Protocol of the Session on October 18, 2017

Es gibt ja einen Haufen Leute, die sagen, Mensch, haltet euch raus, es gibt hier Selbstverwaltung zwischen den Ärzten auf der einen Seite und den Krankenkassen auf der anderen Seite, die regeln das schon, die haben auch den Sicherstellungsauftrag, ihr könnt euch ein bisschen

um das Thema Krankenhausplanung kümmern und ansonsten solltet ihr es dabei belassen. Das ist nicht so. Das Thema Gesundheitsversorgung ist ein wesentliches Thema der Daseinsvorsorge und insofern muss sich ebenso die Politik damit beschäftigen. Deswegen bin ich auch unserer Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sehr dankbar, dass sie das in den ersten 100 Tagen erkannt hat und angefangen hat, sich um dieses Thema zu kümmern.

Wenn man jetzt die Frage stellt, wie Versorgung sicherzustellen ist, muss man natürlich auf der einen Seite, nein, man muss nicht auf der einen Seite, sondern man muss erst mal damit anfangen, sich die Rahmenbedingungen quasi noch mal zu vergegenwärtigen. Die Frage ist: Wie sind denn die Rahmenbedingungen bei uns in Mecklenburg-Vorpommern?

Mecklenburg-Vorpommern hat 69 Einwohner pro Quadratkilometer – ich will nur auf einige Faktoren eingehen, nur die wesentlichen –, 69 Einwohner pro Quadratkilometer. Die Prognose ist, dass wir 2030 nur noch 61 Einwohner pro Quadratkilometer haben. Das heißt also, das ist die Gesamtbetrachtung. Wir haben aber periphere Räume, da sieht das deutlich anders aus. Wir haben Bereiche, da haben wir teilweise unter 10 Einwohner pro Quadratkilometer.

90 Prozent unseres Landes gelten als dünn besiedelt. In diesen 90 Prozent wohnen fast 50 Prozent unserer Bevölkerung. Das sind wichtige Dinge. Die Alterskohorte, die bei uns am stärksten wächst, ist 80 Jahre alt und älter. 80 Jahre alt und älter! Das waren 2008 70.000, bis zum Jahr 2023/2024 wird sich diese Alterskohorte verdoppelt haben. Und jeder, der weiß, wie es mit dem Thema aussieht und was man da letztendlich betrachten muss, der weiß auch, dass mit zunehmendem Alter natürlich das Morbiditätsrisiko deutlich steigt. Das heißt, wir haben einen steigenden Versorgungsbedarf in der Pflege und in dem medizinischen Bereich, vor allem in der Geriatrie. Der Minister hat schon darauf aufmerksam gemacht, das bedeutet, dass schwere Erkrankungen bei uns in Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft deutlich zunehmen werden, wenn die Prognosen richtig sind, also Myokardinfarkt, Schlaganfall, Demenz und Krebserkrankungen, um noch ein paar zu nennen. Das muss man wissen.

Weiter kommt hinzu, dass wir heute schon in erheblichem Umfang einen Fachkräftemangel im Bereich der Medizin und Pflege haben. Der wird sich deutlich verschärfen. Nach mir vorliegenden Unterlagen haben wir im Jahr 2014 219 niedergelassene Ärzte gehabt, die 68 Jahre alt und älter waren. Im Jahre 2030 wird diese Gruppe 1.792 Personen betragen, also niedergelassene Ärzte, die 68 Jahre alt sind und älter.

Der nächste Faktor, den man betrachten muss, ist, wir haben nach wie vor eine starke sektorale Abschottung – darauf hat der Minister auch hingewiesen –, eine starke sektorale Abschottung im Bereich der Gesundheitsversorgung zwischen ambulant und stationär. Nicht jeder, der eine Leistung erbringen kann, darf die Leistung auch erbringen. Es kommt immer darauf an, welchem Sektor das zugeordnet werden muss.

Wir haben bei uns in Mecklenburg-Vorpommern – das ist keine einfache Sache – nach wie vor kein flächendeckendes Netz von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung. Auch im Bereich der Telemedizin haben wir Entwicklungsperspektiven, die wir aber auch ausschöp

fen müssen, da bin ich mit dem Minister völlig einig. Und Mecklenburg-Vorpommern hat die höchste Pflegequote im Bundesvergleich – die höchste Pflegequote im Bundesvergleich!

Welche Ziele muss man also nun verfolgen? Ich versuche, das ein Stück weit zu systematisieren, um noch mal deutlich zu machen, dass das eine sehr übergreifende Geschichte ist. Man muss auf der einen Seite mal anfangen, eine Harmonisierung vorzunehmen zwischen unterschiedlichen Planungen, also Verkehrsplanung, Raumplanung und der Planung medizinischer Versorgung. Denn eins ist auch klar: Medizinische Versorgungsangebote sind bei uns in Mecklenburg-Vorpommern nicht immer wirklich gut zu erreichen.

Und dann will ich mal mit einem Bereich anfangen, der heute überhaupt noch keine Rolle gespielt hat, das ist der Bereich von Prävention und Rehabilitation. Wir brauchen auf der Landesebene einen integrierten Ansatz zum Thema Präventionskonzepte. Ich will ein paar Sachen aufzählen: Das Thema Sucht spielt eine Rolle, das Thema „Gesunde Ernährung und Bewegungsförderung“ spielt eine Rolle, aber auch das Thema „Vorsorge und Früherkennung schon in der Kita und in der Schule“. Damit sind in der Regierung unterschiedliche Stellen befasst, aber das muss man zusammenfassen zu einem ganzheitlichen Präventionskonzept. Auch die Krankenkassen sind meines Erachtens hier gefordert, denn was da teilweise an Präventionsangeboten gemacht wird, hat häufig eher den Charakter von Marketing, als dass damit wirklich Prävention verfolgt wird.

Eine Sache, die in vielen Bereichen eine Rolle spielt, ist die Frage: Wie kann ich das Thema „Präventive Versorgung“ im Bereich des SGB V stärken? Eine Möglichkeit sind beispielsweise populationsorientierte integrierte Versorgungsverträge. Da gibt es ein gutes Beispiel in Baden-Württemberg, „das gesunde Kind“, wo für einen eingegrenzten Bereich,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das finde ich gut, das finde ich nachahmenswert.)

für eine bestimmte Bevölkerungsanzahl ein Gesamtbudget zur Verfügung gestellt wird,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

das im Rahmen eines Ärztenetzes verwaltet wird und wo letztendlich entschieden wird, was mache ich damit.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau. Das wäre doch innovativ.)

Je gesünder die Leute sind, desto mehr bleibt von dem Gesamtbudget unverbraucht

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

und kann für andere Dinge verwandt werden. In Kinzigtal läuft das sehr erfolgreich. Ich finde, das sind Dinge und Modelle, die man bei uns in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls aufgreifen muss.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

Das Thema „Fachkräftesicherung im ärztlichen Bereich“ ist umfassend angesprochen worden. Aber wir müssen

auch zur Kenntnis nehmen, das Medizinstudium und der Medizinberuf werden deutlich weiblicher. Der überwiegende Teil der Medizinstudenten sind Studentinnen, die natürlich ganz spezifische Vorstellungen haben von der Frage, wie sie ihren Beruf perspektivisch ausüben sollen.

Jetzt bin ich in der Situation und kann die Dinge nicht in einem Guss präsentieren wie der Minister.

(Minister Harry Glawe: Das ist schade.)

Das heißt, ich muss von der Möglichkeit Gebrauch machen und gleich noch mal ans Rednerpult kommen und diese Dinge ein Stück weit fortsetzen, weil zehn Minuten stehen mir noch zur Verfügung. Also bis gleich, sage ich, und herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Minister Harry Glawe: Sehr gut!)

Das Wort hat jetzt für Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

(Torsten Renz, CDU: Nicht wieder die Krankenhäuser infrage stellen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie alle Rednerinnen und Redner habe ich mir vor dieser Aktuellen Stunde Gedanken gemacht, womit wohl die CDUFraktion hier um die Ecke kommen wird,

(Torsten Renz, CDU: Klares Bekenntnis zur Krankenhausstruktur.)

Schachspieler sagen, welche Eröffnungsvariante gewählt wird. Ich habe mich gleich zweimal getäuscht.

(Andreas Butzki, SPD: Nur zweimal? – Vincent Kokert, CDU: Das ist ja nichts Neues, dass Sie sich täuschen.)

Zunächst habe ich gedacht, dass Sie wie Feenstaub Selbstlob über das Land streuen. Das haben Sie nicht gemacht, Herr Ehlers und Herr Glawe, Sie haben eher nachdenkliche Reden gehalten.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Und ich habe mich getäuscht darin, dass ich dachte, es kommen wenigstens ein paar kluge neue Gedanken, Vorschläge und Projekte.

(Heiterkeit bei Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Da ist völlige Fehlanzeige gewesen. Es waren inhaltsleere Reden.

(Vincent Kokert, CDU: Was?!)

Außer „neue Wege“ …

(Vincent Kokert, CDU: Haben Sie nicht zugehört? – Zurufe von Minister Harry Glawe und Torsten Renz, CDU)

Außer „neue Wege“ habe ich nichts gehört, Herr Minister, mit einer Ausnahme, das Thema …

(Minister Harry Glawe: Eine Seite rein, andere Seite raus. – Torsten Renz, CDU: Das ist schon ein starkes Stück!)

Ja, na klar. „Neue Wege“ und ansonsten war noch was von „Forschung“ zu hören.

(Torsten Renz, CDU: Bekenntnis zur Krankenhausstruktur! – Henning Foerster, DIE LINKE: Oooch!)

Aber jetzt zur Substanz: Es hat mich schon sehr verwundert, Herr Glawe, dass Sie einerseits die Frage aufrufen, O-Ton: Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir uns 37 Krankenhäuser im Land

(Bernhard Wildt, BMV: 39.)

leisten können – 39 sind es, 37 war in der Rede –, um dann zu sagen, die stehen ja gar nicht infrage. Wir haben sie auch nicht infrage gestellt.

(Minister Harry Glawe: Na?!)

Sie haben die Probleme exakt beschrieben, Herr Ehlers und Herr Glawe. Das eigentliche Problem ist nur, die Probleme, die wir heute haben und die allseits bekannt sind, sind das Ergebnis einer schlechten Politik von gestern, und Sie haben diese schlechte Politik zu verantworten. Das ist der Punkt.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Heiterkeit bei Minister Harry Glawe – Zuruf von Torsten Renz, CDU)