Protocol of the Session on March 15, 2018

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin ja hocherfreut, nämlich hocherfreut darüber, dass es jetzt kein Teufelszeug mehr ist, das Land aufzufordern, als Netzwerker oder als Moderator in Prozessen aufzutreten, die also auch andere Zuständigkeiten betreffen. Das freut mich zunächst einmal sehr.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Kommt darauf an, wer das fordert.)

Ja, sicher, denn solange ich das gefordert habe, war das immer überhaupt gar nicht in den Bereich der Möglichkeiten gerückt worden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Herr Kollege Schulte, Sie haben völlig recht, es gibt nicht das eine Angebot für alle, aber dass der öffentliche Verkehr unzureichend ist und dass da dringend was getan werden muss und die Forderungen danach allgegenwärtig sind, das ist auch Ihnen nicht verborgen geblieben.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Nach dem Modellvorhaben zum Mopedführerschein mit 15 soll nun nachbarschaftliche Hilfe als Ergänzung zum ÖPNV organisiert werden. Wir fragen uns nur: Welcher ÖPNV? In weiten Teilen des Landes – wir haben es auch vom Minister gehört – gibt es doch außer Schülerverkehr kaum noch öffentlichen Verkehr.

Natürlich kann man sich nebenbei um die Rahmenbedingungen kümmern, wie Mitfahrten in Privat- oder Dienstleistungsfahrzeugen abgesichert werden können. Der Minister hat es schon gesagt, da gibt es dann auch noch ganz andere Fragen, die zu klären sind – Fragen der Versicherung, Aufwandsentschädigung, der Organisation, auch des Datenschutzes sind solche Fragen, die dabei beachtet werden müssen. Aber das alles ist nicht neu, die Erkenntnis ist zumindest nicht neu, denn das war schon das Ergebnis der Enquetekommission. Wir hätten da also schon länger etwas tun können, anstatt die gleichen Fragen immer noch einmal aufzuwerfen. Wie immer haben wir auch in dem Fall kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Meine Fraktion kann sich für Ihren Antrag nur wenig erwärmen angesichts der aktuellen Herausforderungen, die wir im ländlichen Raum haben.

Ich mache jetzt mal was, was in einer Veranstaltung anlässlich eines Parlamentarischen Abends auch gemacht wurde, damals von den Kollegen der CDU. Stellen Sie sich mal eine 85-jährige Oma vor. Sie schaut mit dem Smartphone auf eine digitale Plattform und sieht, dass ein Paketdienst beim Nachbarn das Onlinepaket abliefert. Mit dem könnte sie dann gleich mit in die nächste Stadt fahren, vorausgesetzt, der Rollator passt ins Auto. Mit dem Pflegedienst, der auf dem Rückweg zu ihrer Freundin kommt, kann sie wieder mitfahren, allerdings fährt der erst abends und hält auch bei vielen anderen Pflegebedürftigen. Es wird also ein langer Ausflug. Bitte entschuldigen Sie meinen Sarkasmus, aber das ist ja nicht die Lösung, was Sie hier anbieten, für das Mobilitätsbedürfnis im ländlichen Raum.

Oder nehmen wir eine langzeitarbeitslose Frau aus einem Ortsteil eines Dorfes, egal wo in MecklenburgVorpommern, im ländlichsten Raum, die zum Jobcenter

muss. Dort hat sie einen Termin innerhalb der Ferien, da fährt kein Schülerverkehr. Ein Smartphone kann sie sich nicht leisten. Auch Internet kann sie sich nicht leisten. Das wäre aber auch unsinnig, denn ohnehin dauert es Minuten, ehe sich eine Seite aufgebaut hat.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Linksfraktion stellt überhaupt nicht in Abrede, dass es im digitalen Zeitalter möglich sein muss, in Echtzeit Informationen abzurufen, Tickets zu buchen und auch Mitnahmeverkehre zu nutzen, um von A nach B zu kommen. Übrigens gibt es dafür – das hat der Vortrag des Ministers hier schon gezeigt – bereits Projekte in einigen Kreisen, wie zum Beispiel auch in Vorpommern-Greifswald das Projekt ILSE.

Und die Anmerkung kann ich mir dann doch nicht verkneifen: Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie sich gerade Kollegen der CDU anlässlich des Parlamentarischen Abends zu eben diesen Fragen über ähnliche Vorschläge von Professor Onnen-Weber ziemlich lustig gemacht haben.

Ja, es ist so, die Voraussetzungen sind noch nicht flächendeckend vorhanden, die digitalen Voraussetzungen, gerade in den ländlichen Räumen. Die Breitbandversorgung ist noch unzureichend. Und es gibt auch Menschen, bei denen fehlt es schlichtweg an der Kompetenz, mit den technischen Möglichkeiten umzugehen. Das wird in wenigen Jahren anders sein. Wer heute selbstverständlich neue Medien nutzt, wird das auch später im Alter tun. Die wirklich brennenden Probleme müssen wir heute wirklich angehen, in der Wirklichkeit. Aber ganz ohne Geld, das ist meine feste Überzeugung, wird sich das nicht bewegen lassen. Und, meine Damen und Herrn von SPD und CDU, auch daran werden Sie sich messen lassen müssen, wie wichtig Ihnen dieses Thema „öffentlicher Verkehr und ländliche Räume“ tatsächlich ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zwei Themen ansprechen, die wirklich als Mobilitätsalternativen in ländlichen Räumen geeignet wären. Das erste wäre ein Schüler-Freizeit-Ticket und das zweite die Ausweitung des Rufbusangebots. Beide Themen spielen in der öffentlichen Wahrnehmung eine wichtige Rolle. Deren Umsetzung könnte den ÖPNV vor allem in ländlichen Räumen kurzfristig verbessern. Mehrere Landkreise haben entweder ein Schüler-Freizeit-Ticket bereits eingeführt beziehungsweise sind dabei, es zu planen.

Beispielsweise gibt es im Landkreis Ludwigslust-Parchim seit Jahresbeginn ein Schüler-Freizeit-Ticket an Schultagen von Montag bis Freitag ab 14.00 Uhr sowie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen und in den Schulferien ganztägig. Es berechtigt zu beliebig vielen Fahrten auf allen Linien im Tarifgebiet der Verkehrsgesellschaft Ludwigslust-Parchim. Es kostet 10 Euro monatlich und ist als Jahresabonnement zu bekommen. In Nordwestmecklenburg gelten seit Februar Schülertickets auch außerhalb der Schulzeiten und an den Wochenenden. Wer kein Schülerticket besitzt, da er nicht mit dem Bus zur Schule fährt, kann für 120 Euro ein ermäßigtes Jahresticket kaufen für den ÖPNV in Nordwestmecklenburg. Rostock will zumindest die Fahrpreise für Schülerkarten senken, bevor endlich der kostenfreie Schulverkehr wirksam wird.

Diese Initiativen sind hervorragend, aber eben auf den jeweiligen Landkreis beziehungsweise die Stadt beschränkt. Spätestens jetzt – und das haben Sie ja offensichtlich getan – müssen SPD und CDU dazu kommen,

dass wir da anknüpfen und das miteinander vernetzen müssen. Das Land könnte auch noch eine Schippe draufpacken und für Schülerinnen und Schüler sowie für Auszubildende ein landesweit gültiges Schülerticket einführen. Das sollte für den Regionalbahnverkehr und für Busse gelten. Würden Auszubildende gleich mitversorgt, wäre das leidige Thema der langen Wege zur Berufsschule auf eigene Kosten endlich erledigt und vom Tisch. Das wäre doch ein riesiger Schritt auf dem Weg zum kostenfreien Nahverkehr. Ob Bahn und Bus, die ohnehin fahren, mehr Gäste mitnehmen oder weniger, sollte doch egal sein, und wenn der Bedarf steigt, würde es sich sicher auch lohnen, mehr Busse einzusetzen.

Als Zweites möchte ich etwas zum Rufbusangebot sagen. Im Landkreis Ludwigslust-Parchim wird das Modellvorhaben Rufbus demnächst auf den gesamten Landkreis ausgeweitet. Bisher hat sich das Projekt im Westteil des Landes sehr gut entwickelt und längst wird über die Kreisgrenze hinaus verhandelt. In Nordwestmecklenburg gibt es den Rufbus auch, aber bisher nicht sehr erfolgreich. Auch der Landkreis Rostock probiert das. In Loitz, Landkreis Vorpommern-Greifswald, ist vor zwei Monaten das Modellvorhaben ILSE gestartet worden, auch ein Rufbussystem, gekoppelt an die Rettungsleitstelle. Vor gut einer Woche hat der Landkreistag sich dazu bekannt, das Rufbussystem auszudehnen. Ziel ist es, jedes Dorf im Ein- bis Zweistundentakt an den öffentlichen Nahverkehr anzubinden. Auch hier sehen wir die Landesregierung klar in der Pflicht, diese Initiative tatkräftig zu unterstützen.

Ihr Antrag ist lediglich ein Prüfauftrag, noch dazu nicht besonders schön formuliert. Er bringt uns nicht so richtig vorwärts, erst recht nicht mehr Mobilität. Über das Ergebnis der Prüfung soll in einem Jahr im Fachausschuss berichtet werden. Von Umsetzung steht da drin überhaupt nichts. Einem solchen Antrag kann die Linksfraktion nicht zustimmen. Wir werden ihn aber nicht ablehnen, sondern uns der Stimme enthalten, weil ich zumindest in den Ausführungen des Ministers einige neue diskussionswürdige Anregungen gefunden habe. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Borschke.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Ich stelle fest, wir alle haben wohl die sich aus diesem Antrag und aus der Prüfung ergebenden Probleme erkannt. Frau Dr. Schwenke hat hier schon einige Beispiele dargelegt.

Ich möchte zu Beginn mal aus Ihrem Antrag zitieren, und zwar gleich von vorne: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, für die Sicherung von Mobilität im ländlichen Raum Möglichkeiten zu prüfen und Ideen zu entwickeln, wie Mobilität auf Basis nachbarschaftlicher Hilfe im Nahbereich als Ergänzung zum ÖPNV organisiert werden kann.“ Weiterhin heißt es: „Zudem wäre die Frage zu klären, ob und wie Anreize zur Mitnahme Dritter mit dem privaten Kraftfahrzeug geschaffen werden können. Weitere Fragen wären, inwiefern Dienstfahrzeuge, bspw. von Pflegediensten, in ein solches System integrierbar wären …“

Meine Damen und Herren, ich weiß, Sie wollen hier erst mal nur prüfen. Ich weise aber auch auf die Probleme

und die Folgen hin, die sich daraus ergeben. Das grundlegende Problem ist ja die Entvölkerung des ländlichen Raumes. Ihr Antrag löst aber kein Problem. Geringe Bevölkerungsdichte und weite Räume sorgen für hohe Kosten auch im ÖPNV. Mobilität wird zum Luxus. Sie erreichen hiermit doch keine Rentner! Die sind weiterhin auf Taxi und ÖPNV angewiesen. Also sind die zu fördern, anstatt ihnen das Wasser abzugraben.

Und, meine Damen und Herren, seit Langem gibt es auf dem Land eine nachbarschaftliche Hilfe in diesem Bereich. Mitfahrzentralen in Ballungsräumen sind sicherlich auch nicht mit den Ansprüchen und den Anforderungen im ländlichen Raum zu vergleichen und zu übertragen.

Meine Damen und Herren, Privatleute sollen also Aufgaben der Taxiunternehmen übernehmen. Hier ist Vorsicht geboten. Ein weiteres Thema sind die Versicherungen. Die Frage, wie es um den Versicherungsschutz bestellt ist, wenn Menschen in Dienstfahrzeugen mitgenommen werden, ist ein wichtiger Schritt. Die Folgen wären wahrscheinlich steigende Versicherungsbeiträge.

Aber noch besser wird es bei den Pflegediensten und bei den Dienstfahrzeugen. Zu Recht haben Sie, Herr Minister, hier auf die rechtlichen Probleme hingewiesen. Interessant wird es ja, die Landesregierung hat auch einige Dienstfahrzeuge, vielleicht kann da auch mal jemand mitfahren. Beim Sammeltransport einer Pflegeeinrichtung sehe ich auf jeden Fall große Probleme.

Mobilität im ländlichen Raum ist immer gut, das ist keine strittige Frage. Strittig ist, wie Sie darauf kommen, dass es hier keine geeigneten Plattformen gibt, denn die gibt es ohne Ende. Falls es das Ziel sein sollte, hier eine weitere zu schaffen, kann man dies natürlich gerne tun. Aber ob das letztendlich zu mehr Mobilität für die Betroffenen führt, sei mal dahingestellt, da es bereits sehr viele etablierte Plattformen gibt.

Anstatt das Geld in den Ausbau oder die Förderung privater Unternehmen zu investieren, wollen Sie in Selbsthilfe investieren. Für die Lösung der massiven Probleme im ländlichen Raum kann es aber nur eine Möglichkeit geben: Nehmen Sie sich dieser Probleme an! Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf. Wir müssen den ländlichen Raum wieder attraktiver gestalten. Nur die Schaffung von Arbeitsplätzen schafft letztendlich Abhilfe. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Das Wort hat noch einmal für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen!

Liebe Mignon Schwenke! Ich weiß gar nicht, wie lange wir uns jetzt eigentlich hier schon in diesem Parlament kennen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Eine ganze Weile.)

Mir zumindest sieht man es an.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Nicht den Kontakt mit uns beiden, aber dass ich älter geworden bin.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Na ja, das war jetzt sozusagen … Na ja!)

Liebe Mignon Schwenke, ich möchte mit einem Missverständnis aufräumen. Ich glaube, wir müssen uns nicht darüber katholisch reden, wie wir mit dem öffentlichen Nahverkehr in diesem Lande umgehen. Ich glaube schon, dass der öffentliche Nahverkehr in der Form, wie er heute existiert, es wahrscheinlich die nächsten 10/15 Jahre sehr schwer haben wird, zu überleben. Ich will es mal ganz vorsichtig formulieren.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das sehe ich auch so.)

Das ist nicht nur eine Frage des Geldes meiner Meinung nach, das ist auch eine Frage, wie öffentlicher Nahverkehr in diesem Lande organisiert wird.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.)

Das geht jetzt weit über den vorliegenden Antrag hinaus, aber weil Sie, weil du es angesprochen hast, will ich das an dieser Stelle gerade auch noch mal aufnehmen. In einem Land mit 1,6 Millionen Einwohnern, auf der anderen Seite das fünftgrößte Flächenland, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, in der Bundesrepublik Deutschland, müssen wir uns natürlich gewissen Fragen stellen, ob Nahverkehr, so, wie er von der Struktur her sich seit 1990 darstellt, mit den Veränderungen auch in der Aufgabenträgerstruktur, ob der tatsächlich so auf die Dauer erhalten werden kann.

Ich will das jetzt nur mal als ganz provokantes Beispiel in den Raum stellen, ohne dass ich das als Bewertung nehmen möchte. Mit der gleichen Anzahl von Einwohnern gibt es in Hamburg einen einzigen Aufgabenträger. Es ist nur ein Gedanke, bitte völlig wertfrei. Das ist aber bezeichnend für die Fragen, mit denen wir uns insgesamt beim Thema öffentlicher Personennahverkehr werden auseinandersetzen müssen.

Was Sie, was du angesprochen hast, sind natürlich auch Dinge, über die man diskutieren kann. Ich nehme mal das Beispiel Schülerticket auf, das hier angesprochen worden ist. Ja, man kann und es wird ja bei vielen Aufgabenträgern, in welcher Form auch immer, darüber diskutiert – egal übrigens, ob da DIE LINKE, die CDU oder die SPD in der Kommune in der Verantwortung steht oder in den Kreisen –, dass man Schülerinnen und Schülern stärker die Möglichkeit geben will, auch außerhalb des Schulbetriebes den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Nur, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, über eins müssen wir uns doch klarwerden: Dort, wo kein Bus fährt, nützt auch ein Schülerticket nichts. Und deswegen …

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Aber vielleicht schafft es größeren Bedarf.)

Es schafft möglicherweise auf den Strecken, die dort angeboten werden, größeren Bedarf. Die nächste Frage – aber auch das wird den Rahmen heute hier sprengen,