Protocol of the Session on June 1, 2018

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 33: Beratung des Antrages der Fraktion der BMV – Indexierung des Kindergeldes für im EU-Ausland lebende Kinder, Drucksache 7/2151.

Antrag der Fraktion der BMV Indexierung des Kindergeldes für im EU-Ausland lebende Kinder – Drucksache 7/2151 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mitbürger! Gerade war die Bemerkung ja nur persönlich, jetzt gebe ich noch einen dazu: Wenn Sie glauben, mich hier irgendwie einschüchtern zu können, dann haben Sie sich aber vollkommen geschnitten!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Ralph Weber, AfD: War das zur Sache?)

Das war zur Sache.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Wer soll hier einschüchtern?)

Sie haben das sehr gut verstanden.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Armselig! – Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder hat am 7. Mai dieses Jahres dem Präsidenten des Bundesrates den Gesetzentwurf zur Kindergeldindexierung zugesandt. Er soll am 8. Juni, genau in einer Woche, im Bundesrat beraten und in die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden. Das Thema ist also topaktuell und die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern wird dazu eine Position vertreten müssen. Deshalb möchten wir das Thema hier und heute diskutieren, aber auch insbesondere deshalb, weil wir zahlreiche betroffene Arbeitnehmer in Mecklenburg-Vorpommern haben, die zum Beispiel aus Polen stammen und deren Kinder in Polen leben beispielhaft. Die Haltung MecklenburgVorpommerns in dieser Frage kann daher durchaus Gewicht in der Diskussion dieses Themas im Bundesrat und Bundestag entfalten.

Wir möchten, dass die Landesregierung sich der Bundesratsinitiative des Freistaates Bayern anschließt, und zwar aus folgenden Gründen:

Das Kindergeld ist Bestandteil des steuerlichen Familienleistungsausgleichs in Form einer Steuervergütung, die die Steuerfreistellung des Kinderexistenzminimums bei der Besteuerung der Eltern zum Ziel hat. Im Rahmen der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union ist die Gleichbehandlung der Person auch bei der sozialen Sicherheit zu beachten. Deshalb haben nach Europarecht Unionsbürgerinnen und -bürger, die in Deutschland arbeiten, einen Kindergeldanspruch nach dem Einkommensteuergesetz auch für die Kinder, die in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen. Das ist also eine sogenannte exportierbare Sozialleistung. Da die Lebenshaltungskosten aber in den Mitgliedsstaaten höchst unterschiedlich sind, steht die Höhe des ausgezahlten Kindergeldes unter Umständen in einem Missverhältnis zu den Lebenshaltungskosten und es kommt zu einer Überkompensation. Das war weder beabsichtigt, noch ist es als gerecht anzusehen.

Legt man als Maßstab für die Staffelung der Kindergeldbeträge die Verhältnisse in den Wohnsitzstaaten an, so kann ohne Weiteres die Ländergruppeneinteilung des Schreibens des Bundesministers für Finanzen vom 20. Oktober 2016 – das ist das Bundessteuerblatt 1, Seite 1.183 – eingesetzt werden. Da gibt es eine sehr schöne Tabelle, aus der man entnehmen kann, wie die einzelnen Länder eingruppiert werden.

Ich möchte mal einige beispielhaft nennen: Es gibt vier Gruppen, einmal in voller Höhe, das ist dann so wie in Deutschland. Es gibt den Dreiviertelsatz, den halben Satz und den Viertelsatz, je nachdem, wie hoch die Lebenshaltungskosten sind. Das ist also sehr einfach, nicht besonders schwer anzuwenden. Wir haben mit dem Dreiviertelsatz zum Beispiel Estland, Lettland und Litauen. Auch das sind betroffene Staaten für uns in Mecklenburg-Vorpommern. Mit dem halben Satz haben wir insbesondere Bulgarien, Polen und Rumänien. Da sind alle

Länder oder fast alle Länder dieser Welt enthalten. Es geht aber hier nur um die EU-Staaten.

Durch diese Indexierung wird das Kindergeld nicht mehr wie heute rein formal gleich gewährt, nämlich betragsmäßig, sondern es wird materiell gleich gewährt, wertmäßig immer in Bezug auf die Lebenshaltungskosten vor Ort. Jedes Kind wird so behandelt, als ob es in Deutschland lebt, und das Kindergeld wird lediglich dem tatsächlichen Bedarf aufgrund der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den verschiedenen Ländern angepasst.

Also in unseren Augen ist das eine äußerst gerechte Regelung, die dort vorgeschlagen wird, gleichzeitig sehr einfach, auch in der Umsetzung sehr einfach. Sie brauchen nämlich bei der Beantragung dieses Kindergeldes nur ein einziges Mal ein entsprechendes Kennzeichen einzusetzen, die Regionalgruppe, in der dieses Land zu verorten ist, und schon entsteht die richtige Bescheidsituation.

Nun zur speziellen Situation in Mecklenburg-Vorpommern. Wie Sie alle wissen, sind viele Arbeitskräfte aus Osteuropa, zum Beispiel auch aus Polen, in unserem Bundesland tätig, insbesondere zur Saisonarbeit in Landwirtschaft und Tourismus. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen in Polen beträgt derzeit circa. 1.000 Euro. Das deutsche Kindergeld für zwei Kinder in Höhe von 384 Euro monatlich beträgt also schon circa 50 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens in Polen. Dieser Betrag wirkt wie eine Aufstockung des Lohnes, wenn sich zum Beispiel polnische Arbeitnehmer für eine Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern entscheiden und nicht für eine Arbeitsstelle in Polen.

Natürlich wird dieser Betrag in der Gesamtkalkulation aus Arbeitnehmersicht dann auch berücksichtigt, aber leider auch aus der Sicht von einigen Arbeitgebern und von Arbeitsvermittlern. Auch eine eigentlich unterbezahlte Tätigkeit wird dann attraktiv, wenn eine aus Sicht des Arbeitnehmers überproportionale Kindergeldzahlung dazukommt. Abgesehen von allen Gerechtigkeitsüberlegungen, die schon generell ein Problem bei der formalen Gleichbehandlung der exportierten Sozialleistung mit der in Deutschland gewährten Sozialleistung darstellt, kommt also in Mecklenburg-Vorpommern mit seinem leider immer noch ausgeprägten Niedriglohnsektor eine Verzerrung durch staatliche Aufstockung hinzu, die so überhaupt nicht beabsichtigt war. Hierbei bitte ich Sie zu bedenken, dass der Kindergeldanspruch auch für sechs Monate rückwirkend geltend gemacht werden kann. Das ist eine Neuerung von 2018, bis vor Kurzem waren das sogar noch vier Jahre.

Wenn es uns allen also wirklich darum geht, das Lohnniveau in Mecklenburg-Vorpommern zu steigern, und zwar für alle gleichermaßen, dann darf keine Teilgruppe der Beschäftigten materiell durch eine Kindergeldüberkompensation begünstigt werden, die als Aufstockung wirkt und die Löhne tendenziell eher unter Druck hält.

Im Übrigen rechnet die bayerische Staatsregierung in ihrem Gesetzesvorschlag mit circa 160 Millionen Euro Mehreinnahmen durch die Kindergeldindexierung für Deutschland, also Einnahmen für Deutschland. Auch wenn auf Bundesebene deutlich höhere Beträge an der Tagesordnung sind, ist das doch ein beachtlicher Betrag, der anteilig der Landeskasse Mecklenburg-Vorpommern zugutekommt, wenn das dann wieder verrechnet wird mit

anderen Dingen, aber immerhin erhöht es erst mal unsere eigene Steuerkraft, was gut ist.

Bitte unterstützen Sie also den Antrag der bayerischen Staatsregierung im Bundesrat, damit er zügig umgesetzt werden kann! Häufig geht es ja bei uns auch darum, für bestimmte Themen Rückendeckung zu bekommen oder Rückenwind zu produzieren. Und ich bitte Sie heute darum, das aus dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern heraus in der Form zu machen, damit die Landesregierung im Bundesrat diesen Antrag möglichst schnell umsetzen kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Finanzminister Herr Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, meines Erachtens ist der Vortrag von Herrn Wildt fachlich überzeugend, gleichwohl man darauf hinweisen muss, dass es noch eine Reihe von Gedanken gibt, die getragen werden von einigen Personen, die noch europarechtliche Schwierigkeiten bei diesem Vorgehen sehen.

Sie wissen, dass Österreich sich bereits auf einen solchen Weg begeben hat und entsprechende Debatten bestehen. Daher würde ich empfehlen, den Antrag in den Finanzausschuss zu überweisen, um diese Fragen abschließend zu klären und dann hier diesen Antrag erneut im Plenum zu beraten. In der Sache habe ich allerdings nichts weiter auszuführen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Bernhard Wildt, BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Professor Dr. Weber.

Liebe Mitbürger aus Mecklenburg und Vorpommern! Wertes Präsidium! Werte Kollegen und liebe Gäste! Um es mal vorwegzunehmen: Wir werden dem Antrag der BMV zustimmen, weil damit ein wichtiger Punkt angesprochen worden ist, den es aus nationalem Interesse zu bereinigen gilt.

Ein paar Details möchte ich noch nachliefern, das haben fast alle in der Zeitung gelesen: 343 Millionen Euro hat unser Land im Jahr 2017 für Kindergeldbeträge von im Ausland lebenden Kindern von EU-Bürgern überwiesen. Und in der Tat, das sind verdeckte Einnahmen für all die Personen, die hier arbeiten, ihre Kinder zu Hause lassen und deren Lebenshaltungskosten in diesen Ländern deutlich geringer sind. Herr Wildt hatte schon ein paar Zahlen genannt.

Ich möchte das mal ausführen. Es geht insgesamt um 215.000 Kinder, für die Kindergeld bezahlt wird ins Aus

land. Davon sind allein 103.000 polnische Kinder. Der Lebenshaltungsindex in Polen beträgt 58 Prozent des hiesigen Lebenshaltungsindex. Da aber die gleiche Summe an Kindergeld bezahlt wird, heißt das, dass das fast das Doppelte an Lebens- oder Kaufwert ist, den ein polnisches Kind dort erhält. Die zweitgrößte Gruppe sind die Kroaten und die Rumänen mit Kindern, jeweils 17.000. Kroatien hat einen Lebenshaltungsindex von 68 Prozent der hiesigen Kostenspirale, Rumänien 56 Prozent. Also auch da sind wir bei zwei Dritteln oder nur der Hälfte der Kosten, die hier aufgewandt werden. Das sind nicht gewollte Lohnsteigerungen für diese Personen. Das ist keine Familienförderung mehr, das ist kein Kindergeld, das ist eine mittelbare Lohnsteigerung.

Die EU möchte mit dieser Regelung, über die wir hier reden, dass Kindergeld auch für Kinder bezahlt wird, deren Eltern hier arbeiten und die Kinder im Ausland verbleiben, sie möchte eine Gleichbehandlung herbeiführen. Was wir hier schaffen, ist keine Gleichbehandlung, sondern Ungleichheit. Und wenn man das bereinigt, dann ist das in der Tat ein Schritt in die richtige Richtung.

In der Begründung der BMV liest man, dass das Ganze eine europarechtskonforme Indexierung sein soll. Da möchte ich jetzt als Jurist mal einen kleinen Finger in die Wunde legen. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes sind diese Kindergeldzahlungen Sozialversicherungsleistungen, die nicht indexiert werden dürfen. Die Einstufung ist falsch, denn es handelt sich eben nicht um Sozialversicherungsleistungen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie durch Beiträge erkauft werden, sondern es sind allgemeine familienfördernde Sozialleistungen, denen keine individuellen Beiträge zugrunde liegen, und diese allgemeinen Sozialleistungen dürfen indiziert werden. Europarechtlich wird man das aber nur durchsetzen können, wenn man den EuGH davon überzeugt, dass seine Einstufung falsch ist. Trotzdem sollte man natürlich diesen Schritt gehen.

Und einen zweiten kleinen Wermutstropfen möchte ich auch noch mitgeben: Wenn man einen solchen Index befolgen möchte bei der Zahlung, dann muss man auch zugrunde legen, dass es Länder gibt, bei denen die Lebenshaltungskosten deutlich höher sind. Tabellenführer ist da Irland mit 24 Prozent höheren Lebenshaltungskosten, dann kommt Finnland mit 20,6, Großbritannien mit 20,3 und dann wird es weniger. Schweden hat 7,9, Österreich 8,7 Prozent höhere Lebenshaltungskosten. Wenn man also indexiert, muss man auch gegebenenfalls den dort lebenden Kindern einen entsprechend höheren Zuschlag bezahlen. Das würde sich finanziell allerdings kaum auswirken, weil es so gut wie keine Kindergeldzahlungen an Eltern dieser Kinder gibt. Kleine Ausnahme ist Österreich, da gibt es hin und wieder solche Zahlungen, aber die Masse sind in der Tat Zahlungen, die an polnische, rumänische und kroatische Kinder gehen.

Insgesamt – das hatte Herr Wildt gesagt – würde das, Herr Wildt, natürlich keine Einnahmen, sondern verminderte Ausgaben für unser Land von 160 Millionen bei 343, also knapp die Hälfte Einsparungen erbringen. Sie als Haushaltsfachmann sollten den Unterschied zwischen Einnahmen und ersparten Ausgaben eigentlich kennen.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Insgesamt also ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Sie hatten selbst gesagt, die Bayern gehen diesen Weg

und wollen das im Bundesrat einbringen. Ich darf ergänzen, am Dienstag hat das Kabinett der Republik Österreich beschlossen, eine solche Indexierung der Kindergeldzahlungen für im Ausland lebende Kinder von in Österreich arbeitenden EU-Ausländern umzusetzen, sodass erwartungsgemäß ein entsprechendes Rügeverfahren der EU bevorstehen dürfte und die rechtliche Frage – ich hatte das schon gesagt, ob es sich um Sozialversicherungsbeiträge oder allgemeine Sozialleistungen handelt – wohl geklärt werden wird, und dann im richtigen Sinn, das sind allgemeine Sozialleistungen.

Dementsprechend sollten wir dieses Geld sparen. Gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern sind die Kindergeldzahlungen an polnische Arbeitnehmer, die ihre Kinder in Polen belassen, sehr relevant. Das ist eine erhebliche Summe, die das betrifft, und dementsprechend ist es auch im besonderen Interesse unseres Landes, sich dafür einzusetzen. Wir werden dem Antrag deshalb zustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Eifler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der BMV zielt auf die Unterstützung des Landes MecklenburgVorpommern für den Antrag des Freistaates Bayern im Bundesrat, bei dem es um die Indexierung des Kindergeldes für im EU-Ausland lebende Kinder geht.

Herr Wildt, Sie haben das zum Thema ausführlich vorgetragen. Es ist aber ein sehr komplexes Thema. Die Kinderzahlung für im EU-Ausland lebende Kinder ist vielschichtig und, ich sage mal, sehr hochgradig komplex. Nach Auffassung der CDU-Fraktion ist es daher nicht angebracht, auf die Schnelle einen Beschluss zu fassen, mit dem sich Mecklenburg-Vorpommern dem vom Freistaat Bayern in den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Kindergeldrechts anschließen würde.

An der Stelle möchte ich den Vorschlag aufgreifen, der von Minister Brodkorb ausgesprochen worden ist, da es ein sehr komplexes Thema ist, bei dem man nicht einfach ablehnen oder zustimmen sollte, nicht den Antrag zu stellen, sondern das dem Finanzausschuss zur weiteren Beratung zu überweisen,

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

um genau die komplexen Sichtweisen noch einmal zu erörtern, welche Folgen sowohl eine Änderung als auch eine Indexierung des Kindergeldrechtes hat.

Es gibt eine klare europäische Rechtslage, bei allen Argumenten, die hier vorgetragen worden sind, dass es möglicherweise zu einer Ausgabenminderung kommen würde und round about 320 Millionen, die jetzt für im EUAusland lebende Kinder gezahlt werden, eingespart werden können. Ich glaube, das ist viel zu kurz gedacht, weil nämlich ganz konkret …