Heute bekommt diese Debatte einen historischen Zungenschlag. Der Bundesgesetzgeber hatte den Ländern bis zum 31. Dezember 2015 die Möglichkeit eingeräumt, die Mindestabstände von Windenergieanlagen zu anderen Formen der Bebauung per Landesgesetz festzulegen. Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern hat sich deshalb bereits 2015 intensiv mit dieser Problematik befasst. Die Volksinitiative des Aktionsbündnisses gegen den unkontrollierten Ausbau der Windenergie „Freier Horizont“ hatte 2015 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Der Landtag und der Energieausschuss haben sich grundlegend damit beschäftigt. Im Ergebnis dieser umfassenden und intensiven Auseinandersetzung mit den Argumenten der Initiative und nach einer öffentlichen Expertenanhörung im zuständigen Fachausschuss wurde beschlossen, von der Klausel keinen Gebrauch zu machen. Alles dazu können Sie, meine Herren von der AfD-Fraktion, in den entsprechenden Landtagsdrucksachen nachlesen.
Windenergieanlagen waren zu diesem Zeitpunkt bereits etabliert und gut erforscht, sodass im Interesse von Planungssicherheit …
Windenergieanlagen waren zu diesem Zeitpunkt bereits etabliert und gut erforscht, sodass im Interesse von Planungssicherheit auch für die Windenergiebranche eine zeitliche Befristung dieser Ländergesetzgebungskompetenz sinnvoll war und auch ist.
In Mecklenburg-Vorpommern haben wir uns im Landtag nach intensiver Debatte dafür entschieden, diese Möglichkeit einer landesgesetzlichen Regelung nicht zu nutzen, denn entgegen dem, was die AfD hier auf formaljuristischem Wege zu konstruieren versucht, ist die Sachlage bei Windenergieanlagen und ihren Abständen zur Wohnbebauung in Mecklenburg-Vorpommern sehr gut geregelt.
Bereits im Jahr 2014, als die Umsetzung der Öffnungsklausel des Baugesetzbuches in Mecklenburg-Vorpommern erwogen wurde, hat der Regionale Planungsverband der Region Rostock im Auftrag des Energieministeriums verschiedene Planungsszenarien mit höheren Schutzabständen bis zu 2.000 Meter durchgespielt. Wenn wir den heutigen Entwurfsstand mit circa 3.000 Hektar Eignungsfläche heranziehen, wie zuletzt im Vorstand des Regionalen Planungsverbandes Region Rostock beraten wurde, sieht das Ergebnis für die verschiedenen Szenarien mit 1.200, 1.500 und 2.000 Metern Abstand zu den Ortschaften wie folgt aus, hören Sie genau zu:
Eine Erhöhung des Abstandes auf 1.200 Meter hat eine Verringerung der Eignungsfläche um mehr als die Hälfte, 60 Prozent, zur Folge, eine Erhöhung des Abstandes auf 1.500 Meter eine Verringerung der Eignungsfläche um 9 Zehntel, also von 3.000 Hektar blieben 300 Hektar übrig.
Eine Erhöhung des Abstandes auf 2.000 Meter hat eine Verringerung der Eignungsfläche auf null zur Folge, das heißt, nichts mehr.
Eine mögliche Erhöhung des Schutzabstandes zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen im Außenbereich, wie sie von Bürgern im Sinne einer falsch verstandenen Gleichbehandlung auch immer mal wieder gefordert wird, wurde in den Szenarien noch gar nicht berücksichtigt.
Schutzabstände von mehr als 1.000 Metern werden in der Planung sonst nur für wenige Kategorien von sehr großen Industrieanlagen wie zum Beispiel Hüttenwerke und Ölraffinerien angewandt, die im Vergleich zu Windenergieanlagen ein wesentlich höheres Emissions- und Gefahrenpotenzial aufweisen. Eine optisch bedrängende Wirkung von Windenergieanlagen auf die Nachbarschaft kann gemäß der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte in der Regel erst angenommen werden, wenn der Abstand weniger als das Zweifache der Anlagenhöhe beträgt. Das Zweifache der Anlagenhöhe! Auch unter diesem Gesichtspunkt haben die Bestrebungen zur Einführung von höheren Schutzabständen also keinen erkennbaren Bezug zu den tatsächlichen Wirkungen, die von Windenergieanlagen ausgehen.
Wir haben schlicht keinen Anlass gesehen – und die Geschichte gibt uns ja auch recht –, dass es einer gesetzlichen Regelung bedarf. Wenn die AfD in ihrer Begründung ausführt, dass die Festlegung der Mindestabstände von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung in Mecklenburg-Vorpommern lediglich ein Minimalkompromiss sei, den Bürgerinitiativen auch Planungsgesellschaften und Genehmigungsbehörden abgerungen hätten, dann ist das schlichtweg falsch, meine Damen und Herren Abgeordnete, aber es ist die übliche Erzählung der AfD. Da behauptet man immer mal gern, dass die Regierung schlecht arbeitet und dem Bürger immer nur Böses will.
Fakt ist aber, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern als eines der ersten Bundesländer in der Richtlinie zur Aufstellung der regionalen Raumentwicklungspläne die Mindestabstände zur Wohnbebauung – übrigens auch zu Gebieten, die der Erholung und Gesundheit oder dem Tourismus dienen – auf 1.000 Meter festgesetzt haben. Der Mindestabstand zu Einzelgehöften – und ich betone hier ausdrücklich „Einzelgehöften“ – wurde auf 800 Meter festgesetzt. Wir haben damit frühzeitig die Entwicklung bei Windenergieanlagen aufgegriffen und vorausschauend Abstände in die raumordnerische Planung eingeführt.
Die Festlegung von Windeignungsgebieten in den regionalen Raumentwicklungsprogrammen ist ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept, in dessen Ergebnis gemäß Bundesgesetzgebung und Rechtsprechung der Windenergienutzung substanzieller Raum zu verschaffen ist. Sie sind sowohl im Hinblick auf die Emissionen von Windenergieanlagen als auch ihre optische Wirkung ein guter Kompromiss zwischen den Interessen von Anwohnern sowie dem übergeordneten Ziel einer erfolgreichen Energiewende.
Selbst wenn ein Raumentwicklungsprogramm im Hinblick auf die Ausweisung von Windeignungsgebieten erfolg
reich beklagt wird, führt dies nicht zu Windkraftanlagen im Vorgarten. Seitens der AfD werden trotzdem Ängste geschürt, wie beispielsweise mit Geschichten vom bösen Infraschall, das haben wir gerade wieder gehört. Das Forschungs- und Messprojekt „Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall“ des Landes Baden-Württemberg, das zwischen 2013 und 2015 mehrere Messreihen mit Windenergieanlagen durchgeführt hat, kam zu dem Ergebnis, dass der Infraschall einer Windenergieanlage, also jene Frequenzen unterhalb von 20 Hertz, in 200 Metern Entfernung den gleichen Schalldruck hat wie der Infraschall, der entsteht, wenn Sie bei mäßigem Wind auf einer Wiese liegen. So viel zum Infraschall, meine Damen und Herren der AfD!
Meine Damen und Herren, 1.000 Meter Abstand zur Wohnbebauung sind also ein sehr guter Kompromiss, mit dem ein vernünftiger Ausbau der Windenergienutzung möglich ist. Im Übrigen ist noch kein einziger Raumentwicklungsplan im Land vor Gericht gescheitert, weil die Abstände zwischen Wohnbebauung und Windenergieanlagen zu klein gewesen wären. Einer der Hauptgründe für das Scheitern von Raumentwicklungsplänen ist, dass die Entwicklung der Windenergienutzung durch die Pläne zu stark eingeschränkt wurde.
Womit wir beim Kern Ihres Antrags ankommen: Raumentwicklungspläne, mit denen wir hier im Land hervorragende Erfahrungen gemacht haben und sehr gute Bürgerbeteiligung ermöglichen, können beklagt werden, wenn die in ihnen festgesetzte Planung einer Verhinderungsplanung gleichkommt. Eine 10H-Regelung, die den Abstand einer Windenergieanlage mit 200 Metern auf zwei Kilometer festlegen würde, hätte im Raumentwicklungsplan keine Chance. Die Einführung höherer Schutzabstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnorten ist, wie Sie wohl wissen, auch im Rahmen der Fortschreibung des Fachkapitels Wind des Regionalen Raumentwicklungsprogramms des Planungsverbandes Region Rostock von verschiedenen Einwendern angeregt worden. Sachliche und fachliche Gründe für solche höheren Abstände wurden jedoch in keinem Fall vorgetragen.
In dem letzten Jahr sind zahlreiche neue Windparks in der Region Rostock genehmigt worden. Die im Rahmen der Genehmigungsverfahren durchgeführten Berechnungen zur Schallausbreitung machen deutlich, dass die maßgeblichen Richtwerte für Dorf- und Mischgebiete nach der TA Lärm in der Regel erst innerhalb eines Entfernungsbereiches von 400 bis 600 Metern um den Windpark überschritten werden.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, die von uns angewandten Abstände von 1.000 Metern zu Ortschaften und 800 Metern zu Einzelgehöften im Außenbereich enthalten somit einen sehr großzügigen Vorsorge- und Sicherheitszuschlag im Sinne einer möglichst geringen Beeinträchtigung der Anwohner. Die Abstandszonen um Wohnhäuser und Wohngebiete decken in der Region Rostock allein 85 Prozent der Regionsfläche ab. Jede weitere Erhöhung der Schutzabstände würde tendenziell zu einem völligen Ausschluss der Windenergienutzung auf dem Festland führen.
Ist das Ganze aber gesetzlich festgelegt, so, wie die AfD das gern möchte, so, wie das Bayern getan hat, dann kann man von einer Windenergieverhinderungsgesetzgebung sprechen. So kann man auch gezielt Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Land vernichten.
(Dr. Ralph Weber, AfD: Ja, weil so viele Leute auf den Windenergieanlagen sitzen. – Zuruf von Horst Förster, AfD)
Dann kann man gezielt eine Erfolgsgeschichte in Grund und Boden reden und für die Windenergie verbrannte Erde bereiten. Sie wollen Windenergieanlagen nicht reduzieren, Sie wollen sie verhindern.
Ich empfehle Ihnen, meine Herren der AfD-Fraktion, das Buch der SPD-Fraktion „Jobmotor Energiewende“,