Protocol of the Session on June 29, 2018

Für mich wäre es eine gewisse Anmaßung, die konkrete polizeiliche Lage vor Ort, also die von den Polizeibehörden regelmäßig und eigenverantwortlich fortzuschreibende Lagebeurteilung, durch Hinweise aus der Ferne erset

zen zu wollen. Ich kann Ihnen wirklich empfehlen, die einzelnen Polizeidienststellen zu besuchen, unter anderem auch die Dienststelle in Anklam. Ich glaube, wenn Sie sich mal mit den Beamtinnen und Beamten austauschen, werden Sie selbst erfahren, wie die Lage, wie die Situation vor Ort ist, wie die Polizei diese Lage einschätzt und reagiert, wo Erfolge erzielt werden und wo es eben auch klemmt. Das kann man in solchen Gesprächen durchaus erfahren, wenn man aufmerksam zuhört.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auch nicht die Verantwortung dafür tragen müssen, möglicherweise den polizeilichen Alltagsbetrieb im übrigen Land damit lahmzulegen. Eine polizeifremde Lagebeurteilung bindet nämlich rasch eine deutlich überhöhte Zahl polizeilicher Kontrolleure, die andernorts ganz einfach fehlen. Auch darauf haben die Vorredner bereits hingewiesen. Bezüglich der Landespolizei und der Sicherheit in diesem Land steht der Landtag vor anderen landespolitischen Herausforderungen. Auch das haben wir hier schon oft genug diskutiert.

Zweitens möchte ich die verdachtsunabhängigen Kontrollen nach Paragraf 27a SOG nicht ganz so euphorisch und unkritisch zum Einsatz bringen, wie der vorliegende Antrag es fordert. Begründet wurde diese polizeiliche Befugnis seinerzeit durch eine ernsthafte Gefährdung der inneren Sicherheit durch den Wegfall der Grenzkontrollen im Schengen-Raum. Belege fehlten schon damals dafür und sollen ersetzt worden sein durch die Empfehlung des damaligen Bundesinnenministers Kanther, in den Grenzregionen einen Sicherheitsschleier aufzubauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Antragsteller nun eine Intensivierung der Schleierfahndung fordern, dann muss daran erinnert werden, dass diese verdachtsunabhängige Inanspruchnahme eine hochsensible polizeiliche Eingriffsbefugnis darstellt. Das dürfte Ihnen als Bürgerrechtspartei doch nicht ganz egal sein, lieber Herr Kollege Manthei.

(Dr. Matthias Manthei, BMV: Das ist korrekt.)

Diese Befugnis berührt nämlich erheblich den rechtsstaatlichen Grundsatz, wonach gesetzestreue Menschen vom Staat prinzipiell in Ruhe zu lassen sind. Aber hierzu verliert Ihr Antrag leider keine Silbe.

Drittens schließlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird der Antrag unter anderem mit anhaltender illegaler Einwanderung, Migranten oder unerlaubten Einreisen begründet. Das ist so eine Stelle, wo Sie sich inhaltlich noch nicht ganz von der AfD getrennt, aber schon deutlich an die CSU angenähert haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Ein Rest- verstand ist noch übriggeblieben.)

Gerade weil dieses Herangehen zurzeit sehr populär zu sein scheint, sollten wir uns aber eng an den Fakten orientieren, liebe Kollegin und Kollegen von der BMVFraktion. Sie nehmen selbst Bezug auf die europaweit abgestimmte dreitägige Kontrolle entlang der deutschpolnischen Grenze im Oktober 2017. Als Quelle berufen Sie sich auf den „Nordkurier“, das ist durchaus in Ordnung.

(Heiterkeit bei Karsten Kolbe, DIE LINKE)

Ich möchte mich aber beziehen auf die entsprechenden Antworten der Landesregierung auf den Landtagsdrucksachen. In Zusammenarbeit mit der Landespolizei des Landes Brandenburg und der Landespolizei des Freistaates Sachsen erstreckte sich der Einsatzzeitraum dieser dreitägigen Kontrolle erstmalig entlang der gesamten deutsch-polnischen Staatsgrenze. Im Rahmen des Einsatzes sind vier Kraftfahrzeuge, ein Motorrad, diverse Baumaschinen und Werkzeuge, Bühnentechnik und Fahrräder sichergestellt worden. Von Migranten und illegaler Einreise wird hier nichts berichtet.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Es wurden insgesamt, Herr Professor Weber, fünf polnische Staatsangehörige aufgrund des Verdachts begangener Diebstahlsdelikte vorläufig festgenommen. In einem meiner früheren Besuche bei Institutionen, auch der Polizei, wurde uns damals mit auf den Weg gegeben – ich glaube, es war in Brüssel, ich weiß gar nicht, wo wir uns da aufgehalten haben –, dass es Zeiten gab, wo in Polen mehr Deutsche mit europäischem Haftbefehl gesucht worden sind als Polen in Deutschland. Auch das sind Fakten, die kann man nicht einfach ignorieren. Also von Migranten und illegaler Einreise wurde nichts berichtet. Es wurden insgesamt fünf polnische Staatsangehörige aufgrund des Verdachts begangener Diebstahlsdelikte vorläufig festgenommen. Unter den 57 festgestellten Straftaten findet sich ein Verstoß gegen das Ausländergesetz und Sie reden hier von massenhaften illegalen Einwanderern.

(Dr. Matthias Manthei, BMV: Hab ich nicht gesagt.)

Natürlich, das ist doch Grundlage Ihres Antrages, Herr Kollege Manthei.

(Dr. Matthias Manthei, BMV: Das hab ich nicht gesagt.)

Also selbstverständlich erhöht mehr Polizeipräsenz im Grenzraum die Sicherheit. Das ist so wie mit dem Marienplatz in Schwerin. Das kann man auch alles nachlesen in dem Konzept meiner Fraktion zur Stärkung der persönlichen öffentlichen Sicherheit.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Gutes Konzept!)

Nur sollten wir aber diese Diskussionen um polizeiliche Maßnahmen nicht auf dem Rücken der Schwächsten austragen, gerade wenn die Fakten eine andere Sprache sprechen. Die Fakten sollten wir genauestens aufnehmen. Dazu gehört auch, dass zum Beispiel bis Ende Mai dieses Jahres 78.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben. Rechnet man das hoch auf das Jahr, sind wir weit entfernt von der von der CSU geforderten Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Es geht nicht um Asylanträge. Es geht um Leute, die hier reingekommen sind.)

ja, es geht um die Leute, die hier reingekommen sind. Ich sage Ihnen noch mal, bei der Kontrolle, auf die sich auch der Antrag bezieht, im Oktober 2017 ist ein Verstoß gegen das Ausländergesetz festgestellt worden. Sie werden

natürlich ganz andere Zahlen kennen, weil Sie jede Nacht auf der Lauer liegen an der grünen Grenze, Herr Professor Weber,

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

aber ich beziehe mich lieber auf Fakten anstatt auf Stimmungsmache. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Martina Tegtmeier, SPD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es der BMV bei ihrem Antrag? Geht es hier tatsächlich um mehr verdachtsunabhängige Kontrollen, um mehr Sicherheit für die Bürger? Würde eine Umsetzung des Antrages genau dieses mit sich bringen? Gut gedacht ist manchmal nicht gut gemacht. So lässt sich der Antrag in einem Satz zusammenfassen, denn die Antwort auf meine Frage ist eindeutig Nein. Die Umsetzung des Antrages bringt zunächst einmal nur eines ganz sicher: mehr Papierkram für die Polizisten und weniger Präsenz auf der Straße.

Wir haben gerade den Minister gehört, dass die verdachtsunabhängigen Kontrollen gesetzlich geregelt sind, das ist dem Landtag bekannt. Als Polizistin weiß ich auch, in M-V finden verdachtsunabhängige Kontrollen statt, und zwar schon seit dem Jahr 2001, denn da wurde der Paragraf 27a in das Gesetz aufgenommen. Das weiß auch die BMV, denn sie stützt sich in ihrem Antrag auf die bisher durchgeführten Kontrollen. Um die Kontrollen an sich geht es hier also nicht, das ist unbestritten. Meine Fraktion hat sich auch immer ganz deutlich für die Notwendigkeit solcher Kontrollen ausgesprochen.

Um das Ob der Kontrollen geht es in dem Antrag also nicht, es geht um das Wie, um die Umsetzung des Gesetzes. Da ist die BMV aber nicht mutig genug, einfach ihre Meinung zu vertreten, sondern sie will sich hinter Zahlen verstecken und eine Stichprobenstatistik bis zum 30. September 2018 erheben. Das ist auch genau der Grund, warum meine Fraktion Ihren Antrag ablehnen wird. Meine Fraktion braucht keine statistische Erhebung, um die Notwendigkeit solcher Kontrollen zu bestärken. Meine Fraktion ist überzeugt davon, dass solche Kontrollen notwendig und wichtig sind. Ich werde bestimmt nicht hier im Landtag meine Zustimmung dazu geben, dass die Polizisten, die weitaus Besseres vor Ort zu tun haben, dass genau diese Polizisten ihre Zeit mit noch mehr Papierkram vertrödeln.

Verdachtsunabhängige Kontrollen sind kein Allheilmittel, um gegen jegliche Art von Grenzkriminalität vorzugehen. Verdachtsunabhängige Kontrollen sind aber auch kein Teufelswerk, die zu massenhaften Kontrollen und Bespitzelungen führen. Verdachtsunabhängige Kontrollen sind einfach ein Instrument von vielen, die es unserer Polizei erlauben, ihre Arbeit zugunsten unserer Sicherheit durchzuführen. Deshalb ist die Art und Weise, wie wir derzeit diese Kontrollen handhaben, aus Sicht meiner Fraktion ausreichend. Es gibt Gerichtsentscheidungen, die ganz klar aussagen, dass diese Kontrollen nicht in systemati

sche Grenzkontrollen ausarten dürfen. Ich halte deshalb das bisherige Vorgehen der Polizei, diese Kontrollen an die bestehende Lage anzuknüpfen, für genau richtig.

Was wäre, wenn Ihre Untersuchung, Ihre Momentaufnahme nicht die von Ihnen erhofften Zahlen bringen würde? Ab welcher Zahl wäre dann Ihrer Meinung nach die Kontrolle ein Erfolg? Meine Fraktion benötigt eine solche Statistik definitiv nicht. Ich vertraue den Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die ihr Revier am besten kennen, dass sie die Lage vor Ort auch richtig einschätzen. Ich habe nicht nur Vertrauen in die Polizeiführung, sondern ich habe insgesamt Vertrauen in das Organ Polizei und in die Polizisten, die direkt vor Ort eingesetzt sind.

Der Innenminister hat es dargestellt, es finden täglich Kontrollen statt, regelmäßig auch im größeren Verbund. Grundlage dafür – ich sagte es eben schon deutlich, aber ich sage es noch mal – ist die Einschätzung der Lage vor Ort. Da können wir hier am Schreibtisch überhaupt nicht entscheiden, welche Maßnahmen zu treffen sind. Lassen Sie doch bitte die Beamten vor Ort ihren Job machen!

Die verdachtsunabhängigen Kontrollen haben sich bewährt, nicht nur in unserem Bundesland, sondern in allen anderen zwölf Bundesländern, die dies auch in ihren Gesetzen verankert haben. Darüber diskutieren wir auch nicht. Weil das so ist, werden wir auch keinen Statistikeinsätzen zustimmen. Meine Fraktion wird Ihren Antrag deshalb ablehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Für die Fraktion der BMV hat noch einmal das Wort der Abgeordnete Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz nur noch auf den einen oder anderen Vorredner eingehen.

Die Frage stellt sich natürlich: Wenn hier praktisch alle Vorredner gesagt haben, wir brauchen keine Zahlen, dann frage ich mich, warum man ohne Weiteres problemlos Mitteilungen aus allen anderen Grenzländern, gerade zu Polen und zu Österreich, aus Brandenburg, aus Sachsen und aus Bayern findet. Da finden Sie, im Jahr soundso haben wir soundso viele Fahndungserfolge.

Wenn jetzt hier gesagt wurde von den Praktikern – Frau von Allwörden, muss ich zugeben, kennt das natürlich noch aus ihrer früheren beruflichen Praxis –, das passiert alles schon, und vor allen Dingen, wenn Sie sagen, es hat sich bewährt, dann frage ich mich natürlich, aufgrund welcher Faktengrundlage.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Auf welcher Faktengrundlage werden hier Behauptungen aufgestellt? Wir haben auch nicht die Intention, bestimmte Ergebnisse zu erzielen, sondern es ist im Gegenteil immer wichtig bei der Zahlenanalyse. Wie Sie wissen, habe ich das auch schon bei anderer Thematik angesprochen. Herr Innenminister mag das immer nicht so, aber wenn wir keine Fakten haben, können wir auch eine Sache nicht beurteilen.

(Bernhard Wildt, BMV: Ganz genau.)

Das ist doch die einfache Lösung. Eigentlich wundere ich mich, wenigstens bei diesem Punkt, ich rede nicht von komplizierten Statistiken, sondern es wäre doch einfach mal sinnvoll, es zu machen wie die anderen Bundesländer. Ich habe es ausführlich vorgetragen. Herr Dachner war dankenswerterweise einer der wenigen, die dann auch genau zugehört haben. Ich habe ganz gründlich recherchiert und die Ergebnisse vorgetragen. Ich habe auch die Landesregierung gefragt. Man kann mir nicht vorwerfen, Herr Ritter, ich hätte da keine Kleine Anfrage gestellt. Ich habe die Kleine Anfrage gestellt. Die Antwort war, wir führen darüber keine Statistik, es gibt keine Zahlen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Da kann man sich weder auf der einen Seite hinstellen und sagen, die illegale Einreise ist völlig belanglos, man kann sich aber auch nicht auf der anderen Seite hinstellen und sagen, es gibt eine massenhafte Einreise. Herr Ritter, das weise ich auf das Schärfste zurück. Wenn Sie mich schon zitieren, dann bitte richtig. Ich habe definitiv nicht das Wort „massenhaft“ heute hier benutzt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Heute! Heute hier nicht.)

Da bitte ich schon mal einfach um Fairness! Hier geht es um die grenzüberschreitende Kriminalität. Am Anfang Ihrer Rede dachte ich auch schon, Sie sind im falschen Tagesordnungspunkt, als Sie mit den Grenzkontrollen anfingen. Darauf kommen wir dann später noch mal zurück, wenn es denn um die Zurückweisungen geht.

Noch eine letzte kurze Anmerkung, jedenfalls soweit es hier einlassungsfähige Angaben bei den Vorrednern gab zu dem Vertrauen zur Polizeiführung. Selbstverständlich haben wir bei unserem Antrag bedacht, dass wir nicht in die Befugnisse der Polizeiführung hineinreden wollen. Es geht hier um eine politische Vorgabe. Selbstverständlich ist die Landesregierung, ist der Innenminister der oberste Dienstherr der Polizei und selbstverständlich kann er hier Vorgaben machen, die dann die Beamten umzusetzen haben. Das hat überhaupt nichts mit fehlendem Vertrauen zu tun.

Oder diese albernen Ausführungen von Herrn Kramer bezüglich der Landesregierung, die das hier machen sollte, die …