Protocol of the Session on July 12, 2017

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der AfD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Grenzen schützen – Solidarität mit Italien“ beantragt.

Aktuelle Stunde Grenzen schützen – Solidarität mit Italien

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Komning.

Wertes Präsidium! Meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Bürger dieses Landes! Hamburg und Linksextremismus – G20 ist sicher ein aktuelles Thema. Wir werden deshalb ja auch – ich glaube, jede Fraktion – einen Dringlichkeitsantrag einbringen. Mindestens aber ebenso bedeutsam, weil unmittelbar bevorstehend und damit noch abwendbar, ist die erneute Flutung Deutschlands mit fremden Menschen.

(Thomas Krüger, SPD: Flutung?! Alles klar. Wir reden über Menschen, ne?!)

Eine kurze juristische Lehrstunde, Herr Krüger, auch für Sie – als gestandener Jurist darf ich mir das, glaube ich, erlauben –:

(Torsten Renz, CDU: Es würde uns was fehlen.)

Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2002/90/EG des Europäischen Rates sagt, ich zitiere: „Jeder Mitgliedstaat legt angemessene Sanktionen für diejenigen fest, die … einer Person, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats ist, vorsätzlich dabei helfen, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Verletzung der Rechtsvorschriften des betreffenden Staates über die Einreise oder die Durchreise von Ausländern einzureisen oder durch dessen Hoheitsgebiet zu reisen“. So weit die Richtlinie.

Diese Richtlinie wurde in Paragraf 96 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz in nationales Recht umgesetzt. Hiernach wird die Strafnorm des Paragrafen 96 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz, nämlich des Einschleusens von Ausländern in das Staatsgebiet Deutschlands, auch auf die Außengrenzen Europas ausgedehnt, wenn jemand einen Ausländer, ohne im Besitz eines nach Paragrafen 14 Aufenthaltsgesetz erforderlichen Passes oder Passersatzes zu sein, dabei unterstützt, in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union einzureisen. So weit die gesetzlichen Normen.

Verbringt also ein sogenanntes Rettungsschiff einer sogenannten Nichtregierungsorganisation aus dem Mittelmeer an Bord des Schiffes bereits Gerettete, mithin in Sicherheit befindliche Menschen, auf europäisches Staatsgebiet, ist diese Überfahrt, also die Einfahrt in die Hoheitsgewässer des europäischen Grenzstaates, eine strafbare Handlung. Nicht die Rettung vor dem Tode ist kritikwürdig,...

(Thomas Krüger, SPD: Na Gott sei Dank!)

Gott sei Dank, ja, ja.

… es ist die Verbringung der geretteten Menschen von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa. Diejenigen, die dies dulden oder gar ermöglichen, machen sich nämlich nicht nur der Beihilfe eines solchen strafbaren Verhaltens schuldig, sondern sind ebenso verantwortlich für den Tod vieler Menschen, die die Hoffnung darauf ha

ben, von einem solchen Mittelmeertaxi aufgenommen und hinübergebracht zu werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Taxi?! Wissen Sie, unter welchen schlimmen Bedingungen diese Menschen die Flucht machen?)

Die Duldung, Herr Krüger, dieses Rechtsbruches ist aus meiner Sicht ebenso unerträglich wie die dadurch provozierte Gesamtsituation. Italien hat schon damit gedroht, NGO-Schiffe nicht mehr in seine Häfen zu lassen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Laut Frontex gab es bereits von April bis Mai einen Anstieg von 77 Prozent bei Migranten, die die italienische Küste erreichen. Ende Juni spitzte sich die Lage nun weiter zu, als innerhalb von drei Tagen, meine Damen und Herren Kollegen, 12.000 Menschen nach Italien gebracht wurden. Die Bundesregierung reagiert darauf erneut einfallslos und bietet wieder an, diese illegale Migration durch Übernahme nach Deutschland abzufedern. Genau damit wird schon wieder der falsche Weg eingeschlagen, indem wir bedingungslos aufnehmen und am Ende die Kosten und Pflichten alleine tragen werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, Frontex zufolge wollen mehr als zwei Drittel aller Migranten aus rein ökonomischen Gründen in die EU kommen. Italienische Unterkünfte sind durch diese fragwürdige Grenzpolitik schon überfüllt, doch wird dies erst der Anfang sein, wenn man den Saisonverlauf der Schlepper kennt. Jedes Boot, das mit 500 Personen die libysche Küste verlässt, ist für Schlepper ein Verdienst von bis zu 2,5 Millionen US-Dollar. Das, meine Damen und Herren, ist ein unhaltbarer Zustand.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Doch was tun die EU-Eliten aktuell? Der jüngst in Tallin beschlossene Verhaltenskodex für NGO-Schiffe ist Sand in die Augen der Bürger, weil die Ursache des Problems nicht erkannt wird. Darin ist nämlich weder von einer aktiven, unter Umständen auch militärischen Bekämpfung der Schlepperstrukturen zu hören, noch wird die Taxifunktion – und ich sage es noch mal – der Rettungsschiffe problematisiert. Gerade die immer näher an der libyschen Küste operierenden NGO-Schiffe sind laut Frontex-Berichten ein unbestreitbarer Pull-Faktor.

Meine Damen und Herren, die EU hat es toleriert, dass eine Armada an Schiffen das Geschäft der Schlepper ankurbelt. Bezeichnend hierfür ist ein – ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben – kürzlich im Schweizer Fernsehen veröffentlichtes Wettrennen zwischen einem NGO-Schiff und der libyschen Küstenwache, um ein Schlepperboot zu erreichen. Anstatt die libysche Küstenwache, die mit EU-Geldern finanziert wird, ihre Arbeit machen zu lassen, wollte man um jeden Preis diese Menschen nach Italien verfrachten. Ein solches Beispiel ist aus meiner Sicht keine Rettungsmission, das ist pseudohumanitärer Menschenhandel.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und, meine Damen und Herren, es sind auch Schiffe aus Mecklenburg-Vorpommern aufgebrochen, um Leben zu

retten. Selbstverständlich begrüßt die AfD-Fraktion jegliche Rettung von ertrinkenden Menschen. Es kann aber nicht sein, dass im Anschluss an diese Rettung eine illegale Migration erfolgt, die zwangsläufig zu einer unbeherrschbaren Sogwirkung wird und gleichzeitig unseren Kontinent spaltet. Solange die Menschen eine reale Hoffnung haben, durch diese gefährliche Überfahrt nach Europa zu kommen, solange werden auch viele unschuldige Menschen im Mittelmeer ertrinken. Ein gereiftes europäisches Bewusstsein muss dieser Logik widersprechen und dafür sorgen, dass eine Lösung in Nordafrika durchgesetzt wird.

Sizilien ist nicht Rügen, aber wir alle sind Europa. Wir müssen uns auch in Mecklenburg-Vorpommern fragen, was diese Tragödie beenden kann. Herr Innenminister und Frau Justizministerin, sorgen Sie dafür, dass aus Mecklenburg-Vorpommern gestartete NGO-Schiffe ihre wichtige Rettungsmission fortsetzen, jedoch ohne als Trittbrettfahrer des Schleppertums zu agieren!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Zeigen Sie Ihre Solidarität mit Italien und gewährleisten Sie, dass sich NGO-Schiffe aus Mecklenburg-Vorpommern nicht länger an der illegalen Migration beteiligen! Zeigen Sie souveränes Verhalten, indem Sie Rettungsschiffe nur dann in Mecklenburg-Vorpommern ablegen lassen, wenn diese Ertrinkende nach ihrer Rettung direkt an die libysche Küstenwache übergeben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Lassen Sie anderweitig agierenden Mittelmeertaxis keinen strafrechtlichen Freiraum, denn diese sind das wahre Übel, das uns in eine neue Asylkrise stürzen wird! Zeigen Sie klare Kante gegen diese groteske Situation und beenden Sie die akute Not und die tödliche Gefahr im Mittelmeer! Verfolgen Sie die Schleuser aus Mecklenburg-Vorpommern strafrechtlich, die die afrikanischen Schlepper unterstützen! Lassen Sie diese Schleuser im Rahmen der Amtshilfe in Italien festsetzen und die Schiffe beschlagnahmen!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und, Herr Minister und Frau Ministerin, unterstützen Sie die italienische Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung solcher Schleuserstraftaten, denn Ihre Humanität misst sich an den Ergebnissen Ihrer Taten! Meine Damen und Herren, möge die Macht mit uns sein! – Vielen Dank.

(Beifall und Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Sehr geehrter Herr Komning, das Thema „gestandener Jurist“ würde ich mal infrage stellen. Jurist ja, aber die letzten Ausführungen haben mich jedenfalls sehr zweifeln lassen, denn zu vielen Dingen braucht man auch die rechtlichen Grundlagen. Und die sind in dem Fall nicht vorhanden, wie Sie es als gestandener Jurist ja sehr wohl wissen müssten. Zum anderen bin ich wieder mal erstaunt, was das Thema „Aktuelle Stunde“ betrifft. In der

Tat gibt es derzeit viele Themen, die das Land betreffen, die Platz gehabt hätten, um in der Aktuellen Stunde besprochen zu werden. Aber die AfD wäre nicht die AfD, wenn es nicht wieder um die Frage der Flüchtlinge gehen würde.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es. – Enrico Komning, AfD: Ja, weil Sie das Problem nicht lösen.)

Nun möchte ich betonen, wir reden in der Aktuellen Stunde des Landtages Mecklenburg-Vorpommern erneut über ein Thema, das überhaupt nicht in der Zuständigkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern liegt. Die Sicherung der Außengrenzen, Herr Komning, ist eine nationale und europäische Aufgabe. Die EU-Kommission ist involviert, die Bundesregierung spielt dabei eine wichtige Rolle, aber die Landesregierung MecklenburgVorpommern hat in dieser ganz konkreten Frage null Aktien.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es. – Peter Ritter, DIE LINKE: Die Grenzen zu Sachsen schließen. – Zuruf von Enrico Komning, AfD)

Gleichwohl, da Sie das jetzt auf die Tagesordnung gesetzt haben, beteilige ich mich natürlich genauso wie die Fraktion gerne an der Diskussion, außer Zweifel.

Der Flüchtlingszuzug über die Türkei und auf der Balkanroute ist seit dem Jahr 2015 extrem stark zurückgegangen. Entsprechend niedrig sind die Ankunftszahlen bei uns in Deutschland. Ja, es sieht anders aus auf der Mittelmeerroute. Schon vor zwei Jahren kamen rund 150.000 Flüchtlinge auf diesem Weg nach Europa, im letzten Jahr waren es 180.000. Vieles spricht dafür, dass es nicht unrealistisch ist, dass es in diesem Jahr 200.000 oder mehr werden. Es ist vollkommen verständlich, dass Italien in dieser Situation nach Hilfe ruft. Da müssen Sie nicht Deutschland kritisieren, im Gegenteil, wir müssen über die europäischen Länder reden, die nicht bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen,

(Thomas Krüger, SPD: Zum Beispiel das von Orbán.)

sondern nur die Hand aufhalten, wenn es um das Mittelverteilen geht. Also da sage ich, Solidarität ist erst mal von allen gefragt.

Die Reaktionen der einzelnen Staaten zu dem Hilferuf fallen leider unterschiedlich aus. Während Deutschland zusicherte, Italien monatlich mehr Flüchtlinge abzunehmen, fährt Österreich am Brenner Radpanzer auf.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Doch bei allen Differenzen sind sich die EU-Staaten in einem einig: Die EU-Außengrenzen müssen besser gesichert werden, vollkommen außer Zweifel. Frontex spielt dabei eine zentrale Rolle und muss nach meinem Dafürhalten wesentlich mehr gestärkt werden. Das ist im Gerangel um Kompetenzen und Zuständigkeiten natürlich nicht immer ganz einfach. Bis zum Aufbau einer echten europäischen Grenzpolizei ist es, glaube ich, noch ein weiter Weg. Aber das Ziel einer europäischen Grenzpolizei, die auch für die Sicherung der Grenzen zuständig ist und dementsprechend ausgestattet und ausgerüstet ist, sollten wir auf keinen Fall aufgeben.

Darüber hinaus liegt der Fokus vor allem auf der Operation „Sophia“, an der sich die Bundeswehr mit bis zu 950 Soldaten beteiligt. Gemeinsam im europäischen Verbund patrouillieren sie im Mittelmeer, machen Jagd auf Schleuser und retten Flüchtlinge vor dem Ertrinken. Operation „Sophia“ läuft seit 2015 mit durchaus gemischten Ergebnissen. Tausende Flüchtlinge konnten vor dem Ertrinken gerettet werden und zahlreiche Schlepper aufgegriffen werden. Einen positiven Effekt auf das Migrationsgeschehen hatte der Einsatz bisher nicht. Tatsächlich muss man feststellen, dass jede Rettungsmission den Schleusern in gewisser Hinsicht in die Karten spielt. Das ist vollkommen außer Zweifel. Sie müssen die Flüchtlinge nur noch über die libysche Seegrenze bringen, wo sie dann hoffentlich aufgenommen werden.

Es ist ein moralischer Konflikt, keine Frage. Ich finde jedoch nicht, im Gegensatz zu Ihnen, dass wir die Flüchtlinge auf hoher See ihrem Schicksal überlassen dürfen, um Fluchtanreize zu senken. Wir haben die humanitäre Pflicht, die Menschen zu retten,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Richtig.)