Lassen Sie mich noch eins zur Schließung der Justizvollzugsanstalt Neubrandenburg und zur Beteiligung der Berufsfachverbände bei der Schließung der JVA Neubrandenburg sagen. Frau Justizministerin meinte, Sie hätten alle einbezogen. Der Bundesverband der Strafvollzugsbediensteten war beispielsweise in diesen Prozess nicht eingebunden worden. Nun sind wir als LINKE eigentlich nicht das Schild und Schwert der Beamtenschaft, aber das, was man hier mit den Bediensteten gemacht hat, geht aus unserer Sicht nicht. Nur, weil es sich um Beamte handelt, kann man die Mitarbeiter nicht nach Belieben im Land hin und her versetzen.
Ich frage mich, welche alternativen Modelle man für die Schließung Ende 2018 erwogen hat. Man hätte beispielsweise schauen können, wie die Pensionierungen in Neubrandenburg aussehen, und entsprechend zunächst einzelne Stationen schließen können.
Die räumlichen Gegebenheiten in Neubrandenburg lassen eine solche teilweise Schließung zu. Man hätte früh
zeitig mit den Mitarbeitern über freiwillige Versetzungen, auch nach Waldeck oder Bützow, sprechen können. Am Ende hätte man Neubrandenburg vielleicht komplett schließen müssen, aber dann hätte es weniger Bedienstete getroffen und diese hätten sich länger auf die Situation vorbereiten können. Das alles sind Szenarien, die unserer Kenntnis nach nie diskutiert worden sind. Man hat gesagt, wir machen Neubrandenburg dicht, und für die Mitarbeiter hieß es, friss oder stirb.
Ich habe es in der Einbringung bereits gesagt: Wer so mit seinen Mitarbeitern umgeht, braucht sich über die Personalprobleme in der Zukunft nicht zu beschweren. Wir sind schon lange nicht mehr an dem Punkt, wo der öffentliche Dienst als das große Lebensziel gesehen wird,
(Andreas Butzki SPD: Das ist eine reine Vermutung. – Torsten Renz, CDU: Woher wollen Sie das wissen?)
(Torsten Renz, CDU: Ich rede mit denen, aber ich höre andere Stimmen. Es gibt Bewerbungen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sie hören Stimmen, Herr Renz?! Da würde ich mal …)
Das meinen wir dann auch unter Punkt 4 unseres Antrages, wo es heißt, die Belange der Bediensteten zu achten.
Und noch etwas zur Schließung der JVA Neubrandenburg, die Teil des Konzeptes ist: Die Schließung der JVA Neubrandenburg sehen wir problematisch. Zwischenlösungen – das hatte ich gesagt – wären möglich gewesen. Im Jahr 2007 hat man in dem Konzept, was ich vorhin erwähnt habe, bereits gesehen, dass es unwirtschaftlich ist. Dennoch hieß es in dem Konzept, ich zitiere: „Durch die Unterbringung dieser Gefangenengruppe werden eine Vielzahl von langen Transportwegen aus anderen Anstalten des Landes zur Gerichtsvorführung in Neubrandenburg und bei anderen Gerichten im Landgerichtsbezirk Neubrandenburg erspart.“
Genau das haben wir eigentlich jetzt verschärft, elf Jahre später. In Zukunft müssen Strafgefangene zur Gerichtsvorführung von Bützow in den Landgerichtsbezirk Neubrandenburg angefahren werden und von Bützow nach Pasewalk beispielsweise. Dadurch fallen hohe Transportkosten an und die Belastung der Bediensteten wird zunehmen. Auch den Aspekten der Resozialisierung mit dem Kontakt zur Familie ist durch eine solche Schwerpunktverlagerung nicht gerade Rechnung getragen worden, es ist kaum noch möglich. Hier sehen wir einfach, dass der Resozialisierungsgedanke vor der Wirtschaftlichkeit stehen muss. Wir werden weiter dranbleiben und nachfragen, wie sich das in Zukunft entwickelt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und die Zwischenrufe.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich doch den Hinweis geben, dass Zwischenrufe eigentlich zu den parlamentarischen Gepflogenheiten hier im Hause gehören. Wenn der Eindruck entsteht, dass es zu viel wird, dann obliegt es dem Präsidium, entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Jochen Schulte, SPD: So was dürfen Sie eigentlich nicht kommentieren, Herr Kollege. Glauben Sie mir das, ich spreche aus Erfahrung.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur noch mal kurz ergänzend Stellung nehmen. Es war von den Geldstrafen die Rede, die mehr oder weniger gar nicht gepfändet werden dürften beziehungsweise in der Vollstreckung nicht als Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden können. Die Haftvermeidung ist ja völlig in Ordnung, aber in der Praxis können Sie sehen, wie schwierig es ist, das umzusetzen – das macht direkt die Staatsanwaltschaft –, wie schwierig es ist, die Leute wirklich unterzubringen und das dann auch konsequent zu beachten.
Da bin ich beim Wort „konsequent“. Das fängt schon ganz früh an. Im Grunde soll die Strafe letztlich eine Art pädagogische Maßnahme sein, auf bestimmtes Fehlverhalten zu reagieren. Ich habe ja ein bisschen dafür plädiert, dass der Strafvollzug eine gewisse Härte haben muss. Das heißt nicht, dass man gnadenlos sein muss. Das ist im Grunde wie bei der Kindererziehung. Wenn Sie Ihre Kinder lieben, dann müssen Sie irgendwo konsequent in der Erziehung sein. So ist das auch in der Strafrechtspflege. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Sie die Freiheitsstrafe unter sechs Monaten, auch wenn sie an sich in Betracht kommt, mehr oder weniger praktisch nicht verhängen dürfen, nur als absolute Ausnahme. Das soll dann immer eine Geldstrafe werden, weil eben die Freiheitsstrafe möglichst vermieden werden soll. Das ist die Vorgabe des Gesetzes.
Eine konsequente Anwendung des Strafrechts heißt auch, dass – das ist natürlich nicht eine Kritik am Vollzug, sondern an der Praxis in unserem Lande, und ich erwähnte schon mal, dass es in Bayern etwas konsequenter angewandt wird – in vielen Fällen, glaube ich, die Täter aus meiner Erfahrung nicht wieder bei Gericht gelandet wären, wenn man früher konsequent auf ihre Straftaten reagiert hätte.
Es ist in der Richterschaft heute eine große, einfach eine psychische Hemmschwelle, wirklich Freiheitsstrafen ohne Bewährung zu verhängen. Oft ist es so, wenn Sie das sehen, zwei, drei Mal wird Bewährung gegeben, dann wird eine Gesamtstrafe gebildet, wieder Bewährung. Damit tut man den Leuten letztlich oft keinen Gefallen mehr, weil irgendwann doch der Punkt kommt, dass noch eine kleine Straftat hinzukommt und dann ist Schluss, aus.
Beim Strafrecht ist es auch die Frage der Abschreckung. Ich weiß, das ist ja gar nicht modern und es gibt sogar, glaube ich, Psychologen, die die Abschreckung infrage stellen. Da brauchen wir aber keine Lehrbücher, da muss man sich eigentlich nur an die eigene Nase fassen und überlegen, wie das denn im Leben so aussieht. Ich habe ein wunderbares Beispiel noch aus DDR-Zeiten. Wenn Sie die Transitstrecken befuhren, konnten Sie lebhaft erleben, wie sich die Leute auf der Westseite überhaupt nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkungen hielten.
… über die Grenze fuhr, fuhr man ganz artig. Ich glaube, 90 oder 100 waren das. In den Maisfeldern waren die Schneisen, wo sie dann standen, da hatte der typische Westdeutsche ein bisschen das Gefühl, dass er, wenn er nicht richtig spurt, vielleicht irgendwo gefühlt in Sibirien landet.
Die fuhren alle artig, hielten die Geschwindigkeitsbeschränkungen ein, und zwar nicht aus innerer Überzeugung, genauso wie Sie das Geld ja bei der Parkuhr nicht reinschmeißen aus Überzeugung, sondern weil Sie nicht erwischt werden wollen, weil die Ahndung unangenehm war. Die war so unangenehm, dass es sich nicht lohnte, gegen das Gebot zu verstoßen. Also Abschreckung funktioniert.
(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Peter Ritter, DIE LINKE: Es war nicht alles schlecht, sage ich ja.)
und würde nicht vielleicht doch, jedenfalls, wenn er freiberuflich tätig ist, irgendein Honorar fallen lassen, wenn er nicht prinzipiell …
… deshalb auch ehrlich ist, weil die Konsequenz neben der Strafe, die Peinlichkeit, natürlich abschreckend wirkt.
Wobei das auch dazugehört: Die Strafe ist ja nicht nur das Stück Papier und dass man letztlich in Haft kommt, sondern es ist auch – jedenfalls für den normalen Bürger – diese unendliche Peinlichkeit, das anderen erklären zu müssen, jedenfalls, wenn man mitten im Leben steht und nicht die Straffälligkeit zur Normalität geworden ist.
Beim Jugendstrafrecht ist das anders. Da ist es auch völlig in Ordnung, dass dort der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht, aber im Erwachsenenstrafrecht kann in der JVA nicht alles nachgeholt werden, was vorher versäumt wurde. So, wie der Lehrer nicht in der Lage ist, dem Lehrling oder dem Auszubildenden Lesen und Schreiben beizubringen, die Bundeswehr – früher sagte man die Schule der Nation – nicht alle Versäumnisse in der Erziehung und Ausbildung nachholen kann, so ist um Himmels willen der Strafvollzug nicht die richtige Stelle, Persönlichkeitsstörungen, Suchtprobleme und andere Dinge zu behandeln.
Es ist völlig in Ordnung und natürlich gut, dass der Strafgefangene, der wirklich will und wo man ein Bemühen sieht, auch entsprechende Angebote hat. Soviel ich weiß, gibt es Entzugstherapien oder überhaupt Hilfe in dieser Richtung. Es gibt auch Antigewalttraining, das gibt es alles. Aber es kommt bei Ihnen, Frau Bernhardt, deutlich durch, dass Sie offensichtlich die Vorstellung haben, dass man den Menschen, weil ja meist nur die Umwelt Schuld hat, völlig reparieren könnte. Das ist eine völlige Fehlvorstellung. Diese falschen Erwartungen sind schädlich, weil sie an der Realität vorbeigehen und auch dieses Land natürlich noch andere Aufgaben hat.
Vielleicht gibt es eine ganze Menge anderer Leute, die eine Therapie viel eher verdienen als die, die straffällig geworden sind. – Vielen Dank.