Protocol of the Session on November 1, 2016

(Zuruf von Elisabeth Aßmann, SPD)

Es wäre fatal, wenn der Verfassungsschutz muslimischreligiösen Extremismus und linksextreme Strömungen aus vermeintlich politischer Opportunität nicht mit derselben unvoreingenommenen Aufmerksamkeit unter die Lupe nähme wie den Rechtsextremismus.

Damit sichergestellt ist, dass der Verfassungsschutz seine Aufgabe objektiv erledigt, ohne auf dem einen oder dem anderen Auge blind zu sein oder sich instrumentalisieren zu lassen, ist eine wirksame und effektive Kontrolle des Nachrichtendienstes unerlässlich. Dazu wiederum ist es notwendig, dass im Parlamentarischen Kontrollgremium auch alle von den Bürgern in den Landtag entsandten Parteien gerecht und nach dem Verhältnis ihrer Fraktionsstärken vertreten sind.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Klar und eindeutig formulierte Gesetze sind

der beste Garant für Rechtsfrieden und Rechtssicherheit. „Zuverlässige Regeln sind die Kinder einer zuverlässigen Erfahrung, die in der Tat die Mutter sämtlicher Wissenschaften und Künste ist“, wusste das Universalgenie Leonardo da Vinci schon vor mehr als 500 Jahren. Das gilt auch und besonders für die Politik, die, wenn wir Otto von Bismarck folgen wollen, zwar keine Wissenschaft ist, aber eben doch eine Kunst.

Im Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Mecklenburg-Vorpommern, wie es in der ursprünglichen Fassung vom 11. Juli 2001 verabschiedet worden war, waren die Bestimmungen über die Zusammensetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission deutlich formuliert. In Paragraf 27 Absatz 2 war nämlich festgelegt, dass jede Fraktion des Landtages, wenn auch nur grundsätzlich, Anspruch darauf hat, entsprechend der Zahl ihrer Abgeordneten, mindestens jedoch mit einem Mitglied in der Parlamentarischen Kontrollkommission vertreten zu sein. Die Kommission sollte dabei in der Regel fünf Mitglieder umfassen. Diese Bestimmung war durch die derzeit noch gültige Neufassung aus dem Jahre 2007 in einer besonderen politischen Situation signifikant geändert worden.

(Erwin Sellering, SPD: 2011.)

Die Regelzahl der Mitglieder wurde auf sechs festgelegt. Zugleich wurde nicht jeder Fraktion, sondern lediglich der Opposition eine konkrete Zahl von Mitgliedern zugestanden, nämlich zwei, und das auch nur mit der Sollbestimmung, „sollen der parlamentarischen Kommission angehören“, anstelle eines zwingenden „müssen“. Das lief zum einen auf eine institutionalisierte Zweidrittelmehrheit für die Regierungsfraktionen, zum anderen auf die Möglichkeit hinaus, nicht alle Oppositionsfraktionen zwingend bei der Besetzung zu berücksichtigen.

Die politische Ausnahmesituation, in der diese Bestimmung getroffen wurde, ist inzwischen bekanntlich entfallen. Es gibt daher gar keinen Grund, diese gewollten Unschärfen und Uneindeutigkeiten nicht wieder zu korrigieren und zur bewährten und klaren Bestimmung der ursprünglichen Fassung des Gesetzes zurückzukehren. Mehr noch, die überfällige abermalige Änderung des Paragrafen 27 Absatz 2 bietet zudem die Gelegenheit, nicht nur die obsolet gewordenen Unklarheiten und Ungenauigkeiten des derzeit noch gültigen Gesetzestextes zu beseitigen, sondern auch den ursprünglichen Gesetzestext noch präziser und klarer zu fassen. Die Regierungsfraktionen wollen mit diesem Gesetzänderungsentwurf die festgelegte Zahl der Mitglieder wieder von sechs auf fünf herabsetzen. Das ist vernünftig, weil es die institutionalisierte Zweidrittelmehrheit der Regierungsfraktionen in der Kommission wieder zurücknimmt, aber es reicht nicht. Der Entwurf der Regierungsfraktionen springt zu kurz und versäumt es, mit klaren und unzweideutigen Formulierungen für ein gerechtes Verhältnis zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen zu sorgen.

Der Entwurf der AfD erweitert den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, indem er diesem Mangel abhilft und der Regelung der Urfassung des Gesetzes mit geringen Änderungen wieder Geltung verschafft. Auch in der von uns vorgeschlagenen Fassung besteht die Parlamentarische Kontrollkommission fest aus fünf Mitgliedern. Diese dürfen nicht der Landesregierung angehören und jede einzelne Fraktion hat Anspruch auf mindestens einen Sitz, und das nicht nur grundsätzlich, sondern ohne Wenn und Aber.

(Erwin Sellering, SPD: Völlig richtig.)

Das entspricht den Regeln guter Staatskunst. Es schafft Klarheit und Rechtssicherheit und schiebt der Versuchung einen festen Riegel vor, Interpretationsspielräume durch fortbestehende schwammige Bestimmungen dazu zu missbrauchen, ungeschriebene Selbstverständlichkeiten zu missachten und einzelne Fraktionen willkürlich in ihren parlamentarischen Rechten zu beschneiden.

Natürlich entspräche es ohnehin parlamentarischer Übung, dass, wenn im Landtag lediglich zwei Oppositionsfraktionen wie hier vertreten sind, jede dieser Fraktionen bei der Besetzung der beiden Oppositionssitze zum Zuge kommt. Parlamentarische Übung ist allerdings auch, dass die stärkste Oppositionsfraktion den ersten Landtagsvizepräsidenten stellt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wo steht das? Steht das irgendwo geschrieben?)

Obwohl wir in entgegenkommender Weise zuvor sogar auf die Nominierung eines ersten Vizepräsidenten verzichtet hatten,...

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zur Sache zu sprechen. Wir sind beim Landesverfassungsschutzgesetz und nicht bei Wahlvorgängen hier im Parlament.

Es steht im Sachzusammenhang, Frau Präsidentin.

(Manfred Dachner, SPD: Oh!)

… wurde die Wahl des von meiner Fraktion benannten Kandidaten für den Posten des zweiten Landtagsvizepräsidenten dennoch durch eine unabgesprochene Gegenkandidatur verhindert. Das hat uns leider bereits...

Herr Abgeordneter,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Herr Abgeordneter, wie gesagt, wir sind ja jetzt erst in der Einarbeitungsphase, insofern noch einmal der Hinweis: Wenn ich Sie ermahne, zur Sache zu sprechen, haben Sie das erstens nicht zu kommentieren. Zweitens erwarte ich, dass Sie meinen Hinweis dann auch berücksichtigen, weil wir sind bei der Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes, und dazu bitte ich Sie jetzt fortzufahren.

Ich werde mich bemühen, Frau Präsidentin.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es ist schlecht, wenn im Zeugnis steht: „Er hat sich bemüht.“)

„Das Vertrauen“, sagte Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck, ein anerkannter Meister der Staatskunst, 1873 im preußischen Herrenhaus, „ist eine zarte Pflanze. Ist es zerstört, so kommt es so bald nicht wieder.“ Vertrauen ist gut, klare und eindeutige Rechtsansprüche sind besser. Unser Gesetzentwurf trägt diesem einfachen Prinzip maßvoll und ausgewogen Rechnung. Er baut auf dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen auf und hält in klaren, transparenten und eindeutigen Bestimmungen fest, was in einer Demokratie für alle selbstverständlich sein sollte. Deshalb appelliere ich an Sie, sehr verehrte

Damen und Herren Kollegen, unseren Gesetzentwurf zunächst in den Ausschuss zu verweisen und letztendlich zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Krüger für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege, Sie haben sehr viele Worte für eine relativ kleine Änderung gefunden, die Sie hier vorschlagen. Das hätte man auch mit einem Änderungsantrag machen können. Aber sei es drum, das ist Ihr gutes Recht, hier auch einen Gesetzentwurf einzureichen, das ist okay.

Meine Damen und Herren, die AfD hat sich gerade von jeder Form des Extremismus distanziert. Das finde ich gut, das eint uns, das freut uns. Das ist eine Grundlage, auf der wir arbeiten können. Ich gehe davon aus, dass Sie das auch genau so fünf Jahre durchhalten werden.

Was mich ein bisschen verwundert hat, ist Ihre Reduzierung, die Sie gemacht haben. Sie haben in Ihren Ausführungen so getan, als wenn der Verfassungsschutz bestimmte Extremismusarten ausklammern würde, als wenn der Verfassungsschutz auf irgendeinem Auge, wo auch immer, blind sein soll. Das weise ich zurück, das kann ich mir nicht vorstellen, aber um das am Ende auch vernünftig kontrollieren zu können, gibt es ja die Parlamentarische Kontrollkommission. Dafür schaffen wir uns Gremien, dass der Verfassungsschutz eben nicht völlig frei ist, sondern dass der Verfassungsschutz der parlamentarischen Kontrolle unterliegt, und deswegen gibt es dieses Gremium.

Warum unser Gesetzentwurf? Unser Gesetzentwurf schlicht und einfach deshalb, weil wir wollen, dass sich die parlamentarischen Mehrheiten auch in dem Ausschuss, auch in der Parlamentarischen Kontrollkommission widerspiegeln. Bei fünf Abgeordneten spiegelt sich das wider. Ich habe den Eindruck, da gibt es auch keinen Dissens zwischen uns. Das Zweite, was wir wollen: Wenn ein Ausschuss tagt, muss es natürlich auch Mehrheiten geben können, deswegen ist eine ungerade Anzahl von Mitgliedern in einem Ausschuss nachvollziehbar, richtig und vernünftig.

Meine Damen und Herren, ich will noch mal darauf hinweisen, der Kollege Renz hat zu Recht gesagt, wenn man hier vorn redet, sollte man sich die Datengrundlage vorher angucken. Wenn Sie das nächste Mal über Extremismus im Land Mecklenburg-Vorpommern reden, schauen Sie sich an, an welchen Stellen wie viel in diesem Land passiert ist! Dann werden Sie schnell auf eine Datengrundlage kommen, die Ihnen aufzeigt, dass wir gerade in dem Bereich, den Sie hier etwas an die Seite geschoben haben, nämlich dem Rechtsextremismus, in Mecklenburg-Vorpommern die meisten Probleme haben. Und ich gehe davon aus, dass der Verfassungsschutz auch genau dieses im Auge haben wird.

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt zwei Gesetzentwürfe, die eine große Ähnlichkeit aufweisen. Ich gehe davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss diese Gesetzentwürfe miteinander beraten und dort vernünftige Entscheidungen treffen werden. Wir werden der Überweisung zustimmen. – Besten Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Christiane Berg, CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krüger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ritter für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant, was der Kollege Komning alles so weiß, obwohl er noch gar nicht in der PKK ist. Man kann also vieles von dem, was er hier vorgetragen hat, aus öffentlichen Medien entnehmen. Daraus sozusagen die Notwendigkeit der Zusammensetzung in der PKK abzuleiten, das ist schon ein bisschen abenteuerlich. Er hat auch hier sozusagen das Weltbild der AfD-Fraktion dargestellt, die Bedrohungsszenarien offengelegt, hat zu Beginn alle Extremismusformen aufgezählt, sich dann aber in der Mitte seiner Rede sehr wesentlich nur mit zwei Extremismusformen beschäftigt, nämlich dem Linksextremismus und dem islamistischen Terror. Rechtsextremismus kam da gar nicht mehr vor. Das ist auch kein Wunder. Wer zulässt, dass bei einer AfD-Demo der Herr Petereit an der Spitze marschiert, der hat natürlich keinen Grund, hier auf Rechtsextremisten herumzuhacken.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Ach nein, Sie haben ihn ja nicht gekannt! Sie wussten ja nicht, wer Herr Petereit ist! Entschuldigen Sie bitte!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, beide Gesetzentwürfe stellen dar, dass der Parlamentarischen Kontrollkommission eine wesentliche Bedeutung zukommt. Wenn man dies unterschreibt, müsste man eigentlich die Parlamentarische Kontrollkommission nicht verkleinern, sondern vergrößern, aufwerten, sie mit den Rechten und Mitteln eines normalen parlamentarischen Ausschusses versehen, das heißt also, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen die Möglichkeit geben, den Abgeordneten, die in der PKK sitzen, sozusagen hilfreich zur Seite zu stehen. Alles das ist nicht gegeben. Und folgt man dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, dämmen wir die Möglichkeiten, die personellen Möglichkeiten der PKK sogar noch ein. Wie wir da der wesentlichen Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle nachkommen wollen, das erschließt sich mir nicht.

Die parlamentarische Mehrheit wird widergespiegelt durch beide Gesetzentwürfe, aber die parlamentarische Kontrolle wird durch beide Gesetzentwürfe nicht gestärkt. Und auch den öffentlichen Erwartungshaltungen an eine parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes werden wir nicht gerecht. Ich nenne hier den Abschlussbericht des NSUPUAs des Bundestages, wo detailliert vorgeschlagen worden ist und Erwartungshaltungen auch an die Länder

formuliert worden sind, wie parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes auszusehen hat. Mit der Verfassungsschutzgesetznovelle der letzten Legislaturperiode haben wir fast keiner dieser Empfehlungen des Bundestags-PUAs entsprochen. Jetzt sind wir in einer Situation, wo wir die parlamentarische Kontrolle wieder einschränken, indem wir die Zusammensetzung der PKK verringern wollen. Auch das entspricht nicht den Erwartungshaltungen im Umgang mit der Aufklärung der NSU-Verbrechen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre es angezeigt, dass wir uns darüber hinaus neben den Gesetzentwürfen auch in dieser Legislaturperiode mit Mitteln und Möglichkeiten beschäftigen, die öffentliche Kontrolle der Arbeit des Verfassungsschutzes zu stärken, also nicht nur die parlamentarische Kontrolle hinter verschlossenen Türen mit den Informationen, mit denen man in der Öffentlichkeit nichts anfangen kann, sondern die öffentliche Kontrolle, die öffentliche Begleitung der Arbeit des Verfassungsschutzes in diesem Land.

Meine Fraktion hat in dem Zusammenhang auch sehr aufmerksam die Formulierungen im Koalitionsvertrag gelesen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, wenn angesichts der bevorstehenden Herausforderungen bei der weiteren Aufklärung der NSU-Verbrechen den Oppositionsfraktionen der Dialog angeboten wird, dann warte ich dringend auf dieses Dialogangebot. Vielleicht ist der mahnende Jahrestag des Auffliegens des NSU-Verbrechertrios ein geeigneter Zeitpunkt, diesen Dialog miteinander aufzunehmen und in der Öffentlichkeit darüber zu diskutieren, wie es zu diesen Verbrechen kommen konnte, wie sich Strukturen entwickeln konnten, wo auch Versagen der Sicherheitsbehörden in diesem Land auf der Tagesordnung waren, um daraus gemeinsam die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Ich habe dieses Dialogangebot zur Kenntnis genommen. Ich hätte mich viel mehr gefreut, wenn im Koalitionsvertrag das Stichwort „NSU Parlamentarischer Untersuchungsausschuss à la Mecklenburg-Vorpommern“ zu finden gewesen wäre, denn das wäre die richtige Antwort gewesen. Hier gehen wir einen Schritt zurück. Die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes wird nicht gestärkt, lediglich die parlamentarischen Mehrheiten in der PKK finden eine neue Widerspiegelung. Wir stimmen der Überweisung beider Gesetzentwürfe in den Innenausschuss zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ritter.