Protocol of the Session on January 24, 2018

(Dr. Ralph Weber, AfD: Nee!)

In Frankreich ging es insbesondere um ein Schulbuch „ABC der Gleichheit“, das durch eine übertriebene und grammatisch fehlerhafte Schreibweise nicht dem französischen Sprachgebrauch entsprach. Es wurde zurückgezogen. Diese politische Kritik kann ich nachvollziehen, sie bezieht sich allerdings nicht auf Deutschland.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

In Mecklenburg-Vorpommern muss es weiter um die Umsetzung der fortgeschriebenen Gleichstellungskonzeption als integralen Politikbestandteil gehen, die wir seit 2000 aktiv forcieren. Gleichberechtigung von Mann und Frau ist eine bedeutsame Säule in unserem Wertesystem.

(Glocke der Vizepräsidentin)

Die Gleichstellung von Männern und Frauen äußert sich in sämtlichen politischen und gesellschaftlichen Handlungsfeldern, ein sensibler Sprachgebrauch ist darin selbstverständlich inbegriffen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die BMVFraktion wird den Antrag ablehnen. Der Antragsteller begehrt, die sogenannte gendergerechte Sprache nach französischem Vorbild auszustreichen. Meine Vorrednerin ist ja auch schon ein bisschen auf die Besonderheiten in der französischen Sprache eingegangen. Dieser Verweis auf Frankreich geht in mehrfacher Hinsicht fehl. Die deutsche und französische Sprache unterscheiden sich erheblich, vor allem in der Schriftsprache, um die es hier geht.

Doch zunächst ein anderer Punkt: Frankreich ist eigentlich einen anderen Weg gegangen, als es in Deutschland der Fall ist. Da kam es sozusagen von unten und war nicht staatlicherseits angeordnet. Es gibt in Frankreich, ich nenne es mal „Aktivisten“, die die sogenannte von Frau Friemann-Jennert schon angesprochene inkludierende Schreibweise hier verfochten haben. Die haben das sozusagen einfach immer gemacht. Also in Frankreich war es nicht so, dass es durch den Staat verfolgt war. Und diese französischen, ich nenne sie mal „Aktivisten“, fügen einem Wort weibliche Formen mittels Pünktchen oder anderer Zeichen bei. Diese Zeichen sind in der Schriftsprache grammatikalisch in Frankreich nicht vorgesehen. Ich glaube, das ist das, was Frau FriemannJennert auch angedeutet hat. In der Aussprache sind diese Zeichen meistens stumm.

Wenn die Frau Präsidentin es erlaubt, würde ich mal ein Beispiel bringen auf Französisch, zum Beispiel „die Abgeordneten“ würde lauten „les députés“, und bei den

Verfechtern, die die inkludierte Schreibweise verwenden, bei denen klingt das genauso, „les députées“. Man merkt gar keinen Unterschied, obwohl eigentlich noch ein „e“ am Ende eingefügt wurde. Also ein ganz anderes System als in Frankreich. Und das hat jetzt Frankreich gemacht. Die französische Regierung hat verfügt, dass derartige Konstrukte in ihrem offiziellen Schriftverkehr nicht zu verwenden sind. Also sowohl ein ganz anderes System als auch ganz andere Grammatik in Frankreich.

Es ist mir eben nicht bekannt, dass hiesige Beschäftigte des öffentlichen Dienstes von sich aus im größeren Maßstab neue Schreibweisen erfunden haben und durchsetzen wollen. Auch wird die geschlechtergerechte Sprache bei uns nicht von unten gegen den Willen der Entscheidungsträger auf höherer Ebene initiiert, sondern sie wird sozusagen von oben herab bestimmt.

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Berücksichtigung der Gleichstellung von Männern und Frauen in der Sprache gesetzlich verankert. Ich zitiere Paragraf 4 Absatz 3 Gleichstellungsgesetz. Zitatanfang: „Rechts- und Verwaltungsvorschriften … sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr.“ Zitatende.

Darüber hinaus hat die Landesregierung einen eigenen Leitfaden entworfen für den aus ihrer Sicht richtigen Sprachgebrauch. Tatsächlich sollen sogenannte Paarformen vermieden werden, es soll also möglichst nicht von „Lehrerinnen“ und „Lehrern“, sondern zum Beispiel neutralisiert von „Lehrkräften“ oder „Lehrkörpern“ gesprochen werden.

Bei allem Bemühen um die Gleichstellung von Männern und Frauen muss die Verständlichkeit gewahrt bleiben. Eine verständliche Amts- und Rechtssprache ist ein wichtiges Thema. Es ist aber auch wichtig, in dem Zusammenhang zu erwähnen, dass es nicht ausreicht, hier einen Entschließungsantrag zu fordern. Formal müsste man, wenn man das tatsächlich ändern will, erst mal das Gesetz ändern. Man kann von der Regierung nicht etwas verlangen per Entschließungsantrag, wozu die Regierung gesetzlich verpflichtet ist.

Die Regierung und wir als Parlament sind aber auch ganz allgemein gefordert, wenn es um die Verständlichkeit der Rechtssprache geht. Und da hat mir bisher ein ganz entscheidender Hinweis eigentlich gefehlt, denn jedes Landesgesetz wird hier von uns im Parlament verabschiedet, und wir selbst müssen im Gesetzgebungsverfahren darauf achten, dass die Sprache klar und verständlich ist. Die Regierung selbst erlässt die Gesetze ja nicht.

Und noch einen abschließenden Hinweis: Der Antrag ist im Grunde gar nicht entscheidungsfähig, weil davon die Rede ist – wenn ich Regierung wäre, wüsste ich gar nicht, was ich machen sollte, wenn der Antrag durchkäme –, weil verlangt wird, dass die Sprachform verwandt werden soll, die, ich zitiere, „vor der Förderung der gendergerechten Sprache“ verwendet wurde. Da müsste der Antragsteller auch mal klarstellen, an welchem Datum soll es jetzt gewesen sein.

(Heiterkeit bei Bernhard Wildt, BMV)

Mir ist kein Beschluss oder irgendwas bekannt, wo explizit jetzt hier die gendergerechte Sprache eingeführt wer

den müsste. Also müsste das erheblich konkretisiert werden. In dieser Form wäre der Antrag auch schon aus formalen Gründen gar nicht entscheidungsfähig. Wir lehnen den Antrag insgesamt ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV und Marc Reinhardt, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der AfD versucht wieder einmal, Frauen unsichtbar zu machen.

(Zurufe vonseiten der Fraktion der AfD: Oh!)

Wir wollen genau das Gegenteil mit der gendergerechten Sprache, Frauen sichtbar machen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Die deutsche Sprache, unsere deutsche Muttersprache bietet dafür die besten Voraussetzungen. Sie ist vielseitig, sie kann das und hat damit keine Probleme. Sie sprechen immer von „Genderwahnsinn“, auch in anderen Zusammenhängen. Ich glaube, dieser Wahnsinn tobt nur in Ihrem Kopf

(Tilo Gundlack, SPD: Sonst tobt da ja nichts.)

und möglicherweise bereiten Ihnen Texte, die gegendert sind, gesundheitliche Probleme, Sie kriegen da Ausschlag oder was weiß ich. Aber das ist Ihr eigenes Problem, das wir nicht teilen.

Sprache beeinflusst nicht nur unser Denken, sie schafft auch Realitäten. Durch Sprache entstehen Bilder in unseren Köpfen. Ich möchte das mal an zwei kleinen Beispielen sichtbar machen – mal gucken, was Sie sich darunter vorstellen, mit zwei kleinen Texten nur.

Text Nummer eins, Beispiel Nummer eins: Vater und Sohn fahren im Auto. Sie haben einen schweren Unfall, bei dem der Vater sofort stirbt. Der Junge wird mit schweren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht, in dem ein Chefchirurg arbeitet, der eine bekannte Koryphäe für Kopfverletzungen ist. Die Operation wird vorbereitet, alles ist fertig. Als der Chefchirurg erscheint, wird er blass und sagt, ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn.

Was stellen Sie sich denn jetzt vor? Bei unserer offenen Gesellschaft würde ich natürlich sofort denken, es handelt sich hier um ein homosexuelles Paar.

(Heiterkeit bei Stephan J. Reuken, AfD)

Nein, das ist nicht gemeint. Der „Chefchirurg“ ist die Mutter. Sie machen also die Mutter mal eben in diesem Beispiel unsichtbar.

(Jürgen Strohschein, AfD: Wo ist da der Sinn? Das ist Unsinn! – Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Das ist ein sehr gutes Beispiel.)

Das ist überhaupt kein Unsinn. Sie haben natürlich sofort gedacht, dass der Chefchirurg ja nur die Mutter sein kann.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Schlau, schlau!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist doch schön, dass er wieder aufgewacht ist.)

Zweites Beispiel: Zur Erleichterung der Schüler dieses Kurses betritt endlich der Lehrer mit einer Laufmasche in seinen Nylons den Raum. Nun kann der Stillkurs für die Teilnehmer beginnen.

Hört sich doch toll an, oder?

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Ja, muss ich auch sagen.)

Gemeint ist natürlich, der „Lehrer“ ist die altgediegene Hebamme, die hier als Lehrerin für eine junge Müttergruppe auftritt. Wären Sie natürlich sofort drauf gekommen – ganz klasse!

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Für mich hört sich das eher wie eine Büttenrede im Karneval an.

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

Es geht hier um nichts weniger als den respektvollen Umgang miteinander. Und Respekt lässt sich auch über die Sprache zeigen, indem nicht nur das generische Maskulin verwendet wird, bei dem andere Geschlechter einfach unerwähnt bleiben oder bloß mitgemeint seien, sondern alle angesprochen werden.

Es gab im Vorfeld der Bundestagswahl im letzten Jahr eine interessante Diskussion im WDR. Da wurde unter anderem ein Linguist, Herr Eisenberg, vom Institut für Germanistik der Uni Potsdam befragt – man hat gesehen, fast alle Parteien, außer AfD natürlich, verwenden gendergerechte Sprache,

(Thomas Krüger, SPD: Weil wir Frauen und Männer ansprechen wollen.)

mal mehr und mal weniger gelungen – und es ging in diesem Zusammenhang eigentlich hauptsächlich um die Kritik dieses Linguisten an dieser Form mit dem Sternchen, also wenn da geschrieben steht, nicht „Frauen“, „Lehrerinnen und Lehrer“, sondern „Lehrer*Innen“.