Protocol of the Session on January 25, 2018

Man zieht sich zurück und behauptet, zur Häufigkeit und zu den Ursachen möglicher Belästigungen von Anwohnern durch Emissionen von Windenergieanlagen gäbe es bisher nur wenig wissenschaftlich belastbare Studien. Dabei gibt es gute Nachweise und Studien, die zum Beispiel Zusammenhänge zu gesundheitlichen Schäden beweisen. Sie wollen diese eigentlich in der Regel nur nicht zur Kenntnis nehmen und auch nicht für Ihre Betrachtungen heranziehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Schließlich ist die Nutzung von Windenergie an Land eine zentrale Säule der Strategie Deutschlands für den weiteren Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Im Energiekonzept der Bundesregierung wird kurz- und mittelfristig das wirtschaftlichste Ausbaupotenzial im Bereich erneuerbarer Energien, insbesondere Windenergie, gesehen.

Beim Ausbau der Windenergie kommt der Akzeptanz durch die Bevölkerung eine wachsende Bedeutung zu. Das Verständnis für einen weiteren ungehinderten Ausbau der Windkraft in Mecklenburg-Vorpommern stößt aber in den betroffenen Regionen zunehmend an Grenzen. Viele Bürger fühlen sich von den baulichen Anlagen und ihren Wirkungen bedrängt und verstehen nicht, dass ihre unmittelbaren Lebensbedingungen, ihre Gesundheit und vor allem auch ihre schöne Heimat aus allein wirtschaftlichen und politischen Interessen geopfert werden sollen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wenn Anwohner sich belästigt fühlen durch Windkraftanlagen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld, dann ist es ihr gutes Recht, ihren Unmut zu äußern und für bessere Umstände zu kämpfen. Geplante neue Gebiete müssen sich daher kritischen Prüfungen von allen Seiten unterziehen. Dabei dürfen nicht nur die Energieversorgung aus erneuerbaren Energien und Klimaschutzziele eine entscheidende Rolle spielen. Umweltbelange, Abstandsregelungen und Beeinträchtigungen der Anwohner müssen ernst genommen werden. Es muss ein angemessener Interessenausgleich zwischen den Anforderungen der Energiewende und den zu berücksichtigenden Interessen der örtlichen Wohnbevölkerung geschaffen werden.

Dabei müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen regelmäßig an die gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen angepasst werden. Wurden bis Ende der 90er-Jahre noch Anlagen mit einer maximalen Höhe von bis zu 100 Metern gebaut, so ist die Gesamthöhe der aktuellen Generation teilweise doppelt so hoch. Und auch bei der Größenentwicklung des Rotordurchmessers gab es eine Steigerung. Im Jahre 2008 betrug der durchschnittliche Durchmesser von Rotoren 79 Meter, im Jahre 2015 waren es bereits 104 Meter.

(Rainer Albrecht, SPD: Ja. – Thomas Krüger, SPD: Das ist auch gut so.)

Die Gesamthöhe...

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Es geht um die Auswirkungen.

Die Gesamthöhe und Größe einer Anlage ist im Hinblick auf die als bedrängend empfundene Wirkung von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Der gültige Rechtsrahmen für den Ausbau der Windenergie kennt zwar bau- und emissionsschutzrechtliche Regelungen, in gewisser Weise findet auch ein Schutz der Betroffenen vor schädlichen Umwelteinwirkungen, wie etwa vor Lärm, statt, doch das ist aus Sicht der Betroffenen oftmals nicht genug.

Auch in den Hinweisen zur Festlegung von Eignungsgebieten für Windenergieanlagen legt die Landesregierung fest, dass die Anforderungen an geeignete Flächen für Windenergieanlagen durch die Raumordnung, durch die Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsbedingungen und durch den Natur- und Umweltschutz bestimmt werden.

(Rainer Albrecht, SPD: Ja.)

Doch ob die in den regionalen Entwicklungsplänen festgelegten Abstände der Windkraftanlagen zur Wohnbebauung von durchschnittlich 800 bis 1.000 Metern tatsächlich ausreichen, das ist die Frage.

(Rainer Albrecht, SPD: Ja.)

Die Angaben basieren eben nicht auf einer gesetzlichen Vorgabe, sondern sie sind ein Minimalkompromiss, den die zahlreichen Bürgerinitiativen vor Ort den Planungsgesellschaften und Genehmigungsbehörden abgetrotzt haben.

(Rainer Albrecht, SPD: Richtig!)

Und von diesen kann jederzeit nach unten abgewichen werden. Die 800 bis 1.000 Meter sind in unmittelbarer Nähe – da fragen Sie mal die betroffene Bevölkerung vor Ort – viel zu wenig. Insbesondere wenn eine Anlage 200 Meter hoch und der Rotordurchmesser über 100 Meter ist, dann sind diese Abstände zu gering,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

denn es besteht ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Infraschall von Windkraftanlagen und gesundheitlichen Beschwerden von Anwohnern.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das stimmt überhaupt nicht! – Zurufe von Rainer Albrecht, SPD, Philipp da Cunha, SPD, und Thomas Krüger, SPD)

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat von 2004 bis 2016 Infraschallmessungen an einem Windrad nördlich von Hannover durchgeführt und festgestellt, ich zitiere aus dem Bericht: „Der durch die Flügelbewegung hervorgerufene Lärm beschränkt sich … nicht nur auf den hörbaren Bereich, denn auf Grund ihrer Größe und geringen Rotationsgeschwindigkeit wird ein erheblicher Energieanteil unterhalb von 20 Hz, als Infraschall abgestrahlt.“ Zitatende.

(Thomas Krüger, SPD: Ja, und wie weit? Wie weit? – Rainer Albrecht, SPD: Ja, wie weit?)

Auch bei unserem nördlichen Nachbarn hat man das zur Kenntnis genommen.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

In Dänemark werden kaum noch Windkraftanlagen genehmigt

(Bernhard Wildt, BMV: Stimmt.)

und die Ursache dafür sind die Erkenntnisse zum Thema Infraschall.

(Bernhard Wildt, BMV: Absolut richtig.)

Mit diesen medizinischen und auch wissenschaftlichen Befunden empfiehlt dann das deutsche Ärzteforum Emissionsschutz in einem Schreiben vom 2. Februar 2014 an die Bayerische Staatskanzlei eine Abstandsregelung von wenigstens der 10-fachen Höhe. Das ist weitaus mehr als die 800 bis 1.000 Meter bei uns.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Bei der Bemessung pauschaler Abstände zwischen Windenergieanlagen und Siedlungsbereichen handelt es sich schlichtweg um eine politische Entscheidung über das Maß dessen, was der Bevölkerung zum Zweck des Klimaschutzes zugemutet werden soll. Die Entscheidung wird durch die derzeitigen Regelungen auch für Mecklenburg-Vorpommern weitgehend bundesrechtlich getroffen, sicherlich auch, um eine Verminderung der für die Windenergie nutzbaren Flächen und einen Rückgang von Genehmigungsanträgen für Neuanlagen zu vermeiden.

Nach dem Auslaufen der Umsetzungsfrist in Paragraf 249 Absatz 3 Baugesetzbuch Ende 2015 steht den Landesgesetzgebern der Regelungsspielraum für landeseigene Abstandsregelungen nicht mehr offen. Der den Ländern verbleibende Regelungsspielraum beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf zahlungsrechtliche Festlegungen unter der Beachtung höherrangigen Rechts, insbesondere der Vorgaben der Privilegierungsregelung in Paragraf 35 Absatz 1 Satz 5 Baugesetzbuch.

Bei der planerischen Festsetzung von Abstandsgeboten durch die Landesplanung steht also das Gebot, der Windenergie substanziell Raum zu verschaffen. So entstehen dann Abstandsregelungen von 800 bis 1.000 Metern, denn nur so verbleiben ausreichend Flächen, um Windenergieanlagen in einem Maße zu verwirklichen, das der bundesrechtlichen Privilegierung auch noch genügt. Wir fordern deshalb die unbefristete Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel und die Streichung der Frist in Paragraf 249 Absatz 3 Baugesetzbuch.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Die Landesregierung soll wieder eigene Handlungsmöglichkeiten haben und durch Landesgesetze regional passende Abstandsregelungen für Windenergieanlagen festlegen können. Nur so können wir einen angemessenen Ausbau der Windenergie, der eine breite Befürwortung und Akzeptanz bei der Bevölkerung genießt, voranbringen, so und nicht anders!

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Weiterführend sollen die neuen Abstandsregelungen so flexibel geregelt werden, dass sie sich an die technischen Entwicklungen, insbesondere in Bezug auf Größe und Höhe der Anlagen anpassen. Erfahrungsgemäß hängt die Zustimmung für Windkraft bei den betroffenen Anliegern in erster Linie sowohl von der Höhe als auch von der Entfernung zur jeweiligen Windkraftanlage ab. Es bietet sich daher auch zur Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse an, diese beiden Parameter bei der Ausweisung von Sondergebieten durch höhenbezogene Abstandsregelungen miteinander zu verknüpfen. Je hö

her eine Anlage ist, umso größer sollte auch der Abstand zur Wohnbebauung sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Horst Förster, AfD)

Mittlerweile sind Windräder üblicherweise 220 Meter hoch und die technische Entwicklung schreitet weiter voran, sodass ihre Höhe weiter zunehmen wird. Ob wir dann am Ende eine 10H-Regelung in MecklenburgVorpommern haben, so, wie es in Bayern ist, oder ob wir andere, individuelle, flexible Lösungen brauchen, das wird noch mit Experten zu klären sein.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Wir sollten jetzt erst einmal die Voraussetzungen dafür schaffen, länderspezifische Regelungen herbeizuführen, und vom Bund die Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel fordern. Meine Fraktion freut sich auf eine angeregte Diskussion und hoffentlich auch Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Albrecht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Sehr geehrter Herr Reuken! Einmal mehr stellt die AfD das Thema Windenergie in den Mittelpunkt.

(Horst Förster, AfD: Zu Recht.)

Heute bekommt diese Debatte einen historischen Zungenschlag. Der Bundesgesetzgeber hatte den Ländern bis zum 31. Dezember 2015 die Möglichkeit eingeräumt, die Mindestabstände von Windenergieanlagen zu anderen Formen der Bebauung per Landesgesetz festzulegen. Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat sich deshalb bereits 2015 intensiv mit dieser Problematik befasst. Die Volksinitiative des Aktionsbündnisses gegen den unkontrollierten Ausbau der Windenergie „Freier Horizont“ hatte 2015 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Der Landtag und der Energieausschuss haben sich grundlegend damit beschäftigt. Im Ergebnis dieser umfassenden und intensiven Auseinandersetzung mit den Argumenten der Initiative und nach einer öffentlichen Expertenanhörung im zuständigen Fachausschuss wurde beschlossen, von der Klausel keinen Gebrauch zu machen. Alles dazu können Sie, meine Herren von der AfD-Fraktion, in den entsprechenden Landtagsdrucksachen nachlesen.