Zweitens sagte die Justizministerin, wir wissen, wen wir bei uns haben. Da muss ich mich wirklich fragen, warum die Kleinen Anfragen etwas anderes aussagen. Wenn wir nachfragen, wie viele Arbeitsplätze wir haben, wie viele arbeiten, wie viele Suchtproblematiken bestehen, wie viele Häftlinge Persönlichkeitsstrukturprobleme haben, dann können uns darauf einfach keine Antworten gegeben werden. Das ist alles schriftlich nachzuvollziehen, das können wir belegen mit Kleinen Anfragen.
Ich glaube schon, dass man, wenn Häftlinge Suchtprobleme, wenn sie Persönlichkeitsstörungen haben, sich die Frage gefallen lassen muss, wie wir darauf reagieren wollen. Wie wollen wir die Psychologen, wie wollen wir die sozialpädagogischen Dienste in Zukunft in den Anstalten darauf ausrichten? Wenn Sie, Herr Friedriszik, das im Rechtsausschuss, wo das Standortkonzept vorgestellt wurde, gehört haben, dann haben Sie mehr gehört als ich. Wenn, wie gesagt, selbst auf schriftliche Kleine Anfragen nicht mal die Antworten gegeben werden können, dann weiß ich nicht, was Sie haben.
Sie haben kritisiert, dass wir das Standortkonzept kritisiert haben. Sie hatten in Ihrem Koalitionsvertrag doch vereinbart, dass der Justizvollzug auf moderne Füße gestellt wird. Das hatten Sie auch in Ihrem Koalitionsvertrag 2006 getan. Das Konzept, was 2007 vorgelegt wurde, das verdiente wirklich den Namen eines Konzeptes. Es hieß da „Die Zukunft des Justizvollzuges und der Sozialen Dienste der Justiz in Mecklenburg-Vorpommern“. Es war ein Konzept, wo Sie nachlesen können. Da gab es eine umfangreiche Ausgangslage und eine Prognose. Da war zu lesen, wie wir zukünftig weiter vorangehen müssen, um Menschen wieder mehr in Arbeit in den Justizvollzugsanstalten zu bekommen. Es war 67 Seiten lang und hatte wirklich Inhalt. Bei den 13 Seiten, die uns jetzt vorlagen, vermisse ich genau das, was wir damals schon hatten. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten sich an Ihre damaligen Vorgaben gehalten und hätten dies fortgeführt, evaluiert und uns konkrete Aufträge mitgegeben. Ich glaube, dann wären wir alle zufrieden gewesen und es hätte dieses Antrages von uns heute überhaupt nicht bedurft.
Lassen Sie mich deshalb einige Punkte etwas vertiefen. Das Erste wären die Ersatzfreiheitsstrafen, auch das hatten Sie angesprochen. Ich will hier nicht in epischer Breite eine Diskussion um dieses Thema führen, aber ich habe schon den Eindruck, dass vielen die eigentliche Problematik gar nicht bewusst ist. Diese komplett abzuschaffen, wäre eine Angelegenheit des Bundes. Nur so viel: Personen, die in einem Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt werden, haben aus unserer Sicht nichts im geschlossenen Vollzug zu suchen. Hätte das Gericht sie im Gefängnis sehen wollen, hätte es auch eine Freiheitsstrafe verhängt, ausgeurteilt.
Diese ganze Diskussion kommt daher, dass man ein Druckmittel gegen diejenigen haben wollte, die zwar Geld haben, sich aber hartnäckig weigern, eine Geldstrafe zu
begleichen. Bei denjenigen sollte man sich lieber überlegen, wie man etwa durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen doch an das Geld kommt. Bei denjenigen, die die Geldstrafe nicht zahlen können, sollte klar sein, dass die Justizvollzugsanstalt nicht der richtige Ort ist. Man muss wissen, dass den Delinquenten auch Arbeit zum Ableisten ihrer Geldstrafe angeboten wird, so, wie es vorhin auch ausgeführt wurde, und dass letztlich nur diejenigen im Vollzug landen, die das nicht wollen oder nicht können.
Wenn man dann tiefer gräbt, stellt man fest, dass diese Menschen häufig Suchtproblematiken haben und überhaupt nicht mehr in der Lage sind, ihre Probleme selbst zu regeln, und letztendlich genau diese Umstände überhaupt zu ihrer Straffälligkeit geführt haben.
Die Probleme dort liegen tiefer und lassen sich durch ein paar Wochen geschlossenen Vollzug nicht lösen.
Wenn Menschen Probleme haben, wenn sie von Arbeitslosigkeit betroffen sind, Suchtproblematiken oder persönliche Probleme haben, dann soll die Gesellschaft ihnen helfen, wieder auf die Füße zu kommen, um auch die Allgemeinheit, die Gesellschaft vor Straftaten zu schützen. Ihrem Nicken zu entnehmen, hoffe ich mal …
Genau das schreibt unser Strafvollzugsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern fest. Sie sind Jurist. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich auch an geltendes Recht halten.
Die Probleme der Menschen liegen tiefer und lassen sich durch ein paar Wochen geschlossenen Vollzug nicht lösen. Die Zielrichtung des Vollzugs, die Resozialisierung, lässt sich schwerlich realisieren. Für diejenigen unter Ihnen, die gerne rechnen: Jeder Hafttag in Mecklenburg-Vorpommern kostet den Steuerzahler 174 Euro. Damit übersteigen die Haftkosten immer die eigentlich verhängten Geldstrafen.
Das alles muss man so nicht haben. Mecklenburg-Vorpommern hat hervorragende Projekte zur Haftvermeidung mit sehr engagierten Mitarbeitern, nur redet irgendwie niemand darüber. Deshalb war es heute erfreulich, von der Justizministerin etwas darüber gehört zu haben. Wir halten es für nötig, diese Projekte zu stärken und auszubauen. Das ist für die Menschen besser und für das Land billiger.
Viel nahe liegender sind aus unserer Sicht die Defizite bei der Analyse der Gefangenenklientel, und das ist bei uns ganz klar ein landespolitisches Problem. Das ist mir bewusst geworden, als ich, wie gesagt, die Antworten auf die Kleinen Anfragen gelesen habe. Ich mache das mal an zwei Beispielen deutlich:
Sie wissen ja, dass wir den Arbeitsmöglichkeiten in den Justizvollzugsanstalten im Hinblick auf die Resozialisierung sehr große Bedeutung beimessen. Vor einiger Zeit fragte ich das Justizministerium im Rahmen einer Sitzung des Rechtsausschusses, wie es um das Angebot von Arbeitsplätzen und deren Ausnutzung in den Justizvollzugsanstalten bestellt ist. Man antwortete mir, dass das alles nicht so leicht ist und der Teil der Häftlinge, der arbeiten kann und will, immer geringer werde.
Ich habe dann, wie gesagt, in einer Kleinen Anfrage nachgefragt, wie die genauen Zahlen diesbezüglich aussehen, und man sagte mir, dass diese nicht erfasst werden würden. Also liegen doch nicht alle Daten vor, so, wie uns hier heute weisgemacht werden will. Das ist natürlich problematisch, wenn man wissen will, wen man da einsitzen hat und wie man diejenigen in die Resozialisierung bringen will.
In den Justizvollzugsanstalten Stralsund und Neubrandenburg und in der Jugendarrestanstalt Neustrelitz wird …
Es nervt mich einfach nur noch an. Sie regen sich über meine Lautstärke auf, aber ich komme überhaupt nicht mehr gegen Sie an.
In den Justizvollzugsanstalten Stralsund und Neubrandenburg und der Jugendarrestanstalt wird in einem positiven Drogentest nicht dokumentiert, auf welche Drogen positiv getestet wurde. Das halte ich für eine Therapie für wichtig. Wir reden schließlich über Konsumenten. Auch die Zahl der rauschbedingten Intoxikationen wird nicht erfasst. Mir ist klar, dass das praktisch nicht immer einfach ist, aber wir brauchen mehr Informationen, wie wir bei einem Häftlingsfall letztens erst sehen durften.
Meine Damen und Herren, insgesamt sind die Informationen über die für die Resozialisierung wichtigen Tatsachen zu gering oder jedenfalls laufen sie an übergeordneter Stelle nicht zusammen.