Protocol of the Session on November 16, 2017

(Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich!)

Jugendliche sollen Ihrer Meinung nach die Teilnahme bei Landtagswahlen politisch mitbestimmen können, sollen aber nicht in der Lage sein, als V-Leute oder Informanten eingesetzt zu werden. Das ist doch völlig widersprüchlich.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Aus den von mir genannten Gründen, aus Abwägung von Machtmissbrauch und berechtigten Sicherheitsinteressen in der Bevölkerung werden wir uns bei diesem Ansinnen der Partei DIE LINKE enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Ritter, als Sie das Thema im Innenausschuss erörtert haben, welches offensichtlich Grundlage Ihres verallgemeinernden Antrags ist, war ich ja anwesend. Deswegen ist es, finde ich, schon ein starkes Stück, wie Sie hier mit Begrifflichkeiten spielen. Ganz bewusst setzen Sie die Begrifflichkeiten, wie „Inanspruchnahme“ und „Einsatz“, hier ein oder verwischen das irgendwie, damit ein falscher Eindruck entsteht, und zwar ganz vorsätzlich. Bei der Auseinandersetzung im Innenausschuss wurde uns seitens des Innenministeriums sehr klar dargelegt, wie die einzelnen Schritte mit der betreffenden Person sich entwickelt haben, nämlich, dass zunächst einmal eine Informantentätigkeit dergestalt ausgeübt wurde, dass diese Person sich an die Polizei gewandt hat, aus freien Stücken heraus. Tatsächlich im Protokoll steht, ich zitiere Herrn Ritter: „Herr Lehrer, ich weiß was.“ Auch das ist eine Informantentätigkeit, wenn jemand in der Tat aus freien Stücken, egal, welchen Alters, zur Polizei geht und sagt, ich bin Zeuge einer schweren Straftat geworden und möchte das anzeigen. Und egal, welches Alter diese Person hat, die Polizei ist verpflichtet, dem nachzugehen, sie ist per se verpflichtet. Aber das wissen Sie ganz genau und Sie kennen ja garantiert auch Paragraf 163 Absatz 3 der Strafprozessordnung,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, jetzt bringen Sie aber auch Begriffe durcheinander, Frau Tegtmeier.)

nämlich, dass Zeugen verpflichtet sind, auf Ladung der Ermittlungsbehörden der Staatsanwaltschaften zu erscheinen und auszusagen, wenn die Ladung auf Antrag der Staatsanwaltschaft erfolgt ist, und davon sind Minderjährige nicht ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist man da eventuell unter bestimmten Voraussetzungen nach Paragraf 52, aber eben nicht per se und auch nicht, wenn man minderjährig ist.

Als ich Ihren Antrag las, der ganz gezielt immer mit dem Einsatz eines Minderjährigen als Informant in der Aussage aufwartet, sind mir in der Tat erst mal drei Fragen eingekommen:

Zum einen: Wollen Sie die Aufklärung von Straftaten behindern?

Zweitens. Wollen Sie den Minderjährigen einen Maulkorb verpassen, die aus freien Stücken tatsächlich eine Straftat anzeigen wollen?

Drittens. Oder aber wollen Sie ihnen die in der besagten Richtlinie geregelte Vertraulichkeit vorenthalten?

Weil darum geht es ja in dieser Richtlinie hauptsächlich, dass man für die Inanspruchnahme, also nicht den Einsatz, sondern die Inanspruchnahme von Informanten und den Einsatz von Vertrauenspersonen – bla, bla, bla – oder verdeckten Ermittlern die Möglichkeit der Vertraulichkeit regelt. Darum geht es hauptsächlich in dieser entsprechenden Richtlinie.

Sie behaupten hier, dass das Innenministerium Minderjährige als Informanten einsetzt. Der Minister sagt, man nimmt sie in Anspruch, was ja eine vollkommen andere Geschichte ist. Wenn man jemanden in Anspruch nimmt, dann fragt man ihn oder er kommt selbst und bietet etwas auf freiwilliger Basis an. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ich jemanden gezielt einsetze und ihn irgendwo in eine brenzlige Situation schicke, um etwas auszuspionieren. Das sind grundsätzlich unterschiedliche Dinge.

(Zuruf von Ann Christin von Allwörden, CDU)

Und das vermischen Sie hier offensichtlich ganz bewusst, um etwas zu suggerieren, was einfach nicht der Fall ist. Das ist, ehrlich gesagt, ganz schön schäbig.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wir werden Ihren Antrag in diesem Zusammenhang deswegen auf keinen Fall unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, deswegen! Weil Sie selber Begriffe vermischen, werden Sie den Antrag ablehnen.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die BMVFraktion wird den Antrag ebenfalls ablehnen. Der Antrag begehrt festzustellen, dass der Einsatz Minderjähriger als V-Person oder als Informant künftig unmissverständlich auszuschließen ist. Schon jetzt ist der Einsatz Minderjähriger als V-Person unmissverständlich ausgeschlossen. In den Richtlinien über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung heißt es in Punkt 3.4: „Der Einsatz von Minderjährigen als V-Personen ist nicht zulässig.“

V-Personen sind diejenigen Personen, die bereit sind, über einen längeren Zeitraum mit Strafverfolgungsbehörden vertraulich zusammenzuarbeiten. Informanten sind aber nur die Personen, die bereit sind, gegen Zusicherung von Vertraulichkeit im Einzelfall der Strafverfolgungsbehörde Informationen zu geben.

Mir ist nicht klar, warum Minderjährige von der Polizei abgewiesen werden sollten, wenn sie Hinweise zu Straftaten geben können. Es ist tägliche Praxis, dass Minderjährige gegenüber der Polizei oder auch vor Gericht Angaben machen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung

als Staatsanwalt oder auch als Richter. Dass dort auch Minderjährige als Zeugen vernommen werden, ist einfach völlig üblich. Gegenüber dem Vergleich mit dem MfS – dieser Vergleich hinkt ganz gewaltig – bin ich immer ein bisschen empfindlich. Meine eigene Familie hatte auch eine dicke Stasiakte, es wurden viele Spitzel auf sie angesetzt, sodass ich eigentlich nicht möchte, dass die heutige Polizeiarbeit mit der Tätigkeit des MfS irgendwie in Zusammenhang gebracht wird.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und BMV)

Wenn man ihnen, also den Minderjährigen, nun aber nicht den Status eines Informanten gewähren will, bedeutet das, dass die Strafverfolgungsbehörden sie aber auch nicht mehr schützen können, denn nur Informanten kann Vertraulichkeit und Geheimhaltung zugesagt werden. Das gilt vor allen Dingen für den Bereich der organisierten Kriminalität, des Drogenhandels oder der Staatsschutzdelikte.

Und nun muss mir mal jemand erklären, warum Minderjährige schlechtergestellt werden sollen als Volljährige. Gerade Minderjährige brauchen einen besonderen Schutz. Die Behörde, die Polizei muss dann abwägen, ob einem potenziellen Zeugen Vertraulichkeit gewährt wird, und wenn sie dabei ist, muss sie einem Minderjährigen noch viel eher Vertraulichkeit zusichern können als einem Erwachsenen. So regelt die Richtlinie, dass Informanten Vertraulichkeit nur zugesichert werden darf, wenn diese anderenfalls erheblich gefährdet wären. Es gibt keinen Grund, Minderjährigen diesen Schutz nicht zu gewähren.

Noch ein weiterer Grund spricht gegen den Antrag. Es gibt auch keinen Grund, hier in Mecklenburg-Vorpommern einen Sonderweg zu gehen. Diese Richtlinie, die ich vorhin zitierte, ist nach Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern so verabschiedet worden und es ist zu begrüßen, dass es für die Inanspruchnahme von Informanten und V-Leuten bundesweit einheitliche Standards gibt. Kriminalität macht nicht an der Landesgrenze von MecklenburgVorpommern halt. Ein Alleingang Mecklenburg-Vorpommerns in Bezug auf minderjährige Informanten ist nicht sinnvoll. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV und Ann Christin von Allwörden, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich wurde bereits in allen Redebeiträgen alles gesagt und ich glaube, dass auch die Beiträge gezeigt haben, wie unsinnig der Antrag eigentlich ist. Dennoch werde ich trotzdem nicht darauf verzichten, auf die Punkte noch mal einzugehen.

Mich erstaunt dieser Antrag in mehreren Bereichen. Bevor ich auf die inhaltliche Komponente zu sprechen komme, muss ich erst mal die zeitliche Komponente ansprechen. Warum jetzt? Warum soll sich der Landtag genau jetzt mit der Thematik befassen?

In Ihrem Antrag suggerieren Sie unter Punkt 1, dass es eine aktuelle mediale Diskussion darüber gäbe. Dem ist aber gar nicht so. Richtig ist, dass sich der Innenaus

schuss in diesem Jahr mit der Thematik im Rahmen der Selbstbefassung und auf Wunsch der Fraktion DIE LINKE bereits mehrfach damit befasst hat, und zwar im März und im Mai dieses Jahres. Das Innenministerium hat uns dazu im Ausschuss berichtet. Irgendwelche Ungereimtheiten oder ungeheuerlichen Erkenntnisse kamen da nicht zum Vorschein. Danach gab es noch den kruden Vorschlag der LINKEN, dass wir einen verurteilten Straftäter in den Innenausschuss laden sollen. Dann aber war Stille vonseiten der LINKEN. Was ist also passiert, das die Sachlage seit Mai dieses Jahres verändert hat?

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Parteitag steht an.)

Ansonsten aber nichts.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ein Blödsinn! Vollschuss!)

Den Ausführungen der LINKEN kann ich dazu auch nichts Wirkliches entnehmen. Warum also im Landtag besprechen, wenn wir diese Thematik bereits im Innenausschuss diskutiert haben? Warum beschäftigen wir uns jetzt im Landtag damit und nicht weiterhin im zuständigen Fachausschuss? Für mich gibt es auch hier nur die gleiche Antwort wie auf die erste Frage: weil es keine neuen Erkenntnisse gibt, die eine Befassung im Ausschuss rechtfertigen und weil Sie das Thema nur populistisch behandeln wollen.

In Ihrem Antrag zeigen Sie mit dem moralischen Finger auf die Polizei, aber eigentlich sind doch Sie es, die Minderjährige hier mit dem Antrag instrumentalisieren, nur um Aufmerksamkeit zu erlangen. Genau bei diesem Thema lohnt es sich aber, hinter die Fassade des Antrages zu schauen. Es gibt genügend Fakten, die aufzeigen, dass Ihr Antrag, so, wie er uns hier vorliegt, nicht nur eine inhaltliche Argumentation ist und auch nicht auf den Schutz der Minderjährigen abstellt.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Nee!)

Nehmen wie ein ganz konkretes Beispiel, das auch noch Bezug hat zu der Selbstbefassung im Ausschuss: Drogenkriminalität. 23,5 Prozent der Jugendlichen haben statistisch gesehen schon mal ein Drogenangebot bekommen, etwa 10 Prozent haben dann auch Drogen konsumiert. Und wenn ich in dem Zusammenhang von Jugendlichen spreche, dann entspricht das der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen, damit wir eine Basis haben, worüber wir überhaupt reden. Jeder zehnte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren hat laut aktueller Drogenaffinitätsstudie also bereits Drogen konsumiert. Die Diskussion darüber, wie dies verhindert werden kann, will ich hier jetzt nicht führen, aber wir sind uns doch einig, dass Handel und Verkauf von Betäubungsmitteln strafbar sind und entsprechende Händler zur Verantwortung gezogen werden müssen. Wenn einer dieser Jugendlichen, einer dieser 23,5 Prozent – lassen Sie ihn bereits 16 oder 17 Jahre alt sein –, wenn jetzt also ein Jugendlicher zu einem Polizisten kommt und diesem einen Hinweis über Drogengeschäfte geben möchte, dann darf der Polizist nach Ihrem Antrag diesem Jugendlichen eigentlich nicht mal zuhören.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist doch Quatsch! Das steht da gar nicht drin.)

Das suggeriert aber Ihr Antrag.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Quatsch! Es geht darum, die Richtlinie zu ändern.)

Der wäre formal gesehen nämlich in dem Fall ein Informant, Herr Ritter. Das ist das, was in Ihrem Antrag steht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir beantragen, die Richtlinie zu ändern.)

Hinweise von einem Jugendlichen zur rechtsextremen Szene, die er der Polizei geben möchte als Informant – dies sind ganz praktische Beispiele, die zurzeit in Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern mehrfach an der Tagesordnung sind –, dürfen dann also von Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr aufgenommen und weiterverfolgt werden. Na herzlichen Glückwunsch! Praktisch muss das dazu führen, dass Polizisten, bevor sie mit Jugendlichen sprechen, erst mal nach dem Ausweis fragen und dann die Jugendlichen auf Polizeidienststellen in andere Bundesländer verweisen, damit sie im Wege der Amtshilfe und des Datenaustausches entsprechend Hinweise an die hiesige Polizei weiterleiten und diese schlussendlich hier ermitteln können. Das ist also Ihre Vorstellung von Polizeiarbeit?! Ich stelle mir das gerade praktisch vor, wie das funktionieren soll.

Sie kreieren also gleich zwei Problemlagen: Zum einen ist die Polizei nicht mehr Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche und zweitens verschließen Sie sich gerade in den Strafbereichen, in denen der Staat besonders Kinder und Jugendliche schützen muss, der Informationsgewinnung. Das halte ich für absolut fatal. Und das alles nur, weil nach Ihrem Antrag die Polizisten keine Informationen von Minderjährigen entgegennehmen dürfen. Also das kann tatsächlich nicht Ihr Ernst sein!