Wem wäre damit geholfen? Niemandem, außer wohlsituierten sogenannten Tier- und Umweltschützern, die dann anschließend ihre Hände quasi in Unschuld waschen. In den nächsten zehn Jahren wollen 60 Prozent der Sauenhalter aufgeben, und das sind in erster Linie kleine Betriebe. Die Gründe sind vor allem die vielen Auflagen. Das geben 73 Prozent der Befragten an. Mit 50,3 Prozent geben viele die fehlende Planungssicherheit an und 47,9 Prozent die schlechte gesellschaftliche Stimmung gegen unsere Sauenhalter. Nur 22,3 Prozent nannten wirtschaftliche Gründe.
Die Zahl der sauenhaltenden Betriebe sank in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent. Das müsste eigentlich ein Alarmsignal sein, aber leider ist es verpufft. Unsere Landwirtschaft braucht insgesamt und ganz besonders für die Sauen- und Schweinemastbetriebe endlich Rechtssicherheit für mehr als nur ein paar Monate, sondern für viele Jahre. Die Bürokratie muss auf ein Minimum heruntergefahren werden. Fünf Jahre hatten die Regierungsparteien auf Länder- und Bundesebene Zeit, bei der Ferkelkastration für Klarheit zugunsten der Landwirte zu sorgen. Es ist ein Armutszeugnis,
und da sollte sich auch ruhig Herr Minister Backhaus einmal fragen, warum er und andere Landesagrarminister nicht viel früher Druck auf den Bund ausgeübt haben.
Gerade ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern, in welchem jeder wegfallende Arbeitsplatz im ländlichen Raum ein herber Verlust ist, kann sich eine solche Politik nicht leisten. Das ist im Hinblick auf die Strukturpolitik nicht zu verantworten,
zumal sich die Regierungsparteien auf die Fahne geschrieben hatten – oder immer noch haben –, die ländlichen Räume zu stärken.
Mit Arbeitsplatzabbau aus ideologischen Gründen wird dieses Vorhaben nicht gelingen. Meine Frage ist: Was soll die Aussprache bewirken?
Nach fünf versäumten Jahren kam jetzt kurz vor Toresschluss Panik auf. Zu groß wurde die Angst, dass der Regierungspolitik von den eigenen Anhängern in der Landwirtschaft Versagen vorgeworfen würde. Doch dieses Versagen ist Fakt, und daran wird auch diese Aussprache nichts ändern.
Die AfD-Fraktion ist für eine örtliche Betäubung mit herkömmlicher Kastration. Das alles wird vom Ferkelhalter selbst durchgeführt, wie es in Dänemark gehandhabt wird. Das ist eine wirtschaftliche und schonende Methode.
Herr Minister Backhaus, dann sind wir uns natürlich einig in der Ferkelkastration, kommt ja nicht alle Tage mit uns beiden vor.
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste! Die SPD-Fraktion ruft hier heute ein Thema auf, welches zum Glück auf Bundesebene durch den Vorschlag des Koalitionsausschusses des Bundestages
zu einer Gesetzesänderung zum Thema Ferkelkastration zunächst einmal abgeräumt scheint. Und da unser Landwirtschaftsminister Herr Dr. Backhaus mit seiner Initiative im Bundesrat zum wiederholten Male gescheitert ist,
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, Sie wollen mit den Chancen für den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration „Fehler der Vergangenheit erkennen und aktiv Lösungen entwickeln“, so steht es zumindest im Antrag.
Für mich oder für unsere Fraktion ist es aber wichtig, dass bei dieser Suche die Landwirte, insbesondere die Sauenhalter, im Blick behalten werden,
damit wir auf Bundesebene eine Lösung erreichen. Unsere Fraktion fordert aber auch, dass wir auf Bundes
ebene noch mal das Tierschutzgesetz aufmachen, um vielleicht auch über das Tierschutzgesetz eine Abmilderung dieser hohen Standards, die wir uns hier vor Jahren gesetzt haben, zu erreichen,
damit wir mit den Möglichkeiten, die zurzeit bestehen, jedoch eine gesetzeskonforme Ferkelkastration durchführen können.
Seit fünf Jahren ist bekannt, dass in Deutschland ab dem 01.01.2019 kein männliches Ferkel ohne Betäubung kastriert werden darf, zumindest laut gängigem Tierschutzgesetz. Die bisherige Praxis der Kastration ist damit ab dem 01.01.2019 verboten. Derzeit stehen keine überzeugenden Alternativen zur Verfügung. Alternativen wie Ebermast, Kastration unter Vollnarkose oder die Behandlung mit Improvac sind nicht ausgereift und weisen Unsicherheiten auf. Deshalb begrüßt meine Fraktion den Beschluss des Koalitionsausschusses auf Bundesebene, die Frist zur Aussetzung der betäubungslosen Ferkelkastration um zwei Jahre zu erweitern, ausdrücklich,
der Interessenvertretung der Schweinehalter mit dem Gedanken, die Sauenhaltung aufzugeben, und das würde zu einem weiteren Wertverlust im ländlichen Raum führen, zur weiteren Absenkung der Tierhaltung und auch zur weiteren Schwächung des ländlichen Raumes. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen können die Anforderungen des Tierschutzgesetzes nach schmerzfreier Kastration und artgerechter Haltung wirtschaftlich nicht immer umsetzen. Fehlende Planungs- und Investitionssicherheit sowie mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz führen oftmals bei den Landwirten zur Resignation.
Andere europäische Länder wie Dänemark oder die Niederlande haben bereits praktikable und kostengünstige Alternativen gefunden. Diese werden als sogenannter „vierter Weg“ bezeichnet. Danach werden Ferkel unter Lokalanästhesie durch den Landwirt kastriert, hierbei handelt es sich um eine schmerzausschaltende Spritze. Ein Sachkundenachweis der Landwirte soll belegen, dass sie die Narkotisierung fachgerecht vornehmen. Diesen Weg halten wir auch für sinnvoll, obwohl er von Tierschützern, von der Tierärztekammer und von vielen doch grün denkenden Bundestagsabgeordneten abgelehnt wird. Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums soll eine Verordnung auf den Weg gebracht werden, die es den Landwirten ermöglicht, eine Betäubung vorzunehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte es in Deutschland in den kommenden Wochen zu keinem Kompromiss kommen, wird die Sauenhaltung in Deutschland in Größenordnungen eingestellt werden. Dann kommen die Ferkel für die Mast aus anderen EUMitgliedsstaaten. Ob diese dann dort artgerecht oder tierschutzgerechter gehalten werden, ist fraglich, denn schon heute haben wir im europäischen Maßstab die höchsten Tierschutzstandards und die schärfsten Gesetzgebungen in diesem Bereich. Bisher ist es der Bundespolitik nicht gelungen, eine vertretbare Kompromisslösung zu finden. Sollte dies in den nächsten Wochen nicht gelingen, wird sich die mit der Fleischproduktion in Deutschland verbundene Wertschöpfung in andere europäische Mitgliedsstaaten verlagern und es werden viele Familienbetriebe und Arbeitsplätze verloren gehen. Und wir haben damit, denke ich mal, unserer Landwirtschaft dann keinen guten Dienst getan.
Deshalb fordert meine Fraktion seit Jahren eine tierschutzgerechte und wirtschaftlich vertretbare Lösung. Wissenschaft, Forschung und Politik müssen Lösungen erarbeiten, die die Sauenhalter in die Lage versetzen, tierschutzgerecht, aber auch wirtschaftlich Ferkel erzeugen zu können. Leider war diese Kompromissbereitschaft auch in der letzten Woche und am 21. September dieses Jahres im Bundesrat nicht vorhanden und deswegen ist dort auch ein Kompromiss nicht zustande gekommen. Deshalb hat der Koalitionsausschuss auf Bundesebene nun entschieden, eine Regelung im Rahmen einer Gesetzesänderung über den Bundestag herbeizuführen. Das Problem ist aber noch nicht vom Tisch und ich hoffe nur – ich hoffe sehr! –, dass wir im Bundestag für diese Gesetzesänderung eine Mehrheit bekommen, ansonsten steht das Problem am 01.01.2019 vor der Tür.