Von mir aus auch gerne geschlechterdifferenziert sollte man beachten, dass viele alleinerziehende Frauen nicht deswegen alleinerziehend sind, weil sich die Väter aus der Verantwortung stehlen …
… und ihre Frauen alleinelassen, was natürlich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt reduziert, sondern weil es die Gesetzgebung den Männern bei Weitem nicht einfach macht, das Sorgerecht übernehmen zu können, wenn die Frau sich dagegen wehrt. Eine Neuregelung und Verbesserung für beide Seiten in diesem Bereich wäre durchaus sinnvoll, alleine schon aus Fragen der Gleichheit.
Um in Erinnerung zu rufen, Ursachen der Armut: Viele Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor bedeutet gleich Armut im Alter.
Befristete Zeitarbeitsverträge bedeutet, Eigentum zu schaffen – unmöglich, Familien gründen – sehr schwierig, Kindern eine gute Schulausbildung zu ermöglichen – ohne staatliche Hilfe kaum möglich. Das bedeutet für die Kinder eine Armutsfalle. Völlig überteuerte Mieten, Rostock darf da gerne mal als Beispiel dienen,
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und AfD – Zuruf von Torsten Renz, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)
fehlender sozialer Wohnungsbau – man könnte die Aufzählung der gravierenden Ausmaße der Armut noch endlos weiterführen,
Das Thema Sparen klingt in diesem Zusammenhang für den Arbeitnehmer sicher mehr als utopisch und lebensfremd.
Habe ich eine Arbeit und ich muss pendeln, viele Kilometer fahren, dann stehe ich vor organisatorischen und finanziellen Herausforderungen wie notwendige Kinderbetreuung. Ich brauche ein Auto, denn die Verbindung, sprich, die Infrastruktur, ist nicht gerade optimal. Mein Auto muss ich finanzieren. Barmittel hat kaum ein Arbeitnehmer. Um das Auto zu finanzieren, mache ich Schulden. Die Kita muss ich bezahlen und so weiter – ein ewiger Kreislauf bis zu meiner Rente. Da bekomme ich dann den nächsten Schlag. Ich liege unter der Armutsgrenze. Ich denke an das Ende und frage mich: Wie bezahle ich meine letzte Ruhestätte?
Ach ja, es gibt noch das Sozialbegräbnis. Der Staat, dein Freund und Helfer. Sie sehen, die Ursachen sind bekannt, da bedarf es keiner langwierigen Untersuchungen.
Oh, Entschuldigung, erst ist Herr Heydorn noch dran für die SPD. Jetzt hätte ich bald einen Fehler gemacht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin gebeten worden, das hier nicht so ausufern zu lassen.
(Beifall Patrick Dahlemann, SPD – Torsten Renz, CDU: Aber nicht von uns! – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)
Frau Kollegin Weißig, ich stimme mit Ihnen überein, dass es durchaus das eine oder andere Problem gibt, dass das Thema Renten sich so entwickelt, dass man künftig darüber wird reden müssen, dass der soziale Wohnungsbau sicherlich an der einen oder anderen Stelle ein Thema ist. Aber sich hier vorne hinzustellen und das aufzuzählen, ist das eine, man muss dann auch irgendwann mal sagen, was man machen will.
Wir machen da eine ganze Menge. Wenn Sie sich mal angucken, was das Land beispielsweise beim Thema „Soziale Wohnraumförderung“ macht, Nachrüstung von Fahrstühlen und so weiter und so fort. Da passiert eine ganze Menge. Wenn Sie sich ansehen, was die Große Koalition auf der Bundesebene für Dinge zur Verfügung stellen will, da kann man schon was tun. Auch bei der Rentengesetzgebung ist es so, dass das Thema Altersarmut mit angegangen werden wird. Insofern das jetzt so zu beschreiben, als wenn wir kurz vor dem Untergang sind, das halte ich für ein bisschen schwierig.
Ja, meine Damen und Herren, das Thema Armutsberichterstattung beschäftigt uns in regelmäßigen Abständen. Es hat am 09.04.2015, also in der letzten Legislaturperiode, schon mal einen Antrag der LINKEN dazu gegeben. Da wurde vermeldet, die Entwicklung sei dramatisch. Der Armutsatlas des Paritätischen Wohlfahrtverbandes ist damals rausgekommen und zeigte besorgniserregende Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland auf, und wir sollten jetzt durch eine entsprechende Armutsberichterstattung entsprechend handeln. Wir wurden damals aufgefordert, einen Armutsbericht zu machen, der die Bereiche Arbeit, Bildung, Familie, Kinder und Jugendliche, Soziales, Gesundheit und Mobilität betrifft. Ich kenne ein paar solcher Sozialberichte. Wenn Sie diese Themen abarbeiten wollen, haben Sie einen Bericht von ein paar Tausend Seiten, der in der Regel in der Schublade verschwinden wird.
Man muss sich die Frage stellen, bei der Situation, die wir haben: Was hilft denn da Armutsberichterstattung? Wenn man sich die Fakten in Mecklenburg-Vorpommern anguckt, dann muss man sagen, die Armutsquote in Mecklenburg-Vorpommern geht zurück. Wenn Sie die EU-Definition zugrunde legen, die 60 Prozent des bedarfsgewichteten Medianeinkommens zugrunde legt, dann ist es in Mecklenburg-Vorpommern besser gewor
den. Ich sage aber an dieser Stelle, dass diese Betrachtungsweise von Armut auch nicht ganz ohne Defizite ist, denn, wenn man die zugrunde legt, ist in einem Land in der Europäischen Union die Armut besonders zurückgegangen, nämlich in Griechenland. Wenn Einkommen zusammenfallen, dann, das ist klar, gibt es immer weniger Arme. Wenn Sie auf der anderen Seite eine andere Vermögens- und Einkommensverteilung haben, wird der Anteil der Armen größer, auch wenn am unteren Ende ausreichend Geld zur Verfügung steht. Deswegen: Wenn hier von Armutsberichterstattung die Rede ist, dann muss man erst mal sagen, welche Form von Armutsberichterstattung will man haben. Auch dazu ist in der Anhörung etwas gesagt worden.
Das Thema „Armutsquote geht zurück“: Wenn man sich die Situation am Arbeitsmarkt bei uns in MecklenburgVorpommern anguckt, muss man sagen, entgegen dieses Drohszenarios, was uns 2015 aufgezeigt worden ist, geht auch die Langzeitarbeitslosigkeit bei uns in Mecklenburg-Vorpommern zurück. Sie ist rückläufig. Ich finde, wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, da weiterzumachen und die Instrumente zu nutzen und zu schärfen, die uns zur Verfügung stehen, auch durch die Vereinbarungen, die auf der Bundesebene getroffen worden sind zum Thema „Soziale Arbeit“, und dann schauen wir mal ein paar Jahre weiter. Ich sage, wenn Sie mit dem nächsten Antrag in drei Jahren kommen, werden wir hier eine Situation haben, dass Arbeitslosigkeit noch weniger eine Rolle spielt. Dann sind wir wahrscheinlich in der Situation und diskutieren hier im Landtag die Frage, wo kriegen wir die notwendigen Fachkräfte her. So wird sich das meines Erachtens politisch verschieben.
Aber ich will eines noch zum Besten geben: Herr Koplin, Sie haben diese Expertenanhörung erwähnt. Irgendwie hat es mich schon überrascht. Als ich in den Saal kam, sah ich den Referenten der Linksfraktion, der diese Themen bearbeitet, als Experten in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Arbeitslosenverbandes da sitzen.
(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das war ein Experte. Das war fundiert vorgetragen, da dürfen Sie keine Zweifel haben.)
Wissen Sie, dann müssen Sie es mir nicht übelnehmen, dass ich mir an drei Fingern abzählen kann, was ich von diesem Experten zu erwarten habe. Insofern fand ich es ein bisschen ungewöhnlich,
(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir entscheiden noch immer selber über unsere Experten. Oder soll ich Sie vorher noch fragen, wen ich entsenden darf? So weit kommt es noch!)
Aber jetzt ist es so weit. Jetzt bekommt für die Fraktion DIE LINKE das Wort der Abgeordnete Koplin.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gern auf einige Wortbeiträge eingehen und beginne mit den Ausführungen von Herrn Heydorn.
Herr Heydorn, die Ausschussvorsitzenden, andere werden das sicherlich bestätigen können, bekommen dankenswerterweise immer einen Sprechzettel vor Anhörungen, um unsere Gäste noch mal auf Regularien hinzuweisen. In dem Vorspann, immer wenn eine öffentliche Anhörung beginnt, weisen wir darauf hin, dass es das Interesse des Ausschusses ist, verschiedene Sichtweisen und verschiedene Interessenvertretungen wahrzunehmen aus dem Kreis der Expertinnen und Experten.
Es gehört zur Demokratie, Herr Heydorn, dass wir unterschiedliche Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter zum Vortragen haben. Das ist doch unser Ansinnen, dass wir das breite Spektrum der Meinungen, der Erkenntnisse zur Kenntnis nehmen und nicht tendenziös nur eine Seite. Das ist gegeben gewesen in dieser Anhörung am 29. November.
Ich halte es auch für eine demokratische Tugend dieses Landtages, dass wir immer und immer wieder darüber Auskunft bekommen, was die Expertinnen und Experten an Erkenntnissen gewonnen haben, was sie uns empfehlen, und zwar in der Unterschiedlichkeit der Ansichten. Keine Frage, unser geschätzter Mitarbeiter Jörg Böhm ist als Vorsitzender des Arbeitslosenverbandes ein Experte. Nehmen Sie das zur Kenntnis!