Protocol of the Session on April 25, 2018

Die Frage ist: Können Sie sich erinnern, wann Sie hier im Hause auch nur einem einzigen Antrag der Fraktion der AfD zugestimmt haben, dass der in die Ausschüsse überwiesen wird, einem einzigen?

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Auch das gehört, glaube ich, zum Umgang hier im Haus, Herr Professor Weber.

(Beifall Christel Weißig, BMV)

Sehr geehrter Herr Professor Weber, ich kann es Ihnen an dieser Stelle schon erklären: Wir werden in der heutigen Landtagssitzung Ihren Gesetzentwurf zum Thema Straßenbaubeiträge in die Ausschussberatung überweisen.

(Martina Tegtmeier, SPD: Na, das überlege ich mir noch mal!)

Ist Ihnen das Antwort genug an dieser Stelle?

Ich hatte zwar für die Vergangenheit gesprochen …

Einen …

Ich spreche jetzt über die Gegenwart.

Einen Moment, meine beiden sehr geehrten Abgeordneten!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Also, es ist eine Frage erlaubt und eine Antwort ist erlaubt. Diese Antwort ist nicht zu kommentieren und man sollte auch keine rhetorische Frage in den Raum stellen,

die eine Antwort geradezu erheischt, wenn die Antwort nicht erlaubt ist. Jetzt können wir über das Prozedere reden, aber Herr Professor Dr. Weber signalisiert mir einen zweiten Fragewunsch.

Gestatten Sie eine zweite Anfrage des Abgeordneten Professor Dr. Weber?

Wenn Herr Professor Dr. Weber vielleicht in Zukunft auch Frau Präsidentin als Frau Präsidentin anredet, gerne.

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Also Frau Präsi…

Einen Moment! Einen Moment!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich will solche Diskussionen hier nicht führen. Ich meine, jetzt haben Sie eine Brücke gebaut, Herr Schulte, und ich will das heute auch nicht weiter eskalieren lassen. Von daher, ja, Sie lassen also eine zweite Zwischenfrage zu?!

Kollegialerweise.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Professor Dr. Weber, stellen Sie Ihre Frage!

Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass man auch in der SPD jeden Tag klüger wird und dass Sie der Überweisung von einem Antrag von uns zustimmen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die Frage war aber in die Vergangenheit gerichtet: Können Sie sich an einen einzigen Antrag erinnern, bei dem Sie davor der Überweisung der Anträge von der AfD zugestimmt haben?

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

Herr Professor Weber, ich kann mich an keinen Antrag der Fraktion der AfD erinnern, der es wert gewesen wäre, überwiesen zu werden.

(Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Torsten Renz, CDU: Sehr gut!)

Aber, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich doch bitte jetzt auf den vorliegenden Gesetzentwurf kommen und noch mal kurz deutlich machen, was eigentlich unserer Fraktion wichtig ist. Ich habe eben schon versucht, bevor die Zwischenfragen gestellt worden sind, es an der einen Stelle deutlich zu machen: Das ist tatsächlich eine verbindliche Vorgabe an die Kommunen in unserem Land, in Zukunft im Rahmen des Landesvergabegesetzes diesen Mindestlohn anzuwenden. Ich glaube, das ist auch viel Rechtssicherheit für die Kommunen. Dass es eine Regelung gibt, sofern Mehrkosten für die Kommunen entstehen sollten, entstehen könnten, hat der Minister bei seiner Einführung schon deutlich gemacht.

Der zweite Punkt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auf den ich an dieser Stelle, auch wenn er vielleicht bei dem einen oder anderen schon das Gefühl erweckt, dass er über die letzten Monate rauf- und runtergenudelt worden ist, noch mal kommen will, ist die Höhe des Vergabemindestlohnes, der in diesem Gesetz geregelt wird. Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist etwas Zweites, was Ihnen vielleicht bisher gar nicht so aufgefallen ist, was aber aus Sicht meiner Fraktion durchaus von Relevanz für die Zukunft ist.

Wir haben – und das ist der erste Punkt – einen gesetzlichen Mindestlohn in diesem Land mit 9,54 Euro. Ich weiß, dass die Kollegen der Fraktion DIE LINKE auf dem Standpunkt stehen, das ist immer noch nicht genug, aber da lassen Sie mich bitte mal auf eine neue, absolut neue, gerade erst, wenn ich das richtig im Kopf habe, am letzten Montag veröffentlichte Studie der Hans-Böckler-Stiftung verweisen. Die Hans-Böckler-Stiftung ist ja nun gewerkschaftsnah und nicht unbedingt im Verdacht,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

dass sie Zahlen verarbeiten würde, die vielleicht aus Sicht der Beschäftigten nicht interessengerecht sind. In dieser Studie der Hans-Böckler-Stiftung wird klipp und klar gesagt und deutlich gemacht, dass zumindest in 15 von 20 untersuchten Großstädten – die, die nicht darunter gefallen sind, sind Städte wie München, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, wir reden also nicht von einem ländlich geprägten Raum wie Mecklenburg-Vorpommern –, in 15 von 20 bundesdeutschen Großstädten ein Mindestlohn von 9,50 Euro zumindest existenzsichernd ist. Das muss man an dieser Stelle auch mal deutlich sagen, weil immer wieder die Höhe dieses Mindestlohns diskutiert wird. Wir liegen heute, an diesem Tag der Ersten Lesung, wenn auch nur mit einigen Cents über diesem von der Hans-Böckler-Stiftung als zumindest ausreichenden – ich will es ganz vorsichtig formulieren –, nicht auskömmlich in dem Sinne, dass man davon gut leben kann, aber ausreichenden Mindestlohn.

Wir haben heute – und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist auch wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger als die Höhe des tatsächlichen Mindestlohns –, wir haben eine klare Regelung in diesem Gesetzentwurf, was die weitere Entwicklung dieses Vergabemindestlohns angeht. Damit haben wir eine Regelung getroffen, die explizit anders Anwendung findet als zum Beispiel die Regelung, wie sie auf Bundesebene ist. Wir haben eine Regelung gefunden, wo die Steigerung des gesetzlichen Mindestlohns in Mecklenburg-Vorpommern bei den öffentlichen Vergaben eben nicht an irgendeine Kommission und deren Entscheidung gebunden ist, sondern an die Tariflohnentwicklung gekoppelt ist. Das bedeutet, dass wir heute schon wissen, dass im Oktober dieses Jahres dieser Mindestlohn die nächste Steigerung erfahren wird, und er wird im kommenden Jahr weiter steigen. Das ist, glaube ich, das wichtigste Signal an die Beschäftigten, die in diesem Bereich tatsächlich noch arbeiten.

Und, Herr Kollege Foerster, Sie haben hier lang und breit über die Höhe des Mindestlohns und die Auswirkungen vor dem Hintergrund des Anwendungsbereichs bei Bauleistungen gesprochen. Ich weiß, dass man in parlamentarischen Debatten häufig gerne verkürzt, das tue ich auch, aber gestatten Sie mir an der Stelle eine Anmerkung, von der ich sicher bin, dass Sie das eigentlich wissen. Wenn wir über Bauleistungen reden, dann reden

wir im Regelfall sowieso nicht über einen Landesvergabemindestlohn, sondern wir reden über die Tatsache, dass wir im Baugewerbe über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung einen Bau-Mindestlohn 1 und 2 haben. Der Mindestlohn in diesem Bereich, der von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt und dann für allgemeinverbindlich erklärt wird, liegt ohnehin schon deutlich bei 11,30 Euro beziehungsweise 14,70 Euro. Da muss man bei der Wahrheit bleiben. Ich kann es verstehen, es liegt ja nahe, vielleicht mal so einen mitgeben zu wollen, aber an der Stelle hat das offensichtlich nicht funktioniert.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will das damit für heute beenden. Ich bin gespannt, da bin ich ganz ehrlich, auf die Debatten. Es gibt den einen oder anderen Punkt, auch in Ihrem Gesetzentwurf, den ich durchaus diskussionswert finde. Ob der nachher bei den Positionen der Koalitionsfraktionen möglicherweise eine Übernahme findet, das kann ich heute nicht beurteilen, das wird sicherlich auch die Frage der Anhörung in den Ausschüssen ergeben. Aber ich will zurückblickend auf die Vergangenheit schauen: Es hat eigentlich immer vernünftige Diskussionen in diesem Bereich zwischen den Fraktionen hier im Landtag gegeben und ich freue mich in dem Zusammenhang und in dem Sinne auf spannende Debatten und Anhörungen zu diesen beiden Gesetzentwürfen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Obereiner.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wesentlicher Bestandteil beider Gesetzentwürfe ist die Etablierung eines vergabespezifischen Mindestlohns oberhalb der Ebene des ohnehin geltenden gesetzlichen Mindestlohns. Der Antrag der Landesregierung formuliert, das Ziel sei eine nachhaltige Verbesserung der Einkommenssituation von Arbeitnehmern, der Antrag der LINKEN zielt darauf ab, dass langjährig Beschäftigte eine Nettorente oberhalb des Grundsicherungsniveaus erhalten.

Jetzt habe ich mir mal die Mühe gemacht und habe mir das angeguckt. Der gesetzliche Mindestlohn liegt bei 8,84 Euro. Im Entwurf der Landesregierung ist die Rede von 9,54 Euro, mithin 70 Cent mehr. Das bedeutet eine Lohnkostensteigerung von 84 Cent je Stunde auf der Arbeitgeberseite. Wenn man sich das jetzt mal anschaut: Wie verteilt sich das bei einem Arbeitnehmer mit der Steuerklasse 1? Von diesen 84 Cent Lohnkostensteigerung landet nicht einmal die Hälfte in der Tasche des Arbeitnehmers: 38 Cent. 46 Cent gehen sofort wieder zum Staat. Bei dem Mindestlohn der LINKEN von 11,68 Euro ist es genauso: Lohnkostensteigerung 3,39 Euro. Dem Arbeitnehmer verbleiben 1,58 Euro, in die Staatskasse fließen 1,81, in die Steuer- und in die Sozialversicherungskassen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Da stellt sich natürlich die Frage, ob man das honorige Ziel einer Verbesserung der Einkommenssituation von Arbeitnehmern nicht besser auf dem Wege erreicht, dass man gezielt die Steuern für Geringverdiener senkt. Dann bräuchte man dieses Gesetz nicht und hätte einen vergleichbaren Effekt. Außerdem schaffen wir durch dieses Gesetz zwei Klassen von Arbeitnehmern: einmal die, die

für öffentliche Auftraggeber arbeiten, und die anderen, bei denen das nicht der Fall ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dann hat der Minister in seiner Einbringung davon gesprochen, dass auch Werkvertragsverhältnisse in dieses Gesetz hereingenommen werden sollen, was auch Sinn macht. Ich habe nur Zweifel, ob das tatsächlich gelingt, ansonsten haben wir einfach nur einen Verdrängungseffekt, wie es praktisch auf allen deutschen Großbaustellen zu sehen ist, wo dann nicht mehr Arbeitnehmer beschäftigt werden, die sozialversicherungspflichte Verhältnisse haben, sondern wo Ein-Personen-Unternehmen tätig werden. Und da wird es dann schwierig, da greift Ihr Gesetzentwurf meines Erachtens nicht. Daher sehen wir das skeptisch, wenngleich wir das Ziel gutheißen. Wir werden sehen, was die Anhörungen in den Ausschüssen bringen. – Danke sehr.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin! Liebe Gäste und Mitbürger! Die Fraktion der Bürger für Mecklenburg-Vorpommern lehnt beide vorliegenden Gesetzentwürfe ab. Wie bereits im Rahmen einer Aktuellen Stunde zu diesem Thema klargestellt, möchte auch die BMV, dass die Erwerbstätigen in unserem Land ein höheres Einkommen erzielen. Das Ziel steht also für uns außer Frage, strittig ist allein der Weg, wie wir dieses Ziel erreichen können.

Ich weiß, dass insbesondere Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, das Ziel der höheren Löhne im Vergabegesetz ein wichtiges Anliegen ist. Wenn es Ihnen darum geht, ein klares Signal an die Unternehmen und die Beschäftigten im Land zu senden und auch an auswärtige Investoren, dass niemand, der für die öffentliche Hand direkt oder indirekt arbeitet, weniger Geld erhalten soll als 9,54 Euro pro Stunde, dann können wir diese Botschaft mittragen, die letztlich lautet, wir wollen keine Karriere als Billiglohnland machen.

Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter nicht anständig bezahlen wollen, können nicht auf unsere Unterstützung hoffen. Und wer sie nachhaltig nicht bezahlen kann, ist einfach nicht wettbewerbsfähig, zumal ja der öffentliche Auftraggeber bereit ist, entsprechende Angebotspreise zu akzeptieren. Die Beschäftigten müssen von ihrem Einkommen vernünftig leben können und sie sollen bessergestellt sein als die Menschen, die von Arbeitslosengeld II leben müssen. Wenn dieses klare Signal aber damit verbunden wird, eine gewaltige Bürokratie in Gang zu setzen, die nicht nur die Auftraggeber, sondern vor allem die Auftragnehmer massiv belastet, dann können wir diesem Vorhaben leider nicht zustimmen.