. Die Kultur unserer Gesellschaft ist auf billiges Schweinefleisch ausgerichtet und beherrscht vielfach das Leben in den Familien. SPD-Fraktion, CDU-Fraktion, Agrarministerium, auch alle anderen im Landtag vertretenen Fraktionen betonen immer wieder, wie wichtig der Erhalt der Ferkelproduktion in Deutschland ist,
aber auch, wie wichtig die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen des Tierschutzes ist. Da sind wir uns einig und darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.
Ich plaudere auch gar nicht aus dem Nähkästchen, wenn es sogar den Wunsch eines fraktionsübergreifenden Antrags gab. So jedenfalls habe ich die Vertreter von SPD und CDU im Agrarausschuss verstanden. Ich denke mal, ich habe da keine zu spitzen Ohren gehabt. Dieser Wunsch mag vielleicht dem Umstand geschuldet sein, dass eine der regierungstragenden Fraktionen einen Antrag in der Schublade hatte und die andere dieses Thema für sich beansprucht. Nun haben wir eben lediglich eine Aussprache. Das erinnert mich daran, dass ich das Agieren der Politik in Bund und Ländern bei diesem
Thema „Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration“ öffentlich auch schon mal als „Totalversagen“ bezeichnet habe. Ich komme darauf noch einmal zurück.
Zwischenbemerkung: Worum geht es eigentlich? Der Minister hat es angedeutet, ich versuche mal, es für den Laien runterzubrechen.
Männliche Ferkel werden auch älter, und wenn die dann in das Alter der Kommunion und der Jugendweihe kommen, wenn die ersten Testosterone blühen, dann wird es eben wirklich schwierig, als Schlachter damit so umzugehen wie mit einem ganz normalen Schwein, wie wir es gerne in der Pfanne hätten.
Es gibt Menschen, die genau diesen Testosterongehalt und die daraus folgenden chemischen Reaktionen sehr empfindlich riechen, schmecken, darauf empfindlich reagieren, vielleicht sogar mit allergischen Reaktionen. Die Palette ist sehr breit. Es gibt Menschen, die interessiert das überhaupt nicht, so, wie wir unterschiedlich auf Zucker, auf Zitronensäure oder so etwas reagieren. Aber allein die Tatsache, dass es wenige Menschen gibt, die darauf sehr empfindlich reagieren, verführt den Handel, verführt verschiedene in der Versorgung, in der Gestaltungskette, hier ein Totalverbot einzuleiten. Es gibt schon Möglichkeiten der Selektion von Fleisch mit entsprechenden Geruchssensoren, und wenn wir wissen, was das Militär alles machen kann mit Sensoren, um beispielsweise selbst im Dschungel einen Feind aufzuspüren, da wäre das bisschen mit dem Schweinefleisch überhaupt nur ein Klacks.
Ich frage mich eigentlich, was die Wissenschaft noch alles machen soll. Sie kann es, aber wir tun es nicht, wir setzen es nicht um. Seit 2013 ist der Termin für den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration gesetzlich beschlossen. Statt die lange Vorbereitungszeit intensiv zu nutzen, um die Landwirte und Landwirtinnen vorzubereiten und Forschung deutlich zu intensivieren, wurden diese Herausforderungen bis fünf vor zwölf ignoriert – neben dem Tierwohllabel, dem Töten männlicher Eintagsküken und dem Marktmacht-Ausgleichungsmechanismus ein weiteres Thema, bei dem die Bundesministerin Frau Klöckner ein schwieriges Erbe übernommen hat. Nun will ich dort nicht irgendwie mit Sympathien um mich werfen. Sie hat die Aufgabe übernommen und muss sie jetzt auch bewältigen.
Die nun eingetretene Situation ist für die schweinehaltenden Betriebe sehr schwierig, das kann ich absolut nachvollziehen, wir wollen aber nicht akzeptieren, dass nun der Gesetzgeber auf Kosten von Mensch und Tier erpresst wird. Schließlich gibt es mit der Ebermast und der Immunokastration zwei tiergerechte, rechtssichere und praktikable Lösungen,
mit denen auf eine chirurgische Kastration der Ferkel sogar ganz verzichtet werden kann. Hätte man in fünf Jahren praktisch machen können und weiterführen können in der Forschung – und möglicherweise wären wir jetzt schon viel, viel weiter –, aber fünf Jahre lang haben alle im Aktionsbereich gepennt.
Und an der Stelle, Herr Minister, auch wenn wir uns sonst sehr einig sind, an der Stelle bin ich dann doch skeptisch. Was soll denn in den nächsten zwei Jahren anders sein und anderes passieren als in den letzten fünf Jahren? Ja, wir sind weiter, das ist klar, vor allem im Jammern, aber nicht bei der Lösung dieser Fragestellung. Wir erkennen aber auch, dass die bisher auf dem Tisch liegenden Vorschläge alle nicht zu 100 Prozent für alle Seiten funktionieren. Entweder spielen die Lebensmitteleinzelhändler, die Schlachthöfe oder eben auch die Mäster nicht mit. Internationale Erfahrungen zeigen, dass die Schweinehaltung ohne betäubungslose Ferkelkastration funktioniert und diese sich sogar stellenweise betriebswirtschaftlich rechnet. Vereinzelt gibt es auch schon in Deutschland Betriebe, die auf chirurgische Eingriffe am Ferkel verzichten und trotzdem in der Lage sind, sich am Markt zu behaupten.
Dass beide eben genannten Optionen entgegen wissenschaftlichen Empfehlungen von Schlachthofkonzernen und Lebensmittelketten blockiert werden – da bin ich völlig bei Ihnen, Frau Aßmann, dass wir auch, sagen wir ruhig, den „Gegner“ mal beim Namen nennen sollten –, darf kein Grund dafür sein, aus dem beschlossenen Ausstieg aus einer betäubungslosen Ferkelkastration jetzt mindestens zeitweise auszusteigen. Im Pausengespräch im Agrarausschuss haben wir ja schon spekuliert, was passiert, wenn ab 1. Januar Feierabend ist. Beginnt dann ein Kastrationstourismus, in dem gerade geborene Ferkel nach Holland geschafft werden in großen LKWs, dort kastriert werden und dann wieder zurückgekarrt?
Ja gut, man kann die Holländer herbringen, das ist richtig, und schafft dann irgendwie eine rechtsfreie Zone.
Deswegen ist es aus unserer Sicht auch schwer auszuhalten, dass die betäubungslose Kastration der Ferkel mindestens zwei Jahre weitergeht. Ich finde, dass dies die schlechteste aller Lösungen im Sinne des Tierschutzes und der Ferkelerzeuger ist. Dass trotz der öffentlichen Beteuerung die gesamte Verwertungskette, die nach dem Ferkelerzeuger kommt, und die Politik die Zuchtbetriebe einfach so im Regen stehen lassen, das kann man nicht aushalten.
Und dabei bedrohen diesen Zweig der Landwirtschaft auch noch andere Dinge. Ich denke nur an die aus unserer Sicht notwendigen Ausstiege aus der Kastenstandhaltung. Ich hoffe ja, dass wir in diesem Jahr noch dazu kommen, das ganze Thema zu beenden hier im Parlament. Oder anders, Verbot der routinemäßigen Kürzung der Schweineschwänze – das Kupieren hat bei einigen Schweinehaltern so einen Standard angenommen, erklären können sie es trotzdem nicht –, bei dem gibt es nämlich immer wieder Ausnahmetatbestände, die das gestatten.
Oder ich denke an das nächste Problem, bei dem die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern ganze Branchen der Landwirtschaft im Regen stehen lassen,
die notwendige Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung inklusive der EU-Harmonisierung, die uns ja dabei auch noch fehlt. Fehlendes Handeln führt zu Vertrauensverlust in die Politik insgesamt. Viele Menschen haben den Eindruck, dass es nicht mehr um praktische Lösungen geht, mit denen die große Mehrheit leben kann, sondern nur darum, dass sich einige zum Zwecke ihres Machterhaltes von Wahl zu Wahl retten. Das kann und darf aber nicht zum beherrschenden Prinzip der Politik werden, und insofern muss die Große Koalition im Bund jetzt schnell liefern. Mein Aufruf an Frau Klöckner wäre: Handeln Sie, und zwar vernünftig, damit uns die Schweinehaltung im Land erhalten bleibt!
Eine Senkung der Tierschutzstandards jedoch, Kollege Kliewe, da bin ich ganz beim Minister, kommt für uns LINKE jedenfalls nicht infrage. Lieber dafür sorgen, dass unser Standard zum EU-Recht wird. – Danke schön.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrtes Präsidium! Fünf Jahre sind seit dem Bundestagsbeschluss zum Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration vergangen. Geschehen ist in dieser Zeit nichts. Es entsteht der Eindruck, einige Politiker sind nicht mehr in der Lage, die Folgen ihres Handelns und ihrer Beschlüsse abzuschätzen. Ansonsten hätte man von Anfang an eine vernünftige Alternative angeboten oder sich um diese bemüht.
Hier muss ich Frau Aßmann auch zustimmen, die Ausführung war also mangelhaft. In letzter Minute hat man erkannt, dass es ja Probleme geben könnte, und eine Fristverlängerung um zwei Jahre beantragt. Nun hat auch Mecklenburg-Vorpommern einen Entschließungsantrag eingebracht, es sollen weitere Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration diskutiert werden. Aber, meine Damen und Herren, die Uhr tickt. Ab 1. Januar 2019 ist die betäubungslose Kastration nicht mehr erlaubt.
Aber was würde der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration für uns in Mecklenburg-Vorpommern bedeuten? Wahrscheinlich das Ende der Ferkelproduktion. Bereits heute wird ein großer Teil der benötigten Ferkel in Mecklenburg-Vorpommern importiert. Ab dem 1. Januar 2019 muss für die Kastration dann ein Verfahren angewandt werden, das Schmerzen wirksam ausschaltet. Sofern das nicht möglich ist, müssen die Tierhalter auf eine chirurgische Kastration verzichten. Die Ferkelkastration ist notwendig, da männliche Schweine andernfalls den als unangenehm empfundenen Ebergeruch entwickeln. Gelangt solches Fleisch in den Handel, hätte das erhebliche Folgen für den Händler und für den Produzenten. Eine Impfung wäre keine Alternative, hierfür würde man sicherlich keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden.
Da käme ja sicherlich gleich jemand auf die Gedanken, das ist Chemie in der Tierhaltung. Das wäre für manche ein gefundenes Fressen.
Eine Ebermast wäre in großem Umfang auch nicht praktikabel, weil es nicht möglich sein wird, Stresssituationen komplett auszuschließen. Eine schmerzfreie oder schmerzarme Kastration bedeutet nichts anderes als Kastration unter Narkose. Wenn diese nicht vom Tierhalter ausgeführt werden darf, heißt das zusätzliche Tierarztkosten, die dann eine Ferkelproduktion im internationalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig hält. Und dass die Bundestierärztekammer daran kein Interesse hat, ist nicht weiter verwunderlich. Diese wollen keine Kompetenzen abgeben und schließen deshalb den „vierten Weg“ sofort aus. Damit unterstützen sie indirekt die Verlängerung um zwei Jahre für die Kastration, die betäubungslose Kastration.
Als Lösung kann aus meiner Sicht also nur die Anwendung der Lokalanästhesie für die Ferkelkastration infrage kommen. Die Schweineproduzenten wollen den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration. Sie brauchen dafür aber praktikable Verfahren. Nur dann kann die heimische Ferkelaufzucht im europäischen Wettbewerb bestehen und nur dann kann auch der Tierschutz gestärkt werden.
Der Bauernverband zieht die Lokalanästhesie, die von dem Bauern selbst praktiziert werden kann, der von Ökolandwirten favorisierten Vollnarkose vor. Sollten keine befriedigenden Lösungen gefunden werden, bedeutet das das Ende der Ferkelproduktion in Deutschland. Dann würden die Ferkel für die Schweineproduktion importiert werden, und das sicher nicht aus besseren Haltungsbedingungen als in Deutschland. Also wieder einmal würde ein falsch verstandener Tierschutz nicht zu verbesserten Bedingungen für die Tiere führen, nein, das Gegenteil wäre der Fall. In diesem Sinne hoffe ich, dass sich die Landesregierung für die örtliche Betäubung bei der Ferkelkastration einsetzt und die Sauenhalter des Landes dabei unterstützt. – Vielen Dank.