Protocol of the Session on October 18, 2017

Natürlich muss man hierbei immer mitberücksichtigen, dass die 16- und 17-Jährigen auf diese Entscheidung bestens vorbereitet werden müssen und wir deshalb die politische Bildung hierfür verstärken müssen. Das ist für uns klar. Wenn ich mit Jugendlichen, auch in Besuchergruppen hier im Landtag, über dieses Thema diskutiere, erlebe ich bei den Jugendlichen selbst die Skepsis bezüglich einer Absenkung des Wahlalters. Allerdings, muss ich sagen, werte ich das nicht als Desinteresse an Politik, sondern es zeugt aus meiner Sicht für die hohe Verantwortung der Jugendlichen. Sie wissen, was es bedeutet, wählen zu gehen und mitzuentscheiden.

Abgesehen davon könnte selbst ein unterstelltes Desinteresse einer Bevölkerungsgruppe an Politik nicht zum Absprechen des Wahlrechtes für die gesamte Gruppe führen. Nach dieser Logik müsste man jedem das Wahlrecht aberkennen, der zweimal nicht wählen war. Das kann wahrlich nicht demokratisch sein.

Werte Kolleginnen und Kollegen, glauben Sie mir, wir LINKE bringen diesen Gesetzentwurf aus tiefster Überzeugung ein. Auch das haben die U18-Wahlen gezeigt,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

dass die Ergebnisse unter den Ergebnissen der Bundestagswahlen für die LINKEN liegen. Insofern können Sie mir glauben, dass es nichts mit Eigennutz zu tun hat, dass wir das Wahlalter auf 16 runterschrauben wollen, sondern dass es unsere tiefste Überzeugung ist, Jugendliche mitbestimmen zu lassen, ihnen das Gefühl zu geben, von der Politik gehört und repräsentiert zu werden. Das ist aus unserer Sicht auch dringend notwendig. Der demografische Wandel verändert das Bevölkerungsbild im Land, ältere Menschen werden mehr, jüngere werden weniger. Ein Ausschluss jüngerer Menschen vom Wahlrecht führt dazu, dass ihre Interessen noch weniger berücksichtigt werden, als es ohnehin schon der Fall ist.

Im Gesetzentwurf nehmen wir auch noch mal Bezug auf die Studie der Bertelsmann Stiftung.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Ach herrje!)

Sie stellt fest, dass ein frühes Wahlrecht sich später positiv auf die Wahlbeteiligung auswirkt. Sie sehen, durch ein Wahlrecht ab 16 Jahren auch auf Landesebene stärken wir nicht nur die Repräsentanz der Jugendlichen und dass wir deren Interessen stärker in den Blick nehmen, wir stärken so frühzeitig auch die politische Bildung und beugen Politikverdrossenheit vor. Die Einbindung junger Menschen darf deshalb nicht wahltaktischen Bedenken geopfert werden.

(Torsten Renz, CDU: Wahltaktisch? Da haben Sie völlig falsche Informationen.)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es spricht alles dafür, diesen Gesetzentwurf in den Ausschuss zu überweisen, und eigentlich sollten wir da etwas zuversichtlicher sein als in der Vergangenheit. Es wird aus unserer Sicht Zeit, das Wahlrecht auf Landesebene auch denjenigen zu geben, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Ich weiß nicht, zum wievielten Mal wir in diesem Landtag nun schon über die Absenkung des Landeswahlalters diskutieren. Ich weiß aber, dass die...

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: In dieser Legislaturperiode nun das erste Mal! – Zuruf von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Nun warten Sie, bleiben Sie ganz ruhig! Das ist nicht gut für den Blutdruck.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ach, der ist in Ordnung, Herr Caffier!)

Ich weiß aber, dass die Debatten vor zehn Jahren wesentlich spannender waren, als sie es heute sind. Seien wir ehrlich, es ist mittlerweile Routine, die Argumente sind schon so oft ausgetauscht worden. Alle relevanten Studien von jeder Seite wurden zitiert, jede Meinung wurde zum Besten gegeben. Vielleicht täuscht der Eindruck, aber ich habe das Gefühl, dass die Fraktion DIE LINKE immer wieder versucht, dieses Thema auf die Tagesordnung zu hieven,

(Marc Reinhardt, CDU: Und täglich grüßt das Murmeltier!)

obwohl es hier ganz konkrete Absprachen gibt, die wir auch für sehr sinnvoll halten.

(Torsten Renz, CDU: Außerdem gehen ihnen auch die Themen aus.)

Wie Sie persönlich wissen, sehe ich persönlich die Absenkung des Wahlalters als Skeptiker an. Ich könnte meine Skepsis mit zahlreichen Argumenten auffüllen, tue es aber nicht, denn wir werden heute wohl keine allzu aufgeregte Debatte erleben, weil wir dieses Thema bereits in den Koalitionsverhandlungen abgeschlossen und entschärft haben.

(Marc Reinhardt, CDU: Abgefrühstückt.)

Ein Blick in den Koalitionsvertrag hilft da vielleicht.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Dort steht unter Ziffer 436, ich zitiere: „Als weiterer Reformschritt sollen Volksbefragungen in wesentlichen Fragen durch ein Landesgesetz eingeführt werden. Thema der ersten Volksbefragung wird die Herabsetzung des Wahlalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre sein unter Einbeziehung der 16- und 17-Jährigen.“ Das ist Gegenstand des Koalitionsvertrages und dementsprechend bereitet die Landesregierung natürlich auch die notwendigen Voraussetzungen dafür vor, um eine solche Volksbefragung durchführen zu können.

Selbstverständlich kann man eine Volksbefragung aus meiner festen Überzeugung nur dann durchführen, wenn es erstens rechtlich haltbar ist – das haben wir in Bayern gesehen, was gemacht wird, wenn man im Schnellgang ein Gesetz auf den Weg bringt und es wird nachher eingesammelt –, und selbstverständlich ist das Parlament gut beraten, wenn es eine solche Befragung gibt, dass es am Ende dieser Befragung das Ergebnis auch umsetzt, egal, ob so oder so.

(Torsten Renz, CDU: Nee, das werden wir ergebnisoffen diskutieren, Herr Minister!)

Das ist dementsprechend auch Sinn einer Volksbefragung.

(Torsten Renz, CDU: Ergebnisoffen diskutieren! – Heiterkeit bei Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Und deswegen haben Sie doch auch mal Vertrauen darein, liebe Kollegen von der Fraktion DIE LINKE!

(Martina Tegtmeier, SPD, und Torsten Renz, CDU: Das steht im Koalitionsvertrag drin.)

Das ist exakt der Fahrplan, an den sich die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen halten werden. Das Justizministerium bereitet beispielsweise dazu eine notwendige Verfassungsänderung vor, denn auch das ist zwingend notwendig, um nicht solche Sachen wie in Bayern zu erleben. Die weitere gesetzliche Ausgestaltung der Volksbefragung obliegt dann in der Tat dem Innenministerium. Das alles muss gut vorbereitet werden, die gesetzlichen Regelungen zur Volksbefragung wurden nämlich vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof bekanntermaßen gekippt.

Unser Ziel ist es auf jeden Fall, die Volksbefragung zum Wahlalter so durchzuführen, dass wir Landes- und Kommunalwahlgesetze gegebenenfalls noch in dieser Legislaturperiode dementsprechend anpassen können,

(Torsten Renz, CDU: Nee, wir werden das Ergebnis erst mal auswerten, Herr Minister.)

entsprechend, wie das Ergebnis aussieht. Ich empfinde diesen Weg, die Bürgerinnen und Bürger in eine solche Änderung mit einzubeziehen und das Ergebnis dieser Volksbefragung, die ja dann auch ein neues Instrument ist, den Ausgang dieser zu respektieren und umzusetzen, als den richtigen Weg, den die Koalition hier wählt. Deswegen finde ich es gut, dass wir uns grundsätzlich auf eine vernünftige Vorgehensweise verständigt haben, nämlich auf eine solche Vorgehensweise, die von vielen Bürgerinnen und Bürgern in der Vergangenheit eingefordert worden ist.

Es würde mich sehr wundern, liebe Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, wenn Sie sich dieser Vorgehensweise verschließen würden. Ich zähle also auf Ihre Unterstützung. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie diesen Gesetzentwurf jetzt einbringen …

(Martina Tegtmeier, SPD: Haben Sie?)

Ja, das habe ich.

… und noch einmal eine Duftmarke zu dem Thema setzen wollen. Das ist durchaus in Ordnung. Aber Sie, liebe Kollegen der Linksfraktion, werden gewiss auch verstehen, dass ich dem Landtag und den sie tragenden Fraktionen angesichts unserer Planungen nur die Ablehnung Ihres Gesetzentwurfes empfehlen kann. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, AfD und BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

Sehr geehrtes Präsidium! Werte Kollegen! Liebe Landsleute! Die Antragstellerin fordert in ihrem Gesetzentwurf die Änderung des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern.

(Marc Reinhardt, CDU: Lesen können wir selbst.)

In ihrer Begründung verweist sie auf das aktive Wahlrecht bei Kommunalwahlen unseres Landes und stellt in diesem Zusammenhang die Ungleichbehandlung junger Menschen, Bezug nehmend zum Landeswahlrecht, in den Vordergrund. Gleichzeitig ergeben sich bei der Antragstellerin keinerlei Gründe, warum die Allgemeinheit der Wahl bei den Kommunalwahlen anders definiert werden sollte als bei den Landtagswahlen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das habe ich doch gerade erzählt.)

Nun kann man natürlich die stark idealisierte Welt der LINKEN und ihre Vorstellungen von Ungleichbehandlung in dem formulierten Antrag stehen lassen, man kann sich allerdings auch intensiv und praktisch mit der Thematik befassen und diese aus nicht idealisiertem Blickwinkel betrachten. Dann kommt man zu dem Schluss, dass es sich bei dem Gesetzentwurf wohl um eine nette Vorstellung, jedoch auch – und das ist symptomatisch für DIE LINKE – um eine undifferenzierte und einseitige Betrachtung der Thematik handelt.

DIE LINKE stellt darauf ab, dass es aufgrund des Wahlalters von 16 Jahren auf kommunaler Ebene und 18 Jahren auf Landes- und Bundesebene eine Ungleichbehandlung gibt und dass es auf Landesebene in diesem Fall auch Jugendlichen ab 16 Jahren erlaubt sein muss, am politischen Findungsprozess teilzuhaben. Was den Kollegen von der LINKEN offenbar abgeht oder sie schlichtweg einfach ignorieren, ist, dass sich das Wahlrecht auf kommunaler Ebene auf den Bereich der Exekutive beschränkt, das Wahlrecht auf der Landesebene aber einen weit größeren Verantwortungsbereich beinhaltet.

Meine Damen und Herren, der Landtag ist das zentrale Organ der Legislative im politischen System unseres

Landes. In ihm werden bindende Gesetze für unser Land beschlossen. Bei Kommunalwahlen werden Gemeinde- beziehungsweise Stadtvertreter gewählt. Diese bilden kein gesetzgebendes Organ wie ein Parlament, sondern sind Teil der Verwaltung, also Teil der Exekutive. Das heißt, Gemeindevertreter haben kein die Allgemeinheit bindendes Gesetzgebungsrecht, sondern agieren mit Verordnungen und Verwaltungsakten. Diese Maßnahmen haben einen sehr viel engeren Adressatenkreis und auch sachlich erheblich geringeren Umfang. Dies ist für einen 16Jährigen einfacher zu überschauen und zu beurteilen als eine deutlich weiterreichende Gesetzgebung.

Nun möchte ich per se nicht jedem 16- oder 17-jährigen jungen Menschen Politikunkenntnis unterstellen, gleichzeitig aber auch nicht ausführen, dass es in diesem Altersbereich generell ein starkes politisches Engagement gibt. Fakt jedoch ist, dass unser Schulsystem die Jugend im Bereich der Altersklassen zwischen 14 und 16 Jahren nicht ausreichend auf unser politisches System vorbereitet. Ebenso umfasst dies die Absenkung des Wahlrechts auf 16 Jahre und die Verantwortung, die mit der gefassten Entscheidung einhergeht, gerade, was den Zusammenhang mit der Gesetzfindung und der Gesetzgebung betrifft. Die Schule vermittelt in dieser Altersstufe noch nicht das politische Basiswissen und auch nicht die komplexen Zusammenhänge politischer Arbeit.