Protocol of the Session on June 29, 2018

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Thomas Schwarz, SPD: Oh!)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende Herr Kokert.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Jetzt guck ich mal, wem er dankt.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich finde schon, dass wir auch den Antrag der LINKEN mit der gewohnten Ernsthaftigkeit hier diskutieren sollten. Ich finde das zum Teil gar nicht so witzig,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

sodass wir uns hier ständig darüber lustig machen sollten. Ich komme ja selbst aus einer betroffenen Region. Ich gucke mal meinen Kollegen Andreas Butzki an und auch Torsten Koplin. Wir haben mal gemeinschaftlich auf einem Podium gesessen, da war mir wirklich nicht zum Lachen zumute, vor 150 oder 200 aufgebrachten Leuten,

(Andreas Butzki, SPD: 200 waren dabei.)

die uns deutlich gesagt haben, was sie von diesem ganzen Reformeifer der Landesregierung halten. Da war das nicht so einfach, den Kurs zu halten. Ich glaube, wir haben uns drei damals dazu verständigt – und das war auch immer Linie dieser Koalition –, Eigentümer der Theater sind die Kommunen und nur wenn die Kommunen am Ende mitmachen, kann diese Reform gelingen. So sind wir mal gestartet. Dann haben wir damals innerhalb der Koalition Mathias Brodkorb beauftragt, verhandele mit den Kommunen und wir schauen mal, wie weit du kommst. Ich persönlich war erstaunt, dass wir überhaupt so weit gekommen sind, dass wir diese Vorschläge dann gemeinschaftlich mit den Kommunen machen konnten. Ich muss Ihnen das ganz ehrlich sagen. Ja, ich will mich davon auch überhaupt nicht freisprechen. Ich war erstaunt, dass wir tatsächlich so weit gekommen waren mit der kommunalen Ebene.

Allerdings hatte ich immer meine Befürchtungen. Das werden alle wissen, mit denen ich darüber diskutiert habe, ich habe aus meinem Herzen auch nie eine Mördergrube gemacht. Der Problemfall war immer der Osten. Ich habe mir nie Sorgen gemacht um Rostock, ich habe mir ganz ehrlich auch nie Sorgen gemacht um Schwerin, dass es dafür eine Lösung geben wird, weil diese beiden Regionen auf Dauer so finanzstark sein werden, dass sie sich im Zweifel auch vieles selber leisten können. Aber der Osten fühlte sich von der ersten Sekunde an in dieser Reform nicht mitgenommen, obwohl wir argumentiert haben und nirgendwo abgeduckt haben.

Ich kann mich noch gut an den Wahlkampf erinnern. Das Theater Neustrelitz hat mir dann den Gefallen getan, überall, wo ich hinkam, kam mir einer hinterher, der war als Tod verkleidet. Das war toll!

(Heiterkeit bei Ministerin Birgit Hesse und Peter Ritter, DIE LINKE)

Ja, also ich weiß nicht, ob Sie so etwas schon mal erlebt haben. Das geht dir irgendwann richtig auf den Keks. Und trotzdem musst du da immer wieder argumentieren und sagen, nein, wir bleiben dabei, die Eigentümer des Theaters haben diesen Weg mitbeschritten, und solange das so ist, machen wir das auch weiter.

Dann ist etwas ganz Entscheidendes passiert. Durch das bürgerliche Engagement – das muss man ganz klar sagen – hat man die kommunalen Vertretungen davon

überzeugt, dass dieser Weg wohl für den Osten nicht funktionieren wird. Der wird nicht funktionieren. Und jetzt war es nur noch auszuwürfeln, ist es die Stadtvertretung Neustrelitz, ist es die Stadtvertretung Neubrandenburg, ist es der Kreistag, ist es die Bürgerschaft in Stralsund oder die Bürgerschaft in Greifswald. Aber eins war klar, eine von denen wird sagen, wir machen da nicht mehr mit, wir können uns nicht mehr vor unsere Bürger stellen. Da war die Reform so im vierten/fünften Jahr. Ich glaube, das war so die ganz kritische Phase.

Was wäre denn verantwortungsvolle Politik gewesen? Wir hätten einfach die Theater an die Wand fahren lassen und dabei zugesehen? Wir haben mehrfach immer wieder darüber diskutiert, jetzt ist der wieder in Insolvenzgefahr, dann helfen wir da wieder aus – das war eine ganz schwierige Diskussion. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich nehme nur die Leute wirklich ernst in der Debatte – und da will ich hier gar keinem was vorwerfen, das habe ich jetzt auch nicht so genau drauf –, aber die sich immer wieder auch getraut haben, sich vor die Leute zu stellen, mit den Betriebsräten zu reden und sich anzuhören, was da an diesen Häusern eigentlich los ist.

Und was ich eigentlich mal loswerden will neben dem bürgerschaftlichen Engagement: Man kann ja den Schauspielern, den Tänzern, den Musikern und allen, die da kulturschaffend sind – das kann man ja gar nicht hoch genug werten, dass die allerwenigsten Mecklenburg-Vor- pommern den Rücken gekehrt haben, sondern die sind hiergeblieben in der Hoffnung, dass es eine Lösung geben wird –, da kann man nur sagen, Danke dafür, dass Sie das gemacht haben und unsere Theater nicht leergelaufen sind.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Dafür kann man nur Danke sagen.

Sicherlich ist das ja für alle auch immer ein emotionaler Moment. Wir wussten beide nicht – da will ich mal aus dem Nähkästchen plaudern –, weder Manuela Schwesig noch ich wussten, ob wir uns mit den Kommunen an diesem Tag einigen. Da sind wir auch ein hohes Risiko eingegangen. Klar kann man das jetzt hinterher abfeiern und kann sagen, es hat alles geklappt. Also ich habe bis in die letzte Minute mit unseren kommunalen Vertretern debattiert und telefoniert. Gerade der eine oder andere Oberbürgermeister ist da nicht besonders weich in seinen Forderungen. Das waren keine lustigen Telefonate.

Wir haben dann da so ein bisschen gesessen wie das Kaninchen vor der Schlange. Wir hatten ja nur unser Angebot, was wir noch mal ein bisschen aufgehübscht haben, hingelegt haben und gesagt haben: Das ist es, wir sagen euch aber gleich, mehr können wir als Land auch in den nächsten Jahren nicht leisten. Dann war erst mal Ruhe in dieser Diskussionsrunde, ich habe mir richtig Sorgen gemacht, keiner sagte so richtig was. Ich war eigentlich der Auffassung, Mensch, die müssen jetzt eigentlich an die Decke springen und sagen, endlich habt ihr das verstanden. Das war aber nicht so. Die waren alle zurückhaltend, alle vorsichtig durch die vielen Jahre dieser Diskussion: Na, was ist das wieder für eine Mogelpackung und was müssen wir da wieder beachten? Und Stück für Stück traute sich dann der eine oder andere, der es gar nicht so richtig fassen konnte, dass wir so ein Angebot machen.

Ich glaube, wenn Sie das jetzt bei Licht besehen – und deswegen bin ich auch so eingestiegen –, ich will da keine Jubelveranstaltung daraus machen. Natürlich müssen wir uns auch als Landespolitik dazu bekennen, dass wir in den letzten sechs Jahren nicht unbedingt dafür gesorgt haben, gute Stimmung an den Häusern zu verbreiten.

(Beifall Eva-Maria Kröger, DIE LINKE – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Aber Politik ist das Anerkennen der Wirklichkeit, und deshalb bin ich so eingestiegen. Wir haben immer gesagt, wenn es mit der kommunalen Ebene eine Lösung geben kann, dann werden wir diese Lösung präferieren, und die kommunale Ebene hat uns ab einem gewissen Zeitpunkt mitgeteilt, dass diese Lösung nicht mehr stattfinden wird. Und was sollen wir eigentlich für eine Lösung durchdrücken, wenn die eigentlichen Eigentümer sagen, wir sind an dieser Lösung nicht beteiligt?

Deshalb sage ich Ihnen, darauf können wir ein bisschen stolz sein, dass uns diese Lösung so gelungen ist – mit vielleicht allen Schwierigkeiten, die wir jetzt im Detail noch klären müssen, aber am Ende ist das ein gutes Signal für die Theater, für die Orchester in diesem Land und ich darf in eigener Sache sagen, auch ein gutes Signal für die Tanzkompanie Neustrelitz, die gleich zum Anfang geschlossen werden sollte, mit dem Hinweis, wenn die Theaterreform kommt, docken wir die ein bisschen an das Theater Neustrelitz an, dann wird auch weiter Tanz stattfinden. Da kann ich nur sagen, herzlichen Glückwunsch, hätten wir sie geschlossen, wären sie jetzt einfach weg, weil es hätte dann überhaupt keine Lösung gegeben.

Deshalb war es gut, dass wir uns auf dieses Paket verständigt haben, was jetzt auf dem Tisch liegt. Vielleicht kann man nach so vielen Jahren, wo wir auch politischen Streit miteinander hatten, das jetzt angehen und sagen, lasst uns doch jetzt einfach gemeinschaftlich handeln, weil es sind ja Mehrheiten aus allen Parteien und Fraktionen, die hier vertreten sind, auch in den Bürgerschaften. Wir werden das nicht schaffen, wenn wir uns jetzt gegenseitig wieder in die Hacken treten. Ich finde, unsere Häuser haben jetzt einfach Ruhe und Kontinuität verdient, und wenn wir daran gemeinschaftlich politisch die nächsten Monate arbeiten können, haben die Häuser das mehr als verdient. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 39: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Kampagne „Ärztliche Versorgung auf dem Land“ in Mecklenburg-Vorpommern aufgreifen und umsetzen, Drucksache 7/2249.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Kampagne „Ärztliche Versorgung auf dem Land“ in Mecklenburg-Vorpommern aufgreifen und umsetzen – Drucksache 7/2249 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das gerade hier absolvierte Thema, ebenso wie dieses, was gerade aufgerufen wurde, sind Beleg für das Zutreffen des Satzes von Max Weber, dass Politik das Bohren dicker Bretter bedeutet.

(Vincent Kokert, CDU: Anerkennen der Wirklichkeit, Herr Kollege.)

Das Anerkennen der Wirklichkeit ist dann ein weiterer Spruch, der durchaus richtig und angebracht ist mit Blick auf das vorherige und dieses Thema.

Sehr geehrte Damen und Herren, die ländliche Gesundheitsversorgung steht in den nächsten Jahren vor fünf zentralen Herausforderungen:

Erstens. Die Digitalisierung führt zu einer Vernetzung und besseren Zusammenarbeit von Leistungserbringern und einer stärkeren Einbindung von Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen.

Zweitens. Bei der sektorenübergreifenden Versorgung geht es um chronisch Kranke und multimorbide ältere Patienten, die eine patientenzentrierte, sektorenübergreifende, integrierte Versorgung brauchen.

Drittens. Der demografische Wandel führt zu einem zahlenmäßigen Anstieg älterer und multimorbider Patientinnen und Patienten.

Viertens haben wir einen Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft. Krankenhäuser werden ihr Leistungsangebot neu bestimmen, sich fachlich konzentrieren und spezialisieren.

Fünftens haben wir Nachwuchsmangel und einen Wandel der Arbeit. Der Mangel an Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegepersonal führt zu multiprofessionellen Teams und einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und dem stationären Bereich.

Die letztgenannte Herausforderung ist Gegenstand dieses Antrages, wobei deren Dimension mit Blick auf die ärztliche Versorgung auf dem Lande von besonderer Güte ist. Wie alle politischen Akteure suchen auch wir nach Lösungsmöglichkeiten seitens der LINKEN. Eine solche sehen wir in der Initiative des Landkreistages, eines Instituts der Universität Frankfurt und der Stiftung Perspektive Hausarzt. Sie spricht sich für eine gezielte Kampagne ärztlicher Versorgung auf dem Lande aus. Diese stützt sich auf Vorschläge des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2014. In diesem Zusammenhang werden ein Landarztzuschlag, also eine bessere Vergütung, und qualitativ verbesserte Arbeitsbedingungen, wie die Bildung interdisziplinärer Teams im Rahmen lokaler Gesundheitszentren, ins Spiel gebracht.

Darüber hinaus wird vorgeschlagen, die Ärzteschaft von administrativen, bürokrativen Zeitvernichtern zu entlasten und das wirtschaftliche Risiko bei Praxisgründung zu minimieren. Sich damit zu befassen, ist hierzulande in hohem Maße geboten. In Mecklenburg-Vorpommern fehlten Ende vergangenen Jahres 129 Hausärzte. Da in

den nächsten vier Jahren mehr als 200 Ärzte das Rentenalter erreichen, wird sich die Zahl erhöhen, wenn sie keinen Nachfolger finden. Die Übergabe einer Hausarztpraxis war nie einfach. Sie ist in den letzten Jahren für Hausärzte auf dem Lande zum Problem geworden, das ist bundesweit so. Wenn hier eine Praxis schließt, sind die Patienten vielfach unversorgt. Das ist das Ergebnis verschiedener Faktoren. Zum einen müssen die verbliebenen Hausärzte die neuen Patientinnen und Patienten aufnehmen können, das ist oft aber nicht gegeben, da die Praxen häufig an der Obergrenze ihrer Kapazität arbeiten. Zum anderen erschwert die schlechte Verkehrsinfrastruktur den Weg zum Arzt.

Wie das in Mecklenburg-Vorpommern im Land aussieht, zeigt der Versorgungsatlas des Instituts für Community Medicine. Danach gibt es im Land Regionen, in denen ein Mensch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwei Tage für den Arztbesuch braucht, einfach deshalb, weil er am gleichen Tag nicht mehr nach Hause kommt. Diese fatale Situation besteht immer noch. Das kritisierte auch in diesem Jahr wieder das 10. Altenparlament. Mit unserem Antrag greifen wir dessen Beschlüsse auf. Die Verbesserung der Daseinsvorsorge auf dem Land gehört auch zu unseren Kernforderungen. Wir wollen, dass sich die Landesregierung für die ärztliche Versorgung auf dem Land weitergehend engagiert, was bereits mit diesem Satz ausgesprochen beinhaltet, dass sie schon einiges tut, wir werden es sicherlich vom zuständigen Minister nachher gleich hören.

Bisherige Maßnahmen werden für eine ausreichende Versorgung mit Hausärzten auf dem Lande aus unserer Sicht aber nicht ausreichen. Sie werden nicht ausreichen, weil die hierfür ausgegebenen Mittel nach unserer Meinung zu gering sind, um wirkungsvolle Anreize zu setzen. So zahlt Mecklenburg-Vorpommern, das hat hier mehrfach eine Rolle gespielt, 300 Euro pro Monat, wenn sich Medizinstudenten nach dem Physikum verpflichten, künftig als Hausarzt im ländlichen Raum tätig zu sein. In Nordrhein-Westfalen erhalten Mediziner, die ihre Weiterbildung in einer Hausarztpraxis auf dem Lande absolvieren, 500 Euro. Der Freistaat Sachsen lässt sich die künftigen Hausärzte für unterversorgte Regionen sogar 1.000 Euro im Monat ab dem ersten Semester kosten. Die Frage, welches von diesen Bundesländern seine Versorgungslücken am ehesten schließen wird, ist angesichts dessen wohl nur noch rhetorisch.

Die Maßnahmen der Landesregierung sind nicht zielführend, weil sie das Rad neu erfinden. So kündigte Gesundheitsminister Glawe Ende 2016 an, dass sein Ministerium das Institut für Community Medicine beauftragen werde, den Stand der medizinischen Versorgung im Land zu analysieren und Vorschläge für deren Verbesserung zu unterbreiten. Das Projekt werde etwa ein Jahr umfassen. Im Februar dieses Jahres war der Sachstand dann schon anders. Auf meine Anfrage antwortete die Landesregierung, dass das Projekt bis zum Ende 2021 angelegt sei und die Ergebnisse erst 2022, also durch unsere Nachfolgerinnen und Nachfolger vorgelegt werden sollen. Das ist angesichts der angespannten Lage in vielen Regionen inakzeptabel.

Ich sage hier ausdrücklich, es mangelt in MecklenburgVorpommern nicht an Daten. Es gibt den Versorgungsatlas des mehrfach erwähnten Instituts. Es gibt die Gutachten und Handlungsempfehlungen der Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“, es gibt einige Modellprojekte und es gibt die Versorgungsdaten

der Kassenärztlichen Vereinigung und die Leistungsdaten der Krankenkassen. Mit all dem müsste es möglich sein, in kurzer Zeit die Situation abzubilden.

Für die hausärztliche Versorgung auf dem Lande brauchen wir schnelle Verbesserungen. Die Menschen haben einen Anspruch darauf. Indem wir vorschlagen, die Idee der Kampagne für die ärztliche Versorgung auf dem Land für unser Land zu adaptieren, sollten auch die Erfahrungen von dünn besiedelten Flächenländern, beispielsweise in Kanada und den USA oder Skandinavien, beachtet werden.