Protocol of the Session on May 18, 2017

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gedenktage und Gedenkstätten sind ohne Sinn, wenn sie nicht in Gegenwart und Zukunft hineinwirken. Wie wichtig die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte vor allem für junge Menschen ist, konnten Frau Landtagspräsidentin Bretschneider, Frau Kollegin Julitz und ich erst am Dienstag bei den Jugendbegegnungstagen in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück erleben. Am authentischen Ort mit einer authentischen Zeitzeugin, unserer langjährigen Begleiterin Batsheva Dagan, erschlossen sich Schülerinnen und Schüler einer 11. Klasse der Reuterstädter Gesamtschule viel Wissen über das Vergangene und diskutierten mit uns über das Heute und Morgen.

Wie wichtig die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte ist, zeigen auch aktuelle Debatten über Traditionen und Traditionspflege in den deutschen Streitkräften. Da werden Vorbilder und Namensgeber schon mal auf ihr Leben und Wirken nach 1945 reduziert, ihre Verantwortung für 1933 bis 1945 relativiert.

Ähnliche Diskussionen und Verhaltensmuster,

(Zuruf von Holger Arppe, AfD)

ähnliche Diskussionen und Verhaltensmuster – vielleicht hören Sie bis zu Ende zu – erleben wir auch, wenn es um die Auseinandersetzung mit unserer gemeinsamen jüngeren Geschichte geht. Ich habe hier im Landtag eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen erlebt, die so taten, als hätten sie erst 1989 das Licht der Welt erblickt, während andere wie ich, 1989 30 Jahre alt, allein für 40 Jahre DDR verantwortlich wären. Das allerdings wird der historischen Wahrheit nicht gerecht.

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen begrüßt meine Fraktion den Vorstoß der Koalitionsfraktionen, die Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 wachzuhalten und die Ereignisse jener Zeit, die sich nicht auf den Wendeherbst 1989 beschränken lassen, zu erforschen und für nachfolgende Generationen aufzuarbeiten. Allerdings meinen wir, dass ein solches Ereignis nicht losgelöst in der Gedenkstättenlandschaft unseres Bundeslandes betrachtet, sondern in ein landesweites Gedenkstättenkonzept eingebunden werden sollte. Ein solches vom Landtag debattiertes und beschlossenes Gedenkstättenkonzept fehlt und ist überfällig. Es ist aber auch leistbar, weil die Vorarbeiten für ein solches Konzept unter Federführung von der Landeszentrale für politische Bildung längst geleistet wurden.

Wenn wir also ein solches Gesamtkonzept erarbeiten, wie in unserem Änderungsantrag vorgeschlagen, kommen wir vielleicht auch zu anderen Überlegungen bei der Würdigung der Ereignisse der friedlichen Revolution, denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie und warum sollen die Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit der politischen Wende der Jahre 1989/90 auf diesen Zeitraum und auf einen Gedächtnisort beschränkt werden? Was ist zum Beispiel mit dem 17. Juni 1953, ohne den es den Wendeherbst 1989/90 nicht gegeben hätte? Welches ist der Ort mit besonderer Bedeutung in unserem Land? Waren möglicherweise? So schreiben die antragstellenden Fraktionen aber in ihrer Begründung doch selbst davon, dass auch in Mecklenburg-Vorpommern Menschen in vielen Städten und Gemeinden durch friedliche Aktivitäten zum Fall der Berliner Mauer beigetragen haben. Liegt also das Interessante jener Ereignisse nicht eher in der Vielfalt der Akteure und Ereignisorte? Und ist dann ein Gedächtnisort oder ein Denkmal nicht doch nur Symbolik?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erst am Montag besuchte mich ein Bürger der Reuterstadt in meiner Sprechstunde. Er und weitere Mitstreiter wollen die Geschehnisse des Herbstes 1989 in Stavenhagen dokumentieren. Ich wurde zur Zusammenarbeit eingeladen. Denn wer weiß noch etwas von den Demonstrationen in der Kaserne, von der in Gang gesetzten Militärreform, mit der unter anderem ein Zivildienst eingeführt wurde, ohne dass man dafür besondere Gründe vorgeben musste? Wer weiß noch etwas von den sich bildenden Soldatenräten, von den Diskussionen in den Offizierskorps der NVA und dem dort ausgeprägten Willen, den Einsatz bewaffneter Gewalt unter allen Umständen zu verhindern?

Dies für die jetzige und für die künftige Generation aufzuarbeiten, ist von großer Bedeutung. Lässt sich das allerdings an einem Ort durch ein Denkmal darstellen? Lässt sich die Verantwortung der Blockparteien und Mas

senorganisationen für die Entwicklung in der DDR bis 1989 und ihr Agieren in der friedlichen Revolution an einem Ort darstellen, wenn dies umfänglich erfolgen soll? Macht es Sinn, das Agieren der Runden Tische, welche Ausdruck gelebter Demokratie waren und auf verschiedenen Ebenen im Land wirkten, an einem Ort darzustellen? Ist es nicht daher sinnvoller, bereits bestehende Gedenkstätten und Museen im Land in ein Konzept einzubinden, welches sowohl die politische Entwicklung bis 1989, die Zeit des Wendeherbstes und die Zeit danach dokumentiert?

Wir haben doch bereits bei uns im Land Gedenkstätten, die Geschichte epochenübergreifend präsentieren, Neubrandenburgs Fünfeichen als Kriegsgefangenenlager und sowjetisches Speziallager zum Beispiel oder die Synagogen in Hagenow, Röbel und Stavenhagen, zur NS-Zeit niedergebrannt und zu DDR-Zeiten dem Vergessen preisgegeben. Dass diese Häuser heute wieder Stätten der Begegnung sind, ist auch Ergebnis der friedlichen Revolution. Oder nehmen wir die Versuche, die vielfältige Geschichte Proras aufzuarbeiten, oder die Jugendbegegnungsstätte des Volksbundes Kriegsgräberfürsorge auf dem Golm. Viele weitere Beispiele ließen sich nennen, an denen die Widerspiegelung unserer Geschichte bis hin und einschließlich der friedlichen Revolution 1989 bereits erfolgt oder eben auch künftig erfolgen sollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gedenkstätten und Erinnerungsarbeit lassen sich mit den Begriffen „Gedenken“, „Mahnen“, „Forschen“ und „Lernen“ beschreiben. Diesen Herausforderungen muss sich ein Gedenkstättenkonzept stellen. Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, ein solch geschlossenes Konzept zu erarbeiten, welches den unterschiedlichen Akteuren, Zielen und Ereignisorten der friedlichen Revolution in Mecklenburg-Vorpommern gerecht wird. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag, da er weniger eine Änderung, sondern mehr eine Ergänzung zum vorliegenden Antrag ist. Die Rede der Ministerin hat ja deutlich gemacht, dass sie durchaus Sympathie für unsere Herangehensweise hat. Sollte der Antrag aber wie angekündigt dem üblichen Verfahren zum Opfer fallen, werden wir uns dem Anliegen nicht verweigern und dem Antrag dennoch zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass unsere Idee, in MecklenburgVorpommern einen Ort zur Erinnerung und Bewahrung der Geschehnisse rund um die friedliche Revolution und den Mauerfall im Jahre 1989 zu schaffen, hier im Landtag so breite Unterstützung findet. Dennoch hat die Opposition erwartungsgemäß auch wieder etwas auszusetzen, das ist ihr Recht und überrascht mich daher nicht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir haben überhaupt nichts auszusetzen, mein Gott!)

Im Vorfeld der heutigen Sitzung wurde durch die LINKEFraktion darauf hingewiesen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Lösen Sie sich doch mal von Ihrer vorbereiteten Rede! – Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)

dass ein Gedenkstättenkonzept beraten und beschlossen werden sollte, das allen Epochen gerecht wird.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns die Gedenkstättenstruktur im Land angeschaut und mussten feststellen, dass es bislang keinen Ort gibt, welcher sich mit den Ursachen, Zusammenhängen und Hintergründen der friedlichen Revolution auseinandersetzt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Mann, Mann, Mann!)

Genau diese Lücke soll jetzt geschlossen werden.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Es ist dringend notwendig und erforderlich, dass die Erinnerung daran wachgehalten wird und beispielsweise Schulklassen diesen Ort für anschaulichen Unterricht vor Ort nutzen können.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, dann aber kostenlos.)

Zukünftig sollte die friedliche Revolution stärker im Unterricht thematisiert werden. Es ist wichtig, die Erinnerung daran wachzuhalten, um auch den nachkommenden Generationen die Leistungen der Menschen zu verdeutlichen. Es dürfte wohl einmalig sein, dass durch einen immer stärker werdenden friedlichen Protest ein diktatorisches System überwältigt und gestürzt werden konnte, ohne dass es Leid, ohne dass es Opfer gab.

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

Dieser Fakt kann nicht hoch genug bewertet werden. Gerade in der heutigen Zeit, in welcher wieder verschiedene Kriege die Sicherheitslage der gesamten Welt erschüttern, muss an diesen Mut und die Kraft der Menschen im Jahr 1989 erinnert werden. Diese haben sich trotz Gefahr für den eigenen Leib und die Zukunft ihrer Familien bewusst für eine Beteiligung an den friedlichen Protesten entschieden. Mit dieser Initiative wollen wir den Blickpunkt der Öffentlichkeit auf dieses Engagement lenken und der Erinnerung an die friedliche Revolution einen Ort geben. Wir wollen kein Konzept beschließen, das sowieso schon auf den Weg gebracht ist, darum geht es uns hier heute nicht.

(Vincent Kokert, CDU: Richtig.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die AfDFraktion hat sich im Vorfeld der Sitzung bereits zu diesem Antrag geäußert und kritisiert, warum die Idee für so ein zentrales Denkmal im Land erst jetzt kommt. Diese Argumentation finde ich schon sehr verwunderlich. Wenn die Idee so offensichtlich ist, frage ich mich, warum die AfD als Partei, die alle populistischen Themen bedient, so etwas nicht schon längst selbst gefordert hat.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ist das ein populistisches Thema?!)

Genau, weil diese Idee einfach nicht da war.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Oh, oh, oh! – Zurufe von Holger Arppe, AfD, und Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Angesichts der historischen Bedeutung der friedlichen Revolution für Deutschland finde ich es schon fast erbärmlich, dass die AfD versucht, nun dieses politische Wunder für die eigene Profilierung zu nutzen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das kommt davon, wenn man Reden nur vorliest.)

Von einer Partei, welche bekannt für ihre Äußerungen mit einer sehr speziellen Auslegung der deutschen Geschichte ist – ich erinnere nur an die Herren Höcke, Arppe oder Weber –,

(Holger Arppe, AfD: Danke.)

von einer solchen Partei brauchen wir keinerlei Belehrung. Ihre Fraktion hat in der letzten Landtagssitzung deutlich gemacht, was sie von diktatorischem Handeln hält. Aus Ihrer Sicht sollten wir als Demokraten einfach darüber hinwegsehen und so tun, als wäre nichts gewesen, wenn ein Staat einfach auf das Gebiet eines anderen anerkannten Staates eindringt und Gebiete annektiert. Genau das haben Sie verlangt, als Sie so getan haben, als seien die Sanktionen gegen Russland mehr oder minder eine politische Schnapsidee gewesen,

(Enrico Komning, AfD: Bitte sprechen Sie zum Thema!)

als wären die Sanktionen nicht die Reaktion auf die Tatsache, dass Russland Teile eines Nachbarstaates annektiert hat. Sie verlieren kein Wort darüber, dass in der Ukraine Menschen im Kampf für die Freiheit ihr Leben verloren haben und auch noch heute verlieren,

(Zuruf von Bert Obereiner, AfD)

dass dort Menschen nicht wissen, wo ihre Nächsten sind und ob es ihnen gut geht. Und gerade Sie stellen sich hin und wollen die Werte der Demokratie und Freiheit hochhalten.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Sie erheben den Vorwurf, dass das Eintreten der Menschen in der DDR für ihre Freiheit nicht früh genug von den Regierungsfraktionen zum Thema gemacht worden ist. Es tut mir leid, aber dieses Verhalten ist einfach nur scheinheilig, widersprüchlich und unverschämt.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch diese aktuellen Entwicklungen und Versuche der Profilierung zeigen deutlich, wie wichtig die Schaffung eines solchen Gedächtnisortes ist. Die Ereignisse der friedlichen Revolution liegen nun fast 28 Jahre zurück, deshalb muss über die Hintergründe und Ursachen aufgeklärt und dieses Wissen an kommende Generationen weitergegeben werden, damit es nicht gelingt, die friedliche Revolution zum Gegenstand populistischer Profilierung zu machen. – Vielen Dank für die Unterstützung des Antrages und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Borschke.