Wie wollen Sie dann in dieser Zeit noch eine Finanzausschussbefassung oder Sozialausschussbefassung hier im Landtag durchführen?
um jetzt in der Kürze der Zeit die Entscheidung zu treffen. Ich glaube, dafür haben Sie auch Verständnis, Herr Ritter, dass das Thema im Finanzausschuss mit allen Vor- und Nachteilen, mit allen Abwägungsprozessen in dieser Komplexität richtig aufgehoben ist und noch mal umfassend beraten werden sollte.
Das wäre meine Frage, aber da die Antwort schon gegeben wurde, will ich mich jetzt nicht auf formale Prozesse versteifen, sondern bitte schön, Herr Ritter, stellen Sie die nächste Zwischenfrage.
Ich will nicht in Abrede stellen, dass das ein komplexes Thema ist, aber wenn sozusagen die Verhandlung im Bundesrat schon am 8. Juni stattfinden soll oder stattfindet,
muss ja innerhalb der Landesregierung schon der Meinungsbildungsprozess stattgefunden haben. Deswegen verwundert mich das etwas, dass parallel dann vielleicht im September nach der Sommerpause der Finanzausschuss sich mit dieser Frage befasst.
Ja, Herr Ritter, Sie sind auch der Rede von Minister Brodkorb gefolgt und der hat es eindeutig gesagt, dass er uns, dem Parlament, empfiehlt, darüber im Finanzausschuss zu beraten, und wir Koalitionäre stimmen mit dem überein. Deshalb ist von mir der Antrag so formuliert, diesen in den Finanzausschuss zu überweisen.
Also da es ein sehr vielschichtiges Thema ist und davon gesprochen worden ist, dass es zu einer Ausgabenminimierung kommen könnte, ist das sicherlich eine Sichtweise dazu. Aber wenn man allein an der Stelle den Gedanken aufgreift, genau die Arbeiter und die Menschen, die bei uns in der Bundesrepublik Deutschland ihr Tageswerk verrichten, ihre Arbeit verrichten, könnten sehr wohl auch ihre Kinder mit nach Deutschland bringen – die Anzahl der davon betroffenen Kinder ist hier genannt worden, ich möchte das auch nicht national unabhängig machen –,
ich schaue noch mal nach, ich habe mir das hier auch vermerkt, das ist eine beachtliche Zahl von Kindern, die davon betroffen sind: Das sind round about 212.000 Kinder.
Also etwas um die 210.000 Kinder sind davon betroffen. Wenn also ein Großteil dieser Kinder nach Deutschland käme, was dann für Aufwendungen im sozialen Bereich notwendig werden, das muss ich Ihnen hier in dem Hohen Hause nicht sagen. Das fängt an bei der Kinderbetreuung, bei der Beschulung, bei Sozialleistungen insgesamt, sodass dies sehr wohl in den Abwägungsprozess zu diesem Antrag hineingehört, und das ist auch dann nur fair, wenn man das in dieser Betrachtungsweise so sieht.
Ich möchte aber noch mal sehr deutlich machen, dass der EU-Binnenmarkt außerordentlich wichtig ist für uns in Deutschland, für Europa insgesamt. Nämlich wenn wir einerseits über einen Fachkräftemangel reden, so kann das genau auch ein Indiz dafür sein, dass Menschen zu uns nach Deutschland kommen, wenn an diesen Sozialleistungen nichts verändert wird. Es ist unvorstellbar: Wenn diese Menschen im Rahmen des Freizügigkeitsrechtes nicht mehr hier in Deutschland ihrer Arbeit nachgehen würden, dann hätten wir noch ein wesentlich größeres Problem im wirtschaftlichen Bereich, sei es auf handwerklichem oder industriellem Gebiet, die Arbeit zu erledigen.
Ich glaube, dass es wichtig ist, das in die Beratungen zu dem Antrag mit einzubeziehen, und bitte darum, dem Antrag auf die Überweisung in den Finanzausschuss zuzustimmen. Die Koalitionsfraktionen, wir haben uns dazu abgestimmt, werden es tun. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es schon unglaublich, welch undifferenzierte Meinungen zu diesem Thema heute am Kindertag hier im Landtag bestehen, wo Kinderrechte im Vordergrund stehen, wo die angebliche Spaltung zwischen ausländischen und inländischen Kindern stattfindet. Das klingt erst mal schön einfach polarisiert, aber es trifft nicht unseren Nerv. Ich möchte dazu im Näheren ausführen:
In dem vorliegenden Antrag fordert die BMV-Fraktion die Landesregierung auf, die Bundesratsinitiative des Freistaates Bayern für die Indexierung des Kindergeldes für im EU-Ausland lebende Kinder zu unterstützen. Indexierung des Kindergeldes – was heißt das? Es bedeutet, dass, wenn ein Elternteil aus den EU-Mitgliedsstaaten in Deutschland arbeitet und sein Kind sich im Heimatland befindet, das Kindergeld sich an dem dortigen Lebensstandard orientiert und angepasst werden soll. Das klingt erst mal vielleicht aus Sicht der BMV-Fraktion, wie ich gehört habe, auch vom Finanzminister, einleuchtend, aber macht aus unserer Sicht eine schöne Spaltung
In dem zugrunde liegenden Gesetzentwurf, der, wie Herr Ritter es sagte, am 8. Juni im Bundesrat behandelt werden soll, wird beschrieben, dass es in den vergangenen Jahren zu einer Zunahme der „Kindergeldanträge von EU-Bürgern“ für Kinder kam, „die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen und für die dort ein Kindergeldanspruch besteht.“ Zitatende.
Erstens ist es im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht verwunderlich, dass es mit Aufnahme weiterer Länder in die EU und der Länge des Bestehens der Mitgliedschaft zu einer Erhöhung der Antragszahlen kommt.
Zweitens besteht der Kindergeldanspruch nach aktuellem EU-Recht in dem Land, in dem die Eltern arbeiten, ihr Geld verdienen, Sozialabgaben leisten und Steuern zahlen beziehungsweise steuerpflichtig sind. Es betrifft die Mutter aus Polen, die für ihre Tätigkeit an der Ostsee die meiste Zeit der Saison von der Familie getrennt ist, das betrifft den dänischen Familienvater, der im Rostocker Hafen bei einem deutschen Arbeitgeber ein Projekt betreut. Nach der Theorie des Antrages müsste für die Kinder der polnischen Mutter weniger und für die Kinder des dänischen Vaters mehr Kindergeld gezahlt werden.
Fakt ist, die Eltern zahlen ihre Sozialabgaben in Deutschland und haben auch einen Anspruch auf Sozialleistungen aus dem System, in das sie einzahlen. Das gilt für deutsche Staatsangehörige in Tschechien und Dänemark ebenso wie für EU-Bürger/-innen aus Polen und Schweden in Deutschland. Wenn sie die vollen Sozialabgaben zahlen, haben sie auch einen Anspruch auf das Kindergeld.
Fakt zwei: Wie aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht, zahlten Familienkassen im Dezember 2017 Kindergeld an 211.734 ausländische Kinder in EU-Mitgliedsstaaten, wohlgemerkt, nicht einfach so, sondern weil die Eltern der Kinder in Deutschland durch geleistete Arbeit steuerpflichtig sind und hier ein X-Faches des Kindergeldbetrages an Abgaben bezahlen.
Im Jahr 2017 gaben die Familienkassen insgesamt 35,9 Milliarden Euro für das Kindergeld aus, 318 Millionen davon gingen in das Ausland. Gemessen an den Gesamtausgaben macht das weniger als ein Prozent. Unterm Strich würde aus unserer Sicht der Aufwand für die Umsetzung der Kindergeldindexierung einen vermeintlichen Nutzen bei Weitem überschreiten. Es ist seitens des Antragstellers naiv zu glauben, das haben wir heute auch wieder gehört, dass es lediglich ein einmaliger maschineller Umstellungsaufwand bei den Familienkassen sei, wie es im Gesetzesantrag steht. Zudem kann nicht beziffert werden, in welcher Höhe ein Aufwand für die personell anzupassenden Kindergeldfestsetzungen, die vom Programmlauf nicht erfasst werden, entsteht. Ich sage es Ihnen: Es wäre ein Aufwand in Millionenhöhe. Jede Änderung müsste neu bearbeitet wer
den. Antragsprüfung, Bewilligung, Bescheiderteilung, Widerspruchsverfahren, Klagen – all das erfordert zusätzlichen personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand.
Fakt drei: Genau aus diesem Grund wurden Versuche der Bundesregierung für eine Indexierung mit dem Ziel, die Höhe der Familienleistungen an die Lebenshaltungskosten des Wohnsitzstaates zu koppeln, bisher vom Tisch gewischt, und das zu Recht. Die EU-Kommission hatte unter anderem wegen des hohen Verwaltungsaufwandes und erheblichen Fragen zur Umsetzung entsprechende Änderungen abgelehnt. Einsparungen lägen bei weniger als 0,1 Prozent.
Fakt vier: Die Indexierung des Kindergeldes verstößt gegen bestehendes EU-Recht. Die Berechnungsgrundlage ist zudem völlig ungeklärt. Soll es nach den durchschnittlichen Lebenshaltungskosten des Landes oder nach den Sozialleistungen gehen? Wie werden mögliche Staffelungen berücksichtigt? Wer berechnet, der Mitgliedsstaat, in dem die Kinder leben, oder der, in dem der Elternteil arbeitet, oder doch die EU?
Wir können den Antrag nur ablehnen. Anstatt immer den Blick ins Ausland zu werfen, sollten wir uns erst einmal um die Kinder hier in Deutschland kümmern und uns über Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut unterhalten. Wir lehnen aus diesen Gründen nicht nur den Antrag ab, sondern auch die Überweisung in den Ausschuss.
Frau Bernhardt, ich erlaube mir noch ein paar Bemerkungen zu Ihrer Rede, die durchaus einen besonderen Akzent in die ansonsten sachliche Debatte gebracht hat.
Wenn ich das recht verstehe, dann lehnen Sie derartige Diskussionen völlig als sachwidrig ab. Ich erlaube mir dann den Hinweis, dass Sie demnächst Anträge hier im Plenum stellen müssten zu einer Änderung der Einkommensteuergesetzgebung, denn im Bereich des Einkommensteuerrechts gibt es selbstverständlich solche Initiierungen, beispielsweise in den Fällen des Betreuungs- und Kinderfreibetrages für Kinder im Ausland, der Unterhaltsleistungen an Personen im Ausland oder bei der Höhe des Ausbildungsfreibetrages für Kinder im Ausland. Der Grund dafür liegt schlichtweg darin, dass es weltweit unterschiedliche Währungssysteme und Wirtschaftssysteme gibt und hier nach den Wechselkursen und den entsprechenden Preisentwicklungen unterschiedliches Geld gebraucht wird, um entsprechend den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Insofern kann ich daran jetzt auch nichts Unsachliches oder Ungerechtes erkennen, darüber nachzudenken, denn das Kindergeld ist ein Geld für das Kind, deswegen heißt es Kindergeld. Es soll die Lebensbedingungen abbilden, die das Kind jeweils hat. Deswegen ist das, was Herr Professor Weber gesagt hat, durchaus in der Tat richtig. Im Umkehrschluss müsste man dann bei
Kindern, die in Regionen leben, die höhere Lebenshaltungskosten haben, darüber nachdenken, entsprechend auch zu agieren.
Jedenfalls will ich sagen, dass der Vorschlag der BMV systematisch in unser derzeitiges Einkommensteuerrecht hineinpasst und sich einfügen würde. Es ist umgekehrt schwierig zu begründen, warum mit meinem Kindergeld auf die eine Art und Weise verfahren wird und beim Einkommensteuerrecht auf die andere Art und Weise. Also wenn man schon etwas macht, dann sollte man sich mit denselben Argumenten auch gleichgerichtet verhalten.